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015/050 – S1-Leitlinie
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM)
Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabort (WSA)
Teil 2: Therapieoptionen
Ziel dieser Leitlinie ist es, die Diagnostik und die Therapie des wiederholten Spontanabortes (WSA) anhand der aktuellen internationalen Literatur sowie der Erfahrung der beteiligten Kolleginnen und Kollegen evidenzbasiert zu standardisieren. Dies erfolgte unter Verwendung einheitlicher Definitionen, objektivierter Bewertungsmöglichkeiten und standardisierter Therapieprotokolle.
1 cm eine erneute Schwangerschaft negativ zu beeinflussen scheint (84), stützt den Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang. Die postoperative Heilungsphase scheint bei etwa zwei Monaten zu liegen (85), sodass danach ein erneuter Schwangerschaftseintritt vertretbar erscheint.
Bettina Toth und Kollegen*
(Korrespondenz Schweiz: Michael von Wolff)
Therapie
Genetische Faktoren Eine ursächliche Therapie von Chromosomenstörungen ist nicht möglich. Die Vermeidung von Fehlgeburten kann im Falle des Nachweises von maternalen oder paternalen Chromosomenstörungen nur über eine Auswahl von zytogenetisch unauffälligen Gameten oder Embryonen erfolgen. Hierzu ist allerdings die Anwendung einer Kombination von assistierten reproduktionsmedizinischen Behandlungen (ART) und einer Präimplantationsdiagnostik (PID) notwendig. Im Falle von maternalen Chromosomenstörungen kann eine Polkörperdiagnostik (PKD) an hierfür spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Diese ermöglicht aber nur eine Abklärung chromoso-
maler Fehlverteilungen der Oozyte, der männliche Chromosomensatz bleibt unberücksichtigt. Die PKD ist in Deutschland und in der Schweiz rechtlich zulässig. Die Präimplantationsdiagnostik, welche auch paternale chromosomale Fehlverteilungen anzeigt, wird wahrscheinlich auch in Kürze in der Schweiz erlaubt werden.
Anatomische Faktoren Uterusfehlbildungen Eine Cochrane-Metaanalyse (83) zeigte, dass bisher keine prospektiven randomisierten Studien zum Therapieeffekt einer Septumdissektion durchgeführt wurden und lediglich retrospektive unkontrollierte Studien einen Vorteil erhoffen lassen. Aufgrund der aktuellen Daten halten wir eine Septumdissektion bei WSA trotzdem für sinnvoll. Die Tatsache, dass ein nach der Operation verbliebenes Restseptum von zirka
Das Verfahren zur Konsensbildung
Die Leitlinie, die bereits in einer Vorversion aus dem Jahr 2006 vorlag, wurde der aktuellen Literatur und der bestehenden internationalen Leitlinie angepasst. Die Abstimmungen zwischen den Autoren erfolgten nach kontroverser Diskussion im schriftlichen Umlaufverfahren. Verabschiedet wurde eine Fassung, der alle Autoren nach mehreren Umläufen zustimmten. Leitlinienkommission und Vorstand der DGGG stimmten der Leitlinie im Januar 2014 zu. Die Gültigkeit der Leitlinie wurde durch den Vorstand der DGGG und die DGGG-Leitlinienkommission im Januar 2014 bestätigt (Erstellungsdatum: 12/2013). Die Gültigkeitsdauer der Leitlinie geht bis 01/2017.
*Autoren: Toth B. und Würfel W. (federführend) Bohlmann MK, Gillessen-Kaesbach, Nawroth F, Rogenhofer N, Tempfer C, Wischmann T, von Wolff M
Teil 1 der Leitlinie: Hintergrund, Ursachen, Abklärung – in: GYNÄKOLOGIE 2015; 2: 22–27. Bzw. unter www.ch-gynaekologie.ch: 2.2015 hier befindet sich auch die umfangreiche Quellenliste.
