Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Gynäkologische Endokrinologie
4/2014: HRT/Menopausenbeschwerden
Androgene und Mammakarzinomrisiko
Hintergrund: Derzeit ist zwar kein Androgen-Präparat für die Frau zugelassen, jedoch werden Androgene weiterhin «off label» eingesetzt. Von grossem Interesse sind die Langzeitrisiken einer Androgen-Therapie, vor allem der Einfluss auf die weibliche Brust. Bis anhin durchgeführte Studien untersuchten Androgene meist in Kombination mit einer konventionellen Hormonsubstitution (HRT) (1), deren Langzeiteinnahme mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden ist (2).
Wie ist die Dayton-Studie von Glaser und Dimitrakakis zu bewerten?
Die Studie im Resümee
Die sogenannte Testosterone-ImplantBreast-Cancer-Prevention-Studie (Dayton Study) ist eine zehnjährige prospektive Observationsstudie, welche die Mammakarzinominzidenz während einer individuell dosierten, subkutanen Testosteron-Therapie mit und ohne parallele Aromataseinhibitor-Therapie bei prä- und postmenopausalen Frauen untersucht, die keine systemische Östrogen- und/ oder Gestagen-Therapie durchführen und Symptome eines relativen Androgen-Mangels aufweisen (vasomotorische Beschwerden, Schlafstörungen, affektive Störung, prämenstruelles Syndrom, sexuelle Funktionsstörung, Vergesslichkeit etc.). Die Implantate wurden im Mittel nach 96 Tagen erneuert. Teilnehmerinnen wurden wöchentlich telefonisch kontaktiert. In der aktuellen Publikation wurden die Ergebnisse der 5-JahresInterimsanalyse präsentiert (2008 bis zur Erstdiagnose eines Mammakarzinoms bzw. bis zum Tod bzw. bis 31.3.2013). Als Vergleich bezüglich der Mammakarzinominzidenz dienten historische Kontrollen, altersspezifische SEER1-Daten und Frauen, die nur einmalig ein Testosteron-Implantat erhalten hatten (n = 119). Für die ITT2Analyse standen 1268 prä-/perimenopausale (23%) und postmenopausale (77%) Hormonanwenderinnen mit einem Durchschnittsalter von 52 Jahren bei Therapiestart zur Verfügung. Das Followup betrug im Mittel 4,6 ± 1,3 Jahre seit der ersten Implantateinlage. Im März 2013
Abkürzungen: 1SEER = Surveillance Epidemiology and End Results; 2ITT = Intention To Treat; 3PP = Per Protocol.
waren 674 Frauen derzeitige Hormonanwenderinnen, von denen 38% nur Testosteron (mittlere Implantatdosis ca. 140 mg) und 62% Testosteron (mittlere Implantatdosis 173 mg) kombiniert mit Anastrozol (4 mg oder 8 mg; 1:1) erhielten. Während des Beobachtungszeitraums wurden unter der Therapie insgesamt 8 invasive Mammakarzinome neu diagnostiziert. Das entspricht umgerechnet einer Inzidenz von 142 Fällen (ITT-Analyse) respektive 73 Fällen (PP3-Analyse) pro 100 000 Personenjahre. Die Mammakarzinominzidenz lag damit signifikant unter derjenigen der Kontrollen und derjenigen der SEER1-basierten kalkulierten Inzidenz. Die Wirksamkeit der AndrogenTherapie bezüglich der «AndrogenMangelsymptome» wurde nicht präsentiert. Als Nebenwirkung traten eine leichte bis moderate Zunahme der Gesichtsbehaarung (92%) und Akne (51%) auf. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Therapie mit Testosteron mit/ ohne Aromataseinhibitor das Risiko für ein Mammakarzinom bei prä- und postmenopausalen Frauen reduziert.
Kommentar
Die Idee der Behandlung von menopausalen Beschwerden mit Testosteron in Kombination mit einem Aromatasehemmer ist innovativ. Allerdings ist mehr Wissen über den Einfluss einer alleinigen Testosteron-Therapie auf die weibliche Brust dringend erforderlich. Das Studiendesign ist jedoch aufgrund eines vorab nicht definierten Studienumfangs, einer unklaren Powerkalkulation, vager
PD Dr. med. Petra Stute, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Glaser RL, Dimitrakakis C.: Reduced breast cancer incidence in women treated with subcutaneous testosterone, or testosterone with anastrozole: a prospective, observational study. Maturitas 2013; 76: 342–49.
Einschlusskriterien (u.a. prä- und post-
menopausale Frauen, viele verschiedene
Symptome und kein z.B. validierter Fra-
gebogen) sowie individuell festgelegter
und im Studienverlauf veränderbarer
Testosteron- und Anastrozol-Dosierun-
gen diskussionsbedürftig.
Bei der Beschreibung der neu diagnosti-
zierten Mammakarzinome bleibt offen,
ob die erkrankten Frauen eine Testo-
steron-Mono- oder Kombinations-The-
rapie erhielten. Auch wäre interessant zu
wissen, inwiefern das eigentliche Ziel,
nämlich die Reduktion akuter «hormon-
mangelbedingter» Beschwerden, er-
reicht wurde und ob Blutungsstörungen
auftraten.
I
PD Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Kotsopoulos J, Narod SA.: Androgens and breast cancer. Steroids. 2012; 77(1–2): 1–9. 2. Manson JE, Chlebowski RT, Stefanick ML, Aragaki AK, Rossouw JE, Prentice RL, et al.: Menopausal hormone therapy and health outcomes during the intervention and extended poststopping phases of the Women’s Health Initiative randomized trials. JAMA. 2013; 310(13): 1353–68.
38 GYNÄKOLOGIE 3/2014