Transkript
EDITORIAL
I n der Praxis war das Thema Vulva lange Zeit nur im Zusammenhang mit Pilzerkrankungen oder einem Karzinom relevant. Bei Beschwerden im Vulvabereich wurde häufig zunächst ein Antimykotikum verordnet. Hilfe ist für die Betroffenen nicht immer leicht zu finden, denn die verordneten Mittel lindern oft nur für kurze Zeit – wenn überhaupt – die Beschwerden. Frauen, die ihre Plastiktüte mit zahlreichen angebrochenen Tuben vorzeigen, sind nicht selten überzeugt, dass wiederkehrende Pilzinfektionen oder alters-(östrogenmangel-)bedingte Hautveränderungen die Ursachen sind.
Medizinisch häufig eine Terra incognita
Vulvadermatosen – nicht nur Pilze und Östrogenmangel Vulvaerkrankungen müssen aus ihrem Mauerblümchenstatus herausgeholt werden, der entsteht, weil sie vielfach schwer zu behandeln sind. Grosszügig sollte die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Dermatologen angestrebt werden, insbesondere im Rahmen von Spezialsprechstunden für Frauen mit Vulvaerkrankungen. So gibt es Hauterkrankungen, welche an der Vulva nur selten, hingegen am übrigen Integument häufig auftreten. Dass sich an der Vulva wesentlich mehr als Pilzinfektionen und Östrogenmangelerscheinungen abspielen können, soll diese Ausgabe der GYNÄKOLOGIE zeigen. Ekzeme und Lichen gehören zu den häufigen Diagnosen, welche zum Besuch einer Vulvasprechstunde führen. Cornelia Betschart und Kollegen berichten über Diagnostik und Therapie dieser Vulvadermatosen ab Seite 6.
Frühformen einer Dysplasie im Blick Zu beachten ist, dass der gynäkologisch tätige Arzt für viele Frauen der einzige Mediziner ist, den sie regelmässig aufsuchen. Aus diesem Grund sollte er über die entsprechenden interdisziplinären Kenntnisse verfügen. Zudem benutzt er ein Kolposkop, das für die Erkennung diskreter Hautveränderungen oder Frühformen einer Dysplasie essenziell ist.
Wird eine Verdachtsdiagnose gestellt und erweist sich eine eingeleitete Therapie innert vier Wochen als nicht wirksam, sollte die Diagnose überdacht und die Hautläsion zur weiteren Abklärung biopsiert werden. Nur so lässt sich der «Doctor’s Delay» beim Vulvakarzinom von heute durchschnittlich mehreren Monaten verkürzen. An der Vulva bietet sich die Stanzbiopsie (z.B. 2 mm oder 4 mm) in Lokalanästhesie als einfache und gut verträgliche Methode zur Gewebeentnahme an. Im Mittelpunkt der Diagnostik der intraepithelialen Neoplasie stehen die Inspektion, die kolposkopische Untersuchung, die histologische Abklärung suspekter Läsionen durch eine Biopsie und in besonderen Fällen die HPV-Diagnostik. Gian-Piero Ghisu und Kollegen berichten über die HPV-assoziierten Genitalerkrankungen ab Seite 14 und Astrid Baege und Kollegen über das Follow-up nach derartigen Erkrankungen ab Seite 20.
Neue Erkenntnisse zur Vulvodynie Eine Erkrankung bislang ungeklärter Ursache stellt die lokalisierte Vulvodynie – früher Vestibulitissyndrom genannt – dar. Deivis Strutas und Kollegen fassen im Artikel ab Seite 25 die neuesten Erklärungsmuster und Therapieansätze dieser vielfach unverstandenen Erkrankung zusammen.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme und lehrreiche Lektüre.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Mitherausgeber
Direktor Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich
GYNÄKOLOGIE 4/2014
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