Myome Prospektiv randomisierte und kontrollierte Studien zum Nutzen einer Myomresektion existieren momentan nicht. In einer Studie (retro- und prospektive Daten) führte die Resektion submuköser Myome zu einer signifikanten Reduktion der Abortraten im 2. Trimester von 21,0 auf 0% (p < 0,01). Daraus resultierend stieg die Lebendgeburtenrate signifikant von 23,3 auf 52,0% (p < 0,05) (22). Die weitere Indikation für eine Myomenukleation bei WSA-Patientinnen ist auch in Abhängigkeit der Klinik (Hypermenorrhö, Grösse und Lage der Myome usw.) zu stellen. Polypen Ob Polypen das Abortrisiko beeinflussen oder ihre Resektion dieses senkt, ist momentan unklar. Zervixinsuffizienz Eine aktuelle, multizentrische, randomisierte Studie konnte keinen Benefit einer Cerclage im Vergleich zu einem konservativen Vorgehen zur Vermeidung einer Frühgeburt nachweisen (86). Ebenso gibt es keine eindeutigen Daten für den Nutzen einer Pessareinlage oder eines frühen totalen Muttermundverschlusses. Mikrobiologische Faktoren Ein generelles Screening wird zum heutigen Zeitpunkt aufgrund der kontroversen Datenlage nicht empfohlen. Im Rahmen einer erneuten Schwangerschaft sollte bei Verdacht auf eine vaginale Infektion eine adäquate Abklärung und Therapie erfolgen (29, 54), da Infektionen zu einem späteren Schwangerschaftszeitpunkt zu einer Zervixinsuffizienz, ei- GYNÄKOLOGIE 3/2015 35 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) nem vorzeitigen Blasensprung oder einem Amnioninfektionssyndrom führen können, was potenziell in einer Frühgeburt oder einem Spätabort resultiert. Eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie (n = 485) konnte zeigen, dass die Behandlung einer nachgewiesenen bakteriellen Vaginose zwischen der 12. und 22. Schwangerschaftswoche (SSW) mittels Gabe von Clindamycin (300 mg/Tag per os) die Inzidenz von Aborten im 2. Trimester beziehungsweise Frühgeburten signifikant reduziert (87). Endokrine Faktoren Die Datenlage zum Effekt einer Lutealphasensupplementation bei Aborten ist noch nicht gesichert. Eine CochraneAnalyse zeigte, dass eine routinemässige Gabe von Progesteron zur Vermeidung von Spontanaborten nicht effektiv ist, bei habituellen Aborten (≥ 3 konsekutive) möglicherweise aber schon (87). Allerdings schloss die Subanalyse bei habituellen Aborten nur vier qualitativ weniger hochwertige Studien mit nur insgesamt 225 Frauen ein. Ob die unklare Studienlage auch mit der Schwierigkeit zu tun hat, eine klinisch relevante Lutealphaseninsuffizienz zu diagnostizieren, ist offen. Grundsätzlich sollte deswegen eine Lutealphasensupplementation, beispielsweise mit vaginal appliziertem, mikronisiertem Progesteron, nur bei einer klinisch sehr wahrscheinlichen Lutealphaseninsuffizienz, das heisst bei deutlich verkürzten Lutealphasen und bei ≥ 3 habituellen Aborten, erwogen werden. Die Ergebnisse der grosssen Multizenterstudie PROMISE (www.medscinet.net/promise), die den Effekt einer Progesterongabe bei WSA untersucht, werden in Kürze erwartet. Eine manifeste Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion muss, gerade vor dem Hintergrund der angestrebten Schwangerschaft, immer abgeklärt und therapiert werden. Bei einer latenten Hypothyreose sollte – insbesondere bei Vorliegen von erhöhten Schilddrüsen-Autoantikörpern und einer Hashimoto-Thyreoiditis – eine Schilddrüsensubstitution mit dem Ziel durchgeführt werden, den TSH-Wert in den unteren Normbereich zu senken (34). Ein exakter Grenzwert ist bei der derzeitigen Studienlage allerdings nicht definierbar. Die Endocrine Society empfiehlt bei Sterilitätspatientinnen eine Senkung unter 2,5 mU/L (31). In der Schwangerschaft sollte die Thyroxindosierung um etwa 50% der Ausgangsdosierung angehoben werden. Bei einer latenten Hypothyreose kann postpartal die Schilddrüsensubstitution wieder abgesetzt werden. Da eine Metaanalyse keinen Effekt auf das Abortrisiko bei sporadischen Aborten gezeigt hat (88) und eine Senkung des Abortrisikos nur in kleinen unkontrollierten Studien nachgewiesen wurde (89), kann keine grundsätzliche Empfehlung zur Gabe von Metformin gegeben werden. Die Behandlung muss eine Einzelfallentscheidung bei einer definitiv nachgewiesenen Insulinresistenz sein. Es muss darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen Off-label-Einsatz handelt. Metformin ist in der Schwangerschaft nicht zugelassen, eine erhöhte Fehlbildungsrate wurde bei einer Einnahme in der Schwangerschaft aber bisher nicht festgestellt. Die aktuelle