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Kongressbericht
36th San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), San Antonio, 10. bis 14. Dezember 2013
Mammakarzinom
Highlights aus San Antonio 2013
Zum 36. Mal rundete das San Antonio Breast Cancer Symposium die jährlichen onkologischen Fachtagungen als letzte Konferenz des Kalenderjahres ab. An fünf Kongresstagen wurden aktuelle Informationen mit klinischer Relevanz sowie Ausblicke auf zukünftige Paradigmenwechsel und molekularbiologisch basierte Therapieoptimierungen beim Mammakarzinom ausgetauscht. Der Artikel resümiert einen Ausschnitt aus der Fülle der vorgestellten Präsentationen.
Optimierungsversuche im neoadjuvanten Setting
HER2-positive Tumoren Beim HER2-positiven metastasierten Brustkrebs konnte durch die Kombination der zwei Anti-HER2-gerichteten Therapien mit Trastuzumab und Lapatinib eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) verglichen mit Lapatinib alleine erreicht werden. Die dreiarmige Phase-II-Studie TRIO-US B07 untersuchte nun im neoadjuvanten Setting die zusätzliche Gabe von Lapatinib (L) zur Kombination von Docetaxel (T), Carboplatin (C) und Trastuzumab (H) versus TCH und TCL (1). Von 128 randomisierten Patientinnen (ITT-Population) mit HER2-positivem Mammakarzinom erhielten 103 Patientinnen eine komplette Therapie laut Protokoll. Der primäre Endpunkt war das pathologisch komplette Ansprechen (pCR), welches bei 47% (TCH), 25% (TCL) respektive 52% (TCHL) der Patientinnen in den jeweiligen Studienarmen erreicht wurde. Bei hormonrezeptor-negativen Tumoren wurde ein Ansprechen numerisch häufiger beobachtet. Wenn auch die Rate an pCR unter TCH und TCHL ähnlich hoch war, so traten unter TCHL häufiger Grad-3-Diarrhöen auf (3% versus 28%), und die Therapie wurde häufiger abgebrochen (0% versus 27%). Auch die dreiarmige Studie NeoALTTO untersuchte bei 455 Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs die Kombination von Lapatinib und/oder Trastuzumab mit einer Chemotherapie, in dieser Studie mit Paclitaxel. Die Ergebnisse bezüglich des pCR (primärer Endpunkt) wurden bereits beim SABCS 2010 präsentiert und
2012 im «Lancet» publiziert. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,77 Jahren wurde nun ausgewertet, ob sich der Zugewinn an pCR durch die duale HER2-Blockade in eine Verlängerung des ereignisfreien Überlebens (EFS) und des Gesamtüberlebens (OS) übersetzen konnte (2). Die Studie war zwar nicht auf den Nachweis einer Differenz in Bezug auf das Überleben ausgelegt, es wurde aber insgesamt ein signifikanter Vorteil im EFS (Hazard Ratio; HR = 0,38; p = 0,0003) und im OS (HR = 0,35; p = 0,005) bei Patienten mit pCR im Vergleich zu Patienten ohne pCR beobachtet – unabhängig vom Studienarm. Zudem weisen die unterschiedlichen Ergebnisse bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositiver versus -negativer Erkrankung darauf hin, dass es sich bei diesen Subgruppen um verschiedene Erkrankungen handelt. Eine weitere Analyse der Ergebnisse ist in 2½ Jahren geplant.
Triple-negative Tumoren Die Zugabe von Bevacizumab und/oder Carboplatin zu Paclitaxel, dem dosisdichtes AC folgt im neoadjuvanten Setting beim triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) im Stadium II–III wurde in der vierarmigen Phase-II-Studie CALGB 40603 geprüft. Auf dem SABCS 2013 wurden die Ergebnisse zum primären Endpunkt, der Verbesserung der pCRRate, präsentiert (3). Die Zugabe von Bevacizumab erhöhte die pCR-Rate in Bezug auf die Brust, nicht aber auf Brust/ Axilla. Das Auftreten der Grad-3-Nebenwirkungen Bluthochdruck, febrile Neutropenie (v.a. in Kombination auch mit Carboplatin), nicht neutropenische Infektion, Blutungen sowie thromboembolische und chirurgische Komplikationen
wurde erhöht. Die Zugabe von Carboplatin erhöhte die pCR-Rate signifikant sowohl für Brust als auch für Brust/Axilla, bei häufigerem Auftreten von Grad-3- bis -4-Neutropenien und Thrombozytopenien. Inwieweit die Zugabe von Carboplatin (Dosierung in Kombination mit Paclitaxel ist unklar) oder Bevacizumab (wiegt die höhere pCR-Rate die erhöhte Toxizität auf?) als Standardtherapien im neoadjuvanten Setting zu empfehlen sind, kann anhand der vorliegenden Daten schwer beurteilt werden und sollte in korrelierenden Studien und Subgruppenanalysen weiter untersucht werden.
