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SCHWERPUNKT
Extrauteringravidität
Diagnostik und Therapie für die Praxis
1 bis 2% aller Schwangerschaften liegen extrauterin und bedürfen einer individuellen Diagnostik und Therapie. Wichtig sind die frühe Erkennung der inkorrekten Lage, die Kenntnis auch der sehr seltenen extrauterinen Lagen und deren gezielte Therapie.
SARA IMBODEN
Gestörte Frühschwangerschaften sind ein häufiges Problem in der gynäkologischen Praxis. Zirka 1 bis 2% aller Schwangerschaften sind nicht intrauterin gelegen, entsprechen also einer extrauterinen Gravidität (EUG). Eine EUG kann zum Verlust der Fruchtbarkeit oder sogar zum Tod der Mutter führen. Mit einer frühzeitigen Erkennung und einer guten Diagnostik können solch schwerwiegende Folgen meist vermieden werden.
Diagnostik
Bei der Anamnese einer Patientin mit Unterbauchschmerzen im gebärfähigen Alter muss die Ärztin/der Arzt immer nach dem Zeitpunkt der letzten Monatsperiode fragen und einen Schwangerschaftstest durchführen. In den kürzlich neu erschienenen NICE-Guidelines steht genau diese – eigentlich banale – Feststellung zusammen mit der guten Aufklärung der Patientin ganz im Vordergrund (1). Bereits ab 100 bis 250 IU/l können die Schwangerschaftstests im Urin β-HCG-positiv sein; nach der ausstehenden Menstruation wird eine Spezifität und Sensitivität von > 97% angeben. Es ist jedoch darauf zu achten, dass vor allem im Bereich bis 300 IU/l die Spezifität – je nach Marke und auch Verdünnung im Urin – nur um 50% liegt (2); daher ist es sinnvoll, eine quantitative Bestimmung im Serum durchzuführen; wenn der Verdacht auf eine EUG besteht. Ausser Unterbauchschmerzen sind weitere Symptome einer EUG vaginale Blutungen, Übelkeit und Schocksymptomatik. Die Risikofaktoren für eine EUG sind in Tabelle 1 zusammengefasst (3). Bei Unterbauchschmerzen und dem Verdacht auf eine Frühschwangerschaft wird zuerst eine klinische Untersuchung durchgeführt. Wichtig ist die Untersuchung des Abdomens mit der Frage nach lokaler Druckdolenz oder Peritonismus. In der gynäkologischen Untersuchung werden die vaginale Blutung evaluiert, der Portioschiebeschmerz getestet und die Grösse des Uterus bestimmt. Ein geschlossener Muttermund kann differenzialdiagnostisch von einem Abortus incompletus unterscheiden helfen.
Im Ultraschall wird nach einer intrauterinen Fruchthöhle gesucht. Bei einem β-HCG-Wert von > 1000 U/l sollte und bei > 2000 U/l muss eine Fruchthöhle intrauterin gesehen werden. Falls dort keine Fruchthöhle detektiert wird, muss explizit extrauterin danach gesucht werden (4). Die häufigste Lokalisation einer EUG ist mit etwa 96% in der Tube, genauer in der Ampulle. Seltene weitere Lokalisationen sind im Ovar (0,5–3%), cornual/ interstitiell 1 bis 2%, in der Zervix (1%), in einer Sectionarbe (einzelne Fallberichte) oder intraabdominal in < 1% (s. Abbildung 1) (5). Diese Lokalisationen haben oft spezielle Eigenschaften (s. unten). Die Diagnose einer EUG ist also mit einem β-HCGWert von > 2000 U/l und fehlender Fruchthöhle intrauterin gegeben, auch wenn die genaue Lokalisation nicht sonografisch dargestellt werden kann.
Therapie
Mit der Diagnose einer EUG stehen uns grundsätzlich drei Therapiemöglichkeiten zur Verfügung: exspektativ, konservativ oder operativ. Der Entscheid, welche Therapie gewählt wird, basiert auf einer ausführlichen Anamnese, auf Nebendiagnosen, auf Befunden und dem Wunsch der Patientin.
