Transkript
Praxis Update – kurzgefasst
Management bei Harnwegsinfekt in der Schwangerschaft
Harnwegsinfektionen nehmen in der Schwangerschaft wegen ihrer Auftretenshäufigkeit von 5 bis 8% eine Sonderstellung ein. Bedeutsam ist zudem die frühzeitige Erkennung einer asymptomatischen Bakteriurie, auch dass 30 bis 50% der Betroffenen ohne Behandlung an einem symptomatischen Infekt bis zum Vollbild einer akuten Pyelonephritis erkranken.
Eine Schwangerschaft gehört zu den komplizierenden Faktoren eines Harnwegsinfekts (HWI) – wie Fieber, Lendenschmerz und Diabetes mellitus. Sie stellt vor allem aufgrund spezifischer immunologischer Veränderungen einen besonders gefährdeten Zeitraum für die Entstehung respektive Exazerbation eines HWI dar. Daneben gehört auch die Wochenbettphase zu den besonderen Risikozeiträumen. Durch die Schwangerschaft entstehen funktionale und morphologische Veränderungen der Niere und des harnableitenden Systems. Diese überwiegend geringfügigen Veränderungen können die Entwicklung einiger Schwangerschaftskomplikationen wie einer Pyelonephritis gravidarum begünstigen.
Cave: asymptomatische Bakteriurie
Eine asmptomatische Bakteriurie wird bei 5 bis 8% aller Frauen zu Beginn einer Schwangerschaft gesehen; ein somatischer HWI dagegen gerade bei 0,5 bis 1%. Bei asymptomatisch signifikanter Bakteriurie entwickelt sich bei 12 bis 43% (Sand PK; 1991) ein florider Infekt. Untersuchungen zeigten, dass sich Keime im Harn von Schwangeren doppelt so rasch vermehren wie im Harn von Nichtschwangeren. Die Bakterienvermehrung (E. coli) ist eng korreliert mit der Verschiebung des pH-Wertes im Harn in der Schwangerschaft; möglicherweise spielt auch der höhere Gehalt an Aminosäuren, Kreatinin, Glukose und Laktose eine Rolle. HWI stehen mit verschiedenen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen im Zusammenhang. Bei der Mutter kann sich – zusammen mit weiteren prädisponierenden Faktoren – das Risiko für die Entwicklung einer Gestose erhöhen. Stu-
dien mit betroffenen Müttern zeigten eine erhöhte Frühgeburtlichkeit sowie eine erhöhte perinatale Mortalität der Kinder, wobei ein niedriger sozioökonomischer Status und Nikotinabusus eine Rolle spielten. Zu beachten ist, dass gemäss einer Untersuchung (Marchand DJ, 1978) die meisten Frauen, die in der Schwangerschaft eine (symptomatische) Bakteriurie hatten, auch noch 12 Monate nach der Entbindung positive Urinkulturen aufwiesen.
Komplikation Pyelonephritis
Das Vollbild einer Pyelonephritis – mit den klassischen Symptomen Flankenschmerz, Dysurie, Pollakisurie, imperativer Harndrang, intermittierende Fieberschübe – ist nicht zu verkennen. In der Schwangerschaft verläuft die Mehrzahl der Erkrankungen allerdings symptomarm und ohne Fieber. Stattdessen dominieren Kopfschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Brechreiz und Erbrechen und allgemeines Krankheitsgefühl. Akute Pyelonephritiden treten gehäuft im letzten Trimenon auf, werden aber auch schon in der Frühschwangerschaft beobachtet. In dieser Situation sollte die Schwangere hospitalisiert werden.
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst die Untersuchung des Mittelstrahlurins mittels Uristix® (Eintauchstreifen) und Urikult® (Erregernachweis mit Resistenzprüfung). In schweren Fällen finden sich im Blutbild eine Leukozytose sowie ein CRP-Anstieg. In der Regel liegt bei einem HWI eine Monoinfektion vor; der Nachweis mehrerer Keimarten spricht für eine Kontamination. E. coli ist für 70% der Infektionen verantwortlich, gefolgt von Klebsiellen, Proteus und Enterokokken. Als asymptomatische Bakteriurie wird
der Nachweis von mehr als 100 000 Keimen pro Milliliter Urin bezeichnet bei Fehlen klinischer Zeichen. Bei gesunden nicht schwangeren Frauen hat dieser Befund keine weitere Bedeutung und zieht langfristig keine Verschlechterung der Nierenfunktion nach sich, sodass eine antibiotische Therapie unterbleiben kann. Voraussetzung sind aber häufige Kontrollen des Urinbefundes, um das Auftreten von sicheren Infektzeichen nicht zu übersehen. Bei den meisten Schwangeren mit asymptomatischer Bakteriurie ist der Befund schon im ersten Schwangerschaftstrimenon feststellbar. Bei rezidivierenden Harnweginfektionen empfiehlt sich eine Sonografie zum Ausschluss von Nierenfehlbildungen oder Urolithiasis.
