Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Gynäkologische Endokrinologie
5.2014: Postmenopausale Hormonsubstitution
Beeinflussen Östrogendosis und -applikationsform das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko?
Hintergrund: Eine niedrig dosierte (low-dose) und/oder eine transdermale Östrogentherapie wird mit einem geringeren kardiovaskulären Erkrankungsrisiko assoziiert. Die Evidenz für diese Aussage ist jedoch begrenzt.
Wie ist die Studie von Schufelt und Kollegen zu bewerten?
Die Studie im Resümee
Die Women’s Health Initiative Observational Study (WHI-OS) ist eine prospektive Kohortenstudie, die mit bei Studienstart 50- bis 79-jährigen, postmenopausalen Frauen durchgeführt wurde, die jährlich per Fragebogen zur Hormontherapie (HT) interviewt wurden. Die HT-Subkategorien waren: 1) «oral low-dose» konjugierte equine
Östrogene (CEE) (< 0,625 mg/Tag) 2) «oral standard-dose» CEE (0,625 mg/
Tag) 3) «oral high-dose» CEE (> 0,625 mg/
Tag) 4) orale Östrogene (CEE+Östradiol; E2) 5) orale Östrogen-Gestagen-Therapie
(EPT) mit oralem CEE respektive E2 plus synthetisches Gestagen respektive Progesteron 6) Dosis unabhängig; transdermale Östrogentherapie (ET) plus gegebenenfalls synthetisches Gestagen respektive Progesteron bei intaktem Uterus.
Endpunkte dieser Studie waren: 1. relevante koronare Herzkrankheit
(KHK), nicht tödlicher Herzinfarkt, Koronartod 2. Apoplex 3. kardiovaskuläre Mortalität 4. alle kardiovaskulären Ereignisse (= Punkte 1.+2.+3.) 5. Gesamtmortalität. Datenbasis waren rund 42 000 Frauen, die zum Studienstart eine HT einsetzten (45% der Gesamtpopulation). Das Follow-up betrug 10,4 Jahre. Der Zeitraum
seit der Menopause (< oder ≥ 10 Jahre) und die HT-Dauer (< oder ≥ 5 Jahre) wurden als mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt. Die meisten Frauen wandten die «oral standard-dose»-CEE-Therapie an. Eine transdermale ET/EPT war – unabhängig vom Zeitpunkt seit der Menopause und der HT-Anwendungsdauer – im Vergleich zur «oral standard-dose»CEE-Therapie mit einem nicht signifikant niedrigeren Risiko für eine relevante KHK und für Apoplex verbunden. «Oral low-dose»-CEE waren mit einem nicht signifikant erniedrigtem Risiko für alle kardialen Ereignisse, nicht aber für Apoplex assoziiert. Beim Vergleich der Östrogentypen zeigte sich ein nicht signifikant erniedrigtes Apoplexrisiko unter oralem E2 im Vergleich zu «oral standard-dose» CEE. Der Vergleich orale EPT versus «oral standard-dose»-CEE-Therapie zeigte keine Unterschiede bezüglich kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse respektive Mortalität. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass I Östrogendosis und -applikationsform kaum eine Rolle für die kardiovaskuläre Gesundheit spielen, aber I orales E2 eventuell günstiger bezüglich Apoplexrisiko ist und I eine transdermale HT sowie I eine «low-dose»-CEE-Therapie eventuell günstiger bezüglich koronarer Ereignisse sind. PD Dr. med. Petra Stute, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen. Kommentierte Studie: Schufelt CL, et al.: Hormone therapy dose, formulation, route of delivery, and risk of cardiovascular events in women: findings from the Women’s Health Initiative Observational Study. Menopause 2014; 21(3): 260–66. Kommentar Trotz der Kohortengrösse und des lan- gen Beobachtungszeitraums ist eine finale Aussage über das vermutete güns- tigere kardiovaskuläre Profil einer trans- dermalen beziehungsweise einer «low- dose»-HT nicht möglich. Das liegt an den typischen Schwächen einer Obser- vationsstudie, der geringen Fallzahl in den Gruppen der transdermalen HT-An- wenderinnen (n = 2187) und der «low- dose»-CEE-Anwenderinnen (n = 2149) sowie am alleinigen Einschluss von der- zeitigen HT-Anwenderinnen bei Studien- start. Dadurch wird die im ersten Anwen- dungsjahr einer oralen HT erhöhte Inzidenz koronarer Ereignisse nicht mit- erfasst und möglicherweise die Präva- lenz kardiovaskulärer Ereignisse im Be- obachtungszeitraum unterschätzt. Und somit erklingt wieder der Ruf nach weiteren Studien... I PD Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine. 36 GYNÄKOLOGIE 4/2014