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015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013
publiziert bei:
AWMF-Register Nr. 015/050 Klasse: S1
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Arbeitsgemeinschaft Immunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGIM)
Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabort
Inhalt
1. Ziel und Methode der Leitlinie 1.1 Ziel 1.2 Methode
2. Einleitung 3. Inzidenz und Definition 4. Ursachen und Abklärung
4.1 Genetische Faktoren 4.1.1 Chromosomenstörungen 4.1.2. Monogene Erkrankungen
4.2 Anatomische Faktoren 4.2.1 Uterusfehlbildungen 4.2.2 Myome 4.2.3 Polypen 4.2.4 Cervixinsuffizienz
4.3 Mikrobiologische Faktoren 4.4 Endokrine Faktoren 4.5 Psychologische Faktoren 4.6 Immunologische Faktoren
4.6.1 Alloimmunologische Faktoren 4.6.2 Autoimmunologische Faktoren 4.7 Angeborene thrombophile Faktoren 4.8 idiopathisch bedingte wiederholte Spontanaborte 5. Therapie 5.1 Genetische Faktoren 5.2 Anatomische Faktoren 5.2.1 Uterusfehlbildungen 5.2.2 Myome 5.2.3 Polypen 5.2.4 Cervixinsuffizienz 5.3 Mikrobiologische Faktoren 5.4 Endokrine Faktoren
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5.5 Psychologische Faktoren 5.6 Therapie immunologischer Faktoren
5.6.1 Alloimmunologische Faktoren 5.6.2 Autoimmunologische Faktoren 5.7 Behandlungen der Thrombophilie 5.7.1 Heparin 5.7.2 Acetyl-Salicyl-Säure (ASS ) 5.7.3 Monitoring in der Schwangerschaft – D-Dimere 5.8 Therapie des idiopathischen wiederholten Spontanaborts 6. Zusammenfassung 7. Literatur
1. Ziel und Methode der Leitlinie
1.1 Ziel Ziel der Leitlinie ist es, die Diagnostik und Therapie des wiederholten Spontanabortes (WSA) anhand der aktuellen (inter-)nationalen Literatur sowie der Erfahrung der beteiligten Kolleginnen und Kollegen evidenzbasiert zu standardisieren. Dies erfolgt unter Verwendung einheitlicher Definitionen, objektivierter Bewertungsmöglichkeiten und standardisierter Therapieprotokolle. Zielgruppe sind neben den Frauenärztinnen und -ärzten auch die humangenetisch, psychotherapeutisch, labormedizinisch, internistisch und allgemeinmedizinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen.
1.2 Methode Die Erstellung dieser Leitlinie erfolgte unter besonderer Berücksichtigung der bisherigen Empfehlungen (erste Erstellung der Leitlinie 2006, Überarbeitung 2008), der ESHRE Leitlinie von 2006 [1], den Richtlinien des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG 2011) [2], des American College of Obstetricians and Gynaecologists (ACOG 2002) [3] sowie des American College of Reproductive Medicine (2008) [4]. Zudem wurden mithilfe von Pubmed und der Cochrane Library aktuelle evidenzbasierte Studien zusammengefasst.
2. Einleitung
Die Begleitung von Paaren mit WSA ist eine Herausforderung für den betreuende(n) Arzt/Ärztin, da einige mögliche Ursachen bekannt sind, aber bei einem Großteil der Patienten keine Ursache gefunden wird. Der Leidensdruck der Paare ist hoch, was dazu führt, dass oftmals schon nach einem Abort eine ausführliche Diagnostik bzw.
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Behandlungsstrategie gefordert wird. Zudem divergieren therapeutische Ansätze aufgrund von mangelnder Studienlage und damit fehlenden evidenz-basierten Therapieempfehlungen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ursachen bzw. den therapeutischen Optionen bei WSA sind vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die Durchführung randomisierter Doppelblindstudien gerade in diesem Kollektiv schwierig ist, da sich die Patientinnen selten rekrutieren lassen. Aufgrund der Heterogenität des Krankheitsgeschehens sind aber gerade (Sub-) Gruppenanalysen entscheidend, um mögliche Behandlungsstrategien gezielt zu untersuchen.
3. Inzidenz und Definition
Etwa 1-3% aller Paare im reproduktionsfähigen Alter erleben den wiederholten Verlust einer Schwangerschaft, was eine tiefgreifende Problematik für die Partnerschaft und die Lebensqualität darstellt [5]. Eine Fehlgeburt ist ein Verlust einer Schwangerschaft von Beginn der Zeugung bis zur 24. Schwangerschaftswoche (SSW) (WHO Guidelines) [2]. Die WHO-Definition des wiederholten Spontanabortes lautet: "drei und mehr konsekutive Fehlgeburten vor der 20. SSW" [2]. Die amerikanische Fachgesellschaft definiert bereits das Vorkommen von zwei konsekutiven Aborten als WSA [6]. Dies erhöht die Inzidenz des habituellen Abortgeschehens auf bis zu 5% [7]. In der vorliegenden Leitlinie dient die WHO Definition (≥ 3 konsekutive Aborte) als Grundlage für die Empfehlung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
Im Falle, dass noch keine Lebendgeburt stattgefunden hat, spricht man von primären WSA, nach einer stattgehabten Lebendgeburt von sekundären WSA [8]. Eine neuere Unterteilung, welche sich auf den Ablauf der Fehlgeburten bezieht, unterteilt nach wiederholten embryonalen (Abortivei) und fetalen (sonographisch nachweisbare Herzaktion bzw. histologisch nachweisbarer Embryo) Schwangerschaftsverlusten [4]. Aufgrund des steigenden mütterlichen Alters bei der ersten Schwangerschaft, insbesondere in Westeuropa, gibt es eine zunehmende Tendenz, bereits Patientinnen mit zwei Fehlgeburten einer ausführlichen Diagnostik zu unterziehen. Bei der Einschätzung, ob bereits nach zwei Fehlgeburten eine umfangreichere Diagnostik sinnvoll ist, spielt neben der genauen Abortanamnese auch die reproduktionsmedizinische Gesamtsituation des betroffenen Paares eine wesentliche
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Rolle. Dabei sollte eine sinnvolle Abklärung primär alle relevanten Abortursachen umfassen, gleichzeitig aber auch kosteneffektiv sein sowie therapeutische Konsequenzen einleiten.
Das Wiederholungsrisiko von Fehlgeburten schwankt in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren erheblich. Dabei nimmt neben dem Alter der Patientin auch die Anzahl der vorausgegangenen Aborte Einfluss. Tabelle 1 zeigt die Daten einer großen retrospektiven Registerstudie von Nybo-Andersen et al. [9].
Vorausgegangene Aborte
1 2 ≥3
25-29 Jahre
~15% ~22-24 ~40-42
30-34 Jahre
~16-18 ~23-26 ~38-40
35-39 Jahre
~21-23 ~25-30 ~40-45
40-44 Jahre
~40 ~40-44 ~60-65
Tabelle 1: Wiederholungswahrscheinlichkeit von Fehlgeburten in Abhängigkeit vom maternalen Alter und der Anzahl an vorausgegangener Aborten nach Nybo-Andersen et al. [9]
4. Ursachen und Abklärung
4.1 Genetische Faktoren
4.1.1 Chromosomenstörungen Die häufigste Ursache für rezidivierende Aborte stellen embryonale/fetale Chromosomenaberrationen dar [10, 11]. Allerdings sinkt der Anteil an chromosomal abnormen Feten mit steigender Zahl der Aborte. In einer zytogenetischen Studie an 233 Frauen mit sporadischen Spontanaborten fanden sich in 93% der Fälle Chromosomenanomalien und/oder morphologische Fehlbildungen der Embryonen [12]. Was WSA betrifft, stellt sich die Situation allerdings etwas anders dar. Mit zunehmender Zahl der Aborte sinkt die Zahl an embryonalen/fetalen Karyotypanomalien deutlich ab. Von 63% embryonalen/fetalen Karyoatypanomalien bei Frauen mit 2 Aborten fiel in einer Serie von 1309 Frauen mit 2-20 Aborten im ersten Trimester dieser Anteil kontinuierlich bis auf 11% bei Frauen mit 10 oder mehr Aborten [13].
Eine Chromosomenstörung kann im Abortmaterial oder durch Analyse des elterlichen Blutes nachgewiesen werden. Eine wesentliche Rolle spielen hier unbalancierte Translokationen, die aufgrund einer balancierten Translokation bei einem Elternteil entstehen. Hier finden sich sowohl Robertson`sche (die akrozentrischen
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Chromosomen 13,14,15,21 und 22 betreffend) als auch reziproke Translokationen [14]. In 2/3 der Fälle ist die Frau Trägerin der Translokation, nur in 1/3 der Mann. Viel seltener ursächlich sind strukturelle Aberrationen wie para- oder perizentrische Inversionen [10]. Beim Auftreten von mehr als 3 Aborten lassen sich in etwa 3 % der Fälle parentale Chromosomenstörungen nachweisen [14]. Die Wahrscheinlichkeit einer strukturellen Chromosomenaberration bei einem Elternteil erhöht sich auf ca. 5% wenn anamnestisch eine Totgeburt vorlag oder ein Kind mit Fehlbildungen geboren wurde. Je früher eine Fehlgeburt eintritt, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer embryonalen/fetalen Chromosomenstörung. So lassen sich im ersten Trimenon in etwa 50% der Fälle Chromosomenaberrationen nachweisen, während die Rate im zweiten Trimenon nur noch bei etwa 20% liegt [15, 16]. Mit zunehmendem mütterlichen Alter steigt das Risiko für embryonale/fetale Trisomien aufgrund von Chromosomenfehlverteilungen. Am häufigsten zeigt sich die Trisomie 16 (ca. 30%), gefolgt von der Trisomie 22 (ca. 14%). Triplodien finden sich bei etwa 15 % der zytogenetisch auffälligen Aborte. Eine Monosomie X ist für etwa 20% der Fehlgeburten im ersten Trimester verantwortlich. Für die Monosomie X, Polyploiden oder strukturelle Chromosomenstörungen ist kein Zusammenhang mit dem mütterlichen Alter erkennbar [12]. Das Wiederholungsrisiko bei numerischen Chromosomenstörungen ist sowohl abhängig von der Art der Trisomie wie auch vom mütterlichen Alter. Bei Vorliegen einer strukturellen Chromosomenstörung bei einem Elternteil ist die Wahrscheinlichkeit einer unbalancierten Chromosomenaberration im Abortmaterial oder beim Neugeborenen erhöht [15, 16]. Grundsätzlich muss immer an die Möglichkeit eines Keimzellmosaiks gedacht werden.
