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Kongressbericht/Neue Therapien
28th Annual Congress of the European Association of Urology (EAU), 15. bis 19. März 2013, Mailand
Antibiotikaresistenzen – eine medizinische Herausforderung
OM-89 in der zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte
Antibiotikaresistenzen stellen eine zunehmende Gefahr für die Gesundheit dar. Jedoch werden nach wie vor grosse Mengen an Antibiotika eingesetzt, unter anderem zur Behandlung und Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen, welche nach den Atemwegsinfektionen die zweithäufigste Infektion für Antibiotikaverschreibungen sind. Die European Association of Urology (EAU) empfiehlt in Anbetracht dieser Problematik und aufgrund der vorliegenden soliden Evidenz eine orale Immunprophylaxe mit OM-89 (Uro-Vaxom®).
«Jährlich werden in der EU 10 500 Tonnen Antibiotika eingesetzt, gut die Hälfte davon beim Menschen», erklärte Prof. Dr. Florian M.E. Wagenlehner, Giessen/D, der erste Referent des Symposiums. «Dabei kommen 80% im ambulanten Bereich und nur 20% im Spital zum Einsatz.» Wie Untersuchungen gezeigt haben, korreliert das Ausmass des Antibiotikaeinsatzes direkt mit der Inzidenz multiresistenter Keime wie E. coli (1), welche 80% aller Harnwegsinfekte verursachen. «Die WHO beurteilt die Antibiotikaresistenz als eine der grössten Gefahren für die menschliche Gesundheit», so Wagenlehner. «In der EU sterben jährlich 25 000 Menschen aufgrund einer Infektion mit einem multiresistenten Keim. Das entspricht mehr Todesfällen als durch HIV/Aids oder Parkinson», gab er zu bedenken. Nicht zu vergessen seien zudem auch die durch Antibiotikaresistenzen verursachten hohen Kosten. «Diese belaufen sich auf über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.»
Gramnegative Keime zunehmend resistent
Im Bereich der Harnwegsinfektionen sind insbesondere Zystitiden ein grosses Thema. «Generell gehören sie zu den am häufigsten auftretenden bakteriellen Infektionen. Damit sind sie auch für einen grossen Teil des Antibiotikaeinsatzes verantwortlich», erläuterte der Referent. Eine internationale Erhebung bei fast 3000 Frauen mit Bakteriurie identifizierte E. coli als den am häufigsten an einer bakteriellen Zystitis beteiligten Keim (in 76,7% der Fälle) (2). «Dabei wurde auch festgestellt, dass in 51% der Fälle eine
Resistenz gegenüber Ampicillin und in 29% eine Resistenz gegenüber Cotrimoxazol vorlag.» Im Weiteren habe der Anteil ciprofloxacinresistenter Keime in den letzten Jahren stark zugenommen und liege jetzt bei 8%. «Im Rahmen der Global Prevalence Study of Infections in Urology wurde gezeigt, dass etwa 10% der fast 20 000 eingeschlossenen Patienten eine nosokomiale Harnwegsinfektion (NAUTI = nosocomial acquired urinary tract infection) entwickelten. In 40% der Fälle waren auch hier E. coli beteiligt, daneben aber auch andere Keime wie Pseudomonas oder Klebsiella.» Wagenlehner betonte im Anschluss, dass die Kolibakterien in dieser globalen Untersuchung in einem sehr hohen Ausmass gegenüber Ciprofloxacin, Cotrimoxazol und auch Ampicillin resistent waren. «Lediglich Carbapeneme, die eigentlich als Reserve-Antibiotika gelten und nur intravenös im Klinikumfeld appliziert werden können, wiesen noch eine ausreichende antimikrobielle Wirkung auf.» Neue Antibiotika, die dem stetig wachsenden Problem der Antibiotikaresistenzen Herr werden könnten, befinden sich jedoch nur vereinzelt in Entwicklung. «Es sind daher dringend alternative Strategien für die Behandlung und die Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte gefordert», schloss Wagenlehner.
