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Brustkrebs im Frühstadium bei jungen Frauen
Verbessertes Überleben nach Hormontherapie plus Zoledronat
Prämenopausale Brustkrebspatientinnen mit positivem Östrogenstatus profitieren von einer adjuvanten endokrinen Therapie und der Zugabe von Zoledronat. Die kürzlich publizierte ABCSG-12-Studie unter österreichischer Leitung ergab eine Rezidivminderung um 36% im medianen vierjährigen Studienzeitraum. Der Studienleiter sieht eine neue Therapieoption für diese Patientinnengruppe.
Während sich bei postmenopausalen hormonrezeptorpositiven Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium die postoperative (adjuvante) Gabe von Aromatasehemmern in fast allen Fällen gegenüber Tamoxifen durchgesetzt hat, bleibt die Behandlung der jungen Patientinnen mit diesen Charakteristika «konservativ»: Bei den prämenopausalen Frauen (zu 62% HR-positiv) ist die ovarielle Suppression mit GnRH-Analoga und die Gabe von Tamoxifen insbesondere in Europa Standard, zumal diese Therapie mindestens so wirksam wie die Chemotherapie und zudem besser verträglich ist. Nach positiven Studienresultaten mit Aromatasehemmern bei fortgeschrittenem Brustkrebs prämenopausaler Frauen wird der Einsatz derzeit in klinischen Studien auch im adjuvanten Setting bei jungen Brustkrebspatientinnen geprüft. Des Weiteren hat sich der Einsatz von Bisphosphonaten, insbesondere von Zoledronat (Zoledronsäure), bei post- und prämenopausalen Patientinnen als sehr effektiv zur Verhinderung oder auch Verzögerung von Knochenkomplikationen erwiesen. Darüber hinaus zeigten sich wesentliche Antitumor- und antimetastasierende Wirkungen dieser Substanz.
1800 junge Patientinnen im Stadium I und II
Vor diesem Hintergrund untersuchte die Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG-12-Phase-III-Studie) in vier Studienarmen während dreier Jahre die Effektivität der adjuvanten Behandlung aus ovarieller Suppression mit Goserelin (Zoladex®)
■ plus Anastrozol (Arimidex®) ■ plus Tamoxifen ■ plus Anastrozol und Zoledronsäure
(Zometa®) ■ plus Tamoxifen und Zoledronsäure. 1803 prämenopausale, hormonrezeptorpositive (ER-, PgR-positiv oder beides) Frauen mit Brustkrebs im Stadium I und II und weniger als zehn positiven Lymphknoten wurden für die postoperative Therapie eingeschlossen. Der primäre Endpunkt dieser Studie in den vier Studienarmen war das krankheitsfreie Überleben (DFS), sekundäre Endpunkte waren rezidivfreies Überleben und Gesamtüberleben (OS). DFS war definiert als Zeitdauer von der Randomisierung bis zum ersten Auftreten von einem oder mehreren Ereignissen (lokales oder regionales Rezidiv, Karzinom in der kontralateralen Brust, Fernmetastase, zweiter Primärtumor oder Tod jedweder Ursache). Verminderung der Knochenmineraldichte (BMD), Auftreten von Knochenmetastasen und Nebenwirkungen wurden detailliert festgehalten. Der Studienleiter betont, dass die Studie bis auf die zur Verfügung gestellten Studienmedikationen (Novartis, AstraZeneca) unabhängig geführt wurde.
Verbessertes Überleben, aber mehr Nebenwirkungen
Nach einem medianen Follow-up von vier Jahren (47,8 Monaten) waren insgesamt 137 Ereignisse eingetreten. Die DFS-Raten betrugen in der Tamoxifengruppe 92,8% und in der Anastrozolgruppe 92%, waren also kaum unterschiedlich.