Bei drei und mehr Aborten sollte eine Chromosomenanalyse bei beiden Eltern erfolgen, ebenso wenn ein oder mehrere Aborte in Kombination mit einer Totgeburt oder einem Kind mit Intelligenzminderung oder Fehlbildungen aufgetreten sind. Vor jeder genetischen Diagnostik muss entsprechend dem Gendiagnostikgesetz eine Aufklärung über die geplante Untersuchung durch einen entsprechend qualifizierten Arzt oder Ärztin erfolgen. Zusätzlich muss ein schriftliches Einverständnis des Patienten vorliegen.
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Zeigt sich bei diesen Untersuchungen ein aberranter Karyotyp, sollte das Ergebnis entsprechend dem Gendiagnostikgesetz im Rahmen einer genetischen Beratung durch einen Facharzt/ eine Fachärztin für Humangenetik oder einen Arzt/Ärztin mit entsprechender Qualifikation gemäß GenDG mitgeteilt werden. Hier sollte auch auf die Möglichkeiten der Präimplantations- (ab Februar 2014) und Polkörperdiagnostik sowie der Pränataldiagnostik hingewiesen werden.
Eine Chromosomenanalyse aus Abortmaterial kann den betroffenen Eltern bei der Bewältigung des Abortgeschehens helfen. Hierfür benötigt man Chorionzottengewebe, embryonales oder fetales Gewebe. Das Gewebe sollte unmittelbar nach Erhalt in ein steriles Nährmedium oder auch in Kochsalzlösung gegeben werden (keinesfalls Formalin). Bei Nachweis einer strukturellen Chromosomenanalyse im Abortmaterial ist eine Chromosomenanalyse bei beiden Elternteilen indiziert, falls diese nicht bereits im Vorfeld erfolgte. In Zukunft wäre die Anwendung einer Array-CGH denkbar, da hier auch kleinere Aberrationen (Deletionen und Duplikationen) zu erfassen sind, die bei der konventionellen Chromosomenanalyse nicht detektiert werden können.
4.1.2. Monogene Erkrankungen Insbesondere bei X-chromosomal dominanten Krankheitsbildern mit Letalität im männlichen Geschlecht wie zum Beispiel der Incontinentia pigmenti oder dem GolzGorlin-Syndrom und anderen besteht ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten. Aber auch bei autosomal dominanten und rezessiven Krankheitsbildern, die schwere Fehlbildungen aufweisen, kann es zu einer erhöhten intrauterinen Mortalität kommen. In diesen Fällen, insbesondere wenn das Krankheitsbild pränatal nicht identifiziert wurde, sollte eine klinisch-genetische und pathologische Untersuchung des Feten erfolgen. Zeigt sich im Ultraschall ein Hinweis auf eine Skelettanomalie sollte auch eine Röntgenaufnahme (Babygramm) durchgeführt werden. Unbedingt notwendig ist die Asservierung von Blut oder Gewebe zur zytogenetischen oder molekulargenetischen Diagnostik. Nur unter der Voraussetzung, dass in solchen Fällen eine spezifische Diagnose gestellt wurde, ist im Rahmen einer humangenetischen Beratung eine Aussage über ein Wiederholungsrisiko möglich.
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4.2 Anatomische Faktoren
4.2.1 Uterusfehlbildungen Die Angaben über die Inzidenz uteriner Anomalien bei habituellen Aborten liegen in der Literatur bei 10-25% (im Vergleich zu 5% bei Kontrollen) [17] bzw. 3,2 – 6,9% [18]. Anerkannt ist die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Aborten bei Uterus septus. Das septale Endometrium zeigt unter anderem eine veränderte Expression von VEGF-Rezeptoren. Man vermutet, dass dies zu einer veränderten Vaskularisation bei der Plazentation führen und das erhöhte Abortrisiko bei Implantation im Septum erklären könnte [19]. Möglicherweise sind die unterschiedlichen Studienergebnisse durch die nachgewiesene erhebliche Untersuchervarianz bei der hysteroskopischen Diagnostik eines Uterusseptums erklärbar [20]. Inwieweit ein Zusammenhang von habituellen Aborten auch mit anderen Uterusfehlbildungen wie einem Uterus arcuatus oder bicornis besteht, wird unterschiedlich beurteilt. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der Prävalenz an Uterusfehlbildungen bei Frauen mit exakt zwei bzw. mehr als zwei Fehlgeburten, die Rate uteriner Veränderungen lag in beiden Gruppen bei etwa 40% [21]. Zur Diagnostik einer Uterusfehlbildung muss individuell entschieden werden, ob eine Hysteroskopie (alternativ Hysterosalpingographie) ggf. in Kombination mit einer Laparoskopie bzw. 3D-Sonographie erforderlich ist [17].
4.2.2 Myome In einer Auswertung retro- und prospektiver Daten von Patientinnen mit WSA lag die Inzidenz submuköser Myome bei 2,6% (25/966) [22]. Der Vorteil einer Myomenukleation bei WSA-Patientinnen ist aus methodischen Gründen aber nicht prospektiv randomisiert verblindet bewiesen. Für andere Myomlokalisationen ohne submukösen Anteil ist ein Zusammenhang unwahrscheinlich. Die Standarddiagnostik zur Beurteilung eines möglichen submukösen Myomanteils ist die Hysteroskopie.
4.2.3 Polypen Inwieweit auch Polypen als intracavitäre Pathologie in Analogie zu den submukösen Myomen das Abortrisiko beeinflussen, ist unklar. Häufig kommen sie – insbesondere
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als diffuse Mikropolypen – assoziiert mit einer chronischen Endometritis vor [23]. Zu ihrer Diagnostik und Lokalisation wird eine Hysteroskopie empfohlen. Chronische Endometritiden verlaufen häufig asymptomatisch und sind auch histologisch schwer zu fassen, dennoch gibt es Hinweise auf eine Assoziation mit WSA [24]. In einer aktuellen Arbeit konnte in 58% eines Patientenkollektives mit WSA (n=360) hysteroskopisch eine chronische Endometritis nachgewiesen werden, wobei in 68% ein positiver Kulturnachweis erbracht wurde. Hiervon ließen sich in 25% Mykoplasmen und Ureaplasmen und in nahezu 13% Chlamydien nachweisen. Durch antibiotische Therapie nach Antibiogramm konnte zum einen ein unauffälliger hysteroskopischer sowie kultureller Befund erreicht werden als auch eine signifikant höhere Schwangerschaftsrate (78%) [25].
4.2.4 Cervixinsuffizienz Insbesondere Aborte im 2. und 3. Trimenon werden häufig in Zusammenhang mit einer sogenannten Cervixinsuffizienz gebracht. Dennoch bleiben die Pathophysiologie sowie mögliche präkonzeptionelle diagnostische Marker bislang unklar.
4.3 Mikrobiologische Faktoren
Die Bedeutung mikrobiologischer Einflussfaktoren auf das rezidivierende Abortgeschehen wird kontrovers diskutiert, daher wird ein generelles Screening außerhalb der im Rahmen der Schwangerenvorsorge üblichen Abklärungen zum heutigen Zeitpunkt nicht empfohlen. Vaginale Dysbiosen aufgrund von bakteriellen, viralen oder parasitären Infektionen können zu einem vorzeitigen Blasensprung, einer Zervixinsuffizienz und einem Amnioninfektionssyndrom bzw. Frühgeburt oder Spätabort führen. Hierbei handelt es sich jedoch meist um ein sporadisches Geschehen. Die bakterielle Vaginose im 1. Trimester einer Schwangerschaft wurde als Risikofaktor für Aborte im 2. Trimester und Frühgeburten beschrieben [26, 27]. Eine Evidenz bezüglich einer Assoziation mit Aborten im 1. Trimenon liegt nicht vor [28]. Die Datenlage zur Bedeutung einer genitalen Besiedlung mit Erregern wie Chlamydia trachomatis, Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis ist ebenso widersprüchlich [8]. Es gibt Hinweise, dass vaginale Infektionen mit Mycoplasmen und Chlamydien mit WSA assoziiert sind, ein Beweis liegt jedoch nicht vor [29].
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Anzumerken ist, dass diese Erreger sehr häufig auftreten, wobei Mycoplasmen bei einem Drittel der sexuell aktiven Frauen in der Endozervix nachgewiesen werden [26]. Für Toxoplasma gondii und Listerien liegen keine entsprechenden Hinweise vor. Desgleichen werden Viren, insbesondere der Herpesgruppe, als mögliche Pathogene diskutiert, da diese chronisch-rezidivierende maternale Infektionen durch Persistenz und Reaktivierung hervorrufen können. So kann das Cytomegalievirus während der Schwangerschaft auf die feto-plazentare Einheit übergreifen und sowohl eine primärere Infektion als auch eine Reaktivierung auslösen [29]. Gleiches wird dem HerpesSimplex-Virus-Typ 2 und seltener dem Typ 1 zugeschrieben. Ebenfalls wird das Parvovirus als Verursacher von WSA diskutiert [29]. Eine Evidenz dazu liegt derzeit nicht vor.
