Transkript
Kongressbericht
32. San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), 9. bis 13. Dezember 2009
Highlights in Brustkrebsstudien
Konsolidierungen und Ausblick auf neue Optionen
Beim SABCS im Dezember wurde die Rolle der Aromatasehemmer und von Trastuzumab durch das Update verschiedener Studien konsolidiert. Weitere Resultate klinischer Studien lassen neue Substanzen und Kombinationen für künftige Strategien interessant erscheinen. Daneben standen besonders Lebensstileinflüsse bei Brustkrebs im Vordergrund.
Erstmals wurde das Brustkrebssymposium in San Antonio/Texas gemeinsam mit dem Cancer Therapy & Research Center (CTRC) und der American Association for Cancer Research (AACR) veranstaltet, was darauf hindeutet, dass künftig die Grundlagenforschung des Mammakarzinoms einen verstärkten Platz beim SABCS erhalten soll.
Aromatasehemmer behaupten sich Upfront
In der endokrinen Therapie des Mammakarzinoms haben die Aromatasehemmer aufgrund ihrer Wirksam- und Verträglichkeit mittlerweile einen festen Stellenwert. Das Update mehrerer grosser Studien bestätigte dies erneut. Die Fünf-Jahres-Daten der TEAM-Studie mit Exemestan (Aromasin®) (1) belegte, dass es hinsichtlich der sequenziellen und der initialen Gabe von Exemestan keinen Unterschied im krankheitsfreien Überleben gibt (HR = 0,97; p = 0,604). Allerdings bewirkte die initiale Gabe des Aromataseinhibitors mehr typische Nebenwirkungen dieser Substanzklasse einschliesslich einer behandlungsassoziierten Osteoporose. Die vorgestellten 67 Monatsdaten aus der BIG1-98-Studie mit Letrozol (Femara®) (2) sowie die selektiven Analysen aus dieser Studie sprechen für den Upfront-Einsatz von Letrozol, da dadurch offensichtlich ein Überlebensvorteil erzielt wird.
Verminderte Lungenkrebsmortalität nach Antiöstrogentherapie?
Einen unerwarteten positiven Nebeneffekt einer antiöstrogenen Behandlung
bei Brustkrebspatientinnen ergab die Studie von Dr. Elisabetta Rapiti aus Genf (3): Postuliert wurde, dass die adjuvante Gabe von Antiöstrogenen dazu beitragen könnte, die Mortalität der Frauen zu verringern, die im weiteren Verlauf (nach überstandener Brustkrebserkrankung) an Lungenkrebs erkranken. Auf der Basis der Daten von rund 6700 Patientinnen mit einem Mammakarzinom (Genfer Krebsregister 1980–2003), von denen 46% eine antiöstrogene Behandlung – hauptsächlich Tamoxifen – erhielten, liess sich ein Trend zu einer verminderten Inzidenz eines Lungenkarzinoms in der Hormongruppe ableiten. Das Risiko, am Lungenkrebs zu sterben, war in der Gruppe der hormonbehandelten Frauen im Gegensatz zur Normalbevölkerung zudem signifikant verringert (p < 0,001). Neuere Daten (ASCO-Meeting 2009) aus der Women’s Health Initiative (WHI-Studie) hatten den Verdacht genährt, dass die postmenopausale Hormonsubstitution die Entstehung und das Fortschreiten von Lungenkrebs fördern könnte. Rapiti: «Die Daten sollten insgesamt noch mit Vorsicht betrachtet werden, da die jetzt vorliegende Untersuchung eine Beobachtungsstudie ist und durch weiterführende Studien bestätigt werden sollte.» Wie sehr schützen Bisphosphonate vor Brustkrebs? Bisphosphonate spielen im klinischen Alltag bei der Behandlung von Osteoporose sowie von Knochenmetastasen eine grosse Rolle, vor allem bei Brustkrebs. Prof. Rowan Chlebowski, Los Angeles/USA, trug neue Analysen der WHI- Studie vor, nach denen die Einnahme