In den Zoledronatgruppen lebten 94,0% der Frauen definitionsgemäss krankheitsfrei versus 90,8% in den Kontrollgruppen. Daraus wurde eine relative Reduktion der Krankheitsprogression von 36% durch die Zugabe von Zoledronsäure errechnet (Hazard Ratio 0,64; 95%KI 0,46–0,91; p = 0,01). Das rezidivfreie Überleben wurde um 35% gesenkt. Zoledronsäure reduzierte nicht nur das Auftreten von Knochenmetastasen, sondern auch von anderen Fernmetastasen, kontralateralem Brustkrebs und lokoregionären Rezidiven. In den Zoledronsäuregruppen kam es zu 16 Todesfällen, in den beiden Kontrollgruppen dagegen zu 26. (Hazard Ratio 0,60; 95%-KI 0,32–1,11; p = 0,11). Der berechnete Unterschied bezüglich des Mortalitätsrisikos war aber nicht statistisch signifikant. Das Nebenwirkungsprofil war wie erwartet: In der Anastrozolgruppe (ohne Zole-
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ABCSG – seit 20 Jahren aktiv
Die österreichische Forschungsgesellschaft ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group) besteht seit mehr als zwei Jahrzehnten und hat sich auf klinische Studien zum Mammakarzinom und zum kolorektalen Karzinom spezialisiert. Durchgeführt werden die wissenschaftlichen Untersuchungen von 700 Ärztinnen und Ärzten an rund 100 Zentren in ganz Österreich, die auf Brust- und Darmkrebs spezialisiert sind. Besonderer Wert wird dabei auf die Zusammenarbeit von Ärzten aus allen verwandten Fachdisziplinen gelegt. Studienleiter Gnant aus Wien: «Mittlerweile beteiligen sich mehr als 18 500 krebskranke Frauen und Männer an unseren Studienprojekten.» Die ABCSG ist damit in der Lage, ähnlich grosse klinische Studien durchzuführen wie Deutschland und Grossbritannien. Österreich verfügt – gemessen an der Einwohnerzahl – über die europaweit grösste Zahl an Studienteilnehmern (2).
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dronsäure) kam es häufiger zu Arthralgie als unter Tamoxifen (25 vs. 12%), die Zugabe der Zoledronsäure brachte häufiger Knochenschmerz (35 vs. 25%) und Arthralgie (24 vs. 18%). Bezüglich schwerer Nebenwirkungen (insgesamt bei 10%) gab es keine signifikanten Unterschiede in allen Therapiegruppen; wesentlich war besonders, dass kein Fall von Kieferosteonekrose oder Nierenversagen aufgetreten war.
Chemotherapie kann erspart bleiben
Gemäss Studienleiter Prof. Dr. Michael Gnant von der Medizinischen Universität Wien zeigt die Studie, dass Anastrozol bei prämenopausalen Patientinnen ebenso effektiv ist wie Tamoxifen, die Zugabe von
Zoledronsäure das Wiedererkrankungsrisiko aber verringert. Die Risikoreduktion entspräche jener der postmenopausalen Frauen unter Aromatasehemmertherapie. «Die ABCSG-12-Studie hat gezeigt, dass eine neue Form der Brustkrebstherapie die Überlebenschancen von prämenopausalen Frauen mit hormonrezeptorsensitivem frühen Brustkrebs deutlich steigert und die Gefahr von Rezidiven senkt.» Damit sind auch die Überlebenschancen spürbar verbessert (2). Den jungen Patientinnen mit niedrigem bis mittlerem Rezidivrisiko kann daher die – bei jungen Patientinnen in den USA routinemässig angewandte – Chemotherapie erspart werden. Der positive Therapieeffekt der Zoledronatstudiengruppen wird verschiedenen
Antitumoreffekten des Bisphosphonats
zugeschrieben, die über die positiven Ef-
fekte auf die Knochen hinausgehen. In
präklinischen Studien ist eine Hemmung
der Tumorzelladhäsion, -invasion und
proliferation nachgewiesen sowie eine
Verzögerung der Krankheitsprogression
und ein Synergieeffekt mit Chemothera-
pie. Der exakte Wirkmechanismus ist
noch nicht geklärt. Prof. Gnant: «Möglich
ist, dass Zoledronsäure disseminierte, so-
genannte schlafende Tumorzellen an-
greift (2).»
■
hir
Quellen:
1. Gnant, M. et al.: Endokrine Therapy plus Zoledronic Acid in Premenopausal Breast Cancer. NEJM 2009; 360: 679–91.
2. http://www.meduniwien.ac.at
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