Therapie
Im Gegensatz zur asymptomatischen Bakteriurie ausserhalb der Schwangerschaft sollte bei diesem Befund in der Schwangerschaft aus genannten Gründen gezielt behandelt werden. Bei der Auswahl des Antibiotikums muss die mögliche Fruchtschädigung berücksichtigt werden, sodass vor allem Penizilline (v.a. Ampicilline) sowie Cephalosporine und Derivate in Frage kommen. Bewährt hat sich Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®) 1 g peroral (Tagesdosierung der Tablette 1-0-1) für 7 Tage bei asymptomatischer Bakteriurie sowie beim symptomatischen oder rezidivierenden Harnwegsinfekt (Wechsel gemäss Antibiogramm). Eine Alternative ist auch Sulfamethoxazol/Trimethoprim (Bactrim forte®) (Tagesdosierung 1-0-1) für 7 Tage, aber kombiniert mit täglich 5 mg Folsäure. Jede behandelte Bakteriurie oder Infekt sollte nach 14 Tagen einer neuerlichen Urinkulturkontrolle unterzogen werden. Etwa 20% der so behandelten Frauen bedürfen bei Fortbestehen der Bakteriurie einer Langzeittherapie. Bei Pyelonephritis oder Urosepsis wird Ceftriaxon 1 g (Tagesdosierung 1-0-1 i.v.) für 10 Tage gegeben. Zur Prophylaxe bei rezidivierenden Infekten kann ab der 18. Schwangerschafts-
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woche Cotrimoxazol (960 mg-Tabelle; 2 x
½ Tab. pro Woche), zusätzlich zu 5 mg
Folsäure, an einem Tag/Woche oder
aber Nitrofurantoin (100 mg, 1 x täglich,
bis zur 36. Schwangerschaftswoche) ver-
ordnet werden.
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Bärbel Hirrle
Wir bedanken uns bei Dr. med. David Scheiner, Klinik für Gynäkologie, Universitätsspital Zürich, für die freundliche Durchsicht sowie Ergänzung.
Quellen: 1. Petri E (Hrsg.): Gynäkologische Urologie. Lösungen für die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. 2., neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 1996. 2. Gerhard I, Feige A (Hrsg.): Geburtshilfe integrativ. München 2008.
Harninkontinenz in der Schwangerschaft
Viele Symptome der Blasenentleerungsstörung und Harninkontinenz, die meist kausal mit der Vaginalgeburt in Verbindung gebracht werden, sind schon während der Schwangerschaft auffällig. Ein Grossteil der Frauen im letzten Trimenon klagt über Pollakisurie und Nykturie. Erstgebärende sind häufig betroffen (1). Ein Grossteil der Erst- und Mehrgebärenden zeigen in der Schwangerschaft eine Sphinkterinsuffizienz, die sich als leichte Belastungsinsuffizienz herausstellt. Die Inkontinenz in der Schwangerschaft entsteht teilweise durch den wachsenden Uterus und mechanischen Druck sowie durch die Auflockerung des Gewebes im kleinen Becken, auch um die Urethra. Möglicherweise spielt die hormonal bedingte Erschlaffung der glatten Muskulatur eine entscheidende Rolle. Inkontinenz in der Schwangerschaft gilt als ein wesentlicher unabhängiger Indikator für die Entwicklung postpartaler Probleme. Therapeutisch stehen an erster Stelle Blasentraining auf der Basis eines Miktionskalenders sowie ein gezieltes Beckenbodentraining. Bei grösseren Schwierigkeiten können Vaginalkonen nützlich sein. Ernährungsberatung, besonders bei Adipositas (ohne Reduktion der Trinkmenge) und Akupunktur können helfen. Medikamentöse Therapien einer Urgeinkontinenz sollten in der Schwangerschaft wegen möglicher Nebenwirkungen unterbleiben (2).
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