S3-Leitlinie zum Vorgehen bei Diabetes Typ II und Schwangerschaft empfiehlt die Umstellung von Metformin auf Insulin. Psychologische Faktoren Das im Zusammenhang mit WSA oft genannte Konzept des «tender loving care» (TLC) geht auf zwei Veröffentlichungen von Stray-Pedersen (90, 91) zurück. In einer Gruppe von 37 Frauen mit WSA, die – neben wöchentlichen Untersuchungen und dem Verweis auf körperliche Schonung (einschliesslich Bettruhe und Koitusverbot) – mit «optimaler psychologischer Unterstützung» behandelt wurden, wurden bei 32 Frauen Geburten erzielt, gegenüber 8 von 24 unbehandelten Frauen einer Vergleichsgruppe (90). Das ASRM-Practice-Committee wies allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine Kontrollgruppe gehandelt hatte, da die Zuteilung zur TLC-Gruppe respektive zur Vergleichsgruppe aufgrund des Wohnortes der Patientinnen erfolgte und Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich Lebensstilfaktoren, sozialer Unterstützung sowie anderer psychologischer Variablen unbekannt waren (92). Im Sinne der evidenzbasierten Medizin fehlt dem Konzept der TLC also noch eine wissenschaftliche Validierung mittels randomisierter, kontrollier- ter Studien. Auch zwei andere Studien, die im Zusammenhang mit «supportive care» (SC) aufgeführt werden, sind bisher nicht repliziert worden. Bei Clifford und Kollegen (93) war «supportive care» als wöchentliche Ultraschallkontrollen der Schwangerschaft definiert, bei Liddell und Kollegen (94) wurden zusätzlich dazu stressreduzierende Physiotherapie und ein «Entspannungstonband» angeboten. Eine Replizierung dieser Studien zum «tender loving care» (TLC) respektive SC erscheint aufgrund der vagen Interventions- und Stichprobenbeschreibungen kaum möglich. Da in den genannten drei Studien die Abortrate in der TLC- (bzw. SC-) Gruppe mit 14 bis 26% nahezu identisch ist mit der in der Allgemeinbevölkerung, kommen Saravelos und Li in ihrem Review zur Schlussfolgerung, dass es an der Zeit sei, die traditionelle Sichtweise auf TLC infrage zu stellen (95). Therapie immunologischer Faktoren Alloimmunologische Faktoren I Glukokortikoide Untersuchungen zeigen, dass eine Glukokortikoidtherapie die Aktivität der regulatorischen T- und B-Zellen erhöht und die Zytotoxizität von Nichtkillerzellen (NK) vermindert (96). Es gibt derzeit keine Studien, die eine Verbesserung der Lebendgeburtrate von WSA-Patientinnen mit auffälligen B- und T-Zell-Konzentrationen respektive NK-Toxizität unter Glukokortikoidbehandlung nachweisen. Eine Therapie mit Glukokortikoiden – vor allem, wenn höher dosiert – kann (längerfristige) Nebenwirkungen wie Entwicklung eines Gestationsdiabetes, einer arteriellen Hypertonie oder Störungen der kindlichen neurologischen Entwicklung auslösen (97, 98). Daher sollte diese Form der Behandlung (präexistenter) Autoimmunerkrankungen, die eine Therapie mit Glukokortikoiden auch in der Schwangerschaft erfordern, vorbehalten sein. I Intravenöse Immunglobuline Es gibt Hinweise, dass durch intravenöse Immunglobuline die Konzentration natürlicher Killerzellen im peripheren Blut herabgesetzt werden kann, möglicherweise auch deren Aktivität (99). Eine Beeinflussung TH1-vermittelter Immun- 36 GYNÄKOLOGIE 3/2015 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) interaktionen wird vermutet (99). Dennoch ist die Datenlage bei WSA uneinheitlich (99–102). Klare Indikationen für den Einsatz von Immunglobulinen sind derzeit nicht definiert, weshalb eine Gabe nur unter Studienbedingungen erfolgen sollte. Nebenwirkungen bis hin zum anaphylaktischen Schock respektive zur Übertragung von Infektionserregern sind selten, dennoch müssen die Patienten im Vorfeld über dieses Potenzial aufgeklärt werden. I Lipidinfusionen Aktuelle Studien legen nahe, dass Sojaöl-enthaltende Lipidinfusionen die Nichtkillerzellaktivität sowie die Bildung proinflammatorischer Zytokine senken (103). In kleineren Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass bei Frauen mit WSA respektive Implantationsversagen und erhöhter NK-Zellaktivität Lipidinfusionen die gleiche Effektivität und somit Verbesserung der LGR aufweisen wie intravenöse Immunglobuline (104–105). Aufgrund der wenigen Daten sollte die Gabe von Lipidinfusionen bei WSA-Patientinnen mit einer erhöhten NK-Zellaktivität derzeit nur unter Studienbedingungen erwogen werden. I Allogene Lymphozytenübertragung («Lymphozytenimmunisierung») Durch Übertragung von allogenen Lymphozyten (zumeist paternalen, selten