von Bisphosphonaten das Brustkrebsrisiko senkt (4): 2216 der insgesamt über 150 000 Studienteilnehmerinnen hatten orale Bisphosphonate, meist Alendronat (Fosamax®), wegen Osteoporose eingenommen. Die Brustkrebsinzidenz sank in dieser Gruppe signifikant um 32% (HR = 0,68; p < 0,01). Eine allgemeine Empfehlung wollte Chlebowski jedoch nicht abgeben, dazu sollten valide Daten aus weiteren Studien generiert werden. Eine zweite Studie zu diesem Thema zeigt den Nutzen der Bisphosphonate (5): Prof. Gad Rennert, Haifa/Israel, stellte die Daten der israelischen Breast Cancer in Northern Israel Study (BCINIS) vor: Die Datenauswertung von rund 2300 Frauen, welche während fünf Jahren orale Bisphosphonate eingenommen hatten, ergab eine 29%-ige Reduktion der Brustkrebsinzidenz gegenüber der Kontrollgruppe. Rennert: «Der Effekt des Medikaments auf die Mammakarzinomentwicklung tritt aber erst nach einer Einnahme von mindestens zwei Jahren ein.» Insgesamt sei es jedoch schwierig, den Einfluss des Medikaments zu quantifizieren. Welches Bisphosphonat für den Knochenschutz? Zum Thema Prävention von Skelettereignissen bei Brustkrebspatientinnen stellte Prof. Alison Stopeck, Arizona/USA, ihre Phase-III-Studie vor (6). Im Rahmen dieser Studie wurden Zoledronat (Zometa®) sowie ein neues Medikament, der RANKLigand-Inhibitor Denosumab, bei über 2000 Patientinnen miteinander verglichen. Dabei war Denosumab der Zoledronsäure signifikant in einigen Aspekten überlegen: Die Zeit bis zum Auftreten eines ersten skeletalen Ereignisses (SRE) konnte um 18% reduziert werden (HR = 0,82; p = 0,01). Ebenso verringerten sich die skeletale Morbidität sowie die Knochenschmerzen. Der RANK-Ligand-Inhibitor wies zudem eine bessere Verträglichkeit auf. Allerdings GYNÄKOLOGIE 1/2010 27 Kongressbericht 32. San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), 9. bis 13. Dezember 2009 war die Zahl der Kieferosteonekrosen höher als in der Zoledronsäuregruppe. Insgesamt waren die Wirkungen beider Medikamente bezüglich der Prävention von Skelettereignissen etwa vergleichbar. Auf die Frage, wo sie die wesentlichen Vorteile der neuen Substanz sähe, sagte Stopeck: «Mich haben insbesondere der sehr schnelle und starke Wirkungseintritt überzeugt. Zudem ist die subkutane Applikation einfach durchzuführen, und die Substanz verlangt keine ständige renale Kontrolle.» Zielgerichtete Substanzen – wie einsetzen? Bei HER2-positiven Brustkrebspatientinnen ist Trastuzumab (Herceptin®) mittlerweile fest etabliert. Jedoch war immer noch die Frage offen, ob die Therapie sequenziell oder gleichzeitig mit der Chemotherapie erfolgen sollte. Die NCCTGN9831-Studie (7) ergab dazu interessante Antworten: 3133 Frauen wurden randomisiert, alle erhielten die Therapie mit Anthrazyklin/Cyclophosphamid, gefolgt von einem Taxan. Im Therapiearm A wurde Trastuzumab gleichzeitig zur Taxantherapie verabreicht, in Therapiearm B erst nach der Chemotherapie. Die Trastuzumabgabe erfolgte in beiden Armen über 52 Wochen. Die Resultate: Die Frauen mit gleichzeitiger Trastuzumabgabe hatten nach fünf Jahren eine um 25% bessere Chance auf ein krankheitsfreies Überleben als die Frauen mit sequenzieller Einnahme (84,2 vs. 79,8%; p = 0,019). Die kardiale Nebenwirkungsrate betrug 3,3% in der Gruppe mit gleichzeitiger Gabe sowie 2,8% in der Vergleichsgruppe. Studienleiterin Prof. Edith