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Adjuvante Bisphosphonattherapie – quo vadis?
Neuere Studiendaten zur Antitumorwirkung von Bisphosphonaten
Bisphosphonate wirken nicht nur auf das Knochengewebe, sondern verbessern auch das krankheitsfreie Überleben beim Mammakarzinom. Das belegen neuere Studiendaten (ABCSG-12-, ZO-FAST-, AZURE-Studien). Die deutsche Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) hat aufgrund der aktuellen Datenlage erstmals die adjuvante Bisphosphonat-Therapie mit der Empfehlung «plus» bewertet.
PEYMAN HADJI
In vitro und im Tiermodell wurde schon vor vielen Jahren die Antitumorwirkung der Bisphosphonate nachgewiesen. Dies führte zu grossen Erwartungen hinsichtlich eines adjuvanten Einsatzes beim Mammakarzinom. Allerdings lieferten die klinischen Studien mit Clodronat zunächst widersprüchliche Ergebnisse. Während die Patientinnen in den Studien von Diehl et al. (1) und Powles et al. (2) weniger Metastasen aufwiesen und signifikant länger überlebten, zeigte die Studie von Saarto et al. (3) einen völlig gegensätzlichen Einfluss von Clodronat: Unter Therapie traten mehr ossäre sowie signifikant mehr viszerale Metastasen auf. Das Gesamtüberleben der Studienteilnehmerinnen war schlechter als im Plazeboarm. Allerdings wurden diese negativen Ergebnisse aufgrund methodischer Studienmängel kritisiert. Die Datenlage zum moderneren und potenteren Bisphosphonat Zoledronat (Zometa®) gibt hinsichtlich seiner Antitumorwirkung ein einheitliches Bild wieder. In der Auswertung von mittlerweile drei PhaseIII-Studien konnten übereinstimmend positive Effekte nachgewiesen werden: in der Adjuvanz sowohl bei prä- als auch postmenopausalen Patientinnen und auch im neoadjuvanten Setting.
Zoledronat in der Adjuvanz bei prämenopausalen Patientinnen
Prof. Michael Gnant aus Wien erregte mit den Ergebnissen der ABCSG-12-Studie auf der ASCO-Jahrestagung 2008 viel Aufmerksamkeit (4): An der offenen multizentrischen ABCSG-12-Studie (= Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group Trial 12) nahmen 1803 prämenopausale Frauen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom im Stadium I oder II teil. Nach einer kurativen Operation und dem Beginn einer Goserelin-Therapie zur Ovarsuppression erhielten die Patientinnen eine endokrine Therapie (Anastrozol oder Tamoxifen) mit oder ohne zusätz-
liche Zoledronat-Gabe. Dabei wurden 4 mg Zoledronat alle sechs Monate über drei Jahre verabreicht. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 48 Monaten zeigten sich die folgenden Effekte: In den Gruppen mit zusätzlicher Bisphosphonatgabe wurde das krankheitsfreie Überleben (DFS) im Vergleich zur alleinigen endokrinen Therapie signifikant um 36% verbessert (p = 0,01). Die Number Needed to Treat (NNT), die eine Aussage darüber erlaubt, wie viele Patientinnen mit Zoledronat therapiert werden müssen, um ein DFS-Ereignis zu verhindern, liegt für die adjuvante Zoledronat-Therapie bei 31. Somit ist in Relation die NNT von Zoledronat bei dieser Patientenpopulation vergleichbar mit der von Paclitaxel und Docetaxel (28 bzw. 31), die in der Vergangenheit den Therapiestandard verbessert haben. Der in der ABCSG-12-Studie belegte antitumorale Effekt von Zoledronat wird durch die Daten der ZO-FAST- und der AZURE-Studie bestätigt. Ergebnisse aus diesen Untersuchungen wurden erstmals im Dezember 2008 auf dem 30. San Antonio Breast Cancer Symposium von Eidtmann präsentiert.
