Transkript
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Die Differenzialdiagnostik des Klimakteriums
Teil 2: Weiterführende Diagnostik und Therapiekontrolle unter HRT
In der Diagnostik des klimakterischen Syndroms können die medizinische Erfahrung und der klinische Blick durch keine Laboruntersuchung ersetzt werden. Nach ausführlicher Anamnese und gegebenenfalls indizierter Analyse der wichtigsten Hormonparameter können bei entsprechender Symptomatik weitere Hormontests sowie das Monitoring unter der HRT-Anwendung bei auftretenden Nebenwirkungen sinnvoll sein.
JOHANNES C. HUBER
Je nach Beschwerdebild können neben einer Untersuchung der wichtigsten Parameter – des FSH, des Östradiols und des Prolaktins – weitere Hormonuntersuchungen notwendig sein und bei Befund eine entsprechende Therapie erfordern.
Die Schilddrüsenfunktion
Die Abklärung der Schilddrüsenfunktion erweist sich als notwendig, wenn aufgrund der Beschwerden nicht klar zwischen einer Schilddrüsenerkrankung und dem klimakterischen Syndrom unterschieden werden kann oder auch wenn anamnestische Hinweise auf Schilddrüsenerkrankungen vorliegen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn: ■ die Patientin über Hitzewallungen klagt, die nur
am Tag auftreten ■ massive Gewichtsprobleme zu leichten klimakteri-
schen Beschwerden hinzukommen ■ ein starker Leistungsabfall und eine Apathie die
Symptomatik beherrschen. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen klimakterischen und schilddrüsenerkrankungsbedingten Symptomen ergibt sich mitunter die Notwendigkeit, eine Untersuchung des T3, des T4 sowie des TSH vornehmen zu lassen. In manchen dieser Fälle wird man sich nicht nur mit einer Momentaufnahme von T3, T4 und TSH begnügen, sondern – nach Einbeziehung des Internisten – einen TRH-Test durchführen müssen. Zu be-
Tabelle:
Schilddrüsenhormone: Normbereiche
Thyroxin (T4): Erwachsene: 50–140 ng/ml
Triiodthyronin (T3): Erwachsene: 0,8–2,0 ng/ml
TSH-Test:
Der basale TSH-Spiegel liegt normaler-
weise unterhalb von 3 µU/ml
achten sind die in der Tabelle aufgeführten Normbereiche der Schilddrüsenhormone. Unter TRH-Induktion soll der Anstieg des TSH nicht über 20 µU/ml erfolgen. Ein solcher spräche für eine Hypothyreose. Neben dem TSH ist die Bestimmung des gesamten T4 die wichtigste Kenngrösse zur primären Beurteilung der Schilddrüsenunterfunktion und für die Therapiekontrolle. Die hyperthyreote Stoffwechsellage hingegen wird durch den unterhalb der Nachweisgrenze liegenden TSH-Spiegel und die Erhöhung des T3-Spiegels gekennzeichnet. Lebererkrankungen, Schwangerschaft, die Einnahme oraler Kontrazeptiva und Substitutionshormone, aber auch eine Reihe anderer Medikamente beeinflussen den TRH-Test und die Schilddrüsenwerte.
Androgene und sexualhormonbindendes Globulin
Manche Frauen berichten, dass im Klimakterium Zeichen eines Hirsutismus mehr oder weniger stark ausgeprägt auftreten. In den meisten Fällen ist dies die Folge des normalen physiologischen Prozesses, der in den Wechseljahren zu beobachten ist: Durch das Absinken des Östradiols sinkt gleichzeitig das SHBG ab. Die (zumindest in den ersten Jahren nach der Menopause nur leicht reduzierten) Androgene werden dadurch biologisch aktiviert und können so den Hirsutismus bedingen. Dies ist auch eine Erklärung dafür, dass eine gezielte Behandlung mit Antiandrogenen bei manchen Frauen im Klimakterium sinnvoll ist. In seltenen Fällen können allerdings auch androgenproduzierende Tumore des Ovars für androgene Stigmata verantwortlich sein, vor allem dann, wenn sich diese klinisch exzessiv manifestieren. In einem solchen Fall kann der erhöhte Androgenspiegel der erste Verdacht auf einen androgenproduzierenden Tumor sein. Der erhärtete Verdacht ist durch eine
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Computertomografie, selektive Venenkatheterisierung, Ultraschall und Laparoskopie mit Probeexzision weiter abzuklären. Die männlichen Hormone werden auch nach der Menopause im Eierstock gebildet. Allerdings kann durch einen Östrogenmangel bei gleichzeitiger weiterer Androgensynthese eine Dysbalance entstehen, die für Behaarungen und unreine Haut in der Postmenopause mitverantwortlich sein kann.
