Transkript
Fortbildungsbericht
Aromatasehemmer adjuvant bei Brustkrebs
Switch oder Upfront?
Bei Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium sind bestimmte Tumorcharakteristika für das Rezidivrisiko und damit für die adjuvante Therapiewahl ausschlaggebend. Neueste Follow-up-Studienresultate mit Aromatasehemmern im Vergleich zu Tamoxifen wurden kürzlich in St. Gallen und Zürich diskutiert und Strategien für individuelle Konstellationen aufgezeigt.
Seit Einführung der adjuvanten endokrinen Behandlung vor etwa 20 Jahren hat sich die 5-Jahres-Überlebensrate bei Brustkrebspatientinnen kontinuierlich verbessert: 35- bis 55-jährige Patientinnen leben heute zu 73% fünf Jahre nach der Diagnose (früher zu 60%), stellte Prof. Marc Sütterlin aus Mannheim auf einer Frühjahrsfortbildung zum Mammakarzinom am Universitätsspital Zürich heraus. Immer deutlicher zeigte sich in den neuen Studienresultaten, dass bestimmte Tumorcharakteristika ausschlaggebend seien für Entscheidungen zur adjuvanten Therapiestrategie. Eine eindeutige Pathologie (v.a. bezüglich ER- und PgR-Status, HER2Status, Proliferationsaktivität, Nodalstatus) ist essenziell.
Heutige Tendenzen
Die neueren Studienresultate der BIG-198-Studie (1) mit Letrozol (Femara®), der ABCSG-8-Studie (2) mit Anastrozol (Arimidex®) sowie der TEAM-Studie (3) mit Exemestan (Aromasin®) haben laut Sütterlin die Überlegenheit der Aromatasehemmer gegenüber Tamoxifen bei fast allen postmenopausalen Patientinnen bestätigt. Die aktuellen Daten sprechen für die Upfront-Gabe, das heisst Beginn mit einem Aromatasehemmer in der endokrinen adjuvanten Therapie. Meist wird Letrozol oder Anastrozol bevorzugt, da die Studiendaten hierzu konsistent sind. Die wichtigsten Studien, BIG-1-98 und ATAC, sind durch ihr ähnliches Design doppelblind miteinander vergleichbar. Lediglich bei einem kleinen Teil der postmenopausalen Patientinnen, welche ein sehr niedriges Rezidivrisiko und bestimmte Komorbiditäten (z.B. manifeste Osteoporose) haben, wird Tamoxifen empfohlen. Adjuvantes Tamoxifen bleibt ferner
indiziert bei prämenopausalen Frauen zusammen mit dem GnRH-Analogum Goserelin (Zoladex®).
BIG-1-98 mit Letrozol
Diese von der unabhängigen Breast International Group (BIG) geleitete Studie im randomisierten, doppelblinden Design ist die einzige Studie, welche die Wirksamkeit eines Aromatasehemmers mit Tamoxifen in der adjuvanten Therapie sowohl als Monotherapie als auch in der sequenziellen Gabe beider Substanzen vergleicht. Die Studie begann 1998 als zweiarmige Studie (2-Arm-Option), die mehr als 1800 Frauen für eine Therapie mit Tamoxifen oder Letrozol über fünf Jahre randomisierte. Ein Jahr danach wurde die Studie um eine zusätzliche 4-Arm-Option um knapp 6200 Patientinnen erweitert, um auch verschiedene sequenzielle Regime zu evaluieren: ■ Monotherapie: 5 Jahre Behandlung
mit Tamoxifen 20 mg/Tag (Arm A) ■ Monotherapie: 5 Jahre Behandlung
mit Letrozol 2,5 mg/Tag (Arm B) ■ Sequenztherapie: 2 Jahre Tamoxifen
gefolgt von 3 Jahren Letrozol (Arm C) ■ Sequenztherapie: 2 Jahre Letrozol ge-
folgt von 3 Jahren Tamoxifen (Arm D). Im Jahr 2005 zeigte sich bereits die Überlegenheit von Letrozol gegenüber Tamoxifen in der Monotherapie (1. Analyse bei median 26 Behandlungsmonaten) und führte aus ethischen Gründen zur Entblindung der Monotherapie-Arme. Daraufhin entschloss sich ein Viertel der Patientinnen, von Tamoxifen auf Letrozol zu wechseln (Crossover: 25,2%). Der Wechsel fand meistens in den Jahren 3 bis 5 statt, sodass die anschliessende Behandlung mit Letrozol im Durchschnitt 18 Monate dauerte.
