Transkript
SERIE PRÄNATALDIAGNOSTIK
Nr. 3: Sono-Update
Beratung, Durchführung und Bewertung des Ersttrimestertests
Beim ersten sonografischen Screening in der Schwangerschaft sollte
der schwangeren Frau der Ersttrimestertest angeboten werden, also
neben der morphologischen Untersuchung des Fetus* auch die individuelle Risikoberechnung für das Vorliegen eines Down-Syndroms.
* (siehe: GYNÄKOLOGIE 1.2012; 1: 27–28).
In einer mehrteiligen Serie stellt Prof. Dr. med. Boris Tutschek, Leitender Arzt Ultraschalldiagnostik in der Klinik für Geburtshilfe am Inselspital Bern, Fallberichte aus seiner Sprechstunde für die praxisorientierte Fortbildung vor.
Dem Frauenarzt kommen dabei mehrere wichtige Aufgaben zu: Zunächst sollte die persönliche Situation der Schwangeren erfasst, bewertet und ihr verständlich erläutert werden. Nur mit allen Informationen kann sie entscheiden, ob sie den Test durchführen lassen will. Im Mittel kommt es nur alle 400 bis 500 Geburten zu einer Trisomie eines Kindes. Oft erwarten (vor allem ältere) Schwangere ein deutlich höheres Altersrisiko für eine Trisomie als tatsächlich besteht: Das Risiko nimmt zwar mit dem Alter der Schwangeren zu; aber das typische «Altersrisiko» bleibt praktisch immer unter 2% (Tabelle). Der Ersttrimestertest ist so ausgelegt, dass er bei 1 von 20 Schwangeren «auffällig» wird. Das bedeutet aber nicht, dass eine Störung vorliegt, sondern nur, dass ein weiterer Test, die invasive Abklärung, sinnvoll ist. Bei korrekt durchgeführtem Ersttrimestertest sind die meisten invasiven Abklärungen immer noch unauffällig; nur 1 von 15 Punktionen ergibt eine Aneuploidie. Diese Zahlen sprechen nicht gegen den Ersttrimestertest, sondern zeigen nur, wie selten und schwierig das Down-Syndrom zu erkennen ist. Mit diesen Angaben, der schwangeren Frau gut erklärt und auf sie zugeschnitten, sollte sie verstehen können, was der Test aussagt.
Die Messung Wie die Information ist auch die Messung der Nackentransparenz anspruchsvoll. Die Messung erfolgt zwischen 11
und 14 Schwangerschaftswochen (sonografisch bestätigt oder korrigiert). Genauer ausgedrückt erfolgt die Messung bei fetalen Scheitel-Steiss-Längen zwischen 45 und 84 mm. Der fetale Kopf muss bildfüllend eingestellt werden. Die genaue mediane Schnittführung durch den Schädel und die Halswirbelsäule ist wichtig (Abbildung).
Tipps: 1. Führen Sie die Messung zwischen
12+0 und 13+0 Schwangerschaftswochen durch; dann gelingt sie am besten, und der Fetus ist für eine strukturelle Beurteilung ausreichend gross. 2. Versuchen Sie, die Nasenspitze ins Bild zu bekommen.
Tabelle:
Das mütterliche Alter bestimmt das «Hintergrundrisiko» für fetale Trisomien (modifiziert nach Nicolaides et al. 2004).
Aber die Erkennungsrate allein mit dem «Altersrisiko» (z.B. bei Verwendung der Indikation «älter als 35 Jahre» für die invasive Diagnostik) liegt nur bei etwa 30%. Durch die zusätzliche Beurteilung der NT und der Blutwerte für freies beta-hCG und PAPP-A kann für jüngere und ältere Schwangere eine gleich hohe Erkennungsrate der Trisomie 21 von 85 bis 90% erreicht werden.