Protektiver Effekt In der Menopause kommt es primär zu einem Defizit an Östradiol und an Progesteron als Folge der nicht mehr vorhandenen Granulosazellen. Allerdings bleibt das menopausale Ovar endokrin weiter aktiv. Es produziert in den Interstitialzellen sowie in den Thekazellen C19-Steroide (d.h. Androgene). Sie werden einerseits in der Peripherie zu Östrogenen aromatisiert und versorgen damit den weiblichen Körper weiter mit Östron (bzw. Östradiol). Andererseits haben diese Steroide, unabhängig von diesem Aromatisierungsprozess, biologische Aufgaben im Organismus der Frau wahrzunehmen. Dabei kommt den Androgenen per se ein protektiver Einfluss auf das Skelettsystem zu. Sie festigen das Bindegewebe und formen in typischer Weise die Fettgewebesepten. Vor allem aber haben sie einen grossen Einfluss auf die Psyche und das Kohabitationsverhalten der Menschen. Obwohl man im individuellen Fall vorsichtig sein muss, die nachlassende sexuelle Kraft in zu einfacher Weise mit einem Absinken der Hormone in Verbindung zu bringen, weiss man, dass die Präsenz von Androgenen für die sexuelle Vorstellung, Fantasie und Freude eine conditio sine qua non ist. Auch für die Brust haben die männlichen Hormone eine Bedeutung. In der Hormongruppe der Androgene gibt es zwei verschiedene Gruppen, solche, die in Östrogene weiter umgewandelt werden können, und solche, die Androgene bleiben. Letztere hemmen die Wirkung der Östrogene und verhindern damit deren karzinogenen Effekt auf die Brust. Im Brustgewebe selbst ist der Körper fähig, männliche Hormone aktiv werden zu lassen, sodass ein Schutzeffekt für die Frau entsteht. Es wird zunehmend interessant
Kasten:
Fragen aus der Praxis:
1. Warum treten bei Frauen viel häufiger Zeichen einer Bindegewebsschwäche sowie die sogenannte Zellulitis auf als bei Männern? Bei Männern ist Zellulitis unbekannt. Wird ein Mann jedoch orchiektomiert, so manifestiert sie sich oft in der Folge. Da die männlichen Hormone das Logensystem des subkutanen Fettgewebes anders als bei der Frau formieren, neigen Männer deutlich weniger zu einer Schlaffheit des subkutanen Fettgewebes.
2. Wenn die männlichen Hormone für den Organismus der Frau so wichtig sind, warum wird dann das Antiandrogen Cyproteronacetat im Klimakterium eingesetzt? Zweifellos spielen die männlichen Hormone für die postmenopausale Frau eine grosse Rolle. Allerdings kann es durch das Fehlen des Östradiols, durch das Absinken des SHBG und durch die Weiterproduktion ovarieller Androgene bei manchen Frauen zu einer partiellen Hyperandrogenämie kommen, die für Hirsutismus und andere androgene Stigmata verantwortlich ist. In solchen Fällen ist der Einsatz von Antiandrogen sinnvoll. Diese Wirkstoffgruppe ermöglicht damit auch, eine individuelle Therapie vorzunehmen und sich den Bedürfnissen dieser Patientin anzupassen.
zu überprüfen, ob der weibliche Organismus fähig ist, jene männlichen Hormone selbst herzustellen (und zwar in der Brust), die eine zu starke Wirkung der Östrogene verhindern (vgl. «Frage aus der Praxis 1» im Kasten).
