Transkript
Kongressbericht
45. Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Orlando/Florida, 29. Mai bis 2. Juni 2009
Neue Resultate der WHI-Studie
Frauen mit Lungenkrebs: HRT erhöht Mortalitätsrisiko
Während des diesjährigen Jahresmeetings der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO wurden neueste Analyseresultate der Women’s-Health-Initiative-(WHI-)Studie vorgestellt: Demnach erhöht eine postmenopausale Hormontherapie (HRT) das Mortalitätsrisiko bei Frauen, die an Lungenkrebs erkranken. Für die Beratungspraxis habe dies auch für Raucherinnen in der Menopause Konsequenzen, so der Studienleiter.
Wie Rowen T. Chlebowski, Los Angeles, erklärte, hatten bereits frühere Untersuchungen gezeigt, dass Hormone beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) eine Rolle bei der Krankheitsprogression und der Prognose spielen. Aufgefallen war, dass Frauen mit NSCLC tendenziell höhere Überlebensraten als Männer mit dieser Diagnose haben und eher besser auf einige Therapien ansprechen.
Massiv erhöhtes Mortalitätsrisiko
Die neue WHI-Analyse zeigt erstmals eine spezifische Korrelation im Rahmen einer sehr grossen randomisierten, plazebokontrollierten, klinischen Studie. Allerdings zeigten sich negative Einflüsse der externen Hormongabe auf die Prognose bei Frauen, die im Beobachtungszeitraum an Lungenkrebs erkrankten. Lungenkrebs ist in den USA bei Frauen heute die häufigste krebsbedingte Todesursache; in Westeuropa steht Lungenkrebs bei Frauen an zweiter Stelle der Krebsmortalität. Ursachen für diese Entwicklung sind die stark zugenommene Zahl der Raucherinnen in den letz-
ten Jahrzehnten, fehlende Früherkennungsmöglichkeiten und die sehr schwierige Therapierbarkeit von Lungenkrebs. Die WHI, mit dem Ziel, den Gesundheitseffekt unter HRT bei Frauen nach der Menopause zu evaluieren, hatte 16 608 meist gesunde postmenopausale Frauen eingeschlossen, welche im Arm A konjugiertes equines Östrogen (CEE) plus Medroxyprogesteron (MPA) respektive Plazebo erhielten. Zusätzlich zu den primären Analysen, welche eine Erhöhung der kardiovaskulären und Brustkrebsrisiken ergeben hatten, sollten die Studienresultate bei Lungenkrebs aufhorchen lassen und laut Chlebowski in die Diskussion insbesondere mit Raucherinnen einfliessen, die eine kombinierte HRT erwägen. Die Studie betrachtete NSCLC-Inzidenz und -Mortalität während der Intervention (5,6 Jahre HRT bzw. Plazebo) und des Follow-ups (2,4 Jahre). Zwar zeigte sich kein signifikanter Unterschied der Lungenkrebsinzidenz, doch war die Mortalität nach der NSCLC-Diagnose in der kombinierten HRT-Gruppe signifikant höher: 67 der HRT-Anwenderinnen versus 39 Frauen unter Plazebo starben an ihrem Lungenkrebs nach die-
Orlando/Florida, Convention Center: Hier tagte das 45. Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) mit rund 30 000 Krebsspezialisten aus über 100 Ländern – dieses Jahr unter dem Motto «personalizing cancer care».
sem Zeitraum. Damit lag das Mortalitäts-
risiko um 61% höher als unter Plazebo.
Die Studienleiter ermittelten unter den
Raucherinnen in der HRT-Gruppe eine
Mortalitätsrate von 3,4% (vs. 2,3% unter
Plazebo) (vgl. Tabelle).
Hormonelle Einflüsse bei Lungenkrebs
werden derzeit in einer sehr grossen Stu-
die des US-amerikanischen National
Health Service mit über 107 000 Frauen,
darunter 1729 Lungenkrebspatientinnen,
weiter untersucht.
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Bärbel Hirrle
Tabelle:
NSCLC in der WHI-Studie (%) pro Jahr
CEE + MPA (n/%) NSCLC-Inzidenz 96/0,14% NSCLC-Mortalität* 67/0,10%
*Analysen begannen nach initialer Randomisierung.
Plazebo (n/%) 72/0,11% 39/0,06%
HR 1,28 1,61
95%-KI 0,94–1,73 1,09–2,39
p-Wert 0,12 0,02
Quellen:
ASCO-Meeting 2009: Oral presentation, 30. Mai 2009.
Chlebowski R.T. et al.: Non-small lung cancer and estrogen plus progestin use in postmenopausale women in Women’s Health Initiative randomized clinical trial. Abstract CRA 1500.
28 GYNÄKOLOGIE 4/2009