Nachweis der Antitumorwirkung auch bei postmenopausalen Frauen
In die ZO-FAST-Studie (= Zometa-Femara Adjuvant Synergy Trial) wurden 1065 postmenopausale Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom im Frühstadium aufgenommen. Die Teilnehmerinnen erhielten zusätzlich zum Aromatasehemmer Letrozol (Femara®) entweder von Anfang an Zoledronat oder das Bisphosphonat erst nach Abnahme der Knochendichte (T-Wert unterhalb von -2) oder nach einer pathologischen Fraktur. Dabei wurde Zoledronat 4 mg i.v. alle sechs Monate verabreicht. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung der Knochenmineralisierung an der Lendenwirbelsäule nach einem Jahr.
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Die 36-Monats-Analyse ergab, dass die Soforttherapie mit Zoledronat die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule signifikant um 4,4% erhöhte, während sie in der Vergleichsgruppe um 4,9% abnahm (p = 0,001) (5). Zudem zeigte sich auch bei diesem Patientenkollektiv eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch den frühzeitigen Einsatz von Zoledronat um 40% (p = 0,031) im Vergleich zu Patientinnen, die erst nach dem T-Wert-Abfall oder einer Fraktur Bisphosphonat erhalten hatten (Abbildung). Dabei senkte Zoledronat das Risiko für Lokalrezidive um 80%, für Fernmetastasen insgesamt um 30% und für Knochenmetastasen um 50%.
Direkter klinischer Effekt auf Primärtumor im neoadjuvanten Setting
Auch erste Daten der AZURE-Studie (= Does Adjuvant Zoledronic Acid Reduce Recurrence in Breast Cancer?) bestätigen den antitumoralen Effekt. In der Studie wird die Wirkung des Bisphosphonats auf die Reduktion des Rezidivrisikos bei 3360 prä- und postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs im Stadium II/III untersucht. Im Gegensatz zur ABCSG12-Studie weisen die Teilnehmerinnen der AZURE-Studie also eine wesentlich schlechtere Prognose auf. Allein zwei Drittel der Teilnehmerinnen erhalten eine adjuvante Chemotherapie. In einer ersten retrospektiven Subgruppenanalyse wurden die Daten von 205 Mammakarzinompatientinnen ausgewertet, die innerhalb der AZURE-Studie neoadjuvant entweder nur eine Chemotherapie mit Anthrazyklinen/Taxanen oder die Chemotherapie plus Zoledronat erhalten hatten. Das Bisphosphonat wurde dabei in einer Dosierung von 4 mg alle drei bis vier Wochen für sechs Monate verabreicht. Die Ergebnisse zeigen, dass durch die zusätzliche Bisphosphonattherapie eine stärkere Reduktion der Tumorgrösse erreicht werden konnte im Vergleich zur alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie (42,4 mm vs. 28,2 mm). In der ZoledronatGruppe wurde somit die Karzinomgrösse um weitere 14,2 mm verringert. Dies entspricht einer signifikanten Reduktion um 33% (p = 0,002) (6). Fast doppelt so viele Frauen wiesen eine Komplettremission
Abbildung: Ergebnisse für das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei Patientinnen, die Zoledronat sofort oder erst nach Abnahme der Knochendichte oder Fraktur zusätzlich zur endokrinen Therapie erhielten (nach [5]).
auf: In der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie betrug die gesamte pathologische Ansprechrate 5,8%, während sie in der Kombinationsgruppe mit Zoledronat 10,9% betrug (n = 0,033). Dies hatte zur Folge, dass in der Bisphosphonatgruppe häufiger brusterhaltend operiert werden konnte. Während nach der alleinigen Chemotherapie bei 34,7% der Frauen eine Mastektomie durchgeführt wurde, geschah dies nur bei 22,1% der Patientinnen in der Bisphosphonatgruppe. Bezüglich des Nebenwirkungsspektrums wurden in allen drei Studien keine unerwarteten oder neuen Nebenwirkungen festgestellt. Im Vergleich zu Plazebo traten unter Zoledronat keine schwerwiegenden renalen Ereignisse auf. Insgesamt wurde nur ein Fall von Osteonekrose des Kiefers bei etwa 2860 Frauen der ABCSG-12- und ZO-FAST-Studie festgestellt.