Kohabitations- und Sexualprobleme – oft Folgen eines Hormonmangels Die statistische und klinische Korrelation zwischen Koitusfrequenz und Testosteron ist wiederholt erwiesen und ausgeprägter als die zum Östradiol. Manchmal kommen Frauen in die Sprechstunde, die
glaubhaft berichten, dass sie über Jahrzehnte eine äusserst glückliche Ehe führen, an der sich auch in der Postmenopause nichts geändert habe. Trotzdem merken sie deutlich, dass sie eine Aversion gegen jede körperliche Form der Liebe mit ihrem Mann, den sie weiter gern haben, empfinden. Tritt dies in der Postmenopause auf und kann ein partnerschaftliches Problem ausgeschlossen werden, so ist der Verdacht eines Androgenmangels legitim. Da in zunehmendem Mass über die Notwendigkeit einer Androgensubstitution diskutiert wird,
Hormonwirkungen (u.a. Androgenmangel) auf Körperproportionen
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soll auch auf die Möglichkeit einer Androgenbestimmung hingewiesen werden. Obwohl beim Testosteron mit einer Interkonversion aus adrenalen Hormonen zu rechnen ist, stellt dieser Parameter dennoch einen guten Indikator für die ovarielle Androgenese dar. Werte unter 0,2 ng/ml können – bei Vorliegen der entsprechenden Symptome – Anlass zur Androgensubstitution geben (vgl. «Frage aus der Praxis 1» im Kasten). Die Berücksichtigung der Androgene in der Postmenopause liegt auf der Hand, handelt es sich dabei doch um die dritte Steroidklasse des Eierstocks, die im Rahmen der Substitutionstherapie bisher unberücksichtigt blieb. Historisch gesehen begann die Hormonsubstitutionstherapie mit der Zufuhr der Östrogene, wodurch ein Teil der klimakterischen Beschwerden mit hoher Effizienz beseitigt wurde. Nach Jahren hat man die Wichtigkeit des Gelbkörperhormons erkannt. Die männlichen Hormone, ebenfalls Produkte des Ovars, hat man in diese Strategie jedoch nicht involviert. Heute versteht man, dass auch den männlichen Hormonen eine unabhängige biologische Wirkung zukommt, was entsprechend der Östrogen-Gestagen-Therapie eine gezielte Substitution sinnvoll erscheinen lässt.
Diagnostik der Konzeptionsbereitschaft
Wegen der primären Diagnostik des Klimakteriums ist für viele Frauen die Frage nach einer möglichen Schwangerschaft von grosser Bedeutung. Die Antwort darauf ist bis zu einem gewissen Grad problematisch, da in wenigen Fällen eine hypergonadotrope Situation wieder normogonadotrop werden kann: Wenn auch extrem unwahrscheinlich, kann diese Situation eine Schwangerschaft wieder ermöglichen. Eine Hilfe zur Beurteilung bietet in begrenztem Ausmass die Bestimmung des FSH, des Östradiols sowie des Progesterons. Liegt der Serumspiegel des FSH über 40 mU/ml, und lässt sich, sofern dies bei oligomenorrhöischen Zyklen möglich ist, prämenstruell durch eine Progesteronbestimmung eine Ovulation ausschliessen, so deutet dies auf die bereits erfolgte Umstellung des Organismus in Richtung Klimakterium hin. Da al-
lerdings gerade im Übergang von der Prä- zur Perimenopause das FSH häufig Schwankungen unterworfen ist, kann (z.B. einige Wochen nach bereits erhöhtem FSH) die Patientin für kurze Zeit wieder einen normalen Wert aufweisen. Will man über die Konzeptionsmöglichkeit eine Aussage machen, empfiehlt sich eine zweimalige FSH- bzw. Progesteronbestimmung im Abstand von zwei bis drei Monaten. In seltenen Fällen kommt es trotz hohem FSH noch zu einer Ovulation, weshalb die Progesteronbestimmung eine sinnvolle Ergänzung der Aussagekraft des FSH wäre. Liegt das FSH in zwei Untersuchungen über 40 mU/ml und fand in beiden Zyklen keine Ovulation mehr statt, so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft pro futura auszuschliessen, vor allem, wenn gleichzeitig eine Oligomenorrhö vorhanden ist. Gleichzeitig deuten diese Befunde natürlich auf ein bereits beginnendes Klimakterium hin. Obwohl der Eintritt einer Schwangerschaft in der Perimenopause bei hohem FSH-Wert unwahrscheinlich ist, kann sie erst ausgeschlossen werden, wenn zusätzlich zur Hypergonadotropinämie eine Amenorrhö von einem halben Jahr besteht. Ein weiterer verlässlicher endokriner Parameter ist die Messung des Östradiols, die allerdings mehrmals pro Zyklus erfolgen müsste. Ist der Spiegel dieses wichtigsten natürlichen Östrogens konstant unter einem Wert von 25 pg/ml, so kann man davon ausgehen, dass die Ovarialfunktion erloschen ist.