4.4 Endokrine Faktoren
Als endokrine Ursachen kommen eine Lutealphaseninsuffizienz, Schilddrüsendysfunktionen sowie der Komplex metabolischer Störungen, die mit einer Adipositas, einem PCO-Syndrom, einer Hyperandrogenämie und einer Insulinresistenz assoziiert sind, in Frage. Eine Lutealphaseninsuffizienz konnte als Ursache für habituelle Aborte nie bewiesen werden, insbesondere, da sich keine klar definierten Normwerte für die Progesteronkonzentration in der Lutealphase definieren ließen. Lediglich bei deutlich verkürzten Lutealphasen und mehrtägigen prämenstruellen Schmierblutungen kann ggf. von einer relevanten Lutealphaseninsuffizienz ausgegangen werden. Bei der Schilddrüse ist zwischen manifesten und latenten Dysfunktionen sowie erhöhten Schilddrüsenautoantikörper-Konzentrationen zu unterscheiden. Die Datenlage hinsichtlich einer manifesten Hypo- und Hyperthyreose ist aufgrund der geringen Prävalenz begrenzt. Eine Assoziation wird zwar im Allgemeinen angenommen, konnte aber nie sicher bewiesen werden [30]. Zu den häufigsten Schilddrüsendysfunktionen bei WSA gehört die latente Hypothyreose. Allerdings ist die Datenlage hinsichtlich eines kausalen Zusammenhangs mit habituellen Aborten auch hier nicht eindeutig. Einer der Gründe dürfte sein, dass möglicherweise die TSH-Referenzwerte bei Kinderwunsch zu weit gefasst sind. Als oberer Grenzwert wird bei einer Infertilität von der Endocrine Society mit einem Evidenzlevel von 1 ein TSH-Wert von 2,5 mU/L angesehen [31]. In der Annahme, dass bei einem TSH-Wert ab 2,5 mU/L bereits eine latente
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Hypothyreose vorliegt, haben mehrere Studien ein erhöhtes Abortrisiko auch bei einer latenten Hypothyreose festgestellt [32, 33]. Liegen zusätzlich erhöhte Schilddrüsenautoantikörper vor, so gilt ein Zusammenhang mit habituellen Aborten jedoch weitgehend als gesichert [34]. Die Adipositas, das PCO-Syndrom, die Hyperandrogenämie und die Insulinresistenz sind als Ursachen habitueller Aborte aufgrund der Überlappung der Pathophysiologien nur bedingt zu trennen. Eine Assoziation einer Adipositas mit habituellen Aborten wurden in mehreren Studien beschrieben [35, 36]. Unklar ist, ob die Risikozunahme auf einem mit der Adipositas oft assoziiertem PCOSyndrom und der damit oft auch assoziierten Hyperandrogenämie und Glukoseintoleranz oder anderen metabolischen Veränderungen beruht. Von den genannten möglichen Ursachen scheint neben der Adipositas am ehesten die Insulinresistenz von Relevanz zu sein. So ist die Prävalenz einer Insulinresistenz bei habituellen Aborten erhöht [37]. Allerdings ist der Effekt einer Metformintherapie umstritten. Ältere Studien zeigten eine Reduzierung der Abortrate (37), wogegen eine randomisierte Multicenter-Studie aus dem Jahr 2010 keine Reduzierung nachweisen konnte [38].
4.5 Psychologische Faktoren
Aus Sicht der evidenzbasierten Medizin ist eine direkte Verursachung von WSA allein aufgrund psychologischer Faktoren wie z. B. (Alltags-) Stress nicht gegeben, so wie bei Fertilitätsstörungen im Allgemeinen auch nicht [39]. Monokausale und lineare Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge werden dem komplexen reproduktiven System des Menschen nicht gerecht [40, 41]. Nach jetzigem Erkenntnisstand ist höchstens eine mittelbare Beeinflussung über Verhaltensänderungen der Schwangeren (wie z. B. Einnahme von Genussgiften oder Mangelernährung) zu vermuten [42]. Die in der (älteren) psychosomatischen Literatur genannten Erklärungsmodelle für Spontanaborte bzw. WSA (wie z. B. [43]) sind entweder aufgrund ihrer theoretischen Vorannahmen einer empirischen Überprüfung nicht zugänglich oder sie sind bisher nicht repliziert worden. Die psychologischen Auswirkungen von WSA sollten hingegen nicht unterschätzt werden [44]. In der Regel lösen Spontanaborte und WSA bei den betroffenen Frauen (und ihren Partnern) Trauerprozesse aus, deren zeitliche Abläufe individuell sehr
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verschieden sein können [45]. Im Allgemeinen ist mit einer deutlichen Abnahme der Trauer nach spätestens 6 Monaten zu rechnen, wobei aber auch Verläufe bis zu einem Jahr zu beobachten sind [46, 47]. Aus psychologischer Sicht prognostisch günstig sind dabei eine unterstützende Partnerschaft und ein vorhandenes soziales Netzwerk sowie ein aktiv-konfrontativer Umgang mit den Aborten bzw. WSA, ungünstiger hingegen eine depressive und mit Schuldgefühlen assoziierte Verarbeitung [48]. Ungewollte Kinderlosigkeit und psychische Vorerkrankungen der Frauen gelten als Risikofaktoren. Das Vorhandensein von Kindern mindert nicht notwendigerweise die negativen emotionalen Auswirkungen des Schwangerschaftsverlustes. Ängstlichkeit, Trauer und Depressivität sind in den ersten Monaten bei Frauen nach WSA erhöht gegenüber Frauen nach singulärem Spontanabort, ein linearer Zusammenhang von Aborthäufigkeit und psychischer Belastung ist aber nicht zu beobachten [49, 50]. Generalisierbare Aussagen über das emotionale Erleben der Partner von Frauen nach WSA liegen bisher noch nicht vor [51].
4.6 Immunologische Faktoren
4.6.1 Alloimmunologische Faktoren Eine Aktivierung des Immunsystems (TH1-Anwort) führt gemäß der vorhandenen Studienlage zu einer eher ungünstigen Implantationssituation und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für WSA [52-54]. Nicht eindeutig belegt ist, dass eine Erhöhung des TH1/TH2-Quotienten bzw. des T4/T8-Indexes zu einem erhöhten Risiko für Aborte führt, wenngleich viele Autoren davon ausgehen. Dasselbe gilt für eine erhöhte TNF-α-Sekretion im Lymphozytenstimulationstest bzw. eine Erhöhung des TNFα-Wertes im Blut [55]. Generell können diese Bestimmungen für ein Routinescreening bislang nicht empfohlen werden. Anders ist die Situation, wenn der Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung besteht. Hier sollten in enger Kooperation mit den Rheumatologen ggf. weitere Untersuchungen veranlasst werden.
Die Bestimmung der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) im peripheren Blut bei WSA Patientinnen erfolgt derzeit ebenso wie die Bestimmung von uterinen NK-Zellen unter Studienbedingungen bzw. bei speziellen Fragestellungen [56]. Der NK-Toxizitätstest (aus der Onkologie stammend: Lyserate gegen Tumorzelllinien) wird derzeit von einigen Autoren favorisiert, wenn es um die Diagnostik von WSA geht [57]. Erste
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Studienergebnisse zeigen eine Korrelation zwischen WSA und einem pathologischen NK-Toxizitätstest, dennoch sollte auch dieser Test nur unter Studienbedingungen erfolgen.
Die Bestimmung der HLA-Identität beider Ehepartner kann nach derzeitiger Studienlage nicht generell empfohlen werden. Studien zeigen allerdings, dass eine erhöhte Abortwahrscheinlichkeit dann auftritt, wenn eine Übereinstimmung in den HLA-C-Gruppen vorliegt oder wenn "schwache" HLA-C-Gruppen auf Seiten des männlichen Partners (G2) vorliegen [58] . Eine erhöhte Abortwahrscheinlichkeit ist auch in mehreren Studien für bestimmte DRB1- bzw. DQB1-Merkmale bzw. deren Übereinstimmung belegt [59]. Dennoch sollten zunächst weitere Studien abgewartet werden, bevor eine Empfehlung abgegeben werden kann.
Daneben schein eine Korrelation zwischen paternalen HLA-C-Gruppen und den KIRRezeptoren auf Seiten der Frau zu bestehen, die zu einer erhöhten Abortrate führen kann (z.B. HLA-C-Gruppen G2 des Partners und Fehlen der drei aktivierenden KIRRezeptoren der Frau) [60, 61]. Auch diese Untersuchung kann derzeit nicht allgemein empfohlen werden und sollte speziellen Fragestellungen bzw. Studien vorbehalten bleiben. Dies gilt umso mehr, als die Bestimmung von Rezeptoren nichts über deren Expression aussagt, und damit die Interaktionen nicht komplett erfasst. Die "embryonalen" HLA-Gruppen wie HLA-E, F, G spielen eine wichtige Rolle in der Modulation der maternalen Immunabwehr. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass das Fehlen der einen oder anderen Gruppe auf der Oberfläche des Trophoblasten zu einem erhöhten Abortrisiko führt [62].Die molekulargenetische Bestimmung der genannten HLA-Gruppen z.B. bei der Frau in Kombination mit denen des Mannes bzw. direkt am Trophoblastengewebe ist derzeit nur in Studien etabliert. Ähnliches gilt für das H-Y-Antigen, das Sensibilisierungen gegen einen männlichen Embryo befördern soll [63].
4.6.2 Autoimmunologische Faktoren Die Autoimmunthyreoiditis vom Typ Hashimoto ist gekennzeichnet durch eine Hypothyreose und das Vorhandensein von Schilddrüsen-Autoantikörpern (Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK) und insbesondere Thyreoperoxidase (TPO)-AK [64]. Zahlreiche Studien konnten einen Zusammenhang zwischen dem
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Vorhandensein von TG- und TPO-AK und dem Auftreten von (frühen) WSA mit einer bis zu 54% höhere Fehlgeburtenrate bei Frauen mit nachweisbaren AK nachweisen [65]. Auch wenn die Prävalenz des Morbus Basedow mit TSH Rezeptorantikörpern (TRAK) nur 0,01-0,02 % bei schwangeren Frauen beträgt, ist das Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen bei unbehandelten Müttern erhöht [66, 67].
Antinukleäre Antikörper (ANA) geben einen (unspezifischen) Hinweis auf eine autologe Aktivierung des Immunsystems. Frauen mit einer bekannten autoimmunen Erkrankung wie z.B. einem systemischen Lupus erythematodes aber auch Gesunde weisen erhöhte Titer auf [68]. Die Datenlage bezüglich eines möglichen Einflusses von ANAs auf das Abortgeschehen ist uneinheitlich, so dass die Bestimmung von ANAs derzeit nicht als Routinediagnostik empfohlen wird.
Die Zöliakie ist durch eine Glutensensitivität charakterisiert, deren Assoziation mit
WSA kontrovers diskutiert wird. Dennoch können im Rahmen der Diagnostik WSA
Immunglobulin(Ig)-A-Antikörper
gegen
Gewebstransglutaminase
unter
Studienbedingungen bestimmt und bei positivem Befund ggf. eine Dünndarmbiopsie
durchgeführt werden [69].