Abbildung 1: Lokalisationen einer EUG
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SCHWERPUNKT
Exspektatives Management Bei einer asymptomatischen Patientin und fehlender Herzaktion beim Embryo sowie einem β-HCG-Wert unter 2000 U/l kann mit einer Therapie zugewartet und eine spontane Resorption in zirka 70% erwartet werden. Dies ist jedoch nur sinnvoll, wenn ein Kinderwunsch vorliegt. Zudem muss eine sorgfältige klinische und gegebenenfalls laborchemische Überwachung des Verlaufs gewährleistet sein.
Tabelle 1:
Risikofaktoren für eine Extrauteringravidität (EUG)
■ Status nach EUG (12%) ■ Status nach Adnexitis/pelvic inflammatory disease ■ IUD ■ Status nach Tubenligatur ■ IVF ■ DES-Exposition in der Schwangerschaft
Lozeau, 2005 (3)
Tabelle 2:
Therapie Intrauterine Schwangerschaftsrate Rezidiv-EUG
Salpingektomie 67%
18,5%
de Bennetot; FertilSteril 2012 (7)
Salpingotomie Med. Therapie
76%
76%
18,5%
25,5%
Konservative Therapie Das 1949 als Chemotherapeutikum entwickelte Methotrexat (MTX) ist ein Folsäurenantagonist, der durch Interferenzen in der DNA-Replikation die Zellteilung inhibiert. Das bis heute in der Onkologie und Rheumatologie vielfach eingesetzte Chemotherapeutikum – in der Gynäkologie ferner bei der Trophoblastenkrankheit – wird auch in der Therapie der EUG angewandt (6). Unter sorgfältiger Berücksichtigung der folgenden Indikationen kann ein Therapieerfolg von über 95% erreicht werden: ■ Die Patientin ist asymptomatisch und kreislauf-
stabil. ■ Der «Adnextumor» hat < 4 cm Durchmesser, die
kindliche Herzaktion ist negativ. ■ Der «Adnextumor» hat < 3,5 cm Durchmesser, die
kindliche Herzaktion ist positiv. ■ Der β-HCG-Wert liegt < 5000 m IU/ml. Bei Verdacht auf gestörte Frühgravidität, nicht sicher auszuschliessender EUG und negativem Kinderwunsch kann eine MTX-Gabe diskutiert werden. Kontraindikationen für eine MTX-Therapie sind eine intrauterine Schwangerschaft, eine Immunsuppression, schwere Anämie, Leukozytopenie oder Thrombozytopenie, Lungenerkrankung, Ulkuskrankheit, hepatische oder renale Dysfunktion sowie eine Stillphase.
Die Gabe von MTX kann nach verschiedenen Schemata erfolgen. Die Einzeldosisvariante hat das kleinste Nebenwirkungsprofil bei guter Erfolgsrate. Hierzu wird nach Ausschluss der genannten Kontraindikationen eine Dosis von 1 mg/kg i.m. verabreicht. Danach erfolgt eine Kontrolle des β-HCG-Werts sowie des Blutbildes, der Nieren- und der Leberfunktion am Tag 4 und 7. Falls der β-HCG-Wert am Tag 7 um weniger als 20% sinkt, wird eine zweite MTX-Dosis verabreicht. Die häufigsten Nebenwirkungen der MTX-Gabe sind Nausea, Diarrhö, temporäre Erhöhung der Transaminasen, sie treten in rund 15% der Therapien auf, meist 2 bis 4 Tage nach Behandlungsbeginn. Seltener können auch Leukopenie bis Aplasie, Thrombopenie mit Hämorrhagien, Vomitus und Stomatitis auftreten. Der β-HCG-Wert muss im Behandlungsverlauf wöchentlich kontrolliert werden; Ziel ist, dass zweimal < 2 IU/l gemessen werden. Ganz wichtig ist eine sichere Antikonzeption während dreier Monate aufgrund der fetotoxischen Wirkung des MTX. Gleichzeitig muss in dieser Zeit eine genügende Folsäureeinnahme gesichert sein.