maternales Alter 20 25 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42
Altersrisiko T21 1 zu ... in Prozent
Altersrisiko T18 1 zu ... in Prozent
Altersrisiko T13 1 zu ... in Prozent
1527 1352 895 776 659 547 446 356 280 218 167 128 97 73 55
0,07% 0,07% 0,11% 0,13% 0,15% 0,18% 0,22% 0,28% 0,36% 0,46% 0,60% 0,78% 1,03% 1,37% 1,82%
18013 15951 10554 9160 7775 6458 5256 4202 3307 2569 1974 1505 1139 858 644
0,01% 0,01% 0,01% 0,01% 0,01% 0,02% 0,02% 0,02% 0,03% 0,04% 0,05% 0,07% 0,09% 0,12% 0,16%
42423 37567 24856 21573 18311 15209 12380 9876 7788 6050 4650 3544 2683 2020 1516
< 0,01% < 0,01% < 0,01% < 0,01% 0,01% 0,01% 0,01% 0,01% 0,01% 0,02% 0,02% 0,03% 0,04% 0,05% 0,07% 32 GYNÄKOLOGIE 2/2012 SERIE PRÄNATALDIAGNOSTIK Abbildung: Messkriterien für die Nackentransparenz (NT) von 11 bis 14 Schwangerschaftswochen, Normwerte und Risikoabschätzung. A A. Messkriterien. Beachte: maximale Vergrösserung, exakt medianer Schnitt (Tipp: Nasenspitze im Bild), Bildhelligkeit reduziert, Fokus auf Höhe der Nackenfalte gesetzt, maximale Nackenfaltendicke aufsuchen, Messkreuze gerade etwas in die weissen Grenzflächen gelegt («eher gross messen»!). B B. Normwerte NT und Risikoabschätzung nach Altersrisiko (Hintergrundrisiko) und NT-Wert. Beachte: 1. NT-Werte unter 1,0 mm sind extreme Seltenheiten, typische NT- Werte liegen zwischen 1,5 mm und 2,5mm. 2. Eine Risikoberechnung ist nur für Scheitel-Steiss-Längen von 45 bis 84 mm möglich. 3. Messen Sie die Nackentransparenz mehrfach und verwenden Sie den höchsten Messwert für die Risikoberechnung. 4. Messwerte unter 1,0 mm kommen in der Natur praktisch nicht vor! Typische Messwerte liegen zwischen 1,5 und 2,0 mm. Für die korrekte Durchführung sind schliesslich auch die (in der Regel zeitgleiche) Blutentnahme und Untersuchung des freien beta-hCG und des PAPP-A sowie die Angabe des aktuellen Gewichts der Schwangeren erforderlich, denn nur mit der Blutbeurteilung kann eine ausreichende Entdeckungsrate erzielt werden. Anders als früher angenom- men, darf und soll die Blutentnahme auch bei IVF-Schwangerschaften, bei Zwillingen, nach vaginaler Blutung und natürlich auch bei normaler Nackentransparenz erfolgen! Frühe Echokardiografie bei NT-Wert ab 3 mm Die Entdeckungsraten für ein fetales Down-Syndrom liegen bei alleiniger Verwendung der Nackentransparenz (NT) bei etwa 60%, bei korrekter Messung der Nackentransparenz kombiniert mit der Blutuntersuchung dagegen bei 85 bis 90%. Die Verwendung einfacher Nackentransparenz-Cut-offs (z.B. 2,5 mm, 3,0 mm) für die individuelle Risikoberech- nung einer fetalen Trisomie 21 ist schon lange obsolet. Allerdings besteht bei ei- nem NT-Wert von 3,0 mm oder grösser ein erhöhtes Risiko für einen fetalen Herzfehler. Daher sollte die Empfehlung für eine gezielte fetale Herzuntersu- chung, beispielsweise auch schon als frühe Echokardiografie mit 16+0 Wo- chen, ausgesprochen werden. Übrigens: Im Internet gibt es bei www.fetalmedicine.com einen exzellen- ten Online-Kurs zum Ersttrimester-Test: gratis! ■ Prof. Dr. med. Boris Tutschek Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital Bern E-Mail: tutschek@me.com GYNÄKOLOGIE 2/2012 33