Der unspezifische Nachweis von Antikörpern gegen anionische Phospholipide wie
Cardiolipine und ß2-Glykoproteine, sog. Anti-Phospholipid-Antikörper (APL-AK)
gelingt bei einigen Frauen mit WSA. Ein sogenanntes Anti-Phospholipid Syndrom
(APL-Syndrom) liegt allerdings nur dann vor, wenn gemäß der Definition in Abbildung
1 sowohl die klinischen als auch die Laborkriterien erfüllt sind. Etwa 2-15% der
Frauen mit WSA weisen ein APL-Syndrom auf [15]. Insbesondere sollte darauf
geachtet werden, dass die APL Antikörper-Titer auch bei der Kontrolle nach 12
Wochen im mittleren bis hohen Bereich liegen.
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Abbildung 1 : Diagnosekritierien für das Anti-Phospholipid Syndrom [70]
Klinische Kriterien ≥1 venöse oder arterielle Thrombosen 1 oder 2 unerklärte Fehlgeburten bei morphologisch unauffälligen Feten >10 SSW, ≥ 3 Aborte < 10. SSW ≥ 1 später Abort bzw. Frühgeburt < 34. SSW aufgrund einer Plazentainsuffizienz oder Präeklampsie
Laborkriterien ( zweimaliger Nachweis im Abstand von 12 Wochen) Anti-Cardiolipin - Ak (IgM, IgG) mittlere bis hohe Titer Anti-ß2-GGlykoprotein-1 – Ak (IgM, IgG) hohe Titer Lupus Antikoagulans
Legende Abbildung 1: für die einzelnen klinischen und laborchemischen Kriterien gilt, dass sie jeweils gemeinsam, aber auch einzeln auftreten können. Es muss per Definition aber mindestens ein klinisches und ein laborchemisches Kriterium erfüllt sein um die Diagnose Anti-Phospholipid Syndrom zu stellen
Im Rahmen von Studien können auch Antikörper gegen Annexin V und -bei spezifischen Fragestellungen- Antikörper gegen Untergruppen wie Phosphatidylsäure, Phosphatidylethanolamin usw. bestimmt werden. AntiPhospholipid-Antikörper haben eine Tendenz in der Schwangerschaft anzusteigen, dies kann allerdings auch erst sehr spät erfolgen [71]. Insofern schließen negative Anti-Phospholipid-Antikörper außerhalb der Schwangerschaft ein APL-Syndrom nicht sicher aus.
4.7 Angeborene thrombophile Faktoren
In den letzten Jahrzehnten wurden in zahlreichen Studien mögliche Zusammenhänge zwischen einer maternalen (sowie auch paternalen) Thrombophilie diskutiert. Dabei wurden zahlreiche prokoagulatorische Faktoren abgeklärt: Faktor V Leiden Mutation (FVL), Prothrombin G20210A Mutation (PT), Antithrombin-, Protein C-, Protein S-, Protein Z- oder Faktor XII Mangel, Erhöhung von Faktor VIII oder Lipoprotein A [72]. Der Pathomechanismus besteht möglicherweise in einer Thrombophilie-bedingten uteroplazentaren Thrombosierung, welche das plazentare und embryonale/fetale Wachstum beeinflusst [73]. Bis zu 15% der kaukasischen Bevölkerung weist jedoch einen der genannten Thrombophilie-Parameter auf [74]. Hinzu kommen Polymorphismen in den Genen der Methylen-Tetrahydrofolat
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Reduktase (MTHFR C677T), des Angiotensin-Converting Enzymes (ACE) sowie des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors (PAI), deren Prävalenz >10% liegt [74]. Die Häufigkeiten dieser Veränderungen in der Allgemeinbevölkerung sprechen gegen eine Monokausalität hereditärer Thrombophilien für WSA. Die Datenlage bezüglich einer erhöhten Risikokonstellation für WSA aufgrund einer maternalen Thrombophilie ist derzeit uneinheitlich: Gemäß älteren Meta-Analysen wurden sowohl habituelle Früh- als auch Spätaborte mit einem FVL, einer Prothrombin-Mutation bzw. einem Protein-S-Mangel assoziiert, wohingegen solche Assoziationen für den MTHFR-Polymorphismus, den Protein-C und den Antithrombin-Mangel – möglicherweise aufgrund zu geringer Fallzahlen – nicht gefunden wurden [75, 76]. Aktuelle Übersichtsarbeiten stellen Zusammenhänge zwischen habituellen Früh(heterozygote FVL, heterozygote PT-Mutation, Hyperhomocysteinämie), nichthabituellen Spätaborten (heterozygote FVL, heterozygote PT-Mutation) sowie intrauterinen Fruchttoden (heterozygote FVL Mutation, heterozygote PT-Mutation, Protein S-Mangel) und maternalen Thrombophilien her [77]. Die internationale Datenlage bzgl. hereditärer Thrombophilien bei Frauen mit WSA muss vor dem Hintergrund der ethnischen Zugehörigkeit und der damit differierenden Thrombophilie-Prävalenz der Untersuchten insgesamt kritisch gesehen werden, da in einer Studie mit ausschließlich Kaukasierinnen keine Zusammenhänge zwischen hereditären Gerinnungsstörungen und WSA hergestellt wurde [78]. Ein Zusammenhang zwischen Fehlgeburten und einer maternalen Thrombophilie konnte in prospektiven Kohorten-Studien ebenfalls nicht nachgewiesen werden [79, 80]. Somit gilt nicht automatisch jede Schwangere mit hereditärer Thrombophilie als für (habituelle) Aborte risikobehaftet. Diese Konstellation ist jedoch von Frauen mit bereits stattgehabten habituellen Aborten und nachgewiesener, spezifischer Thrombophilie abzugrenzen, da für Trägerinnen eines FVL signifikant niedrigere Lebendgeburtenraten als für Frauen mit einem entsprechenden Wildtyp des Gerinnungsfaktors in einer unbehandelten Folgeschwangerschaft vorzuliegen scheinen [81, 82]. Eine generelle Untersuchung auf hereditäre Thrombophilien wird bei Frauen mit WSA aufgrund der uneinheitlichen Datenlage in den internationalen Leitlinien (ASRM, Bates, RCOG) nicht (mehr) empfohlen [1, 4, 77]. Die britische Leitlinie sieht eine Abklärung auf maternale Thrombophilien (FVL, PT-Mutation, Protein S Mangel) nur
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bei unklaren Fehlgeburten im 2. Trimester als indiziert an [1]. Die ASRMEmpfehlungen schlagen eine Thrombophilie-Abklärung bei Frauen mit WSA ausschließlich bei positiver Eigen- oder Familienanamnese für thromboembolische Ereignisse vor [4]. Im Sinne einer abgestuften Diagnostik raten wir zur Untersuchung folgender Faktoren bei Frauen mit WSA: Antithrombin-Aktivität, APC-Resistenz, Molekulargenetischer Ausschluss einer PT-Mutation. Bei auffälliger APC-Resistenz sollte im zweiten Schritt eine FVL-Mutation ausgeschlossen werden. Bei Frauen mit thrombembolischen Ereignissen in der Familien- oder Eigenanamnese sollten zusätzlich die Aktivitäten von Protein S und C bestimmt werden, wobei insbesondere für Protein S-Bestimmungen eine zumindest achtwöchige Karenz zur einer Schwangerschaft oder der Einnahme von Sexualsteroiden herrschen sollte. Gemäß der aktuellen Datenlage ist die Bestimmung eines MTHFR-Polymorphismen nicht notwendig.
4.8 idiopathisch bedingte wiederholte Spontanaborte Idiopathische WSA liegen dann vor, wenn die Kriterien für die Diagnose WSA erfüllt sind und genetische, anatomische, endokrine, etablierte immunologische sowie hämostaseologische Faktoren ausgeschlossen wurden. Der Anteil idiopathischer WSA am Gesamtkollektiv von Frauen mit WSA beträgt 50-
75% [3].
5. Therapie
5.1 Genetische Faktoren Eine ursächliche Therapie von Chromosomenstörungen ist nicht möglich. Die Vermeidung von Fehlgeburten kann im Falle des Nachweises von maternalen oder paternalen Chromosomenstörungen nur über eine Auswahl von zytogenetisch unauffälligen Gameten oder Embryonen erfolgen. Hierzu ist allerdings die Anwendung einer Kombination von assistierten reproduktionsmedizinischen Behandlungen (ART-Therapie) und einer Präimplantationsdiagnostik (PID) notwendig. Im Falle von maternalen Chromosomenstörungen kann eine Polkörperdiagnostik (PKD) an hierfür spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Diese ermöglicht aber nur eine Abklärung chromosomaler Fehlverteilungen der Oozyte, der männliche
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Chromosomensatz bleibt unberücksichtigt. Die PKD ist in Deutschland rechtlich zulässig. Die Präimplantationsdiagnostik, welche auch paternale chromosomale Fehlverteilungen anzeigt wird in Deutschland ab dem 1.2.2014 rechtlich erlaubt durchgeführt werden. Der Einsatz von Fremdsperma ist in Deutschland erlaubt, wohingegen die Eizellspende in Deutschland rechtlich nicht zulässig ist.
5.2 Anatomische Faktoren
5.2.1 Uterusfehlbildungen Eine Cochrane-Meta-Analyse [83] zeigte, dass bislang keine prospektiven randomisierten Studien zum Therapieeffekt einer Septumdissektion durchgeführt wurden und lediglich retrospektive unkontrollierte Studien einen Vorteil erhoffen lassen. Aufgrund der aktuellen Daten halten wir eine Septumdissektion bei WSA trotzdem für sinnvoll. Die Tatsache, dass ein nach der Operation verbliebenes Restseptum von ca. 1 cm eine erneute Schwangerschaft negativ zu beeinflussen scheint [84], stützt den Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang. Die postoperative Heilungsphase scheint bei etwa 2 Monaten zu liegen [85], so dass danach ein erneuter Schwangerschaftseintritt vertretbar erscheint.
5.2.2 Myome Prospektiv randomisierte und kontrollierte Studien zum Nutzen einer Myomresektion existieren momentan nicht. In einer Studie (retro- und prospektive Daten) führte die Resektion submuköser Myome zu einer signifikanten Reduktion der Abortraten im 2. Trimester von 21,0 auf 0% (p<0,01). Daraus resultierend stieg die Lebendgeburtenrate signifikant von 23,3 auf 52,0% (p<0,05) [22]. Die weitere Indikation für eine Myomenukleation bei WSA Patientinnen ist auch in Abhängigkeit der Klinik (Hypermenorrhoe, Größe und Lage der Myome usw.) zu stellen.
