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Journal Club
Postmenopausale Osteoporose
Neuer Antikörper erhöht die Knochendichte besonders effektiv
Mit dem humanisierten Antikörper Romosozumab ist es gelungen, die Knochendichte postmenopausaler Frauen mit einer Osteopenie deutlich zu erhöhen. Nach einem Jahr hatte die Dichte der Lendenwirbel im Mittel um 11% zugenommen – und damit erheblich stärker als mit zwei Vergleichspräparaten. Das ergab eine multizentrische, randomisierte, plazebokontrollierte Phase-II-Studie aus sieben Ländern mit acht verschiedenen Studienarmen.
The New England Journal of Medicine
Die Wirkung des neuen monoklonalen Antikörpers Romosozumab beruht auf der Hemmung des Glykoproteins Sklerostin, das von den Osteozyten in den Hohlräumen der Knochenlamellen gebildet wird. Bekannt ist, dass Menschen mit einem genetisch bedingtem Mangel an Sklerostin eine erhöhte Knochendichte und -stärke haben und kaum Brüche erleiden. Die medikamentöse Hemmung der Sklerostinwirkung ist daher vielversprechend zur Förderung der Osteoblastenfunktion. Experimentelle Studien haben bei postmenopausaler Osteoporose mit Antisklerosinantikörpern eine Erhöhung der Knochenmasse und der -stärke nachgewiesen; in einer Phase-1Studie mit Einzelinjektionen von Romosozumab wurden die Knochenbildung stimuliert, die Resorption gesenkt und die Kochenmineraldichte erhöht.
Kontrollierte Studien mit acht Armen
Kürzlich publizierte Daten einer Phase-IIStudie (1) zeigten bei postmenopausalen Frauen mit stark reduzierter Knochendichte unter Romosozumab eine signifikante Erhöhung der Knochenmineraldichte (BMD) verglichen mit oralem Alendronat und subkutanem Teriparatid. An der 12-monatigen Studie nahmen 419 Frauen im Alter zwischen 55 und 85 Jahren mit stark reduzierter Knochendichte teil: Voraussetzung war ein T-Score von –2,0 und weniger an Lendenwirbel, Hüftoder Schenkelhalsknochen und –3,5 oder mehr an jeder der drei Regionen.
Die Studie – international, multizentrisch, randomisiert, plazebokontrolliert – wurde achtarmig in Parallelgruppen durchgeführt und diente auch zur Findung der optimalen Romosozumab-Dosis bezüglich Wirkung und Verträglichkeit. In den acht Gruppen erhielten die Teilnehmerinnen im Zeitraum von 12 Monaten entweder: I Plazebo subkutan (insgesamt n = 52;
(n = 22, alle 3 Monate, bzw. n = 30, monatlich) I Romosozumab subkutan (n = 54, 140 mg alle 3 Monate) I Romosozumab subkutan (n = 53, 210 mg alle 3 Monate) I Romosozumab subkutan (n = 51, 70 mg monatlich) I Romosozumab subkutan (n = 51, 140 mg monatlich) I Romosozumab subkutan (n = 52, 210 mg monatlich) I Alendronat oral (n = 51, 70 mg wöchentlich) I Teripatid subkutan (n = 55, 20 µg täglich). Die Gabe von Alendronat und Teripatid erfolgte offen, die Gabe von Plazebo und der Romosozumab-Dosen verblindet. Der primäre Endpunkt war die prozentuale Veränderung der BMD am Lendenwirbel nach 12 Monaten gegenüber dem Ausgangswert. Sekundäre Endpunkte schlossen prozentuale Veränderungen der BMD in anderen Körperregionen und Marker des Knochenstoffwechsels ein.