Spenderlymphozyten) soll unter anderem das mütterliche Immunsystem für die Fremdantigenität (HLA) des Embryos sensibilisiert werden; es sind auch andere Effekte beschrieben wie die Induktion des progesteroninduzierenden Blockierungsfaktors. Bisher konnte in Metaanalysen kein Benefit für WSA-Patientinnen aufgezeigt werden (106). Zudem ist zu berücksichtigen, dass es bei der Übertragung von Blutprodukten zu Komplikationen kommen kann (z.B. Infektionsübertragung, Bildung irregulärer Autoantikörper, Induktion von Autoimmunerkrankungen). I G-CSF/GM-CSF Beide Zytokine gehören zu den koloniestimulierenden Faktoren, die die Proliferation und die Differenzierung neutrophiler Granulozyten respektive Makrophagen fördern (107). Bisher wurde in zwei Studien gezeigt, dass WSA-Patientinnen von einer G-CSF-Gabe im ersten Trimenon profitieren (108–109). Hinweise auf eine fetale Beeinträchtigung existieren bis jetzt nicht. Derzeit ist jedoch unklar, welche Subgruppe von WSA-Patientinnen von einer G-CSF-Gabe profitiert, sodass weitere (randomisierte) Studien notwendig sind, bevor eine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Ebenso gibt es erste Hinweise, dass WSA-Patientinnen unter reproduktionsmedizinischer Behandlung (In-vitro-Fertilisation) von der Anwendung eines Kulturmediums mit dem Zusatz von GMCSF (EmbryoGen®) profitieren (110). Auch wenn das Kulturmedium hierfür eine rechtskräftige Zulassung besitzt, sollten vor einer generellen Empfehlung noch weitere klinische Studien abgewartet werden (111). I TNFα-Rezeptorblocker Erhöhte Konzentrationen von TNFα im peripheren Blut findet man bei Autoimmunerkrankungen wie der primär chronischen Polyarthritis oder des Morbus Crohn. Es gibt Hinweise, dass auch eine Subgruppe von WSA-Patientinnen erhöhte TNFα-Konzentrationen aufweist und möglicherweise von der Gabe von TNFα-Rezeptorblockern (wie Adalimumab® oder Infliximab®) profitiert (102). Allerdings liegt derzeit nur eine randomisierte Studie vor, in welcher neben TNFα-Rezeptorblockern auch niedermolekulare Heparine sowie Immunglobuline zum Einsatz kamen (102). Die allgemein bekannten Nebenwirkungen reichen von Hautreaktionen über Infektionen bis hin zu seltenen Ereignissen wie einem arzneimittelbedingten Lupus (112). Zudem bestehen Bedenken in Hinblick auf eine mögliche Induktion maligner Erkrankungen durch TNFα-Blocker (113). Daher sollte der Einsatz von TNFα-Rezeptorblockern derzeit kontrollierten klinischen Studien sowie spezifischen Fragestellungen (z.B. Autoimmunerkrankungen: M. Crohn, chronische Polyarthritis) vorbehalten bleiben. Autoimmunologische Faktoren Während Frauen bei Vorliegen einer Autoimmunthyreoiditis und Hypothyreose von einer TSH-Einstellung auf < 2,5 mU/ml profitieren, gibt es zurzeit keine Hinweise, dass dies ebenso bei alleiniger Hypothyreose gegeben ist (32, 114). Im Falle einer Hashimoto-Thyreoiditis gibt es derzeit keine validen Daten, dass eine zusätzliche Gabe von Selen (200 µg) oder auch Aspirin (100 mg) die Lebendgeburtenrate erhöht. Bei bekanntem Morbus Basedow sollte eine Kontrolle der Antikörper vor der 22. SSW und gegebenenfalls eine Behandlung mit Propylthiouracil (z.B. 100–150 mg/8 h im 1. Trimester bzw. Methimazol im 2. und 3. Trimester) erfolgen (66, 67). Aufgrund der uneinheitlichen Datenlage zum Vorkommen von antinukleären Antikörpern bei WSA sind die derzeitigen Therapiestrategien (Aspirin, Glukokortikoide, niedermolekulares Heparin) inkongruent, und es kann keine Empfehlung abgegeben werden. Bei Nachweis von antinukleären Antikörpern sollte eine weitere Differenzierung der Antikörper erfolgen, um sogenannte SS-A/Ro- und SS-B/La-Antikörper auszuschliessen, wie sie beispielsweise beim Sjögren-Syndrom oder bei Lupus erythematodes nachweisbar sind. Neben einem neonatalen Lupussyndrom können die Antikörper bereits in der Fetalzeit zu einem AV-Block führen. In diesem Fall muss eine sonografische Überwachung des Fetus zum Ausschluss einer fetalen Bradyarrhythmie und gegebenenfalls die Anwendung von Kortikosteroiden eingeleitet werden. Die Betreuung der Schwangeren sollte gemeinsam mit erfahrenen Kollegen und Kolleginnen der Rheumatologie erfolgen. Zurzeit liegt lediglich eine retrospektive Studie zur Behandlung von Frauen mit einer Zöliakie und WSA vor (n = 13) (115). Die Frauen profitierten hier von einer glutenfreien Diät, allerdings fehlen weitere (randomisierte) Studien, um eine grundsätzliche Therapieempfehlung, beispielsweise bei Frauen mit positiven Gewebstransglutaminase- Antikörpern ohne klinische Beschwerden, zu geben. Unabhängig davon sind mögliche Therapieempfehlungen durch den Gastroenterologen zu sehen. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass WSA-Patientinnen beim Vorliegen eines Anti-Phosphoslipid-Syndroms von der Gabe von Aspirin (100 mg/Tag) und niedermolekularem Heparin profitieren (116). GYNÄKOLOGIE 3/2015 37 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) 38 GYNÄKOLOGIE 3/2015 Tabelle: Interventionsstudien mit Heparin(en) bei Frauen mit habituellen Aborten mit und ohne Nachweis einer hereditären Thrombophilie Studie Brenner et al., 2000 (83) Anzahl Patientinnen 50 (61 Schwangerschaften) Carp et al., 2003 (83) 85 Gris et al., 2004 (85) 160 Brenner et al., 2005 180 (Live-Enox-Studie) (86) Dolitzky et al., 2006 (87) 104 Badawy et al., 2008 (88) 340 Fawzy et al., 2008 (89) 160 Laskin et al. 2009 (HepASAStudie) (90) 88 Fortsetzung nächste Seite Einschlusskriterien ≥ 3 Frühaborte oder ≥ 2 Spätaborte oder 1 IUFT und maternale Thrombophilie ≥ 3 Fehlgeburten und maternale Thrombophilie 1 ungeklärter Abort > 10. SSW und maternale Thrombophilie (Faktor-VLeiden, Protein-S-Mangel, Prothrombin-Mutation) ≥ 3 Frühaborte oder ≥ 2 Spätaborte oder 1 IUFT und maternale Thrombophilie Studienstart: 5.–10. SSW
Intervention
Ergebnis
Enoxaparin (40 mg) bei singulärer Thrombophilie vs. Enoxaparin (80 mg) bei kombinierter Thrombophilie; zusätzlich ASS (75 mg) bei APS; Vergleich mit historischer Kontrollgruppe Nihil vs. Enoxaparin (40 mg)
ASS (100 mg) vs. Enoxaparin (40 mg)
Austragungsraten: 75,4% (46/61) unter Intervention vs. 19,7% (38/193) in historischer Kontrollgruppe (p < 0,0001) Austragungsraten: 43,8% (21/48) vs. 70,2% (27/37) (p < 0,02) Austragungsraten: 33,8% (27/80) vs. 86,3% (69/80) (p < 0,001) Enoxaparin (40 mg) vs. Enoxaparin (80 mg) Austragungsraten: 84,3% (70/83) vs. 78,3% (65/83) (n.s.) ≥ 3 Frühaborte oder ≥ 2 Spätaborte und pos. Herzaktionen ≥ 3 idiopathische Fehlgeburten und pos. Herzaktionen Ausschluss bei maternaler Thrombophilie ASS vs. Enoxaparin (40 mg) Folsäure (bis 13. SSW) vs. Folsäure & Enoxaparin (20 mg) Austragungsraten: 84% (42/50) vs. 81,5% (44/54) (n.s.) Austragungsraten: 88,8% (151/170) vs. 94,7% (161/170) (p = 0,07) ≥ 3 idiopathische Fehlgeburten und Darstellung des Embryonalpols Enoxaparin (20 mg) vs. Prednison & Progesteron Ausschluss bei maternaler Thrombophilie (12. SSW) & ASS (75 mg; bis 32. SSW) vs. Plazebo ≥ 2 idiopathische Fehlgeburten und Anti-Phospholipid-Antikörper ASS-Monotherapie vs. Dalteparin (5000 U) & ASS (81 mg) oder/und hereditäre Thrombophilie oder/und antinukleäre Antikörper und pos. Herzaktionen oder serieller hCG-Anstieg Austragungsraten: 80,7% (46/57) vs. 84,9% (45/53) (n.s.) vs. 48% (24/50) (p < 0,05) Austragungsraten: 79,1% (34/43) vs. 77,8% (35/45) (n.s.) Kommentar Keine rein prospektive Untersuchung (Vergleich mit historischer Kontrollgruppe) Keine Plazebogruppe Unklare Randomisation Keine Plazebogruppe Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Plazebogruppe Keine habituelle Abortkonstellation Reine Dosis-Findungsstudie Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Plazebogruppe APL (~20% in jedem Arm) und MTHFR-Polymorphismen inkludiert Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Plazebogruppe Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Plazebogruppe Methodische Einschränkungen Sehr niedrige Abortraten (5,3 vs. 11,2%) Methodische Einschränkungen Unklare Verblindung (single blinded) Underpowered, Studie nach Interimsanalyse abgebrochen Keine Plazebogruppe APL (47,7% in jedem Arm) und ANA inkludiert 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) Legende: ANA = antinukleäre Antikörper; APS = Anti-Phosphoslipid-Syndrom; APL = Anti-Phospholipid-Antikörper; ASS = Azetylsalizylsäure; IUFT = intrauteriner Fruchttod; NMH = niedermolekulares Heparin; SSW = Schwangerschaftswoche. veröffentlicht 86,6% (191/220) vs. 87,9% (188/214) Daten bis dato nur als Abstract Austragungsrate (bis 24+0 SSW): Keine Plazebogruppe Keine Plazebogruppe für NMH Gruppe der tatsächlich Schwangeren ASS-Start vor SS-Beginn Keine Plazebogruppe Unklarer Thrombophiliestatus Underpowered, Studie nach Interimsanalyse abgebrochen Limitierte Ausschlusskriterien Unklare Ausschlusskriterien Unklarer Therapiebeginn Keine Plazebogruppe (keine Randomisierung) Underpowered, Studie nach Interimsanalyse abgebrochen Keine Plazebogruppe für NMH Unselektive Zugabe von ASS Dabei sollte die Therapie ab