5.2.3 Polypen Ob Polypen das Abortrisiko beeinflussen bzw. ihre Resektion dieses senkt, ist momentan unklar.
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5.2.4 Cervixinsuffizienz Eine aktuelle multizentrische randomisierte Studie konnte keinen Benefit einer Cerclage im Vergleich zu einem konservativen Vorgehen zur Vermeidung einer Frühgeburt nachweisen [86]. Ebenso gibt es keine eindeutigen Daten für den Nutzen einer Pessareinlage oder eines frühen totalen Muttermundverschlusses.
5.3 Mikrobiologische Faktoren Ein generelles Screening wird zum heutigen Zeitpunkt aufgrund der kontroversen Datenlage nicht empfohlen. Im Rahmen einer erneuten Schwangerschaft sollte bei Verdacht auf eine vaginale Infektion eine adäquate Abklärung und Therapie erfolgen [29, 54], da Infektionen zu einem späterem Schwangerschaftszeitpunkt zu einer Zervixinsuffizienz, einem vorzeitigen Blasensprung oder einem Amnioninfektionssyndrom führen können, was potentiell in einer Frühgeburt oder einem Spätabort resultiert. Eine randomisierte Plazebo-kontrollierte Studie (n=485) konnte zeigen, dass die Behandlung einer nachgewiesenen bakteriellen Vaginose zwischen der 12-22. SSW mittels Gabe von Clindamycin (300 mg/d per os) die Inzidenz von Aborten im 2. Trimester bzw. Frühgeburten signifikant reduziert [87].
5.4 Endokrine Faktoren Die Datenlage zum Effekt einer Lutealphasensupplementation bei Aborten ist noch nicht gesichert. Eine Cochrane-Analyse zeigte, dass eine routinemäßige Gabe von Progesteron zur Vermeidung von Spontanaborten nicht effektiv ist, bei habituellen Aborten (≥3 konsekutive) möglicherweise aber schon (87). Allerdings schloss die Subanalyse bei habituellen Aborten nur 4, qualitativ weniger hochwertige Studien mit nur insgesamt 225 Frauen ein. Ob die unklare Studienlage auch an der Schwierigkeit liegt, eine klinisch relevante Lutealphaseninsuffizienz zu diagnostizieren, ist offen. Grundsätzlich sollte deswegen eine Lutealphasensupplementation, z.B. mit vaginal appliziertem mikronisiertem Progesteron, nur bei einer klinisch sehr wahrscheinlichen Lutealphaseninsuffizienz, d.h. bei deutlich verkürzten Lutealphasen und bei ≥3 habituellen Aborten erwogen werden. Die große Multicenter-Studie „PROMISE“ www.medscinet.net/promise/, die den Effekt einer Progesterongabe bei WSA untersucht, wird Ende 2013 abgeschlossen.
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Eine manifeste Schilddrüsenüber- oder unterfunktion muss, auch vor dem Hintergrund der angestrebten Schwangerschaft, immer abgeklärt und therapiert werden. Bei einer latenten Hypothyreose sollte - insbesondere bei Vorliegen von erhöhten Schilddrüsen-Autoantikörpern und einer Hashimoto Thyreoiditis - eine Schilddrüsensubstitution mit dem Ziel durchgeführt werden, den TSH-Wert in den unteren Normbereich zu senken [34]. Ein exakter Grenzwert ist bei der derzeitigen Studienlage allerdings nicht definierbar. Die Endocrine Society empfiehlt bei Sterilitätspatientinnen eine Senkung unter 2,5 mU/L [31]. In der Schwangerschaft sollte die Thyroxindosierung um ca. 50% der Ausgangsdosierung angehoben werden. Bei einer latenten Hypothyreose kann postpartal die Schilddrüsensubstitution wieder abgesetzt werden. Da eine Metaanalyse keinen Effekt auf das Abortrisiko bei sporadischen Aborten gezeigt hat [88] und eine Senkung des Abortrisikos nur in kleinen unkontrollierten Studien nachgewiesen wurde [89], kann keine grundsätzliche Empfehlung zur Gabe von Metformin gegeben werden. Die Behandlung muss eine Einzelfallentscheidung bei einer definitiv nachgewiesenen Insulinresistenz sein. Es muss darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen off-label Einsatz handelt. Metformin ist in der Schwangerschaft nicht zugelassen, eine erhöhte Fehlbildungsrate wurde bei einer Einnahme in der Schwangerschaft aber bisher nicht festgestellt. Die aktuelle S3 Leitlinie zum Vorgehen bei Diabetes Typ II und Schwangerschaft empfiehlt die Umstellung von Metformin auf Insulin.
5.5 Psychologische Faktoren
Das im Zusammenhang mit WSA oft genannte Konzept des „Tender loving care (TLC)“ geht auf zwei Veröffentlichungen von Stray-Pedersen und Stray-Pedersen [90, 91] zurück. In einer Gruppe von 37 Frauen mit WSA, die – neben wöchentlichen Untersuchungen und dem Verweis auf körperliche Schonung (einschließlich Bettruhe und Koitusverbot) – mit „optimaler psychologischer Unterstützung“ behandelt wurden, wurden bei 32 Frauen Geburten erzielt, im Vergleich zu 8 von 24 unbehandelten Frauen einer Vergleichsgruppe [90]. Das ASRM Practice Committee weist allerdings darauf hin, dass es sich nicht um eine Kontrollgruppe gehandelt hatte, da die Zuteilung zur TLC- bzw. zur Vergleichsgruppe aufgrund des Wohnortes der
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Patientinnen erfolgte und Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich Lebensstilfaktoren, sozialer Unterstützung sowie anderer psychologischer Variablen unbekannt waren [92]. Im Sinne der evidenzbasierten Medizin fehlt dem Konzept der TLC also noch eine wissenschaftliche Validierung mittels randomisierter kontrollierter Studien. Auch zwei andere Studien, die im Zusammenhang mit „supportive care (SC)“ aufgeführt werden, sind bisher nicht repliziert worden. Bei Clifford et al. [93] war „supportive care“ als wöchentliche Ultraschallkontrollen der Schwangerschaft definiert, bei Liddell et al. [94] wurden zusätzlich dazu „stressreduzierende Physiotherapie“ und ein „Entspannungstonband“ angeboten. Eine Replizierung dieser Studien zum TLC bzw. SC erscheint aufgrund der vagen Interventions- und Stichprobenbeschreibungen kaum möglich. Da in den genannten drei Studien die Abortrate in der TLC- bzw. SC-Gruppe mit 14-26% nahezu identisch ist mit der in der Allgemeinbevölkerung, kommen Saravelos & Li in ihrem Review zur Schlussfolgerung, dass es an der Zeit sei, die traditionelle Sichtweise auf TLC in Frage zu stellen [95].
5.6 Therapie immunologischer Faktoren
5.6.1 Alloimmunologische Faktoren Glukokortikoide Untersuchungen zeigen, dass eine Glukokortikoidtherapie die Aktivität der regulatorischen T- und B-Zellen erhöht und die Zytotoxizität von NK-Zellen vermindert [96]. Es gibt derzeit keine Studien, die eine Verbesserung der LGR von WSA-Patientinnen mit auffälligen B- und T-Zell-Konzentrationen bzw. NK-Toxizität unter Glukokortikoid Behandlung nachweisen. Eine Therapie mit Glukokortikoiden -vor allem wenn höher dosiert- kann (längerfristige) Nebenwirkungen wie Entwicklung eines Gestationsdiabetes, arterielle Hypertonie oder Störungen der kindlichen neurologischen Entwicklung auslösen [97, 98]. Daher sollte diese Form der Behandlung (präexistenten) Autoimmunerkrankungen, die eine Therapie mit Glukokortikoiden auch in der Schwangerschaft erfordern, vorbehalten sein.
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Intravenöse Immunglobuline Es gibt Hinweise, dass durch intravenöse Immunglobuline (ivIgG) die Konzentration natürlicher Killerzellen im peripheren Blut herabgesetzt werden kann, möglicherweise auch deren Aktivität [99]. Eine Beeinflussung TH1-vermittelter Immuninteraktionen wird vermutet [99]. Dennoch ist die Datenlage bei WSA uneinheitlich [99-102]. Klare Indikationen für den Einsatz von Immunglobulinen sind derzeit nicht definiert, weshalb eine Gabe nur unter Studienbedingungen erfolgen sollte. Nebenwirkungen bis hin zum anaphylaktischen Schock bzw. Übertragung von Infektionserregern sind selten, dennoch müssen die Patienten im Vorfeld darüber aufgeklärt werden.
Lipidinfusionen Aktuelle Studien legen nahe, dass Sojaöl-enthaltende Lipidinfusionen die NKZellaktivität sowie die Bildung proinflammatorischer Zytokine senken [103]. In kleineren Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass bei Frauen mit WSA bzw. Implantationsversagen und erhöhter NK-Zellaktivität Lipidinfusionen die gleiche Effektivität und somit Verbesserung der LGR aufweisen wie ivIgG [104, 105]. Aufgrund der wenigen Daten sollte die Gabe von Lipidinfusionen bei WSAPatientinnen mit einer erhöhten NK-Zellaktivität derzeit nur unter Studienbedingungen erwogen werden.
Allogene Lymphozyten-Übertragung ("Lymphozyten Immunisierung") Durch Übertragung von allogenen Lymphozyten (zumeist paternalen, selten Spenderlymphozyten) soll u.a. das mütterliche Immunsystem für die Fremdantigenität (HLA) des Embryos sensibilisiert werden; es sind auch andere Effekte beschrieben wie z.B. die Induktion des progesteroninduzierenden Blockierungsfaktors (PIBF). Bislang konnte in Metaanalysen kein Benefit für WSA Patientinnen aufgezeigt werden [106] Zudem ist zu berücksichtigen, dass es bei der Übertragung von Blutprodukten zu Komplikationen kommen kann (z.B. Infektionsübertragung, Bildung irregulärer Autoantikörper, Induktion von Autoimmunerkrankungen).
G-CSF/GM-CSF Beide Zytokine gehören zu den Kolonie-stimulierenden Faktoren, die die Proliferation und Differenzierung neutrophiler Granulozyten bzw. Makrophagen fördern und u.a.
