Transkript
SCHWERPUNKT
Grippe und Influenzaimpfung in der Schwangerschaft
Risiken und Chancen für Mutter und Kind
Wie sinnvoll ist es, in der Schwangerschaft gegen Influenza zu impfen? Der folgende Bericht resümiert aktuelle Zahlen: Studiendaten zeigen, dass neben den Müttern die sehr jungen Säuglinge davon deutlich profitieren.
BÄRBEL HIRRLE (NACH EINEM VORTRAG VON CHRISTOPH BERGER)
Während in den USA und in Kanada die Influenzaimpfung seit 1997 im Katalog der Schwangerschaftsvorsorge aufgenommen ist und die WHO die inaktivierten Impfstoffe offiziell bei Schwangeren empfiehlt, bleibt die Schweiz bezüglich der Impfung bei Schwangeren eher zurückhaltend. Das Schweizer BAG betont, dass keine Kontraindikationen gegen die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft bestehen und empfiehlt die Grippeimpfung, wenn Risikofaktoren wie chronische Herz-, Lungen- und Nierenerkrankungen oder auch Stoffwechselstörungen bei der Mutter vorliegen und wenn das zweite oder dritte Schwangerschaftstrimenon in die Grippesaison fällt. Prof. Christoph Berger vom Universitätskinderspital Zürich resümierte kürzlich neuere Studiendaten:
Influenzaassoziierte Risiken für Mutter und Kind
Sehr junge Säuglinge und schwangere Frauen haben ein erhöhtes Risiko für ernste Komplikationen einer Influenza. Hospitalisationen infolge schwerer Grippe sind bei beiden Gruppen häufig. Bei schwangeren Frauen schlägt zu Buche, dass Herzschlag, Schlagvolumen und O2-Verbrauch erhöht sind, die Lungenkapazität erniedrigt ist und die immunologischen Funktionen verändert sind. Die Plazentapassage der Viren ist mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben: In mehreren Studien sind Aborte und Frühgeburten infolge schwerer Influenzaverläufe nachgewiesen worden. Malformationen durch eine schwere Grippe wurden jedoch noch nicht bestätigt. Die Studienlage zeigt, dass eine schwere Influenza bei graviden Frauen mit chronischen Erkrankungen gegenüber Schwangeren mit Influenza, aber ohne gesundheitliche Vorschädigungen ■ das Risiko für kardiopulmonale Events in der
Schwangerschaft verdoppelt ■ Spitaleinweisungen um das Siebenfache erhöht ■ das Frühgeburtsrisiko um den Faktor 4 erhöht ■ die Sectiorate ebenfalls um den Faktor 4 erhöht. Besonders stark trifft eine Influenza die Säuglinge in
den ersten sechs Lebensmonaten: Hier besteht eine um den Faktor 9 erhöhte Komplikationsrate. In der Schweiz liegt die Hospitalisationsrate infolge Influenza bei diesen jungen Säuglingen bei 4 bis 5 pro 1000 Säuglinge. Die Letalität liegt laut Berger bei 1:90 000 pro Jahr. Ältere Säuglinge werden in fast allen Fällen ambulant betreut.
Influenzaimpfung zum Schutz des Säuglings
Der inaktivierte Impfstoff zeigt eine gute Immunogenität gerade auch bei Schwangeren; Influenza-IgG werden transplazentär übertragen. Fruchtschädigende Wirkungen werden zwar ausgeschlossen, allerdings scheint es sicherer, nicht im ersten Trimenon zu impfen, weil möglicherweise ein erhöhtes Frühabortrisiko nach der Vakzination besteht. Berger erläuterte eine kürzlich publizierte Studie (1) zur Wirksamkeit der Influenzaimpfung, welche in Bangladesh durchgeführt und in Zusammenarbeit mit dem Cincinnati Children’s Hospital (USA) ausgewertet wurde. Laut Berger lassen sich die Folgerungen der Studie auf Europa übertragen, da es um die gleichen Influenzakomplikationen geht. An der Studie beteiligten sich 340 Frauen, die im dritten Trimenon schwanger waren. Sie erhielten entweder einen inaktivierten Grippeimpfstoff oder eine Pneumokokkenimpfung. Letztere Probandinnen bildeten in der Studie die Kontrollgruppe. In den Folgemonaten kam es bei 77 Schwangeren zu einer fiebrigen Atemwegserkrankung; dies war in 50 Fällen bei den geimpften Schwangeren der Fall. Der Studienleiter errechnete eine klinische Effektivität der Grippeimpfung von 36% bei den Müttern. Eine laborbestätigte Influenza trat bei 6 Säuglingen in der Studiengruppe, und bei 16 Kindern in der Kontrollgruppe auf. Bis zum Alter von sechs Monaten waren 63% der Kinder vor Influenza geschützt. Ferner verhinderte die Impfung fast ein Drittel der fiebrigen Atemwegserkrankungen bei Müttern und Kindern. Gemäss den Studienleitern bestätigt die Studie, dass
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SCHWERPUNKT
die Kinder durch die mütterliche Imp-
fung ausreichend Schutz vor der Erkran-
kung erhalten. Die pränatal über die Pla-
zenta aufgenommenen Antikörper sind
in den ersten Wochen nach der Geburt
noch in ihrem Blut nachweisbar. Ausser-
dem scheint das Stillen eine Schutzwir-
kung zu bieten, die Teilnehmerinnen der
Studie stillten ihre Kinder im Durch-
schnitt 15 Wochen. Berger wies darauf
hin, dass eine Influenzaimpfung der
Säuglinge in den ersten Lebenswochen
unwirksam sei und die mütterliche Imp-
fung daher den besten Krankheitsschutz
biete.
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Bärbel Hirrle
Quelle:
Prof. Dr. med. Christoph Berger: Grippeimpfung in der Schwangerschaft: erlaubt oder gar sinnvoll? Fortbildung Departement Frauenheilkunde, Universitätsspital Zürich, am 20. November 2008.
Referenz:
1. Zaman, K. et al.: Effectiveness of maternal influenza immunization in mothers and infants. 359; 155–64.
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