positivem Schwangerschaftstest starten und die Aspiringabe bis zur 32/0. SSW respektive die Gabe von niedermolekularem Heparin mindestens bis 6 Wochen postpartum erfolgen. Andere Therapieansätze wie Kortikoide, Immunglobuline oder Aspirin alleine haben im Gegensatz zu niedrigmolekularem und Aspirin keine signifikante Verbesserung der LGR von WSAPatientinnen mit Anti-Phospholipid-Syndrom gezeigt (116). Kommentar 61,6% vs. 69,1% vs. 67,0% (n.s.) Austragungsraten: 78,2% (115/147) vs. 80,2% (118/147) (n.s.) Austragungsraten: Intention-to-treat–Gruppe 50,8% vs. 54,5% vs. 57,0% (n.s.) Austragungsraten: 71% vs. 65% vs. 61% (n.s.) 84% «Gesamtaustragungsrate» (n.s.) Ergebnis Multivitaminpräparat vs. Multivitaminpräparat & Dalteparin (5000 U) bis zumindest 24. SSW Enoxaparin (40 mg) & ASS (75 mg) & engmaschige Überwachung vs. engmaschige Überwachung ASS (80 mg) vs. ASS & Nadroparin (2650 U) vs. Plazebo NMH & ASS (100 mg) (n = 54) Enoxaparin (40 mg) & Plazebo vs. Enoxaparin & ASS (100 mg) vs. ASS-Monotherapie (100 mg) Doppelblind für ASS NMH (n = 28) vs. Intervention ≥ 2 Frühaborte oder ≥ 1 Spätabort Studienstart: < 8. SSW und pos. Herzaktionen NMH ab Nachweis pos. Herzaktionen ≥ 2 idiopathische Fehlgeburten < 24. SSW Studienstart: < 7. SSW ≥ 2 idiopathische Fehlgeburten < 20. SSW (ohne biochem. SS) Studienstart: ASS & Plazebo vor SS Thrombophiliemarkern» 27,8% der Patienten mit «positiven ≥ 3 Frühaborte (< 13. SSW) oder ≥ 2 späte Fehlaborte (< 24. SSW) oder > 1 IUFT & 1 Frühabort Studienstart: < 7. SSW «ungeklärte Früh- und Spätaborte» Behandlungen der Thrombophilie Heparin Heparine – unfraktioniertes Heparin und niedermolekulares Heparin – unterscheiden sich in ihrem Molekulargewicht, der Plasmaproteinbindung, ihrer biologischen Halbwertszeit und der Nebenwirkungsrate. Sie weisen neben ihrer antikoagulatorischen Wirkung eine Vielzahl von Effekten auf molekularer Ebene der embryomaternalen Grenzfläche auf, die bis dato nur unvollständig verstanden sind (117). Sämtliche Heparine sind nicht plazentagängig; niedermolekulare Heparine gelten in der Schwangerschaft als vergleichsweise sicher (118). Wenn eine Indikation zur Heparinisierung in der Schwangerschaft gesehen wird, so sollten niedermolekulare Heparine aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils sowie der höheren Anwenderfreundlichkeit Verwendung finden (77). Der Enthusiasmus zu Beginn des Jahrtausends in Hinblick auf abortpräventive Effekte einer prophylaktischen Heparinisierung bei Frauen mit WSA nach Ausschluss eines Anti-Phospholipid-Syndroms konnte durch neuere Studien nicht fundiert werden (119) (Tabelle). Während ältere Kohortenstudien durchaus Hinweise auf positive Effekte einer Heparinisierung auf die Austragungsraten in Folgegraviditäten ergaben, liessen sich diese Effekte in prospektiv-randomisierten Studien nicht bestätigen. Hierfür könnten unterschiedliche Einschlusskriterien (primäre vs. sekundäre habituelle Aborte, Früh- vs. Spätaborte, Definition des Begriffs «habituell», Frauen mit vs. ohne hereditäre Thrombophilie) der jeweiligen Studien verantwortlich sein (132). Eine generelle Heparinisierung in Folgegraviditäten von Frauen mit idiopa- Einschlusskriterien Patientinnen Schenk et al., 2013 434 (EThIG2-Studie) Clark et al., 2010 294 (Spin-Studie) (93) Kaandorp et al., 2010 364 (ALIFE-Studie) (94) Visser et al. 2011 207 (HABENOX-Studie) (91) Monien et al. 2009 (92) 82 Anzahl Tabelle, Fortsetzung: Studie GYNÄKOLOGIE 3/2015 39 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) thischen habituellen Aborten ist bei bis dato fehlendem Wirkungsnachweis nicht indiziert (132–134). Für vorteilhafte Effekte einer prä- oder perikonzeptionellen Heparinisierung zur Prävention weiterer Aborte liegt ebenfalls keine Evidenz vor. Inwieweit Subgruppen von Patientinnen (solche mit nachgewiesener hereditärer Thrombophilie) tatsächlich von einer Heparinisierung in einer Folgegravidität profitieren, müssen weitere Studien klären. Zum jetzigen Zeitpunkt ist somit eine generelle Heparinisierung auch bei thrombophilen Frauen mit WSA (bei fehlendem Nachweis eines Anti-Phospholipid-Syndroms) alleine aus der Indikation «Abortprävention» ausserhalb klinischer Studien nicht indiziert (77, 119). Hiervon unabhängig ist das erhöhte Thromboembolierisiko (VTE) von thrombophilen Schwangeren zu sehen, das in speziellen Konstellationen (Antithrombinmangel; homozygote FVL-Mutation, «compound heterozygote FVL- und PTMutation» etc.) eine Antikoagulation