Perez, Florida/USA: «Wir würden dazu raten, Trastuzumab bei HER2-positiven Frauen künftig gleichzeitig mit der Chemotherapie zu verabreichen». Die Resultate der BCIRG-006-Studie (8) in der adjuvanten Therapie von HER2positiven Patientinnen zeigten überdies, dass die anthrazyklinfreie Kombination aus Docetaxel, Carboplatin und Trastuzumab zum Einsatz kommen sollte, wenn die Kardiotoxizität für die Patientin ein grosses Problem darstellt. Darüber hinaus konnten verschiedene Studien belegen, dass sich Bevacizumab (Avastin®) mit allen Chemotherapien gut Posterpräsentationen beim SABCS unter 5000 Brustkrebsexperten aus aller Welt. kombinieren lässt, allerdings blieben Überlebensvorteile aus. Auch der Einsatz neuer Substanzen wurde vielfach diskutiert. Zudem wurden Tyrosinkinaseinhibitoren wie Sorafinib (Nexavar®) in klinischen Studien einge- setzt. Allerdings lassen sich zum momen- tanen Zeitpunkt noch keine Empfehlun- gen dazu für die Praxis ableiten. ■ Bettina Reich Quellen: 1. Rea D. et al., SABCS 2009, Abstract 11. 2. Regan M. et al., SABCS 2009, Abstract 16. 3. Rapiti, E. et al., SABCS 2009, Abstract 35. 4. Chlebowski, R. et al., SABCS 2009, Abstract 21. 5. Rennert G. et al., SABCS 2009, Abstract 27. 6. Stopeck, A. et al., SABCS 2009, Abstract 22. 7. Perez, E. et al., SABCS 2009, Abstract 80. 8. Slamon D. et al., SABCS 2009, Abstract 60. 9. Kwan M. et al., SABCS 2009, Abstract 17. 10. Ewertz M. et al., SABCS 2009, Abstract 18. Was können Patientinnen selbst tun? Auf die Frage der Frauen «Was können wir selbst tun, um einen Rückfall zu vermeiden?» sollte die ärztliche Antwort lauten: «Alkohol meiden und möglichst kein Übergewicht ansammeln!» Zu diesem Schluss gelangten zwei Studien, die den Einfluss von Lebensstilfaktoren bei Patientinnen mit Mammakarzinom auf das Langzeitüberleben untersuchten. Am besten auf Alkohol verzichten In der Life-After-Cancer-Epidemiology-(LACE-)Studie vom Kaiser Permanente Center, Kalifornien, wurden 1897 Frauen mit Mammakarzinom im Frühstadium bezüglich ihrer Trinkgewohnheiten beobachtet (9). Nach 8 Jahren Nachbeobachtung wurden insgesamt 349 Brustkrebsrezidive sowie 332 Todesfälle verzeichnet. Frauen, die mehr als 6 g Alkohol täglich (etwa ein halbes Glas Wein täglich!) zu sich nahmen, hatten ein um 30% erhöhtes Risiko für ein Brustkrebsrezidiv gegenüber denjenigen, die weniger Alkohol tranken. Erstaunlicherweise waren am stärksten postmenopausale, hormonrezeptornegative Frauen betroffen. Schlank bleiben, schlank werden Die negativen Folgen des Übergewichts auf das Langzeitüberleben bestätigte die Studie von Ewertz (10). Die Auswertung der Daten von nahezu 19 000 Frauen mit Brustkrebs zeigte, dass übergewichtige Frauen zwar kein erhöhtes Risiko für Lokalrezidive, allerdings ein wesentlich stärkeres Risiko für Fernmetastasen haben. So haben Frauen mit einem BMI у 25 ein um 42 bis 46 % erhöhtes Risiko, Fernmetastasen innerhalb von 10 Jahren nach Diagnosestellung zu entwickeln. Das Mortalitätsrisiko ist um 26 bis 38% erhöht. Diese Effekte waren signifikant. Zudem wiesen die Forscher nach, dass übergewichtige Frauen schlechter auf eine Chemooder endokrine Therapie ansprechen. «Wir sollten die Frauen dahingehend beraten, abzunehmen, und die übergewichtigen Patientinnen engmaschiger auf Rückfälle kontrollieren», schlussfolgerte Prof. Marianne Ewertz, Odense/Dänemark. 28 GYNÄKOLOGIE 1/2010