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EDITORIAL
Aktuelles aus der Urogynäkologie
N och vor wenigen Jahren gehörten unwillkürlicher Urinverlust und Senkungsbeschwerden der Genitalorgane zu Tabuthemen, über die betroffene Frauen häufig nicht einmal mit ihrem Haus- oder Frauenarzt sprachen. Die Annahme, es handle sich dabei um einen unvermeidbaren Preis für das Kinderkriegen und/oder um ein unabänderliches Begleitphänomen des Älterwerdens, ist weitverbreitet und hält sich teilweise bis heute.
Nur ein Viertel der Betroffenen spricht ihren Arzt an Harninkontinenz schränkt die Lebensqualität von Frauen jeglichen Alters jedoch erheblich ein – im Alltag, im Kontakt mit der Familie und mit Freunden,
Stilles Leiden
beim Reisen und bei sportlicher Tätigkeit. Die Angst vor unangenehmem Uringeruch und vor sichtbaren Urinflecken hemmt oft die Betroffenen, aus dem Hause zu gehen. Jede dritte Frau gibt nach einer Geburt Inkontinenzprobleme an, und schätzungsweise die Hälfte der Frauen über 50 Jahre zeigt Inkontinenzsymptome. Nur 25% der betroffenen Frauen haben aber je mit einem Arzt über ihre Beschwerden gesprochen. Bei der Harninkontinenz der Frau kann man deshalb von einem stillen Leiden, ja von einer stillen Epidemie sprechen. Die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung, verbunden mit einem gestiegenen Aktivitätsbedürfnis, gibt der Abklärung und Therapie der Harninkontinenz eine zunehmende Bedeutung.
Exakte Diagnostik und neue effektive Therapien Vor konservativer und insbesondere vor operativer Therapie der Harninkontinenz kommt der Diagnostik eine entscheidende Bedeutung zu, denn: Nur wenn diese korrekt durchgeführt wurde, kann die Therapie erfolgreich sein. Ultraschall und MRI bringen dabei neue Möglichkeiten in der Diagnostik des Beckenbodens. In den letzten Jahren haben neue pathophysiologische Erkenntnisse bei Harninkontinenz und bei Senkungserscheinungen zu einer Vielzahl neuer Therapiemöglichkeiten geführt. In erfahrenen Händen kann heute mit einem minimalinvasiven Eingriff durch Einlage eines suburethral platzierten Bändchens die Belastungsinkontinenz in über 90% der Fälle behoben werden. Die Operation wird in Lokal-
anästhesie durchgeführt und erfordert lediglich eine Kurzhospitalisation. Injektionen von Botulinum-A-Toxin in den Detrusormuskel stellen bei therapieresistenter überaktiver Blase eine Erfolg versprechende Behandlungsstrategie dar. Zusätzlich stehen neue Medikamente zur Behandlung der Belastungsinkontinenz oder der überaktiven Blase (z.B. b3-Adrenozeptor-Agonisten) zur Verfügung.
Neue chirurgische Techniken bei symptomatischem Descensus genitalis Ebenso ist die operative Therapie des Descensus genitalis eine der häufigsten durchgeführten gynäkologischen Operationen. Mit Zunahme des Alters der Bevölkerung wird die Zahl der Frauen, die unter einem Descensus genitalis leiden, ebenfalls steigen. Ziel der chirurgischen Versorgung ist die Beseitigung der klinischen Beschwerden der Patientin, basierend auf einer Wiederherstellung der normalen Anatomie und Funktion. Zusätzlich zu älteren, bewährten Verfahren (z.B. sakrospinale Fixierung des Vaginalstumpfes nach Amreich/Richter) sind neue, teilweise laparoskopische Techniken dazugekommen. Aufgrund der Komplikationen (v.a. Erosionen) haben die Meshes in neuester Zeit deutlich an Bedeutung verloren. In den letzten Jahren hat sich die Urogynäkologie zu einer sehr innovativen gynäkologischen Subspezialität entwickelt. In diversen Ländern gibt es in der gynäkologischen Facharztausbildung bereits den Schwerpunkttitel, und in der Schweiz ist ein solcher in Diskussion.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieser GYNÄKOLOGIE-Ausgabe.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Ko-Herausgeber
GYNÄKOLOGIE 5/2013
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