Transkript
SCHWERPUNKT
Nicht invasiver Pränataltest (PränaTest®)
Information der gynécologie suisse SGGG und der SGMG über Möglichkeiten und Grenzen
Neben dem standardmässig angebotenen Ersttrimestertest zur Erkennung einer fetalen Chromosomenanomalie, welche im Verdachtsfall mittels Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zu bestätigen/auszuschliessen ist, besteht heute alternativ die Möglichkeit, bei erhöhtem Risiko für Trisomie 21 gemäss Ersttrimestertest mit einem nicht invasiven Test (PränaTest®) eine Trisomie 21 mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit zu diagnostizieren. Dabei ist die Kenntnis der Vorteile und Grenzen des Tests unerlässlich.
SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR GYNÄKOLOGIE UND GEBURTSHILFE (SGGG) SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK (SGMG)
Seitdem der fetale Karyotyp aus Fruchtwasserzellen oder Trophoblastgewebskulturen bestimmt werden kann, kommen Amniozentese und Chorionzottenbiopsie für die Patientinnen in Betracht, die ein erhöhtes Risiko für eine Trisomie 21 oder eine andere Chromosomenstörung aufweisen. Initial war das mütterliche Alter das alleinige Selektionskriterium für die Abklärung einer Trisomie. Später gab es die Möglichkeit, mittels biologischer Tests («Triple Test») Patientinnen mit erhöhtem Risiko für ein Kind mit Trisomie 21 zu selektionieren. Heute wird ein nicht invasives Screening allen Patientinnen zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche angeboten («Ersttrimestertest»). Die Detektionsrate einer Trisomie 21 liegt bei zirka 90%. Rund 5% aller schwangeren Frauen weisen für diese Diagnose ein erhöhtes Risiko auf. Zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer Trisomie 21 wird eine invasive Diagnostik in Form einer Chorionzottenbiopsie oder einer Amniozentese durchgeführt. Das geschätzte Risiko für eine Komplikation bei diesem invasiven Prozedere (Fehlgeburt, vorzeitiger Blasensprung, Blutungen) liegt zwischen 0,5% und 1%.
Der PränaTest®
Vor ungefähr zehn Jahren entdeckte eine anglo-chinesische Forschergruppe, dass freie fetale DNAFragmente im mütterlichen Serum vorhanden sind. Seitdem hat die Industrie eine Möglichkeit entwickelt, diese DNA exakt zu quantifizieren, um so nach eventuell vorhandenen Chromosomenanomalien (Aneuploidien) zu suchen. Bereits heute ist es da-
durch möglich, eine Trisomie 21 mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit zu diagnostizieren.
Einschränkungen Diese Technik ist bis jetzt lediglich für Patientinnen mit einem erhöhten Risiko für eine Trisomie 21 validiert. Für ihre Anwendung gibt es einige Einschränkungen: ■ Bei Mehrlingsschwangerschaften kann er nicht an-
gewendet werden. ■ Die seltenen Mosaiktrisomien 21 und andere kom-
plexe Trisomie-21-Formen können damit nicht erkannt werden. ■ Ebenso können zurzeit keine anderen Chromosomenanomalien (z.B. Trisomie 13, 18 oder Geschlechtschromosomenanomalien) entdeckt werden.
Sicherheit Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist die Technik in 99% aller entnommenen Blutproben durchführbar. Die Sensitivität für die Diagnostik einer Trisomie 21 ist hoch, sie liegt bei 99,1% (Vertrauensintervall 97–100), die falschpositiven Resultate liegen bei 0,3% (Vertrauensintervall 0,2–0,7). Selten sind falschnegative Resultate aufgetreten (zurzeit 5% gemäss Angaben der Herstellerfirma Lifecodexx).Trotz des geringen Anteils an falschpositiven Ergebnissen wird empfohlen, im Falle eines positiven Testergebnisses die Diagnose einer Trisomie 21 durch eine Amniozentese zu überprüfen, bevor eine Entscheidung über das weitere Vorgehen (Weiterführen oder Abbruch der Schwangerschaft) getroffen wird.
GYNÄKOLOGIE 2/2013
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SCHWERPUNKT
Für wen ist der PränaTest® geeignet?
Der Test ist eine Screeningetappe für das Vorliegen einer Trisomie 21. Er eignet sich für alle Schwangeren mit unauffälligem Ultraschallbefund, die gemäss Ersttrimestertest ein erhöhtes Risiko für eine Trisomie 21 aufweisen.