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von dezidualen Zellen gebildet werden [107]. Bislang wurde in zwei Studien gezeigt, dass WSA-Patientinnen von einer G-CSF Gabe im ersten Trimenon profitieren [108, 109]. Hinweise auf eine fetale Beeinträchtigung existieren bislang nicht. Derzeit ist jedoch unklar, welche Subgruppe an WSA-Patientinnen von einer G-CSF Gabe profitiert, so dass weitere (randomisierte) Studien notwendig sind, bevor eine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Ebenso gibt es erste Hinweise, dass WSA Patientinnen unter reproduktionsmedizinischer Behandlung (in vitro Fertilisation) von der Anwendung eines Kulturmediums mit dem Zusatz von GM-CSF (EmbryoGen®) profitieren [110]. Auch wenn das Kulturmedium hierfür eine rechtskräftige Zulassung besitzt, sollten vor einer generellen Empfehlung noch weitere klinische Studien abgewartet werden [111].
TNFα-Rezeptorblocker Erhöhte Konzentrationen von TNFα im peripheren Blut findet man bei Autoimmunerkrankungen wie der primär chronischen Polyarthritis oder des Morbus Crohn. Es gibt Hinweise, dass auch eine Subgruppe an WSA Patientinnen erhöhte TNFα-Konzentrationen aufweist und möglicherweise von der Gabe von TNFαRezeptorblockern (wie z.B. Adalimumab® oder Infliximab®) profitiert [102]. Allerdings liegt derzeit nur eine randomisierte Studie vor, in welcher neben TNFαRezeptorblockern auch niedermolekulare Heparine (NMH) sowie Immunglobuline zum Einsatz kamen [102]. Die allgemein bekannten Nebenwirkungen reichen von Hautreaktionen über Infektionen bis hin zu seltenen Ereignissen wie z.B. einem arzneimittelbedingten Lupus [112]. Zudem bestehen Bedenken in Hinblick auf einer mögliche Induktion maligner Erkrankungen durch TNFα-Blocker [113] . Daher sollte der Einsatz von TNFα-Rezeptorblocker derzeit kontrollierten klinischen Studien sowie spezifischen Fragestellungen (wie z.B. Autoimmunerkrankungen: M. Crohn, Chronische Polyarthritis) vorbehalten bleiben.
5.6.2 Autoimmunologische Faktoren Während Frauen bei Vorliegen einer Autoimmunthyreoiditis und Hypothyreose von einer TSH Einstellung auf <2,5 mU/ml profitieren, gibt es aktuelle keine Hinweise dass dies ebenso bei alleiniger Hypothyreose gegeben ist [32, 114]. Im Falle einer Hashimoto-Thyreoiditis gibt es derzeit keine validen Daten, dass eine zusätzliche
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Gabe von Selen (200 µg) bzw. Aspirin (100 mg) die Lebendgeburtenrate erhöht. Bei bekanntem Morbus Basedow sollte eine Kontrolle der Antikörper vor der 22. SSW und ggf. eine Behandlung mit Propylthiouracil, z.B. 100–150 mg/8 h im 1. bzw. Methimazol im 2. und 3. Trimester erfolgen [66, 67].
Aufgrund der uneinheitlichen Datenlage zum Vorkommen von antinukleären Antikörpern bei WSA sind die derzeitigen Therapiestrategien (Aspirin, Glukokortikoide, niedermolekulares Heparin) inkongruent und es kann keine Empfehlung abgegeben werden. Bei Nachweis von ANAs sollte eine weitere Differenzierung der Antikörper erfolgen um sogenannte SS-A/Ro-und SS-B/La-Antikörper, wie sie z.B. beim SjögrenSyndrom oder Lupus erythematodes nachweisbar sind, auszuschließen. Neben einem neonatalen Lupussyndrom können die Antikörper bereits in der Fetalzeit zu einem AV-Block führen. In diesem Fall muss eine sonographische Überwachung des Fetus zum Ausschluss einer fetalen Bradyarrhythmie und ggf. die Anwendung von Kortikosteroiden eingeleitet werden. Die Betreuung der Schwangeren sollte gemeinsam mit erfahrenen Kollegen und Kolleginnen der Rheumatologie erfolgen.
Aktuell liegt lediglich eine retrospektive Studie zur Behandlung von Frauen mit einer Zöliakie und WSA vor (n=13) [115]. Die Frauen profitierten hier von einer Glutenfreien Diät, allerdings fehlen weitere (randomisierte) Studien, um eine grundsätzliche Therapieempfehlung z.B. bei Frauen mit positiven Gewebstransglutaminase Antikörpern ohne klinische Beschwerden zu geben. Unabhängig davon sind mögliche Therapieempfehlungen durch den Gastroenterologen zu sehen.
Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass WSA-Patientinnen beim Vorliegen eines APS von der Gabe von Aspirin (100 mg/d) und niedermolekularem Heparin (LMWH) profitieren [116]. Dabei sollte die Therapie ab positivem Schwangerschaftstest starten und die Aspirin-Gabe bis zur 32+0. SSW bzw. die LMWH-Gabe mindestens bis 6 Wochen post partum erfolgen. Andere Therapieansätze wie Corticoide, Immunglobuline oder Aspirin alleine haben im Gegensatz zu NMH und Aspirin keine signifikante Verbesserung der LGR von WSA-Patientinnen mit APS gezeigt [116].
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5.7 Behandlungen der Thrombophilie
5.7.1 Heparin Heparine – unfraktioniertes Heparin und niedermolekulare Heparin – unterscheiden sich in ihrem Molekulargewicht, der Plasmaprotein-Bindung, ihrer biologischen Halbwertszeit und der Nebenwirkungsrate. Sie weisen neben ihrer antikoagulatorischen Wirkung eine Vielzahl von Effekten auf molekularer Ebene der embryo-maternalen Grenzfläche auf, die bis dato nur unvollständig verstanden sind [117]. Sämtliche Heparine sind nicht plazentagängig, niedermolekulare Heparine gelten in der Schwangerschaft als vergleichsweise sicher [118]. Ihre Anwendung in der Gravidität stellt einen off-label-use dar. Wenn eine Indikation zur Heparinisierung in der Schwangerschaft gesehen wird, so sollten niedermolekulare Heparine aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils sowie der höheren Anwenderfreundlichkeit Verwendung finden [77]. Der Enthusiasmus zu Beginn des Jahrtausends in Hinblick auf abortpräventive Effekte einer prophylaktischen Heparinisierung bei Frauen mit WSA nach Ausschluss eines APS konnte durch neuere Studien nicht fundiert werden [119] (Tabelle 2).
Studie
Brenner et al., 2000 [120]
Carp et al, 2003 [121]
Gris et al., 2004 [122]
Brenner et al., 2005 (LiveEnox-Studie) [123]
Anzahl Patientinnen 50 (61 Schwangerschaften)
85
160
180
Einschlusskriterien
> 3 Frühaborte oder > 2 Spätaborte oder 1 IUFT und maternale Thrombophilie
> 3 Fehlgeburten und mat. Thrombophilie
1 ungeklärter Abort > 10.SSW und maternale Thrombophilie (Faktor V Leiden, Protein S Mangel, Prothrombin Mutation) > 3 Frühaborte oder > 2 Spätaborte oder 1 IUFT und maternale Thrombophilie Studienstart: 5.-10. SSW
Intervention Enoxaparin (40 mg) bei singulärer Thrombophilie vs. Enoxaparin (80 mg) bei kombinierter Thrombophilie; zusätzlich ASS (75 mg) bei APS; Vergleich mit historischer Kontrollgruppe
Nihil vs. Enoxaparin (40 mg)
ASS (100 mg) vs. Enoxaparin (40 mg)
Enoxaparin (40 mg) vs. Enoxaparin (80 mg)
Ergebnis
Austragungsraten:
75,4% (46/61) unter Intervention vs. 19,7 % (38/193) in historischer Kontrollgruppe (p< 0.0001)
Austragungsraten: 43,8 % (21/48) vs. 70,2% (27/37) (p< 0.02)
Austragungsraten: 33,8% (27/80) vs. 86,3% (69/80)
(p<0.001)
Austragungsraten: 84,3% (70/83) vs 78,3% (65/83)
(n.s.)
Kommentar
Keine rein prospektive Untersuchung (Vergleich mit historischer Kontrollgruppe) Keine Placebogruppe
Unklare Randomisation Keine Placebogruppe
Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Placebogruppe Keine habituelle Abort-Konstellation
Reine DosisFindungsstudie Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Placebogruppe APL (~20% in jedem Arm) & MTHFR-
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Dolitzky et al., 2006 [124]
104
Badawy et al., 2008 [125]
340
> 3 Frühaborte oder > 2 Spätaborte und pos. Herzaktionen
ASS vs. Enoxaparin (40 mg)
Austragungsraten: 84% (42/50) vs. 81,5% (44/54)
(n.s.)
> 3 idiopathische
Fehlgeburten und
pos. Herzaktionen
Ausschluss bei mat. Thrombophilie
Folsäure (bis 13. SSW)
vs. Folsäure &Enoxaparin (20 mg)
Austragungsraten: 88,8% (151/170) vs. 94,7% (161/170) (p= 0.07)
Polymorphismen inkludiert
Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Placebogruppe
Keine unbehandelte Kontrollgruppe Keine Placebogruppe Methodische Einschränkungen, Sehr niedrige Abortraten (5,3 vs. 11,2%)
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Studie
Anzahl Patientinnen
Fawzy et al., 2008 [126]
160
Laskin et al. 2009 (HepASAStudie) [127]
88
Visser et al. 2011 (HABENOXStudie) [128]
207
Monien et al. 2009 [129]
82
Clark et al., 2010 (SpinStudie) [130]
294
Kaandorp et al.,
2010 (ALIFE Studie) [131]
364
Schenk et al., 2013 (EThIG2Studie)
434
Einschlusskriterien
> 3 idiopathische Fehlgeburten und Darstellung des Embryonalpols Ausschluss bei mat. Thrombophilie
Intervention
Enoxaparin (20 mg) vs. Prednison&Progesteron (12 SSW) & ASS (75 mg; bis 32. SSW) vs. Placebo
Ergebnis
Austragungsraten: 80,7% (46/57) vs. 84,9% (45/53) (n.s.) vs. 48% (24/50)
(p < 0.05)
Kommentar
Methodische Einschränkungen, Unklare Verblindung (“single blinded”)
> 2 idiopathische Fehlgeburten
und Anti-Phospholipid -
Antikörper
oder / und hereditäre
Thrombophilie
oder / und antinukleäre
Antikörper
und pos. Herzaktionen
oder
serieller hCGAnstieg
ASS-Monotherapie vs.