zur mütterlichen VTE-Prophylaxe ebenso rechtfertigen kann wie bei zusätzlich auftretenden Risikofaktoren für eine VTE in der Schwangerschaft (Immobilisierung, Operation, übermässige Gewichtszunahme etc.). Bei positiver Eigenanamnese für thromboembolische Ereignisse sollte eine Heparinisierung in Schwangerschaft und Wochenbett erfolgen. Bei auffälliger Familien-, aber unauffälliger Eigenanamnese für thromboembolische Ereignisse und fehlendem Thrombophilienachweis erscheint eine durchgängige maternale Heparinisierung nicht angebracht. Für eine routinemässige Abklärung auf einzelne Gerinnungspolymorphismen (ACE, PAI etc.) und gegebenenfalls daraus abgeleitete therapeutische Konsequenzen besteht nach aktueller Datenlage ausserhalb wissenschaftlicher Fragestellungen keinerlei Evidenz. Azetylsalizylsäure (ASS ) Es liegen Hinweise aus einer nicht randomisierten Studie vor, dass bei Frauen mit habituellen Frühaborten und hereditärem Faktor-XII-Mangel eine ASS-Monotherapie (40 mg/Tag) das erneute Auftreten eines Abortes in einer Folgegravidität verhindern kann (135). Die Anwendung von ASS in der Gravidität zur Abort- prävention stellt jedoch eine Off-labelAnwendung dar. Monitoring in der Schwangerschaft – D-Dimere Die Plasmakonzentration dieser Fibrinspaltprodukte ist in der Gravidität erhöht, sodass die für Nichtschwangere etablierten Normwerte nicht als Referenzbereich herangezogen werden dürfen (136). Die D-Dimere-Konzentration weist eine positive Korrelation mit der Schwangerschaftswoche sowie der Anzahl der Feten (Einling vs. Mehrlinge) (137) auf und unterliegt zahlreichen Einflussfaktoren. Der Normbereich für D-Dimere ist zudem stark methoden- und assay-abhängig (138). Ein scheinbar positives Testresultat hat somit keine spezifische Aussagekraft. Die vorliegenden Daten lassen zudem keinen Rückschluss auf eine prognostische Aussagekraft des D-Dimere-Spiegels für das Schwangerschafts-Outcome (Abort vs. ausgetragene Schwangerschaft) zu (139). Somit besteht für eine – gar serielle – Bestimmung von D-Dimeren oder anderen Gerinnungsmarkern (Prothrombinfragmente, Protein S etc.) in der Gravidität in Hinblick auf eine Abortprophylaxe mit Heparin – bei fehlender therapeutischer Konsequenz (entgegen dem zunehmend zu beobachtenden Trend) – keine Indikation. Therapie des idiopathischen wiederholten Spontanaborts Die Lebendgeburtenrate von Frauen mit idiopathischen WSA beträgt ohne Therapie 35 bis 85% (131, 140). In einer Metaanalyse randomisierter Therapiestudien betrug die LGR von Frauen in den Kontroll- respektive Plazebogruppen zwischen 60 und 70% (141). Gerade bei Frauen mit idiopathischem WSA werden in der täglichen Praxis oftmals empirische Therapien eingesetzt. Dies ist aufgrund des starken Therapiewunsches der betroffenen Paare und der Frustration nach ergebnisloser Abklärung verständlich. Allerdings sollte auch in diesem Fall eine evidenzbasierte Beratung und Therapie betroffener Paare erfolgen. In einer Cochrane-Analyse von zwei randomisierten Studien an 189 Frauen mit sogenannten idiopathischen WSA wurde kein statistisch signifikanter Effekt auf die Lebendgeburtrate von Aspirin versus Plazebo und von Aspirin versus Enoxaparin nachgewiesen (142). In einer randomisierten Studie an 364 Frauen mit idiopathischen WSA wurde durch Aspirin im Vergleich zu Aspirin und Nadroparin sowie Plazebo kein Effekt auf die LGR erzielt (131). Progesteron im ersten Schwangerschaftstrimester wurde als Therapie von Frauen mit idiopathischen WSA in vier randomisierten Studien untersucht und zeigte einen signifikanten Therapieeffekt im Sinne einer Reduktion der Abortrate (143). In einer Cochrane-Analyse von drei randomisierten Studien führte Progesteron zu einer 61%igen relativen Reduktion der Abortrate (Odds Ratio [OR]: 0,38; 95%-KI: 02,0–0,70). Einschränkend muss angeführt werden, dass in den vier publizierten Studien nur 132 Frauen mit Progesteron behandelt wurden, die LGR als wesentlicher klinischer Endpunkt nicht untersucht wurde und die Studienqualität gering war (143). Ebenso ist zu erwähnen, dass die Einnahme von Progesteron und synthetischen Gestagenen und vielen anderen mit einem erhöhten Risiko für eine Hypospadie assoziiert ist (OR: 3,7; 95%-KI: 2,3–6,0) (144). Humanes Choriongonadotropin (hCG) in der Dosierung 5000 bis 10 000 IE im 1. und 2. Trimester wurde in vier randomisierten Studien an insgesamt 180 Frauen mit WSA untersucht, unter ihnen auch Frauen mit idiopathischen WSA. In einer Cochrane-Analyse dieser