Optimierung der adjuvanten Therapie
HER2-positive Tumoren Die Phase-III-Studie BETH untersuchte die Zugabe von Bevacizumab zu einem trastuzumabhaltigen Regime im adjuvanten Setting bei Patientinnen mit HER2-positivem frühem Brustkrebs und hohem Progressionsrisiko. Das Risiko war definiert als lymphknotenpositive Erkrankung oder Erfüllung wenigstens eines der folgenden Kriterien: pathologische Tumorgrösse > 2 cm, hormonrezeptornegativer Status, histologischer Grad 2 bis 3 oder Alter unter 35 Jahren. Primärer Endpunkt war ein Unterschied im invasivkrankheitsfreien Überleben (IDFS). Nach durchschnittlich 38 Monaten Beobachtungszeit waren in beiden Studienpopulationen 92% der Patientinnen ohne invasive Erkrankung (HR = 0,98; p = 0,88) (4). Es wurden keine neuen oder unerwarteten Sicherheitssignale beobachtet. Im Bevacizumab-Arm brachen mehr Patientinnen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Auch bei Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs im Stadium I besteht ein Rezidivrisiko, welches eine adjuvante Therapie mit Trastuzumab gerechtfertigt. Allerdings sind Risiko und Nutzen gut abzuwägen. In einer einarmigen prospektiven Studie wurde die Kombination von Paclitaxel mit Trastuzumab bei HER2-positivem, ER+/ER-, Lymphknoten-negativem Brustkrebs ≤ 3 cm untersucht (5). Mit einer medianen Nachbeob-
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achtungszeit von 3,6 Jahren waren 98,7% der eingeschlossenen 406 Patientinnen nach drei Jahren krankheitsfrei (DFS). Es wurden Nebenwirkungen von Grad 3 bis 4 bei weniger als 5% der Studienteilnehmerinnen beobachtet.
Endokrine Therapie Brustkrebsprävention bei Hochrisikopatientinnen Jack Cuzick und Kollegen untersuchten die endokrine Brustkrebsprävention mit Anastrozol bei gesunden Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko. In der IBIS-II-Studie erhielten 3864 postmenopausale Frauen im Alter von 40 bis 70 Jahren mit erhöhtem Brustkrebsrisiko über einen Zeitraum von fünf Jahren Anastrozol (1 mg/Tag) oder Plazebo (SABCS 2013, S3–01). Mit einer kumulativen Inzidenz von 5,6% versus 2,8% traten innerhalb von sieben Jahren ab Beginn der Studie signifikant weniger Brustkrebserkrankungen im AnastrozolArm auf (HR = 0,47; p < 0,0001). Überraschenderweise waren auch andere gynäkologische Entitäten, Hautkrebs und gastrointestinale Tumore unter der Anastrozolbehandlung seltener als im Plazebo-Arm (3,6% versus 2,1%; RR = 0,58). Die Inzidenz muskuloskeletaler Symptome war in beiden Studienarmen mit 63,9% versus 57,8% sehr hoch, aber unter Anastrozol war das Risiko des Auftretens um 10% erhöht (RR = 1,1). Diese Ergebnisse geben einen deutlichen Hinweis auf den Nutzen einer präventiven Anastrozoltherapie bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen.
Verbesserung der Compliance Eine adjuvante endokrine Therapie wird von 20 bis 30% der Patientinnen früh abgebrochen, hauptsächlich aufgrund von muskuloskeletalen Symptomen. Weitere Symptome bei Brustkrebspatientinnen können kognitive Störungen, Schlafstörungen und Fatigue sein. Als Prädiktoren für das Abbrechen der endokrinen Therapie wurden vorgängig Alter, BMI und vorangegangene Chemotherapien identifiziert. Nun wurde im «Exemestane and Letrozole Pharmacogenetics (ELPh) Trial» untersucht, ob auch das Vorliegen bestimmter Symptome vor Beginn der endokrinen Therapie auf einen Abbruch aufgrund von Nebenwirkungen hindeu-
tet (6). Im Ergebnis bestätigte sich, dass das Abbrechen der Aromatasehemmertherapie mit einer vor Therapiebeginn berichteten schlechten Schlafqualität sowie Konzentrationsschwierigkeiten verbunden war. Die Höhe des Abbruchrisikos war abhängig von der Schwere der Symptomlast. Eine gezielte Kontrolle der kritischen Symptome könnte folglich die Compliance erhöhen.
Tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) als prädiktiver und prognostischer Marker
Die GeparSixto-Studie untersuchte die
Zugabe von Carboplatin zu der Kombi-
nation von Paclitaxel plus nicht pegylier-
tem liposomalem Doxorubicin plus
zusätzlich Bevacizumab bei triple-negati-
ven Tumoren (TNBC) respektive Trastu-
zumab und Lapatinib bei HER2-positiven
Tumoren (HER2+ BC) (von Minckwitz,
ASCO 2013). Das translationale Pro-
gramm der Studie sah die Untersuchung
der tumorinfiltrierenden Lymphozyten
(TILs) vor, deren Ergebnisse nun auf dem
SABCS präsentiert wurden (7): Der Wert
von TILs als prädiktiver Biomarker auf das
Ansprechen bei TNBC und HER2+ BC
wurde bestätigt.