Die neuesten Studienresultate Inzwischen liegt die 3. Analyse mit einem medianen Follow-up von 76 Monaten vor. Kürzlich erläuterte Prof. Dr. med. Jens Huober, St. Gallen, die neusten Daten auf einer Medienveranstaltung: Die Entblindung der Monotherapien hatte zwei Analysen zur Folge: ■ eine Intention-to-treat-Analyse (ITT),
bei der Patientinnen, die in Arm A auf Letrozol wechselten, weiter als Tamoxifen-Patientinnen betrachtet wurden ■ eine zensierte Analyse, bei der Patientinnen, die in Arm A auf Letrozol wechselten, von diesem Zeitpunkt ab ausgeschlossen wurden. Die ITT-Analyse zeigte, dass sowohl beim rezidivfreien als auch beim fernmetastasenfreien Überleben (DFS) der LetrozolArm dem Tamoxifen-Arm signifikant überlegen war (Hazard Ratio/HR 0,88 bzw. 0,84). Bezüglich des Mortalitätsrisikos zeigte sich eine Tendenz zugunsten der Letrozol-Therapie (OS: HR: 0,87; Signifikanz knapp verfehlt). Bei der zensierten Analyse wurde dagegen der Unterschied signifikant (HR = 0,81) (vgl. Tabelle). Die Analyse der sequenziellen Therapieansätze gegenüber der fünfjährigen Monotherapie mit Letrozol (Therapiearme C und D versus B) ergibt in der bisherigen Auswertung keine eindeutige Überlegenheit der Sequenz- gegenüber der Monotherapie. Die krankheitsfreien Überlebensraten nach fünf Jahren für die drei Patientinnengruppen in dieser Analyse betrugen: ■ 87,9% für die Patientinnen, die ausschliesslich Letrozol erhielten ■ 86,2% für die Patientinnen, die zwei Jahre Tamoxifen gefolgt von drei Jahren Letrozol erhielten
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Fortbildungsbericht
■ 87,6% für die Patientinnen, die zwei Jahre Letrozol gefolgt von drei Jahren Tamoxifen erhielten.
Deutlich wurde, dass bereits in den ersten zwei Jahren, insbesondere bei den nodalpositiven Patientinnen, unter Letrozol deutlich weniger Rezidive auftraten als unter Tamoxifen; die Kurve geht bei diesen Frauen bereits ab erstem Therapiejahr auseinander. Der Wechsel auf Tamoxifen nach zwei Jahren Letrozol hat aber keinen Verlust an Effektivität im Vergleich zur Fortführung der Letrozoltherapie erbracht. Laut Prof. Huober sollten besonders Frauen mit Risiko für ein frühes Rezidiv die Aromatasehemmergabe erhalten. Das Follow-up der Studie läuft weiter.
Studie ABCSG-8 und ATACFollow-up mit Anastrozol
Bei der ABCSG (= Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group)-8-Studie handelt es sich um eine prospektive randomisierte Open-Label-Studie, welche Tamoxifen (Monotherapie) versus Tamoxifen/Anastrozol untersucht. In diese Studie wurden keine Patienten mit Grad3-Tumoren oder Chemotherapie-Vorbehandlung einbezogen. 2005 erfolgte die Sequenzanalyse, bei der Ereignisse in der gesamten Studiendauer dokumentiert wurden, sowie die Switch-Analyse, bei der Ereignisse ab dem Wechsel auf Anastrozol erfasst wurden. Bei den 2005 vorgestellten Daten ist der Vergleich beider Methoden interessant, da bei der Switch-Analyse die Differenz zwischen beiden Armen (TamoxifenAnastrozol gegenüber Tamoxifen allein) statistisch signifikant ist (HR = 0,62), nicht jedoch in der Sequenzanalyse (HR = 0,76). Bei den in San Antonio 2008 präsentierten Daten konnte in keinem der untersuchten Parameter des rezidivfreien Überlebens ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Monotherapie mit Tamoxifen und der Sequenztherapie gezeigt werden. Die Gesamtmortalität lag in der Tamoxifengruppe höher (OS 11,4% vs. 8,4%). Jedoch steht dies nicht im Zusammenhang mit der brustkrebsbedingten Tumorerkrankung, denn die Mortalitätsrate nach Rezidiv war in beiden Gruppen annähernd gleich. Laut Prof. Sütterlin, Mannheim, liegt für die ATAC-Studie inzwischen eine Beob-