Dalteparin (5.000 U) & ASS (81 mg)
Austragungsraten: 79,1% (34/43) vs. 77,8% (35/45)
(n.s.)
underpowered, Studie nach Interimsanalyse abgebrochen Keine Placebogruppe APL (47,7% in jedem Arm) & ANA inkludiert
> 3 Frühaborte (< 13. SSW) oder > 2 späte Fehlaborte (< 24. SSW) oder > 1 IUFT & 1 Frühabort Studienstart: < 7. SSW “ungeklärte Frühund Spätaborte” 27,8% der Patienten mit “positiven ThrombophilieMarkern” > 2 idiopathische Fehlgeburten < 24. SSW Studienstart: < 7. SSW > 2 idiopathische Fehlgeburten < 20. SSW (ohne biochem. SS) Studienstart: ASS & Placebo vor SS NMH ab Nachweis pos. Herzaktionen Enoxaparin (40 mg) & Placebo vs. Enoxaparin & ASS (100 mg) vs. ASS-Monotherapie (100 mg) Doppelblind fur ASS NMH (n=28) vs. NMH & ASS (100 mg) (n=54) Enoxaparin (40 mg) & ASS (75 mg) & engmaschige Überwachung vs. engmaschige Überwachung ASS (80 mg) vs. ASS &Nadroparin (2650 U) vs. placebo Austragungsraten: 71% vs. 65 % vs. 61% (n.s.) 84% “Gesamtaustragungsrate”; Austragungsraten: 78,2% (115/147) vs. 80,2% (118/147) (n.s.) Austragungsraten: Intention to treat - Gruppe 50,8% vs. 54,5% vs. 57,0% (n.s.) Gruppe der tatsächlich Schwangeren 61,6% vs. 69,1% vs. 67,0% (n.s.) underpowered, Studie nach Interimsanalyse abgebrochen Keine Placebogruppe für NMH Unselektive Zugabe von ASS (keine Randomisierung), Keine Placebogruppe unklarer Therapiebeginn, unklare Ausschlusskriterien Keine Placebogruppe Unklarer ThrombophilieStatus underpowered Studie nach Interimsanalyse abgebrochen limitierte Ausschlusskriterien ASS Start vor SSBeginn Keine Placebogruppe für NMH > 2 Frühaborte oder > 1 Spätabort Studienstart: < 8. SSW und pos. Herzaktionen Multivitamin-Präparat vs. Multivitamin- Präparat &Dalteparin (5.000 U) bis zumindest 24. SSW Austragungsrate (bis 24+0. SSW): 86,6% (191/220) vs. 87,9% (188/214) (n.s.) Keine Placebogruppe Daten bis dato nur als Abstract veröffentlicht Seite 26 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Tabelle 2: Interventionsstudien mit Heparin (en) bei Frauen mit habituellen Aborten mit und ohne Nachweis einer hereditären Thrombophilie Legende: ANA antinukleäre Antikörper; APS = Anti-Phosphoslipid-Syndrom; APL Anti-Phospholipid-Antikörper; ASS = Acetyl-Salicyl-Säure; IUFT = intrauteriner Fruchttod; NMH = niedermolekulares Heparin; SSW = Schwangerschaftswoche Während ältere Kohorten-Studien durchaus Hinweise auf positive Effekte einer Heparinisierung auf die Austragungsraten in Folgegraviditäten ergaben, ließen sich diese Effekte in prospektiv-randomisierten Studien nicht bestätigen (Tabelle 1). Hierfür könnten unterschiedliche Einschlusskriterien (primäre vs. sekundäre habituelle Aborten, Früh- vs. Spätaborte, Definition des Begriffs „habituell“, Frauen mit vs. ohne hereditäre Thrombophilie) der jeweiligen Studien verantwortlich sein [132]. Eine generelle Heparinisierung in Folgegraviditäten von Frauen mit idiopathischen habituellen Aborten ist bei bis dato fehlendem Wirkungsnachweis nicht indiziert [132-134] Für vorteilhafte Effekte einer prä- oder perikonzeptionellen Heparinisierung zur Prävention weiterer Aborte liegt ebenfalls keine Evidenz vor. Inwieweit Subgruppen von Patientinnen – z.B. solche mit nachgewiesener hereditärer Thrombophilie – tatsächlich von einer Heparinisierung in einer Folgegravidität profitieren, bedarf weiterer Studien. Zum jetzigen Zeitpunkt ist somit eine generelle Heparinisierung auch bei thrombophilen Frauen mit WSA (bei fehlendem Nachweis eines APS) alleine aus der Indikation „Abortprävention“ außerhalb klinischer Studien nicht indiziert [77, 119]. Hiervon unabhängig ist das erhöhte Thromboembolie-Risiko (VTE) von thrombophilen Schwangeren zu sehen, das in speziellen Konstellationen (Antithrombin-Mangel; homozygoten FVL-Mutation, compound heterozygote FVLund PT-Mutation, etc.) eine Antikoagulation zur mütterlichen VTE-Prophylaxe ebenso rechtfertigen kann wie bei zusätzlich auftretenden Risikofaktoren für eine VTE in der Schwangerschaft (Immobilisierung, OP, übermäßige Gewichtszunahme, etc.). Bei positiver Eigenanamnese für thromboembolische Ereignisse sollte eine Heparinisierung in Schwangerschaft und Wochenbett erfolgen. Bei auffälliger Familien- aber unauffälliger Eigenanamnese für thromboembolische Ereignisse und fehlendem Thrombophilie-Nachweis erscheint eine durchgängige maternale Heparinisierung nicht angebracht. Seite 27 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Für eine routinemäßige Abklärung auf einzelne Gerinnungs-Polymorphismen (ACE, PAI, etc.) und ggf. daraus abgeleitete therapeutische Konsequenzen besteht nach aktueller Datenlage außerhalb wissenschaftlicher Fragestellungen keinerlei Evidenz. 5.7.2 Acetyl-Salicyl-Säure (ASS ) Es liegen Hinweise aus einer nicht randomisierten Studie vor, dass bei Frauen mit habituellen Frühaborten und hereditärem Faktor XII-Mangel eine ASS-Monotherapie (40 mg/d) das erneute Auftreten eines Abortes in einer Folgegravidität verhindern kann [135]. Die Anwendung von ASS in der Gravidität zur Abortprävention stellt jedoch einen off-label-use dar. 5.7.3 Monitoring in der Schwangerschaft – D-Dimere Die Plasma-Konzentration dieser Fibrin-Spaltprodukte ist in der Gravidität erhöht, so dass die für Nicht-Schwangere etablierten Normwerte nicht als Referenzbereich herangezogen werden dürfen [136]. Die D-Dimer-Konzentration weist eine positive Korrelation mit der Schwangerschaftswoche sowie der Anzahl der Feten (Einling vs. Mehrlinge) [137] auf und unterliegt zahlreichen Einflussfaktoren. Der Normbereich für D-Dimere ist zudem stark Methoden- und Assay-abhängig [138]. Ein scheinbar positives Testresultat hat somit keine spezifische Aussagekraft. Die vorliegenden Daten lassen zudem keinen Rückschluss auf eine prognostische Aussagekraft des D-Dimer-Spiegels für das Schwangerschafts-Outcome (Abort vs. ausgetragene Schwangerschaft) zu [139]. Somit besteht für eine - gar serielle - Bestimmung von DDimeren oder anderen Gerinnungsmarkern (Prothrombin-Fragmente, Protein S etc), in der Gravidität in Hinblick auf eine Abortprophylaxe mit Heparin bei fehlender therapeutischer Konsequenz entgegen dem zunehmend zu beobachtenden Trend keine Indikation 5.8 Therapie des idiopathischen wiederholten Spontanaborts Die Lebendgeburtenrate von Frauen mit idiopathischen WSA beträgt ohne Therapie 35-85% [131, 140]. In einer Meta-Analyse randomisierter Therapiestudien betrug die LGR von Frauen in den Kontroll- bzw. Plazebogruppen zwischen 60 und 70% [141]. Seite 28 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Gerade bei Frauen mit idiopathischem WSA werden in der täglichen Praxis oftmals empirische Therapien eingesetzt. Dies ist aufgrund des starken Therapiewunsches der betroffenen Paare und der Frustration nach ergebnisloser Abklärung verständlich. Allerdings sollte auch in diesem Fall eine evidenzbasierte Beratung und Therapie betroffener Paare erfolgen. In einer Cochrane-Analyse von zwei randomisierten Studien an 189 Frauen mit sog. idiopathischen WSA wurde kein statistisch signifikanter Effekt auf die LBR von Aspirin versus Plazebo und von Aspirin versus Enoxaparin nachgewiesen [142]. In einer randomisierten Studie an 364 Frauen mit idiopathischen WSA wurde durch Aspirin im Vergleich zu Aspirin und Nadroparin sowie Placebo kein Effekt auf die LGR erzielt [131]. Progesteron im ersten Schwangerschaftstrimester wurde als Therapie von Frauen mit idiopathischen WSA in vier randomisierten Studien untersucht und zeigte einen signifikanten Therapieeffekt im Sinne einer Reduktion der Abortrate [143]. In einer Cochrane-Analyse von drei randomisierten Studien führte Progesteron zu einer 61%igen relativen Reduktion der Abortrate (Odds Ratio [OR] 0.38, 95% Confidence Interval (CI) 0.20-0.70). Einschränkend muss angeführt werden, dass in den vier publizierten Studien nur 132 Frauen mit Progesteron behandelt wurden, die LGR als wesentlicher klinischer Endpunkt nicht untersucht wurde und die Studienqualität gering war [143]. Ebenso ist zu erwähnen, dass die Einnahme von Progesteron und synthetischen Gestagenen und vielen anderen mit einem erhöhten Risiko für eine Hypospadie assoziiert ist (OR 3.7; 95%, CI 2.3-6.0) [144]. Humanes Chorion-Gonadotropin (hCG) in der Dosierung 5000 bis 10 000 IE im ersten und zweiten Trimester wurde in vier randomisierten Studien an insgesamt 180 Frauen mit WSA untersucht, darunter auch Frauen mit idiopathischen WSA. In einer Cochrane-Analyse dieser vier Studien führte hCG zu einer signifikanten Reduktion der Aborthäufigkeit (OR 0.26; 95% CI 014-0.52) [145]. Daten zur LGR liegen nicht vor. Eine eigene Subgruppenanalyse für Frauen mit idiopathischen WSA liegt nicht vor. Eine Empfehlung zur Anwendung von hCG bei Frauen mit WSA kann daher derzeit nicht ausgesprochen werden. In einer dreiarmigen, randomisierten Studie an 170 Frauen mit idiopathischen WSA wurden Enoxaparin und eine Kombination aus Prednison, Aspirin und Progesteron mit Placebo verglichen [126]. Beide aktiven Arme wiesen eine signifikant höhere LBR Seite 29 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 als die Placebogruppe auf (46/57 und 45/53 versus 24/59). Die Qualität der Studie ist eingeschränkt. Es besteht ein Widerspruch zu den Ergebnissen der qualitativ hochwertigeren Studie von Kaandorp et al. [131]. Weitere randomisierte Studien zu diesen beiden Therapieschemata existieren bis dato nicht. 