20 bis 28% der Patientinnen wiesen einen
Lymphozyten-prädominanten Brustkrebs
(LPBC; ≥ 60% TILs) auf und zeigten erhöh-
te Raten an pathologischen Komplettre-
missionen (pCR). Dieser Effekt zeigte sich
vor allem bei Patientinnen unter Carbo-
platinbehandlung: 75% der Patientinnen
mit LPBC sprachen im Carboplatin-Arm
auf die Therapie an gegenüber 34% der
Patientinnen ohne LPBC (p < 0,0005).
Der prognostische Wert von stromalen
TILs (sTILs) bei TNBC wurde für die bei-
den Phase-III-Studien ECOG 2197 und
ECOG 1199 nachgewiesen (8). Je höher
der sTIL-Score, desto besser war die Pro-
gnose der Patientinnen.
I
Dr. Ine Schmale Interessenkonflikte: keine. Die Autorin erhielt keine Reisekostenunterstützung.
Quellen: 1. Hurvitz S et al.: Final analysis of a phase II 3-arm randomized trial of neoadjuvant trastuzumab or lapatinib or the combination of trastuzumab and lapatinib, followed by six cycles of docetaxel and carboplatin with trastuzumab and/or lapatinib in patients with HER2+ breast cancer (TRIO-US B07). SABCS 2013, S1–02.
2. Piccart-Gebhart M et al.: The association between event-free survival and pathological complete response to neoadjuvant lapatinib, trastuzumab or their combination in HER2-positive breast cancer. Survival follow-up analysis of the NeoALTTO study (BIG 1-06). SABCS 2013, S1–01. 3. Sikov WM et al.: Impact of the addition of carboplatin (Cb) and/or bevacizumab (B) to neoadjuvant weekly paclitaxel (P) followed by dose-sense AC on pathologic complete response (pCR) rates in triple-negative breast cancer (TNBC): CALGB 40603 (Alliance). SABCS 2013, S5–01. 4. Slamon D et al.: Primary results from BETH, a phase 3 controlled study of adjuvant chemotherapy and trastuzumab ± bevacizumab in patients with HER2-positive, nodepositive or high risk node-negative breast cancer. SABCS 2013, S1–03. 5. Tonaley SM et al.: A phase II study of adjuvant paclitaxel (T) and trastuzumab (H) (APT trial) for node-negative, HER2-positive breast cancer (BC). SABCS 2013, S1–04. 6. Henry NL et al.: Associations between baseline patient-reported symptoms and discontinuation of adjuvant aromatase inhibitor (AI) therapy. SABCS 2013, S3–02. 7. Denkert C et al.: Increased tumor-associated lymphocytes predict benefit from addition of carboplatin to neoadjuvant therapy for triple-negative and HER2-positive early breast cancer in the GeparSixto trial (GBG66). SABCS 2013, S1–06. 8. Adams S et al.: Prognostic value of tumor-infiltrating lymphocytes (TILs) in two phase III randomized adjuvant breast cancer trial: ECOG 2197 and ECOG 1199. SABCS 2013; S1–07.
Brustkrebsfrüherkennung durch Mammografie: konsistente Resultate
Auf dem SABCS 2013 wurde der kontroversen Diskussion um den Nutzen des Brustkrebsscreenings eine weitere Untersuchung hinzugefügt: Robert A. Smith und Kollegen (SABCS 2013, S1–10) verglichen die anscheinend widersprüchlichen Daten von vier grossen Analysen zur Mammografie und fanden konsistente Ergebnisse, wenn die Studien auf die Dauer der Nachbeobachtung und das Alter der Studienteilnehmerinnen angepasst wurden.
Aktuelles Vorgehen bestätigt sich Für die Erfassung des vollen Umfangs der Effektivität des Mammascreenings ist eine lange Nachbeobachtungszeit notwendig. Rechnet man die erfassten Daten der Analysen auf eine Nachbeobachtungszeit von 20 Jahren hoch und verwendet nur die Daten für Frauen in einem Alter von 50 bis 69 Jahren, so reduziert sich die Anzahl der Frauen, die gescreent werden müssen, um einen Brustkrebstod zu verhindern, konsistent auf zirka 200 bis 300 Frauen. Bei 30 Jahren Nachbeobachtungszeit wird geschätzt, dass 90 Frauen gescreent werden müssten, um Brustkrebstod zu verhindern. Dem steht die Überdiagnose von weniger als 10% der gescreenten Frauen gegenüber, wenn die bestehenden Daten ebenfalls methodisch adjustiert werden.
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