Immunoprophylaxe mit höchstem Empfehlungsgrad
Wie Prof. Dr. Kurt G. Naber, München/D, im Anschluss erläuterte, leiden etwa 4 bis 10% aller Frauen unter rezidivierenden Harnwegsinfekten (rUTI). Eine antibioti-
sche Behandlung der akuten Episode sei damit nicht ausreichend. «Es braucht dringend wirkungsvolle Präventionsstrategien», meinte er. Gemäss der aktuellen Version der EAU-Guidelines umfassen die präventiven Massnahmen bei rUTI an erster Stelle Beratung und Verhaltensmodifikationen, gefolgt von nicht antibiotischen Massnahmen (3). «Antibiotika sollen nur dann eingesetzt werden, wenn die nicht antibiotischen Massnahmen nicht erfolgreich waren.» Die nicht antibiotische Prävention umfasst mehrere Massnahmen mit einem Empfehlungsgrad C. Dazu gehören orale oder intravaginale Probiotika, Preiselbeeren und der Einsatz von Östrogen bei postmenopausalen Frauen. Lediglich die orale Immunoprophylaxe mit OM-89 (Uro-Vaxom®) weist den Empfehlungsgrad B auf. Bei OM-89 handelt es sich um ein lyophilisiertes Bakterienlysat von 18 verschiedenen uropathogenen Escherichia-coli-Stämmen. «Der Grund für den hohen Empfehlungsgrad ist die gute Evidenz, die uns zu OM-89 vorliegt», erklärte Naber. «Eine Grad-B-Empfehlung bedeutet zwar nicht, dass Sie OM-89 bei allen Ihren Patienten mit rezidivierender Zystitis auf jeden Fall einsetzen müssen, Sie sollten es aber versuchen», betonte er zum Schluss.
Solide Evidenz für OM-89 (Uro-Vaxom®)
Die für OM-89 vorliegende Evidenz war denn auch eines der Themen, die vom nächsten Referenten, Prof. Dr. Björn Wullt , Lund/S, aufgegriffen wurden. «Daten aus experimentellen und In-vitro-Studien stützen den immunstimulierenden Effekt von OM-89, sowohl auf das angeborene wie auch auf das spezifische Immunsystem», erklärte er einleitend. Anschliessend präsentierte er einen kurzen Überblick über die Resultate der multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten 6-Monats-Studie von Schulman (4). Hier erhielten 166 Patienten mit rUTI während 3 Monaten täglich OM-89 und wurden nach weiteren 3 Monaten
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kontrolliert. Dabei konnte gegenüber dem Ausgangswert eine signifikante Reduktion der Infektionsepisoden (mit Keimzahl > 105/ml) um 49% festgestellt werden (p < 0,0001). Ausserdem ergab die Studie, dass der Einsatz von OM-89 zu einer signifikanten Reduktion des Antibiotikaverbrauchs führte (Abbildung). Eine Metaanalyse, in die auch eine Studie über die Dauer von 12 Monaten eingeschlossen worden war (7), ergab (Therapie versus Plazebo) ebenfalls eine signifikante Reduktion der Infektepisoden (39% bei Studienende, unabhängig von der Dauer) und des Antibiotikaverbrauchs (5). Ausserdem war der Anteil der Patienten ohne eine Episode während der Studiendauer unter OM-89 um 20% höher im Vergleich zu Plazebo. Das bedeutet, dass 65% der Patienten der OM-89-Gruppe nach 6 Monaten infektfrei waren, welche bei Studieneinschluss mindestens 2 Infektionen/6 Monate beziehungsweise 3 Infektionen/12 Monate aufwiesen. Verbesserte Lebensqualität Im zweiten Teil seines Referats widmete sich Wullt dem Einfluss der rUTI und ihrer Prävention auf die Lebensqualität der Betroffenen. «Interessanterweise fehlten uns bis vor Kurzem jegliche Daten zur Lebensqualität von Patienten mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen», sagte er. Eine grosse vom HUG (Hôpitaux universitaires de Genève) geleitete, internationale prospektive Beobachtungsstudie hat dies nun untersucht (6). Zur Evaluation wurden zu Studienbeginn und nach 6 Monaten die HAD- (= Hospital Anxiety and Depression) und die Leicester-Skala eingesetzt. Die Leicester-Skala dient zur Erfassung der Lebensqualität von Patienten mit Harnwegssymptomen (Inkontinenz, Frequenz, Nykturie, Drang). Die in die Studie eingeschlossenen Patienten erhielten zudem eine optimale