Voraussetzung der Anwendung Nach dem Ersttrimesterscreening müssen die Schwangeren mit erhöhtem Risiko (5% aller getesteten Patientinnen) von einer eingehenden genetischen Beratung profitieren können. Diese sollte bevorzugt von einem Spezialisten in Pränataldiagnostik (Facharzt für Gynäkologie und Geburthilfe mit Schwerpunkt Fetomaternale Medizin) oder einem Facharzt für Medizinische Genetik vorgenommen werden, der die Vorteile, Nachteile, Risiken und Kosten sowohl der invasiven Untersuchung (Amniozentese/Chorionzottenbiopsie) als auch des PränaTests® mit der Schwangeren bespricht. Aufgrund seines diagnostischen Charakters unterliegt dieser Test dem Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) und kann nur dann durchgeführt werden, wenn die betroffene Patientin darüber aufgeklärt wurde und ihr Einverständnis schriftlich gegeben hat.
Ausschlusssituationen Die Blutentnahme für den PränaTest® kann ab Schwangerschaftswoche (SSW) 12 0/7 erfolgen. Für Patientinnen, bei denen im Ultraschall eine fetale Fehlbildung diagnostiziert wurde, ist der PränaTest® wegen der möglichen Assoziation mit anderen Chromosomenanomalien nicht geeignet. Derzeit kann dieser Test für Patientinnen mit einem niedrigen Risiko für eine Trisomie 21 nicht beurteilt werden. Seine Anwendung kann deshalb für diese Patientinnengruppe im Moment nicht empfohlen werden.
PränaTest® oder Amniozentese respektive Chorionzottenbiopsie?
Vorteile und Einschränkungen Im Vergleich zu den invasiven Untersuchungen, die mit einem Risiko von 0,5 bis 1% für einen Schwangerschaftsverlust einhergehen, liegt der Vorteil des nicht invasiven Tests darin, dass für den Feten kein Risiko besteht. Seine Aussagekraft ist jedoch lediglich auf die Diagnostik der Trisomie 21 beschränkt und er-
möglicht nicht, andere Chromosomenanomalien auszuschliessen. Wird eine Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie für ein erhöhtes Risiko einer Trisomie 21 durchgeführt wird, repräsentiert diese Diagnose lediglich 50% der nachweisbaren Chromosomenanomalien/Aneuploidie. Es ist zu vermuten, dass die Trisomien 13 und 18 in naher Zukunft auf die gleiche Art und Weise diagnostiziert werden können. Der PränaTest® kann den Ersttrimester-Ultraschall zwischen der 11. und 14. SSW inklusive Nackentransparenzmessung nicht ersetzen, da beispielsweise eine erhöhte Nackentransparenz auch Hinweise auf andere Chromsomenstörungen oder fetale Fehlbildungen geben kann, welche nicht durch Chromosomenanomalien verursacht sind.
Durchführung
Zirka 20 ml Blut wird über ein anerkanntes Labor zur Firma Lifecodexx nach Deutschland (Konstanz) gesandt. Alle Labors, welche diesen Test anbieten, müssen über eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit zur Durchführung genetischer Untersuchungen beim Menschen verfügen (auch wenn sie den Test nicht selber durchführen, sondern zu Lifecodexx nach Konstanz senden). Zurzeit beträgt das angekündigte Intervall bis zum Erhalt des Untersuchungsresultats 10 bis 15 Werktage. Während der Einführungsphase ist mit längeren Wartezeiten zu rechnen.
Kosten
Derzeit gehen die Kosten für die Untersuchung zulas-
ten der Paare. Das BAG hat über die Kostenerstat-
tung noch nicht befunden. Der ungefähre angekün-
digte Preis beträgt 1500 Franken.
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PD Dr. med. Yvan Vial Präsident der Akademie für Fetomaternale Medizin Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe c/o Département de gynécologie, obstétrique et génétique médicale CHUV 1011 Lausanne
Professor Peter Miny Ko-Präsident Schweizerische Gesellschaft Medizinische Genetik c/o Universitätskinderspital beider Basel (UKBB) 4055 Basel
Stand September 2012
Redaktionell überarbeitete und von Prof. Daniel Surbek, Inselspital Bern, durchgesehene Version. E-Mail: qsk-sggg@insel.ch
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