Hochsignifikante Erhöhung der Knochendichte
91% der Teilnehmerinnen beendeten die Studie, das Durchschnittsalter betrug 67 Jahre, und die mittleren T-Werte bei Studienbeginn betrugen –2,29 (Lendenwirbel), –1,53 (Hüfte) und –1,93 (Femur). Alle fünf Romosozumab-Dosen waren im Vergleich zu Plazebo mit einer hochsignifikanten Erhöhung der BMD an den Lendenwirbelknochen verbunden, und zwar nach 3 sowie bei Studienende nach 12 Monaten. Unter der monatlichen 210mg-Dosis wurde ein Anstieg der Knochendichte um 11,3% nach 12 Monaten beobachtet. Unter Plazebo fand ein BMD-Abfall von 0,1% statt. Der mittlere Anstieg der BMD betrug dagegen unter den zugelassenen Therapien mit Alendronat 4,1% und unter Teriparatid 7,1%. Eine exploratorische Analyse verzeichnete zudem unter Romosozumab signifikant grössere Zugewinne der Knochendichte an Lendenwirbeln und Schenkelhalsknochen im Vergleich zu den Therapien mit Alendronat und Teriparatid. Mit einem p-Wert < 0,001 erwiesen sich alle Differenzen zwischen Romosozumab und den Vergleichspräparaten als hochsignifikant. Weitere Untersuchungen unter der Antikörpertherapie zeigten vorübergehend markante Anstiege der Knochenformationsmarker und anhaltende Abfälle der Knochenresorptionsmarker. Nebenwirkungen traten bei den drei Präparaten etwa gleich häufig auf; unter Romosozumab wurden lediglich vermehrt milde lokale Reaktionen an der Einstichstelle registriert. Die Patientinnen berichteten in allen Verumgruppen am häufigsten über milde Atemwegsinfektionen, Schmerzen im Rücken und in den Gelenken sowie Kopfweh.
Kommentar: neuer Durchbruch in der Osteoporosetherapie?
Die Autoren sowie die Kommentatorin Carolyn Becker, Boston (2), bewerten die
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neue Substanz als potenziell neuen Durchbruch in der Osteoporosetherapie. Sie betonen, dass die Studienresultate sehr eindrücklich sind: Die subkutane Injektion von Romosozumab in ein- oder dreimonatigen Intervallen weist eine deutliche und sehr rasche Erhöhung der Knochenmineraldichte und der Knochenbildung sowie eine verminderte Knochenresorption – insbesondere in den höheren Dosierungen (140 mg oder 210 mg) – auf. Die Resultate überträfen sogar die neuere Therapie mit dem rekombinanten Parathyroidhormon Teriparatid, kommentierte Becker. In ihrer Studie hatten die Ärzte auch mehrere Markersubstanzen für den Kno-
chenstoffwechsel erfasst. Solche, die mit dem Knochenwachstum korrelieren, nahmen nach der ersten Dosis Romosozumab schnell zu, gingen dann aber bis zum sechsten Monat fast auf die Ausgangswerte zurück. Dagegen sah man bei den Markern für die Resorption der Knochensubstanz einen Rückgang ab der ersten Woche, der während des gesamten Studienzeitraums anhielt. So ein Muster mit einer kurzen anabolen Stimulation, der eine chronische Unterdrückung der Knochenresorption folgt, sei einmalig unter den gegenwärtigen Osteoporosetherapien, bemerkte Becker. Dennoch sind noch viele Fragen zur Behandlung mit Romosozumab zu klären,
vor allem die der optimalen Anwen-
dungsdauer und der Langzeitverträglich-
keit. Eine bereits angelaufene Phase-III-
Studie bei postmenopausalen Frauen
mit Osteoporose soll helfen, diese Fra-
gen zu beantworten.
I
hir
Quellen: 1. McClung MR et al.: Rosumumab in postmenopausal women with low bone mineral therapy. N Engl J Med 2014; 370: 412–20. 2. Becker CB.: Sclerostin inhibition for osteoporosis – a new approach. N Engl J Med 2014; 370: 476–77.
Interessenkonflikte: keine, das Studienreview erfolgte redaktionell. Die Studie von McClung und Kollegen wurde von Amgen und UCB Pharma unterstützt.
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