Transkript
SCHWERPUNKT
Kondylome in der Schwangerschaft
Prävalenz, Risiken, Behandlung, Prävention
Derzeit nimmt die Prävalenz von Genitalwarzen (Kondylome) immer noch zu. Bestehen bei einer Schwangeren Kondylome, ist das Kind durch die vertikale HPV-Übertragung insbesondere während der Entbindung gefährdet. Zur Verhinderung einer juvenilen Larynxpapillomatose beim Kind muss die Mutter in der 35. Schwangerschaftswoche (SSW) behandelt werden, weil damit kaum Rezidive zum Geburtstermin vorkommen.
MATHIAS FEHR
Die Bildung von anogenitalen Kondylomen stellt eine häufige Erkrankungsform der Frau dar. Typische Kondylome sind makroskopisch einfach zu diagnostizieren, bei kleinen Läsionen ist jedoch die richtige Diagnose nur mit kolposkopischer Betrachtung der anogenitalen Haut zu stellen. Dies betrifft insbesondere die Differenzialdiagnose zur Normvariante der vestibulären Papillomatose. Typische Kondylome zeigen sich durch eine blumenkohlartige Wucherung des Epithels mit dem dazu gehörenden Stroma, wobei das Epithel hyperkeratotisch und dadurch essigweiss ist und das Stroma verzweigte Papillen zeigt. Bei der vestibulären Papillomatose ist das Epithel nicht hyperkeratotisch, und die Stromapapillen sind nicht verzweigt (vgl. Abbildung).
Anogenitale Kondylome: Prävalenz und Risikopotenzial
Aufgrund von Statistiken aus England und Wales hat die Diagnose von anogenitalen Kondylomen seit den Siebzigerjahren zugenommen; die Prävalenz in der
Abbildung: Kondylom, von der Transformationszone der Cervix uteri ausgehend.
Bevölkerung beträgt 1%. 10% der Bevölkerung leiden im Lauf ihres Lebens irgendwann an Kondylomen. Typische anogenitale Kondylome sind nicht ausschliesslich durch die HPV-Typen 6 und 11 bedingt. Wie man aus neuen Resultaten der FUTURE-I- und -II-Studien weiss, lassen sich bei 11% der typischen Kondylome onkogene HPV-16- oder -18-Viren nachweisen. 81% der typischen anogenitalen Kondylome sind durch HPV 6 oder 11 bedingt, hingegen nur 2 bis 3% der echten Präkanzerosen zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) 2 oder 3 (vgl. Tabelle 1). In doppelblinden, randomisierten Studien beträgt die spontane Abheilungsrate von Kondylomen bei immunkompetenten Patientinnen im Plazeboarm zirka 20% in vier Monaten.
Gefahrensituation Schwangerschaft und Geburt
In der Schwangerschaft beträgt die Prävalenz von Kondylomen zum Zeitpunkt der Geburt 250 auf 100 000 Geburten. Liegen anogenitale Kondylome zum Geburtstermin vor, besteht ein erhebliches Risiko für die vertikale Übertragung des HPV-Infektes auf das Kind. Die schwerste kindliche Erkrankung infolge einer solchen vertikalen Übertragung ist die Larynxpapillomatose, welche durch die HPV-Typen 6 und 11 verursacht wird. Diese tritt in 4,7 Fällen auf 100 000 Geburten auf. 1 von 50 Neugeborenen von Müttern mit Kondylomen ist betroffen. Die Larynxpapillomatose ist schwierig zu behandeln. Sie kann zur Obstruktion der Atemwege führen, sodass 14% der Kinder mit Larynxpapillomatose eine Tracheotomie benötigen. Eine vertikale HPV-Übertragung führt jedoch nicht nur zu Kondylomen am Larynx, sondern – in 30% – auch zu extralaryngealen Papillomatosen, welche im Nasennebenhöhlensystem, im Mund oder im Ösophagus
GYNÄKOLOGIE 2/2009
9
SCHWERPUNKT
Tabelle 1:
Prävalenz der verschiedenen HPVTypen in zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) und Kondylomen (FUTURE-I- und -II-Studien)
CIN 3 CIN 2 CIN 1 Kondylome
HPV 16/18 69% 46% 26% 11%
HPV 6/11 3% 2% 8%
81%
Tabelle 2:
Rezidivrate von anogenitalen Kondylomen in der Schwangerschaft nach CO2-Laser-Evaporation
Studie
Gay (2002) (n = 115)
Ferenczy (1984) (n =43 )
Therapiezeitpunkt < 34. SSW 3/8
1. 33%
2. 17%
> 34. SSW 0/10
3. Schwangerschaftstrimester 0%
auftreten können. Diese juvenile rezidivierende respiratorische Papillomatose kommt in zwei Dritteln der Fälle bei unter fünfjährigen Kindern vor. Eine vertikale Ansteckung bei der Mutter während der Geburt ist daher wahrscheinlich. Im dänischen Register mit 1,2 Millionen Geburten von 1974 bis 1993 betrug das Risiko einer kindlichen Larynxpapillomatose 7:1000, wenn mütterliche Kondylome zu irgendeiner Zeit vor der Geburt anamnestisch vorgekommen waren. Bei Vorliegen von Kondylomen während der Schwangerschaft stieg dieses Risiko auf 1:144. Ohne Anamnese von Kondylomen während der Schwangerschaft betrug das Risiko der Larynxpapillomatose 1:33 421 (1).