Bedeutung für die Praxis
Die aktuelle Datenlage spricht für eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch die adjuvante ZoledronatGabe. Bereits seit der Präsentation der ABCSG-12-Daten auf dem ASCO-Jahresmeeting 2008 wird diskutiert, ob und
inwieweit Brustkrebspatientinnen in der adjuvanten Situation zukünftig von einer zusätzlichen Bisphosphonat-Gabe profitieren könnten und wann Bisphosphonate adjuvant eingesetzt werden sollten (7, 8). Die Kommission Mamma der deutschen Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) hat den neuen Daten mittlerweile Rechnung getragen und im Februar 2009 bei der Aktualisierung der AGO-Empfehlungen dem adjuvanten Einsatz der Bisphosphonate ein eigenes Kapitel gewidmet. Explizit wird hier die Addition von Clodronat oder Zoledronat mit einer «plus»-Bewertung befürwortet (d.h. die therapeutische Massnahme kann empfohlen werden) und damit wird der therapeutische Nutzen für die Patientin bestätigt (9). Da bei einer Behandlung mit oralem Clodronat wie auch bei anderen oralen Therapien mit täglichem Einnahmeintervall mit einem deutlichen Wirkungsverlust durch eine Reduktion der Compliance von zirka 50% im ersten Jahr zu rechnen ist, ist eine patientenfreundlichere Applikationsweise in Form von zwei Infusionen Zoledronat (jeweils 4 mg) pro Jahr grundsätzlich zu bevorzugen. Allerdings muss darauf hingewiesen wer-
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den, dass eine adjuvante Therapie mit Bisphosphonaten wie Zoledronat laut Indikation derzeit noch nicht vorgesehen ist und es sich bei einem entsprechenden Einsatz in der Adjuvanz immer um einen sogenannten Off-label Use handelt. Die aktualisierte AGO-Leitlinie ist im Internet unter www.ago-online.de zu finden. ■
Prof. Dr. med. Peyman Hadji Leiter des Schwerpunkts Gynäkologische Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Osteologie Philipps-Universität Marburg Baldingerstrasse D-35033 Marburg
Quellen: 1. Diel IJ, Solomayer EF, Costa SD et al.: Reduction in new metastases in breast cancer with adjuvant clodronate treatment. NEJM 1998; 339: 357–363. 2. Powles TJ, Paterson AHG, Kanis A et al.: Ranomized, placebo-controlled trial of clodronate in patients with primary operable breast cancer. J Clin Oncol 2002; 20: 3219–3224. 3. Saarto T, Blomqvist C, Virkkunen P et al.: Adjuvant clodronate treatment does not reduce the frequency of skeletal metastases in node-positive breast cancer patients: 5-year results of a randomized controlled trial. J Clin Oncol 2001; 19: 10–17. 4. Gnant M, Mlineritsch B, Schippinger W et al.: Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. NEJM 2009; 360: 679–691. 5. Eidtmann H, Bundred NJ, De Boer R et al.: The effect of zoledronic acid on aromatase inhibitor associated bone loss in postmenopausal women with early breast cancer receiving adjuvant Letrozol: 36 months follow-up of ZO-FAST. SABCS 2008, Abstract #44. 6. Winter MC, Thorpe HC, Burkinshaw R et al.: The addition of zoledronic acid to neoadjuvant chemotherapy may influence pathological response exploratory evidence for direct anti-tumor activity in breast cancer. SABCS 2008, Abstract #5101. 7. Hadji P: ASCO-Update: Bisphosphonate in der Adjuvanz bei prämenopausalen Frauen. Frauenarzt 2008; 49: 718–719. 8. Hadji P, Gnant M, Aapro M et al.: Dosing of zoledronic acid throughout the treatment continuum in patients with breast cancer. Breast 2009; 18, Suppl. 1S 60. 9. Empfehlungen der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), (Stand Februar 2009): www.ago-online.de.
Erstpublikation in: Frauenarzt 2009; 50 (5): 454–456. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (Deutschland) als Herausgeber und des Publimed-Verlags, München.
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