Operative Therapie Indikationen zur operativen Therapie einer EUG sind: ■ Wunsch der Patientin nach Aufklärung über Vor-
und Nachteile der medikamentösen Therapie ■ sonografischer Umfang des «Adnextumors» > 4 cm ■ Persistenz der Schmerzen über mehr als 24 Stun-
den ■ hämodynamisch unstabile Patientin. Falls eine Operation indiziert ist, sollte der Eingriff endoskopisch erfolgen. Wenn immer möglich sollte eine Salpingotomie durchgeführt werden, da hiermit die höchsten Folgeschwangerschaftsraten von zirka 76% erreicht werden. Dabei besteht ein erhöhtes Risiko für Trophoblastpersistenz, vor allem bei kleiner EUG mit tiefem β-HCG-Wert. Deshalb sollte am vierten postoperativen Tag eine β-HCG-Wert-Bestimmung erfolgen: Falls der Wert nicht um die Hälfte gesunken ist, ist eine MTX-Gabe zu evaluieren. Zu beachten ist, dass Patientinnen mit tiefen β-HCGWerten, also < 1000 IU/l, ungern operativ therapiert werden, da das Risiko besteht, dass bei der Operation die EUG gar gefunden wird. Bei der Salpingotomie ist das Ziel, möglichst gewebeschonend zu operieren. Hier hilft eine Injektion von verdünntem Noradrenalin in die Tubenwand vor Durchführung der Salpingotomie. Verwendet wird eine dünne, monopolare Nadel. Entfernt wird die EUG mittels Aquadissektion, nicht durch Zug am Gewebe. Die Rezidivrate einer EUG nach einer Salpingotomie oder Salpingektomie liegt gleich bei zirka 18%; im Vergleich zur medikamentösen Therapie liegt sie
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SCHWERPUNKT
Abbildung 2: Ultraschallbild einer zervikalen EUG
EUG zervikal Bei der zervikalen EUG ist insbesondere die Diagnosestellung prekär. Da diese Schwangerschaft im Uterus liegt, muss speziell auf ihre Lage geachtet werden: Wenn die Fruchthöhle im Zervixkanal liegt und wenn positive Herzaktion besteht, handelt es sich nicht um eine intrauterine Schwangerschaft (Abbildung 2). Auch in dieser Situation sollte eine medikamentöse Therapie angestrebt werden, gegebenenfalls (insbesondere bei fortgeschrittenem Gestationsalter) unter stationärer Überwachung. Eine Abortkürettage kann zu starker vaginaler Blutung führen und ist nur bei aktiver Blutung indiziert. In diesem Fall kann die Blutung mit einem Ballonkatheter kontrolliert oder eine Embolisation erwogen werden. Die EUG in der Sectionarbe wird gleich behandelt wie eine zervikale EUG. Auch hier ist von einer Abortkürettage abzusehen. Wegen der erhöhten Sectioraten wird es in Zukunft möglicherweise eine erhöhte Inzidenz dieser Problematik geben (8).
Abbildung 3: Interstitielle EUG mit Ovar
dennoch etwas tiefer (unter MTX: 25%) (Tabelle 2) (7). Eine Salpingektomie sollte bei grosser EUG (> 5 cm), starker Blutung, rupturierter EUG, rezidivierter EUG in der gleichen Tube oder bei abgeschlossener Familienplanung erfolgen. Das Vorgehen wird besonders zurückhaltend durchgeführt, wenn die kontralaterale Tube auffällig ist.