Tabelle: BIG-1-98-Monotherapie – Update (medianer Follow-up 76 Monate)
Gesamtüberleben – ITT-Analyse – Zensierte Analyse Krankheitsfreies Überleben – ITT-Analyse – Zensierte Analyse Fernmetastasen – ITT-Analyse – Zensierte Analyse
Letrozol (n= 2463) 303
509
275
Adaptiert aus: «BIG News». Folder Novartis Oncology. 2009
Tamoxifen (n= 2459) 343
565
298
Hazard Ratio (95% CI)
0,87 (0,75–1,02) 0,81 (0,69–0,94)
0,88 (0,78–0,99) 0,84 (0,74–0,95)
0,85 (0,72–1,00) 0,81 (0,68–0,96)
achtungszeit von über acht Jahren (als einzige Aromatasehemmerstudie bei postmenopausalem Brustkrebs) vor. Eine neue Auswertung, die in St. Gallen 2009 vorgestellt wurde, zeigte durchgehend auch im neunten Jahr eine signifikante Verringerung der Rezidive unter Anastrozol (im 9. Jahr: 385 unter A. vs. 488 unter T.). Dies betraf die Zahl der Fernmetastasen sowie besonders markant die der kontralateralen Brustkrebsfälle (im 9. Jahr unter A. 47 vs. 78 unter T.).
TEAM-Studie mit Exemestan
Bei der TEAM (Tamoxifen Exemestane Adjuvant Multinational)-Studie handelt es sich um eine neue Open-Label-Studie, an der fast 10 000 Patientinnen teilnahmen (3). Die Resultate der älteren IES (Intergroup Exemestane Study)-Studie bezüglich des krankheitsfreien Überlebens im Zusammenhang mit einer Umstellung von Tamoxifen auf Exemestan nach einer Behandlungsdauer von 2 bis 3 Jahren hatten zu Protokolländerungen geführt. Die in San Antonio 2008 präsentierten Daten der TEAM-Studie beziehen sich auf den direkten Vergleich von Tamoxifen mit Exemestan nach einem medianen Follow-up von 2,75 Jahren. Problematisch bei dieser Studie war die hohe Abbruchrate in beiden Therapiearmen (29,5% im Tamoxifen- bzw. 18,9% im Exemestan-Arm). Die ITT-Analyse des krankheitsfreien Überlebens ergab eine statistisch nicht signifikante Hazard Ratio von 0,89 (95%-CI 0,77 bis 1,03). Somit wurde der primäre Endpunkt dieser Studie nicht erreicht. Allerdings waren die Unterschiede sowohl bei der Analyse des rezidivfreien Überlebens (HR = 0,85; 95%-
CI 0,72 bis 1,00) als auch im metastasenfreien Überleben (HR = 0,81; 95%-CI 0,670,98) signifikant zugunsten Exemestan.
Switch oder Upfront?
Wie die Experten betonten, zeigen die aktuellen Studienanalysen, vor allem der Studien BIG-1-98 und ATAC, dass Rezidive unter Aromatasehemmern deutlich mehr verhindert werden als unter Tamoxifen, und zwar bereits in den ersten zwei Therapiejahren (relative Risikoreduktion: 12–14%). Dies spricht für den UpfrontEinsatz eines Aromatasehemmers. ■
Bärbel Hirrle
Quellen: 11. Internationale Konferenz «Primary Therapy of Early Breast Cancer», St. Gallen, 11. bis 14. März 2009. «Mammakarzinom – aktuelle Therapiekonzepte». Fortbildung am Universitätsspital Zürich (USZ), Departement Frauenheilkunde, 2. April 2009 (Fortbildung der Swiss AGO und der SGGG). Novartis OncoTalk®: «Neue ermutigende Resultate für Frauen mit Brustkrebs». Zürich, 2. April 2009.
Referenzen: 1. Mouridsen HT, et al. for the BIG 1-98: Cancer Res 2009; 69. Oral presentation SABCS 2008, Abstract 13. 2. Jakesz R, et al. (ABCSG-trail): Cancer Res 2009; 69. Oral presentation SABCS 2008, Abstract 14. 3. Jones SE, et al. (TEAM-trial): Cancer Res 2009; 69. Oral presentation SABCS 2008, Abstract 15.
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