Verringert die Sectio das Übertragungsrisiko? Diese Zahlen sprechen für eine Übertragung des HPV-Infektes von der Mutter auf das Kind während oder kurz nach der Geburt. Dass die Übertragung jedoch nicht nur bei einer vaginalen Geburt stattfindet, verdeutlichen die Zahlen aus der gleichen Studie: In 12,5% kamen Larynxpapillomatosen bei Kindern vor, welche durch Kaiserschnitt entbunden worden waren. Als multivariate Risikofaktoren für eine Larynxpapillomatose zeigten sich in dieser Studie zum einen eine Geburtsdauer von über zehn Stunden mit einem relativen Risiko von 2 sowie zum anderen eine nicht mit dem Kindsvater zusammenlebende Mutter mit einem relativen Risiko von 3,6. Der letztgenannte Faktor könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Mütter einen kürzlich zurückliegenden HPV-Erstinfekt erlitten hatten. Dieser geht mit einer höheren HP-Virus-Last
einher. Obwohl die Studie 1,2 Millionen Geburten umfasste, liess sich durch eine elektive Sectio keine Risikoverminderung feststellen. Eine zweite Studie, die Risikofaktoren für eine Larynxpapillomatose bei Kindern untersuchte, fand jedoch eine auffällig niedrige Rate bei Kindern, die durch Sectio entbunden worden waren, nämlich 2,9%. Bei den Müttern waren Kondylome während der Schwangerschaft anamnestisch nachgewiesen (2). Somit kann angenommen werden, dass eine Sectio einen gewissen Schutz vor der Virusübertragung bietet.
Präventionsstrategien
Bestehen bei einer schwangeren Frau anogenitale Kondylome, muss die Frau während der Schwangerschaft behandelt werden, damit die Kondylome bei Geburtsbeginn abgeheilt sind. Ziel ist, beim Kind die juvenile rezidivierende respiratorische Papillomatose so weit wie möglich zu verhindern. Auch wenn zum Geburtstermin trotz Behandlung noch ein subklinischer HPV-Infekt bei der Mutter fortbesteht, wird durch die Behandlung die Viruslast verringert. Damit wird die Übertragungsrate gesenkt (bzw. die Übertragung des HPVInfektes insgesamt unwahrscheinlicher). Wenn die Abheilung nicht gelingt und bei Geburtsbeginn offensichtliche Kondylome fortbestehen, muss die Entbindung mittels Sectio diskutiert werden, da das Risiko einer Larynxpapillomatose beim Kind 1:144 beträgt.
Medikamentöse Therapie in der Schwangerschaft Von den topischen Medikamenten ist lediglich die Trichloressigsäure in der
Schwangerschaft zulässig. Podophyllin, Podophyllotoxin und 5-Fluorouracil sind in der Schwangerschaft kontraindiziert, da sie teilweise systemisch resorbiert werden und einen zytostatischen Effekt haben. Die Immuntherapie mit Imiquimod ist während der Schwangerschaft nicht zugelassen und wahrscheinlich auch aufgrund der schwangerschaftsbedingten Immunsuppression nicht Erfolg versprechend. Trichloressigsäure ist jedoch nur bei vereinzelt vorliegenden Kondylomen Erfolg versprechend und erreicht eine Rezidivfreiheit nach drei Monaten in 70% der Fälle.