Seltene Lokalisationen einer EUG mit ihren Besonderheiten
EUG am Ovar Diese Form der EUG ist extrem selten, kann aber bei genauer Ultraschalluntersuchung gut diagnostiziert werden. Unter Berücksichtigung der obigen Kriterien sollte eine medikamentöse Therapie angestrebt werden, um die ovarielle Reserve möglichst zu bewahren. Im Fall einer Operation kann häufig eine Zystektomie oder «Wedge-Resektion» durchgeführt werden; nur in seltenen Fällen ist eine Ovarektomie erforderlich.
EUG interstitiell/cornual In dieser Situation (vgl. Abbildung 3) liegt definitionsgemäss die EUG am Übergang vom Uterus zur Tube, wo das Myometrium in die Tube hineinzieht. Die Problematik bei dieser Indikation besteht einerseits in der starken Blutung bei Ruptur der EUG, anderseits im Risiko einer Uterusruptur bei einer folgenden Schwangerschaft. Auch hier ist die medikamentöse Therapie die erste Wahl, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Bei einem endoskopischen Eingriff ist auf die vermehrte Blutungsgefahr bei der Exzision zu achten. Vor der Exzision kann verdünntes Noradrenalin myometral injiziert und vor der Eröffnung des Myometriums umliegend eine Tabaksbeutelnaht gelegt werden. Meist kann die EUG dann exzidiert werden, manchmal muss – vor allem nach Ruptur – eine «Wedge-Resektion» cornual erfolgen (9).
Zusammenfassung
Das wichtigste Vorgehen im Management der EUG
ist die frühzeitige Diagnose, um eine möglichst nicht
invasive Therapie zu ermöglichen und damit nega-
tive Folgen für die Fertilität oder gar die Lebens-
gefährdung der Patientin zu vermeiden. Auf die zwar
seltene, aber für die Therapie doch entscheidende
extratubare Lokalisation muss explizit geachtet wer-
den.
■
Dr. med. Sara Imboden Universitätsfrauenklinik Inselspital Bern 3010 Bern E-Mail: sara.imboden@insel.ch
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SCHWERPUNKT
merkpunkte
■ Bei einer Patientin im gebärfähigen Alter mit Unterbauchschmerzen sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
■ Die frühzeitige Diagnose einer EUG ermöglicht eine nicht invasive Therapie.
■ Mit der Diagnose einer EUG stehen uns grundsätzlich drei Therapiemöglichkeiten zur Verfügung: exspektativ, konservativ oder operativ.
■ Die EUG, welche nicht in der Tube liegen, sind selten, aber bedürfen einer gezielten und individuellen Diagnostik und Therapie.
Quellen:
1. Newbatt E (on behalf of the Guideline Development Group): Ectopic pregnancy and miscarriage: summary of NICE guidance. BMJ 2012; 345: e8136.
2. Greene DN, Lorey TS: Limitations in qualitative point of care hCG tests for detecting early pregnancy. Clin Chim Acta. 2013; 415: 317–21.
3. Lozeau AM, Potter B: Diagnosis and management of ectopic pregnancy. Am Fam Physician. 2005; 72(9): 1707–14.
4. Dialani V, Levine D: Ectopic pregnancy: a review. Ultrasound Q. 2004; 20(3): 105–17.
5. Fylstra DL: Ectopic pregnancy not within the (distal) fallopian tube: etiology, diagnosis, and treatment. Am J Obstet Gynecol. 2012; 206(4): 289–99.
6. Skubisz MM, Tong S: The evolution of methotrexate as a treatment for ectopic pregnancy and gestational trophoblastic neoplasia: a review. ISRN Obstet Gynecol. 2012; 2012: 637094.
7. De Bennetot M, Pouly JL: Fertility after tubal ectopic pregnancy: results of a population-based study. Fertil Steril. 2012; 98(5): 1271–76.
8. Wu X, Di W: Caesarean scar pregnancy: comparative efficacy and safety of treatment by uterine artery chemoembolization and systemic methotrexate injection. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2012; 161(1): 75–79.
9. Moawad NS, Hurd WW: Current diagnosis and treatment of interstitial pregnancy. Am J Obstet Gynecol. 2010; 202(1): 15–29.
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