vier Studien führte hCG zu einer signifikanten Reduktion der Aborthäufigkeit (OR: 0,26; 95%KI: 0,14–0,52) (145). Daten zur LGR liegen nicht vor. Eine eigene Subgruppenanalyse für Frauen mit idiopathischen WSA liegt nicht vor. Eine Empfehlung zur Anwendung von hCG bei Frauen mit WSA kann daher derzeit nicht ausgesprochen werden. In einer dreiarmigen, randomisierten Studie mit 170 Frauen mit idiopathischen WSA wurden Enoxaparin und eine Kombination aus Prednison, Aspirin und Progesteron mit Plazebo verglichen (126). Die beiden aktiven Studienarme wiesen eine signifikant höhere Lebendgeburtrate als die Plazebogruppe auf (46/57 und 45/53 vs. 24/59). Die Qualität der Studie ist eingeschränkt. Es besteht ein Widerspruch zu den Ergebnissen der 40 GYNÄKOLOGIE 3/2015 015/050 – S1-Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM) qualitativ hochwertigeren Studie von Kaandorp (131). Weitere randomisierte Studien zu diesen beiden Therapiesche- mata existieren bis dato nicht. I Korrespondenzadresse Schweiz: Prof. Dr. med. Michael von Wolff Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: michael.vonwolff@insel.ch Gesamthaft, einschliesslich der umfangreichen Literaturliste, kann die Leitlinie unter www.ch-gynaekologie.ch – GYNÄKOLOGIE 2.2015 eingesehen werden. Folgende therapeutische Massnahmen sind bei Patientinnen mit WSA sinnvoll: 1. Genetische Faktoren: Polkörperdiagnostik oder Präimplantationsdiagnostik bei bekannten genetischen Auffälligkeiten des betroffenen Paares. 2. Anatomische Faktoren: Resektion eines uterinen Septums, Entfernung von Polypen. 3. Mikrobiologische Faktoren: Keine. 4. Endokrine Faktoren: Eine generelle Lutealphasensupplementation mit Progesteron bei Frauen mit WSA kann derzeit aufgrund der begrenzten Datenlage nur bedingt empfohlen werden. Die Ergebnisse der PROMISE-Studie sind deswegen abzuwarten. Bei Vorliegen einer Hypothyreose sollte – insbesondere bei erhöhten SD-Autoantikörpern und einer Hashimoto-Thyreoiditis – der TSH-Wert im tief normalen Bereich (ca. ≤ 2,5 mU/L) liegen. Eine Hyperthyreose sollte behandelt werden. Eine Empfehlung zur Gabe von Metformin kann nicht gegeben werden. 5. Psychologische Faktoren: Empathischer und entlastender Umgang mit der Patientin (und ihrem Partner) im Sinne der «patient-centered care» (individuell abgestimmte Informationsgabe und Angebot emotionaler Unterstützung) sowohl in der Arzt-Patientin-Beziehung als auch durch weiteres medizinisches Personal. Während einer laufenden Schwangerschaft sollte auch eine hochfrequente Kontaktaufnahme durch die Patientin mit WSA möglich sein. Eine prophylaktische stationäre Aufnahme der Patientin ist aus psychologischer Sicht weder notwendig noch von den Patientinnen erwünscht (147). Bei Bedarf ist an eine Vermittlung einer psychosozialen professionellen Trauerbegleitung zu denken (z.B. zur Unterstützung der Patientin/des Paares) mit Trauerritualen. Bei Verdachtsdiagnose einer depressiven Entwicklung ist das Hinzuziehen eines (ärztlichen oder psychologischen) Psychotherapeuten zur Abklärung der Behandlungsbedürftigkeit notwendig. 6. Immunologische Faktoren: Gabe von niedermolekularem Heparin und Aspirin bei Anti-Phospholipid-Syndrom. 7. Thrombophile Faktoren: Niedermolekulares Heparin bei Protein-C-, Protein-S-Mangel, FVL-Mutation, PT-Mutation aus maternaler Indikation erwägen; Vorstellung beim Hämostaseologen bei qualitativem oder quantitativem Antithrombinmangel. Folgende diagnostische und therapeutische Massnahmen sollten derzeit nur unter Studienbedingungen erfolgen: I Mikrobiologische Faktoren: Antibiotische Behandlung bei Nachweis einer chronischen Endometritis. I Immunologische Faktoren: Bestimmung der Antikörper gegen Gewebstransglutaminase zum Ausschluss einer Zöliakie und glutenfreie Diät bei Zöliakie, Bestimmung einer Th1/Th2-Ratio (Zytokinprofiling), regulatorische B- und T-Zellen, TNFα, periphere und uterine NK-Zellen, NK-Toxizitätstest, KIR-Rezeptor-Profiling, KIR-Expressionsanalysen, PIBF- oder HLA-Bestimmmung, v.a. HLA-C; Gabe von TNFα-Blockern, G-CSF, Immunglobulinen, Glukokortikoiden, Lipidinfusionen, allogene Lymphozytenübertragung, Gabe von Aspirin bei Nachweis von antinukleären Antikörpern. I Thrombophile Faktoren: Niedermolekulares Heparin aus embryofetaler Indikation, ASS 100 bei Faktor-XII-Mangel. I Mikrobiologische Faktoren: Grosszügige Behandlung einer nachgewiesenen bakteriellen Vaginose zwischen der 12. und 22. SSW mittels Gabe von Antibiotika. 42 GYNÄKOLOGIE 3/2015