Chirurgische Therapie Die chirurgische Therapie stellt dagegen die Behandlung der Wahl in der Schwangerschaft dar. Die Kryotherapie kann nahezu schmerzlos angewendet werden, ist allerdings auch nur bei vereinzelten Kondylomen und nicht bei einem ausgedehnten Kondylomrasen anwendbar. Bei ausgedehnten exaphytischen Kondylomen ist nach wie vor die CO2-LaserEvaporation die Therapie der Wahl in der Schwangerschaft. Die Rezidivrate ist jedoch hoch, wenn die Laserevaporation vor der 34. Schwangerschaftswoche durchgeführt wird, und beträgt 17% bis 33%. Deshalb liegt der ideale Zeitpunkt in der 35. Schwangerschaftswoche für eine CO2Laser-Evaporation der Kondylome. Zwei kleine Studien zeigen, dass sich mit diesem Vorgehen kein Rezidiv bis zum Geburtstermin entwickelt (3, 4) (vgl. Tabelle 2). Bei den 115 Patientinnen traten keine Aborte oder intrauterine Wachstumsretardierungen auf. Die CO2-Laser-Evaporation von Kondylomen in der Schwangerschaft gilt als sichere Therapie.
10 GYNÄKOLOGIE 2/2009
SCHWERPUNKT
Prävention durch die HPVImpfung
Wird die kondylominduzierte Erkrankung des Kindes dank der HPV-Impfung der Jugendlichen bald nicht mehr vorkommen? Die HPV-Imfpung mit dem quadrivalenten Impfstoff, welcher auch HPV 6 und 11 einschliesst, zeigt eine hohe Wirksamkeit bei der Verhinderung von genitalen Warzen. Nach dreijähriger Kontrollzeit betrug die Effizienz dieser Impfung 98,7% bei 6931 geimpften jungen Frauen. Zudem sinkt die Prävalenz von HPV 6 und 11 in Europa mit dem Alter stark ab und liegt bei Frauen über 25 Jahren unter 5%. Bei Frauen aus Asien, Afrika oder Indien ist dies nicht der Fall. Beispielsweise besteht bei Frauen aus Nigeria selbst im Alter von 40 bis 50 Jahren eine HPV-6- und -11-Prävalenz von über 5%, sodass dort
auch Mütter in fortgeschrittenem Alter noch Kondylome haben können. Für die Bevölkerung in den hoch entwickelten Ländern ist zu beachten: Die HPV-Durchimpfungs-Rate liegt derzeit in
Zusammenfassung
Kondylome werden zu 81% durch humane Papillomaviren (HPV) 6 oder 11 verursacht, in einigen Fällen (in 11%) durch HPV 16 oder 18. Die am meisten gefürchtete Komplikation der vertikalen Übertragung des mütterlichen HPV-Infektes ist die juvenile Larynxpapillomatose wegen ihrer hohen Morbidität. Das Risiko einer Larynxpapillomatose beim Kind beträgt 1:144, wenn bei der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt Kondylome vorliegen. Die Strategie muss deshalb die Behandlung der Kondylome in der 35. Schwangerschaftswoche sein, da dann kaum Rezidive am Geburtstermin vorkommen.
den USA bei zirka 25% und in Europa si-
cher nicht höher. Folglich wird die verti-
kale Übertragung des HPV-Infektes die
Geburtsmediziner wohl auch in Zukunft
beschäftigen.
■
PD Dr. med. Mathias Fehr Chefarzt Frauenklinik Kantonsspital Frauenfeld 8501 Frauenfeld E-Mail: Mathias.Fehr@stgag.ch
Quellen:
1. Silverberg MJ, Thorsen P, Lindeberg H et al.: Condyloma in pregnancy is strongly predictive of juvenile-onset recurrent respiratory papillomatosis. Obstet Gynecol 2003; 101(4): 645–652.
2. Shah KV, Stern WF, Shah FK et al.: Risk factors for juvenile onset recurrent respiratory papillomatosis. Pediatr Infect Dis J. 1998; 17(5): 372–376.
3. Gay C, Terzibachian JJ, Gabelle C et al.: Carbon dioxide laser vaporization of genital condyloma in pregnancy. Gynecol Obstet Fertil 2003; 31(3): 214–219.
4. Ferenczy A.: Treating genital condyloma during pregnancy with the carbon dioxide laser. Am J Obstet Gynecol, 1984; 148(1): 9–12.