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Kongressbericht
45. Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Orlando/Florida, 29. Mai bis 2. Juni 2009
Fortgeschrittener Brustkrebs
Vielversprechende neue Substanzen in klinischer Entwicklung (1)
«Personalizing cancer care», das Motto des diesjährigen Jahresmeetings der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO, bezieht sich auch auf zielgerichtete Therapien bei fortgeschrittenem Brustkrebs. Einige bedeutsame Studien zu sehr schwierig behandelbaren Brustkrebsformen im fortgeschrittenen Stadium wurden auf der Pressekonferenz am 31. Mai 2009 hervorgehoben.
In diesem ersten Teil zu neuen Therapien bei Brustkrebs werden die wichtigsten Resultate zu den PARP-Hemmern vorgestellt; in einem zweiten Teil (Gynäkologie 5/09) folgen Studienresultate zu weiteren Therapieansätzen.
PARP-Hemmer
Eine neue Klasse zielgerichteter Medikamente, die sogenannten PARP-Inhibitoren, hat in zwei Phase-II-Studien bei den schwer behandelbaren «tripel-negativen» und BRCA-1-2-defizienten Mammakarzinomen vielversprechende Resultate gezeigt. Eine dieser Studien (1) wurde in einer Plenarsitzung vorgestellt. Bei PARP, Abkürzung für «Poly-ADP-Ribose-Polymerase», handelt es sich um ein Enzym zur Reparatur der DNA-Schädigung, einschliesslich der chemotherapieinduzierten Tumorzellschäden. Zurzeit wird untersucht, ob die Substanzen, die das PARP-Enzym hemmen, den Selbstreparaturmechanismus der Tumorzellen verringern, sodass die Krebszellen therapiesensitiver werden und die Induktion des Tumorzelltods vorantreiben.
PARP-1-Inhibitor BSI-201
Eine randomisierte Phase-II-Studie bei Frauen mit metastasierten «tripel-negativem» Mammakarzinom (1) untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit einer Therapie mit dem PARP-Inhibitor BSI-201 zusätzlich zur konventionellen Chemotherapie versus Chemotherapie allein. «Tripel-negativer» Brustkrebs ist besonders aggressiv und schwer behandelbar, da Rezeptoren für Östrogen, Progesteron und HER2 fehlen und damit durch verfügbare Behandlungsformen nicht angegriffen werden können.
Die teilnehmenden 120 Patientinnen der Studie erhielten entweder eine Standardchemotherapie (CT; Gemcitabine und Carboplatin) plus den PARP-1-Hemmer BSI-201 oder die Standardchemotherapie allein. Endpunkte waren die klinische Benefitrate (CBR; definiert als komplette Remission, partielle Response bzw. Krankheitsstabilisierung über 6 Monate und mehr), das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS). Resultate: Die Analysen der ersten 86 Patientinnen zeigten, dass fast 62% der Frauen unter der BSI-201-Kombination einen klinischen Benefit zeigten (vs. 21% in der CT-Gruppe). Das OS war mit 48% signifikant grösser (OS nur 16% unter alleiniger CT). Die Patientinnen der Studiengruppe lebten im Schnitt 9,2 Monate und hatten ein medianes PFS von 6,9 Monaten (vs. OS 5,7 Mo. und PFS 3,3 Mo. unter alleiniger CT). Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war dabei in beiden Gruppen vergleichbar; BSI-201 war selbst gut verträglich und fügte der CT keine weiteren Begleitwirkungen zu. Die Patientinnen in der Studiengruppe lebten also signifikant länger und erlebten ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben. «Die Resultate beweisen, dass BSI-201 eine vielversprechende Substanz für diese Krankheitsform ist, für die wir unbedingt neue, effektivere Therapien benötigen», sagte Studienleiter Joyse O’Shaughnessy, Dallas/Texas.
PARP-Hemmer Olaparib
In einer kleineren Phase-II-Studie (2) bei Frauen mit BRCA-1- oder BRCA-2-Mutationen und fortgeschrittenem Brustkrebs kam es bei mehr als einem Drittel unter
dem PARP-Hemmer Olaparib in Mono-
therapie zum Tumorrückgang, nachdem
sie zuvor drei Zyklen CT erhalten hatten.
Diese Studie untersuchte erstmalig Ola-
parib in Monotherapie bei BRCA-defizi-
entem Brustkrebs. Eine vorangegangene
Phase-I-Studie hatte gezeigt, dass
Frauen mit BRCA-defizientem Ovarial-
karzinom auf diese Therapie ansprechen
(ASCO 2008; Abstract 5510). Tumoren
bei diesen Patientinnen besitzen einen
Defekt in ihrer DNA-Reparaturfähigkeit.
Angenommen wird, dass die Zugabe von
Olaparib durch einen weiteren Mecha-
nismus zur Apoptose der Tumorzellen
führt.
Die internationale Multizenterstudie
prüfte die Rate der Response auf Olapa-
rib (nachgewiesen als Tumorrückgang)
bei 54 Brustkrebspatientinnen mit den
genannten Tumorcharakteristika. Primä-
rer Endpunkt war die objektive Respon-
serate, sekundäre Endpunkte waren das
PFS sowie die klinische Benefitrate.
Bei 38% der Frauen kam es zur Response
auf die höhere Dosis (von zwei Dosis-
schemata). Olaparib wurde insgesamt
gut vertragen; die wesentlichen Neben-
wirkungen waren leichte Fatigue, Nau-
sea und Erbrechen.
«Unsere Ergebnisse sind sehr vielver-
sprechend für die Behandlung BRCA-
defizienter Brusttumoren mit dem PARP-
Hemmer Olaprib», resümierte Studien-
leiter Andrew Tutt, London.
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Bärbel Hirrle
Referenzen:
1. O’Shaughnessy, J. et al.: Efficacy of BSI-201. A poly (ADP-ribose) polymerase (PARP1) inhibitor, in combination with gemcitamine/carboplatin in patients with metastatic triple negative breast cancer: results of a randomized phase II trial. Journal of Clinical Oncology 2009 Annual Meeting Proceedings Part I. Abstract P3.
2. Tutt, A. et al.: Phase II trial of the oral PARP inhibitor olaparib in BRCA-deficient advanced breast cancer. Journal of Clinical Oncology 2009 Annual Meeting Proceedings Part I. Abstract CRA501.
30 GYNÄKOLOGIE 4/2009