Therapiekontrolle unter Substitution
Besonderheiten der Hormonbestimmung unter HRT Durch eine Hormoneinnahme ändert sich die Beurteilung des Hormonstatus grundlegend. Einerseits nehmen die Östrogenkonjugate zu und können damit das Untersuchungsergebnis verfälschen, andererseits schwankt der Östrogenspiegel in Abhängigkeit von der Einnahme des Hormonpräparates. Darüber hinaus wird nicht jedes Präparat in jene Form des Östradiols umgewandelt, das durch den Radio-Immuno-Assay angezeigt wird. Entsprechend dieser Bedenken gibt es folgende Punkte zu beachten:
■ Es sind nur jene Radio-Immuno-Assays einsetzbar, von denen man weiss, dass sie das Östradiol und nicht die Konjugate anzeigen.
■ Bei der Blutabnahme ist unbedingt das Stundenintervall, das die Differenz zur letzten Hormoneinnahme angibt, zu registrieren.
■ Bei der Beurteilung des Hormonbefundes muss bekannt sein, welches Präparat eingenommen wurde. Mikronisiertes Östradiol und Östradiolester werden als Östradiol freigesetzt und können direkt gemessen werden. Bei den konjugierten Östrogenen werden zirka 10% des biologisch aktiven Östrogens mit der Östradiolmessung nicht mitregistriert. Bei Verwendung von Östriol ist eine Bestimmung des Östradiols sinnlos, da eine Rückumwandlung nicht stattfindet.
Trotz der Hydrolyse (bzw. eines sehr verlässlichen Radio-Immuno-Assays) wird bei der oralen Einnahme noch ein kleiner Teil des konjugierten Östradiols mitangezeigt. Dies ist bei der transdermalen Applikationsform nicht oder zumindest in vermindertem Mass der Fall. Auch dies gilt es zu berücksichtigen, und es erklärt, warum unter der transdermalen Applikation stets niedrigere Östrogenwerte als nach der oralen Einnahme anzutreffen sind. Für das Monitoring einer Östrogensubstitution ist in erster Linie die Bestimmung des Östradiols sinnvoll. Die Bestimmung muss allerdings die oben genannten Kriterien erfüllen.
Sinnhaftigkeit des Östradiolmonitorings Auch bei der Bestimmung der Östradiolkonzentration unter einer Substitutionstherapie gilt das bereits erwähnte Postulat: Die Befindlichkeit der Patientin ist der beste «Hormonparameter». Klagt die Patientin allerdings unter einer Therapie weiter über Beschwerden oder treten sogar neue hinzu, so sind zwei Möglichkeiten des Prozedere offen: ■ Man kann aufgrund des klinischen
Blicks und aufgrund seiner Erfahrung die Hormondosis respektive -applikation ändern. ■ Unter Zuhilfenahme des Östradiolspiegels kann man abklären, ob eine Östrogenüberdosierung vorliegt oder
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ob die Patientin das angebotene Östrogen nicht ausreichend resorbiert. Die beste Hormonuntersuchung ist die Befindlichkeit. Geht es einer Patientin unter einer Hormonersatztherapie gut, so kann man im Grossen und Ganzen davon ausgehen, dass sie gut eingestellt ist. Klagt sie allerdings unter der HRT weiterhin über Beschwerden, dann können Hormonbestimmungen helfen, das Wohlbefinden der Frau zu verbessern und die Hormoneinstellung besser vorzunehmen.