6. Zusammenfassung Folgende diagnostische Maßnahmen sind bei Patientinnen mit WSA sinnvoll: 1. Genetische Faktoren: Chromosomenanalyse bei beiden Eltern, humangenetische Beratung bei auffälligem Karyotyp eines Elternteiles; die Chromosomenanalyse aus Abortmaterial kann den betroffenen Eltern bei der Bewältigung des Abortgeschehens helfen 2. Anatomische Faktoren: diagnostische Hysteroskopie zum Ausschluss eines Uterus septus, intracavitären Polypen und Myomen 3. Mikrobiologische Faktoren: Ein generelles mikrobiologisches Screening wird zum heutigen Zeitpunkt aufgrund der kontroversen Datenlage nicht empfohlen. Im Rahmen einer erneuten Schwangerschaft sollten bei WSA-Patientinnen bei geringstem Verdacht auf eine vaginale Infektion eine adäquate Abklärung und Therapie in die Wege geleitet werden. 4. Endokrine Faktoren: Zyklusanamnese zum Ausschluss deutlich verkürzter Lutealphasen; Ausschluss einer Hyper- oder Hypothyreose sowie einer Autoimmunthyreoiditis. 5. Psychologische Faktoren: Routinemäßig sollte eine gezielte Exploration des emotionalen Erlebens der WSA durch die Patientin (speziell bezüglich Vorliegen von Schuldgefühlen) und Abklärung der sozialen Ressourcen (Partnerschaft, Freunde und Familie) durchgeführt werden. Gegebenenfalls kann eine Informationsgabe über psychosoziale Beratungsmöglichkeiten, Selbsthilfegruppen und Internetforen erfolgen [146]. 6. Immunologische Faktoren: Ausschluss eines Anti-Phospholipid Syndroms (gemäß Definition in Abbildung 1). 7. Thrombophile Faktoren: bei Risiken in der Familien- und Eigenanamnese: komplettes Thrombophilie-Screening (FVL-, PT-Mutation, Protein C-, Protein S-, AT-Mangel, Homocysteinspiegel, Faktor VIII), ohne Vorliegen von thrombophilen Risikofaktoren: Bestimmung von Antithrombin, APC Resistenz und Prothrombin-(G20210A) Mutation Seite 30 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Folgende therapeutische Maßnahmen sind sinnvoll: 1. Genetische Faktoren: Polkörperdiagnostik oder Präimplantationsdiagnostik bei bekannten genetischen Auffälligkeiten des betroffenen Paares. Heterologe Insemination im Gegensatz zur Eizellspende in Deutschland gesetzlich erlaubt 2. Anatomische Faktoren: Resektion eines uterinen Septums, Entfernung von Polypen 3. Mikrobiologische Faktoren: - 4. Endokrine Faktoren: Eine generelle Lutealphasensupplementation mit Progesteron bei Frauen mit WSA kann derzeit aufgrund der begrenzten Datenlage nur bedingt empfohlen werden. Die Ergebnisse der PROMISE-Studie sind deswegen abzuwarten. Bei Vorliegen einer Hypothyreose sollte –insbesondere bei erhöhten SDAutoantikörpern und einer Hashimoto Thyreoiditis- der TSH-Wert im tief normalen Bereich (ca. ≤2.5 mU/L) liegen. Eine Hyperthyreose sollte behandelt werden. Eine Empfehlung zur Gabe von Metformin kann nicht gegeben werden 5. Psychologische Faktoren: Empathischer und entlastender Umgang mit der Patientin (und ihrem Partner) im Sinne des „Patient-centered care“ (individuell abgestimmte Informationsgabe und Angebot emotionaler Unterstützung) sowohl in der Arzt-Patientin-Beziehung als auch durch weiteres medizinisches Personal. Während einer laufenden Schwangerschaft sollte auch eine hochfrequente Kontaktaufnahme durch die Patientin mit WSA möglich sein. Eine prophylaktische stationäre Aufnahme der Patientin ist aus psychologischer Sicht weder notwendig noch von den Patientinnen erwünscht [147]. Bei Bedarf ist an eine Vermittlung in eine psychosoziale professionelle Trauerbegleitung zu denken, z. B. zur Unterstützung der Patientin (des Paares) mit Trauerritualen („Moses Körbchen“, „Schmetterlingsbriefe“). Bei Verdachtsdiagnose einer depressiven Entwicklung ist die Hinzuziehung eines (ärztlichen oder psychologischen) Psychotherapeuten zur Abklärung der Behandlungsbedürftigkeit notwendig. 6. Immunologische Faktoren: Gabe von niedermolekularem Heparin und Aspirin bei Anti-Phospholipid Syndrom; 7. Thrombophile Faktoren: niedermolekulares Heparin bei Protein C-, ProteinS-Mangel, FVL-Mutation, PT-Mutation aus maternaler Indikation erwägen; Vorstellung Hämostaseologe bei qualitativem oder quantitativem AntithrombinMangel Seite 31 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Folgende diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sollten derzeit nur unter Studienbedingungen erfolgen: 1. Anatomische Faktoren: antibiotische Behandlung bei Nachweis einer chronischen Endometritis. 2. Immunologische Faktoren: Bestimmung der Antikörper gegen Gewebstransglutaminase zum Ausschluss einer Zöliakie und Gluten-freie Diät bei Zöliakie, Bestimmung einer Th1/Th2-Ratio (Zytokinprofiling), regulatorische B- und T-Zellen, TNFα, periphere und uterine NK-Zellen, NK-Toxizitätstest, KIR-Rezeptor Profiling, KIR-Expressionsanalysen, PIBF- oder HLABestimmmung, v.a. HLA-C; Gabe von TNFα-Blockern, G-CSF, Immunglobulinen, Glukokortikoiden, Lipidinfusionen, allogene Lymphozytenübertragung, Gabe von Aspirin bei Nachweis von antinukleären Antikörpern 3. Thrombophile Faktoren: niedermolekulares Heparin aus embryo-fetaler Indikation, ASS 100 bei Faktor XII Mangel 4. Mikrobiologische Faktoren: Großzügige Behandlung einer nachgewiesenen bakteriellen Vaginose zwischen der 12-22. SSW mittels Gabe von Antibiotika Seite 32 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Verfahren zur Konsensbildung: Leitlinienreport Die Leitlinie, die bereits in einer Vorversion aus dem Jahr 2006 vorlag, wurde der aktuellen Literatur und bestehenden internationalen Leitlinie angepasst. Die Abstimmungen zwischen den Autoren erfolgten nach kontroverser Diskussion im schriftlichen Umlaufverfahren. Verabschiedet wurde eine Fassung, der alle Autoren nach mehreren Umläufen zustimmten. Leitlinienkommission und Vorstand der DGGG stimmten der Leitlinie im Januar 2014 zu. Die Gültigkeit der Leitlinie wurde durch den Vorstand der DGGG und die DGGGLeitlinienkommission im Januar 2014 bestätigt. Die Gültigkeitsdauer der Leitlinie geht bis 01/2017. Autoren: Toth, B. und Würfel W. (federführend,1+2), Bohlmann M. K. (3), Gillessen-Kaesbach (4) Nawroth F. (5), Rogenhofer N. (6), Tempfer, C. (7), Wischmann T. (8), von Wolff, M. (9) 1. Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 440, 69120 Heidelberg. E-Mail: bettina.toth@med.uni-heidelberg.de 2. Kinderwunsch Centrum München-Pasing, Lortzingstr.26, 81241 München, EMail: verwaltung@ivfmuenchen.de 3. Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum SchleswigHolstein- Campus Lübeck, Lübeck E-Mail: michael.bohlmann@uksh.de 4. Institut für Humangenetik, Universität zu Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23568 Lübeck. E-Mail: g.gillessen@uksh.de 5. Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch, Pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie, Mönckebergstraße 10 (Barkhofpassage), 20095 Hamburg; E-Mail: Frank.Nawroth@amedes-group.com 6. Hormon und Kinderwunschzentrum der LMU, München-Großhadern, 81377 München. E-Mail: nina.rogenhofer@med.uni-muenchen.de 7. Universitätsfrauenklinik der Ruhr Universität Bochum, Marienhospital Herne, Hölkeskampring 40, 44625 Herne E-Mail: clemens.tempfer@meduniwien.ac.at 8. Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Heidelberg, Bergheimer Strasse 20, 69115 Heidelberg E-Mail: Tewes.Wischmann@med.uni-heidelberg.de 9. Inselspital, Universitäts-Frauenklinik, Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Effingerstrasse 102, 3010 Bern, Schweiz, E-Mail: Michael.vonWolff@insel.ch Erstellungsdatum: 12/2013 Ersterstellung: 9/2004 Letzte Überarbeitung:05/2008 Seite 33 von 42 015/050 – S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabor t aktueller Stand: 12/2013 Literatur 1. Jauniaux, E., et al., Evidence-based guidelines for the investigation and medical treatment of recurrent miscarriage. Hum Reprod, 2006. 21(9): p. 2216-22. 2. WHO: recommended definitions, terminology and format for statistical tables related to the perinatal period and use of a new certificate for cause of perinatal deaths. Modifications recommended by FIGO as amended October 14, 1976. Acta Obstet Gynecol Scand, 1977. 56(3): p. 247-53. 3. American College of, O. and Gynecologists, ACOG practice bulletin. Management of recurrent pregnancy loss. Number 24, February 2001. 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