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EDITORIAL
O bwohl die Endometriose bereits 1690 in der «Disputatio inauguralis medica de ulceribus uteri» beschrieben wurde, wird diese Erkrankung bis heute häufig als «forgotten disease» bezeichnet. Aufgrund der hohen Prävalenz der Erkrankung erscheint dies verwunderlich. Ein Grund liegt sicherlich in der weitgehend unverstandenen Ätiologie sowie der schwierigen Diagnostik und Therapie.
Häufig und oft lange unerkannt Die Endometriose ist ein chronisches Leiden, welches bei bis zu 30% aller Frauen im reproduktionsfähigen Alter nach dem Uterus myomatosus die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung darstellt. Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil betroffener Frauen mit Sterilitätsproblemen (mit bis zu
Das Chamäleon unter den gynäkologischen Erkrankungen
50%) deutlich höher liegt. Die Diagnosestellung gestaltet sich oft langwierig. So vergehen im Durchschnitt 6 Jahre (bei Sterilitätspatientinnen 3 Jahre, bei Schmerzpatientinnen bis zu 10 Jahre) vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnosestellung. Nicht selten haben die Frauen zuvor mehrere Ärzte konsultiert. Das Beschwerdebild ist vielfältig und hängt nicht primär vom Schweregrad der Erkrankung ab. Neben asymptomatischen Verläufen, welche nur zufällig im Rahmen einer Laparoskopie diagnostiziert werden, kann die Endometriose mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik und erheblich eingeschränkter Lebensqualität einhergehen. Neben dem subjektiv hohen Leidensdruck hat die Krankheit auch eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung durch medizinischen Aufwand und Arbeitsausfall.
Individuelles Therapiekonzept essenziell Die Therapie der Endometriose gestaltet sich schwierig, da Ätiologie und Pathogenese weitgehend unverstanden sind. Daher ist auch keine der zur Verfügung stehenden Therapieoptionen kausal. Die operative Entfernung der Herde gilt derzeit als Goldstandard bei symptomatischer Endometriose. Da die Endometriose sich durch infiltratives Wachstum organübergreifend ausbreiten kann, sind zum Teil ausgedehnte Operationen erforderlich. Endometriose spricht auf Östrogenentzug an. Neben der operativen Sanierung ist die medikamentöse Therapie die zweite therapeutische Säule, mit der leider nur eine symptomatische und keine kurative Behandlung er-
reicht werden kann. Da die Therapie vom Beschwerdebild und von der jeweiligen Lebenssituation der Frau stark abhängt, sollte immer ein individuelles Therapiekonzept zusammen mit der Patientin erstellt werden.
Verminderte Fertilität, hoher Leidensdruck Die Fertilität ist bei Frauen mit Endometriose häufig eingeschränkt. Ursächlich dafür sind Störungen der ovariellen Funktion, der Tuben sowie der Rezeptivität des Endometriums. Bezüglich der operativen Therapie zeigt sich ein signifikanter Vorteil der operativen Laparoskopie mit Entfernung der Endometriose gegenüber einer rein diagnostischen Laparoskopie. Hingegen verbessert eine medikamentöse Suppression allein die nachfolgende Fertilität nicht. Je ausgedehnter die Endometriose und je älter die Patientin ist, desto früher sollten bei Kinderwunsch reproduktionsmedizinische Massnahmen empfohlen werden. Allerdings liegen die Schwangerschaftsraten nach IVF-Therapie bei Frauen mit Endometriose um etwa 50% niedriger als bei denjenigen mit tubarem Faktor. Die Endometriose geht oft mit einer erheblichen psychischen Belastung einher. Eine psychologische Betreuung kann ergänzend dazu beitragen, die für die Krankheitsbewältigung wichtigen eigenen Ressourcen zu mobilisieren und zu fördern. Wegen der Komplexität ist eine Behandlung in Zentren mit interdisziplinärer Expertise von Vorteil. Eine Assoziation zwischen Endometriose und Ovarialkarzinomen ist belegt. So wurde eine maligne Transformation auf dem Boden einer bestehenden Endometriose zu hellzelligen, endometrioiden und serösen low grade Ovarialkarzinomen beschrieben.
Prof. Dr. med. Daniel Fink Herausgeber
GYNÄKOLOGIE 3/2012
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