Prophylaxe (Best Standard of Care), inklusive OM-89. «Die Erhebung zu Studienbeginn ergab meiner Meinung nach einen eindrücklichen Befund, wiesen doch 62% der Patienten einen HAD-Score auf, der für eine milde Depression spricht», so Wullt. Die Leicester-Skala ergab zudem für 74% der Patienten Einschränkungen in den täglichen Aktivitäten. Zu Studienende zeigte sich, dass die op- Antibiotika-Behandlungsdauer Abbildung: Der Einsatz von OM-89 bei Patienten mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen ermöglicht eine signifikante Reduktion des Antibiotikaverbrauchs (4). M1-M3: 1. Monat bis 3. Monat; M4-M6: 4. Monat bis 6. Monat; Total: 1. Monat bis 6. Monat. timale Prophylaxe zu einer im Durch- schnitt 59%igen Reduktion der Infekti- onsepisoden geführt hatte (p < 0,0001). Der HAD-Score verbesserte sich um 32% (p < 0,0001 vs. Ausgangswert). «Diese Verbesserungen korrelierten signifikant mit der Reduktion der durchschnittlichen Anzahl an Infektionsepisoden», erklärte der Redner dazu. Auch für den Leicester- Score konnte eine signifikante Verbesse- rung nachgewiesen werden (44% gegen- über Ausgangswert), die ebenfalls mit der Abnahme der Zystitiden korrelierte (p = 0,02). «Ein erfolgreiches Manage- ment rezidivierender Harnwegsinfekte trägt demnach nicht nur dazu bei, den Verbrauch an Antibiotika und damit die Gefahr der Resistenzentwicklung zu re- duzieren, sondern verbessert auch die Lebensqualität unserer Patienten», schloss Wullt. ■ Referenzen: 1. Kahlmeter G et al.: Non-hospital antimicrobial usage and resistance in community-acquired Escherichia coli urinary tract infection. J Antimicrob Chemother 200352(6): 1005–1010. 2. Naber KG et al.: Surveillance study in Europe and Brazil on clinical aspects and Antimicrobial Resistance Epidemiology in Females with Cystitis (ARESC): implications for empiric therapy. Eur Urol 2008; 54: 1164–1175. 3. Grabe M et al.: European Association of Urology Guidelines on Urological Infections 2013. www.uroweb.org 4. Schulman CC et al.: Oral immunotherapy of recurrent urinary tract infections: a double-blind placebo-controlled multicenter study. J Urol 1993; 150: 917–921. 5. Naber KG et al.: Immunoactive prophylaxis of recurrent urinary tract infections: a meta-analysis. Int J Antimicrob Agents 2009; 33: 111–119. 6. Renard J et al.: Recurrent lower urinary tract infections have a detrimental effect on patient quality-of-life. Int J Gynecol Obstet 2012;119 (Suppl 3): S727. 7. Bauer HW et al.: A long-term, multicenter, doubleblind study of an Escherichia coli extract (OM-89) in female patients with recurrent urinary tract infections. Eur Urol. 2005; 47(4): 542–8. Therese Schwender Quelle: Satellitensymposium «Burden of Illness and Optimal Management of Recurrent Cystitis», organisiert von Vifor Pharma, Villars-sur-Glâne. Interessenlage: Die Berichterstattung wurde von Vifor Pharma finanziell unterstützt. Kurzfachinformation: Uro-Vaxom: Z: Lyophilisiertes Bakterienlysat von E. coli: 6 mg. I: Immuntherapie. Prophylaxe rezidivierender Infektionen der unteren Harnwege. Adjuvans zur Behandlung akuter Infektionen der Harnwege. D: Vorbeugende Behandlung: Eine Kapsel täglich, auf nüchternen Magen einnehmen, während 3 Monaten. Akute Infektion: Eine Kapsel täglich, zu einer konventionellen, antibakteriellen Therapie, bis zum Verschwinden der Symptome, mindestens 10 Tage. KI: Überempfindlichkeit gegen Inhaltstoffe. VM: Kinder unter 4 Jahre. IA: keine bekannt. S/S: kein Risiko für das Kind bekannt, aber keine wissenschaftlichen Untersuchungen verfügbar. UW: Kopfweh, gastrointestinale Beschwerden, Fieber, Hautreaktionen, allergische Reaktionen. Liste: B. Detaillierte Informationen: http://www.swissmedicinfo.ch oder www.compendium.ch. Zulassungsinhaberin: OM Pharma, CH-1217 Meyrin. Vertrieb: Vifor SA, CH-1752 Villars-sur-Glâne GYNÄKOLOGIE 2/2013 37