Überdosierung – Unterdosierung Die Beurteilung der klinischen Befindlichkeit allein ist in manchen Fällen nicht ausreichend, da sowohl bei der Über- als auch bei der Unterdosierung die gleichen Symptome auftreten können. Supraphysiologische Östradioldosen führen zu einer Downregulierung der Steroidrezeptoren, ein Mechanismus, der von anderen Hormonen längst bekannt ist und berücksichtigt wird. Beim Östradiol gibt es in umgekehrter Weise auch eine Upregulation: Durch das langsam ansteigende Östradiol ist ab einer Konzentration von 150 pg/ml mit einer raschen Ausschüttung des luteinisierenden Hormons zu rechnen. Die Downregulierung hat man sich auch bei der Behandlung von hormonabhängigen Tumoren mit hohen Östrogenmengen zunutze gemacht, ein Vorgehen, das sonst schwer verständlich wäre. So können Hitzewallungen, Depressionen, aber auch Zeichen starker Nervosität bei Frauen mit supraphysiologischem Östrogenspiegeln gefunden werden. Würde man in der Meinung, hier handle es sich um Östrogenmangelerscheinungen, der Frau höhere Östrogendosen zuführen, so würde die Symptomatik um Vieles schlechter. Ein ähnliches Phänomen beobachtet man nicht selten bei der parenteralen Verabreichung von Östrogenen, durch die supraphysiologische Hormonspiegel aufgebaut werden können. Hier kann ein Östrogenabfall von einem hohen Niveau wieder das Auftreten von Beschwerden auslösen, sodass man ohne Kenntnis der vorliegenden Hormonspiegel geneigt wäre, das Behandlungsintervall zu verkürzen und die Patientin immer höheren Hormonspiegeln ausgesetzt
wäre. Die Bestimmung des Östradiols gibt hilfreiche Informationen. Andererseits kann eine zu geringe Resorption eines standardisierten Östrogenpräparates durch die Evaluierung des Östradiolspiegels dokumentiert werden. In solchen Fällen liegt der Östrogenspiegel meist weit unter 50 pg/ml, eine Beobachtung, die auch in Hinblick auf die Osteoporoseprophylaxe von Wichtigkeit ist.
Zeitpunkt der Hormonbestimmung Um die Höhe des Östrogenspiegels richtig beurteilen zu können, muss der Zeitpunkt der Hormoneinnahme berücksichtigt werden. Bekanntlich tritt die maximale Serum-Östradiol-Konzentration zwei bis fünf Stunden nach der oralen Einnahme eines Östrogenpräparates auf. Übersteigt in diesem Zeitraum der Östrogenwert 200 pg/ml, so kann – bei entsprechenden klinischen Symptomen – von einer Überdosierung ausgegangen werden. Liegt allerdings zu diesem Zeitpunkt der Östradiolwert des Blutes unter 50 pg/ml, so diagnostiziert man eine insuffiziente Resorption. Bei einem 24Stunden-Serum-Östradiol-Wert wird er annähernd bei null liegen. Dies führt bei vielen Frauen vor allem in den Nachtstunden zum erneuten Auftreten von Wallungen. Eine Reihe von Enzymen, die im sogenannten P-450-Komplex konzentriert sind, beeinflussen den Abbau endogener, aber auch exogen applizierter Steroide. Diese «Metabolisierungsmaschinerie» ist, wie jedes andere phänotypische Merkmal, dem genetischen Polymorphismus unterworfen. Das heisst, sie variiert von Mensch zu Mensch. Während man einerseits ungefähr voraussagen kann, wie sich eine Standarddosierung im Organismus eines Grossteils der Bevölkerung verhält, muss man auf der anderen Seite berücksichtigen, dass es in Einzelfällen völlig unterschiedliche Abbaumuster gibt. Bei ein und derselben Standarddosierung werden verschiedene Serumspiegel und damit letzten Endes auch verschiedene biologische Wirkungen erzeugt. Dies erklärt, warum eine Frau ein Präparat hervorragend verträgt, während eine andere mit Nebenwirkungen reagiert. Ähnliches gilt auch für die Pille.
