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EDITORIAL
K rebsprävention und Krebsfrüherkennung sind wachsende Domänen der Frauenmedizin. Die demografische Altersentwicklung, insbesondere bei Frauen, sowie die Explosion der Gesundheitskosten tragen das Ihrige dazu bei. Das neue Präventionsgesetz betrifft deshalb gerade auch die Gynäkologen.
Änderungen beim Zervixscreening? Eine erste mögliche Tumorprimärprävention fällt in die Hände der Frauenärzte: Zervix-, Vaginal- und Vulvakarzinome sollten mit greifender Umsetzung der HPVImpfprogramme in den nächsten Jahrzehnten bei uns selten werden. Dass dafür noch viel getan werden muss, zeigen die Artikel in dieser Ausgabe von Daniel Brügger, Praxisgynäkologe und Experte für Impffragen der gynécologie suisse SGGG, sowie Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Impfprogramme beim
«Doktor, was kann ich sonst noch tun?»
BAG, und ihrer Mitarbeiterin Anne Spaar, welche die kantonalen HPV-Impfprogramme ausgewertet haben. Brügger hinterfragt die Praxis von Zervixscreening und -diagnostik angesichts von heute immer spezifischeren und sensitiveren HPV-Testverfahren, Kostenaspekten und Entwicklungen bei den HPV-Typ-Prävalenzen infolge der Impfungen. Für die Kollegen schlägt er einen neuen Algorithmus vor, den er diskutieren möchte.
HPV-Impfprogramme mit Mängeln bei der Umsetzung Wie unterschiedlich die Umsetzung der HPV-Impfprogramme bei jugendlichen Mädchen in den verschiedenen Kantonen drei Jahre nach der Einführung gelang, zeigen Spaar und Masserey in ihrer aktuellen Auswertung, die hier zusammengefasst ist. Bisher sind landesweit nur ein Drittel der 11- bis 19-Jährigen geimpft; Strategien zur verbesserten Umsetzung und eine Surveillance sind geplant.
Hohes Brustkrebsrisiko und Risikoreduktion Hinsichtlich Primärprävention bei prämenopausalen BRCA1/2-Mutationsträgerinnen ist kürzlich nachgewiesen worden, dass die prophylaktische Salpingoophorektomie in neuster Technik das Brustkrebsrisiko auf die Hälfte verringert und das Ovarialkrebsrisiko quasi gegen null senkt. Die Onkologin Gabriella Pichert erläutert im Interview heutige Möglichkeiten der Risikoeinschätzung und -reduktion bei Verdacht auf ein erhöhtes Krebsrisiko bei gesunden Frauen und deren Familien.
Fokus auf die Lebensstilberatung Für die gesunde Frau mit Bevölkerungsrisiko für Brustkrebs bleiben als ärztliche Aufgaben die Tumorfrüherkennung durch das Screening sowie die Beratung zur Risikosenkung durch einen gesunden Lebensstil. Gerade diese Beratung kann aber Primärprävention bedeuten – und das sollten die Frauen wirklich wissen. Wie kürzlich auf dem Symposium der europäischen Onkologieschule ESO in Bern erläutert wurde, sind Kenntnisse über einen gesunden Lebensstil essenziell, da eine ganze Reihe bekannter Krebsrisikofaktoren eben nicht beeinflussbar sind. Längst ist in der Medizin bekannt, dass Übergewicht nach der Menopause, metabolisches Syndrom, hoher Alkoholkonsum, Nikotin wie auch Bewegungsmangel das Risiko für Erst- (und auch Zweit-)Tumore erhöhen, wenn auch mit unterschiedlichem Evidenzgrad. Die Proliferationsmechanismen durch induzierte hohe Werte von Insulin, Östradiol, SGBH und weiteren Hormonen werden von der Fachwelt immer besser verstanden. Ist die Botschaft aber in der Allgemeinbevölkerung genügend angekommen? Sollten die Frauen nicht viel intensiver darin geschult werden, was sie konkret essen und trinken und wie oft und wie viel sie sich täglich bewegen sollten, um ihr Erkrankungsrisiko für Krebs und andere Krankheiten gering zu halten? Wie bekannt ist tatsächlich, dass Adipositas, ein Zuviel an Zucker, gesättigten tierischen Fetten, Proteinen und der Mangel an Vitaminen für Krebs gefährden, insbesondere wenn geraucht, oft Alkohol getrunken und kaum Sport getrieben wird? Das Argument «Einigen ist manches bekannt, aber wenige schaffen, es konsequent umzusetzen», sollte nicht entmutigen, immer wieder konkrete Anleitungen zu geben und den Wert der Krebsvorbeugung zu betonen. Gesund leben lernen – das können wir «sonst noch tun».
Ihre Bärbel Hirrle
GYNÄKOLOGIE 5/2010
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