Neben dem genetischen Polymorphismus haben auch andere Faktoren einen Einfluss auf den Abbau exogen zugeführter Steroide: Vom Progesteron (bzw. von manchen Progestagenen) weiss man, dass es den Abbau des Östradiolmoleküls beschleunigt. Dies erklärt, warum manche Frauen unter der Substitutionstherapie während der Gestagenphase das erneute Auftreten der schon überwunden geglaubten klimakterischen Symptome beklagen. Das Progestagen verstärkt den Abbau des gleichzeitig aufgenommenen Östrogens und bewirkt dadurch eine relative Insuffizienz. Nimmt die Patientin das Östrogen allein zu sich, so ist der Metabolismus verlangsamt, der endogene Östrogenspiegel reicht aus, um die Beschwerden zu eliminieren. Auch körperliche Aktivität, Fieber, Umwelttemperatur, ja sogar manche Nahrungsmittel scheinen einen Einfluss auf den Östrogenabbau zu haben. Eine zu rasche Metabolisierung des zugeführten Hormons kann einen insuffizienten Serumwirkungsspiegel erzeugen und damit für eine unzureichende biologische Aktivität verantwortlich sein. Auf der anderen Seite führen auch supraphysiologische Östrogenspiegel zu Nebenerscheinungen, die von der betroffenen Patientin als äusserst unangenehm empfunden werden. Aus beiden Gründen kann es demnach in der individuellen Situation wertvoll sein, den Östrogenspiegel zu kennen.
Östrogendosis und Proliferationsdruck Unabhängig davon bahnt sich in der wissenschaftlichen Diskussion ein weiterer Grund an, der ein Monitoring des Östrogenspiegels sinnvoll macht. Nicht nur wegen der Nebenwirkungen, sondern auch wegen des Proliferationsdrucks, den Sexualsteroide erzeugen, wird vor allem im angelsächsischen Bereich immer mehr verlangt, dass der Östrogenspiegel dem physiologischen Bereich entsprechen solle. Obwohl es nach derzeitigem Wissen unwahrscheinlich ist, dass das Östradiol für die Entstehung des Brustkrebses verantwortlich ist, wird doch immer mehr die Meinung vertreten, dass durch die erhöhte steroidbedingte Mitoserate der Ausbruch einer schon vorhandenen neoplastischen Anlage beschleunigt werden kann.
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Die Realisierung einer «vorsichtigen Substitutionsstrategie» macht es nach Meinung vieler Autoren notwendig, einen niedrigen Steroidspiegel zu halten. Dies ist – trotz aller in diesem Zusammenhang noch offenen Fragen – ein weiterer Grund dafür, sich um den endogenen Östrogenspiegel zu kümmern und ein Monitoring vorzunehmen.
Complianceförderung Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Grund, den Wirkstoffspiegel zu
überprüfen, bringt die Patientin selbst mit sich. Ein Teil der Frauen bringt nach wie vor einer Substitutionstherapie eine grosse Skepsis entgegen, weil sie sich einem Hormon ausgeliefert sehen, dessen Konzentration sie nicht überwachen können. Ein Monitoring kommt dieser subjektiv sicher nicht ganz unberechtigten Sorge entgegen und kann damit zweifellos die Compliance erheblich verbessern. ■
Prof. Dr. Dr. med. Johannes C. Huber Leiter Abtl. Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Medizinische Universität Wien Währinger Gürtel 18–20 A-1090 Wien E-Mail: johannes.huber@meduniwien.ac.at
Literatur beim Verfasser.
Vgl. Teil 1: Evaluation der Beschwerden durch Anamnese und Hormonanalyse in: Gynäkologie 2009; 1: 4–9.