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Der Toxoplasmose-Test fällt weg
Neues in der Schwangerenvorsorge: Der Routinebluttest zur Suche nach Toxoplasmose-Antikörpern wird eingestellt. Neue Auswertungen zur Krankheitsübertragung und Therapie bei Schwangeren zeigen, dass einfache Hygieneregeln und Verzicht auf rohes und ungenügend gegartes Fleisch reichen, um das Kind im Mutterleib zu schützen. Diese sollten aber auch befolgt werden!
Die Empfehlungen sind zu Jahresanfang vom Bundesamt für Gesundheit unter Mitwirkung von Schweizer Gynäkologen herausgegeben worden. Es gibt Entwarnung und eine Neuausrichtung: Toxoplasmose wird bei uns immer seltener. Sehr gering ist das Risiko, dass sich das Kind – einer in der Schwangerschaft infizierten Mutter – im Mutterleib infiziert. Routinebluttests im Rahmen der Schwangerenvorsorge und die Antibiotikabehandlungen bei nachgewiesener Toxoplasmose in der Schwangerschaft können nicht mit der geforderten Sicherheit das Kind vor möglichen Schäden schützen. Dennoch ist Vorsicht vor Toxoplasmose-Erregern in der Schwangerschaft geboten! Prophylaxe gilt als bester Schutz.
Was ist Toxoplasmose?
Toxoplasmose ist eine leichte und häufige Infektionskrankheit, hervorgerufen durch einen Parasiten (Toxoplasma gondii), der vor allem durch rohes Fleisch, in seltenen Fällen durch Gemüse und Tierkot (Hauskatze) auf Menschen übertragen wird. Meist verläuft die Infektion unbemerkt, sehr wenige Menschen spüren leichte Grippebeschwerden. Wer infiziert wurde, hat anschliessend einen lebenslangen Schutz vor erneuter Erkrankung, was sich durch spezifische Antikörper im Blut nachweisen lässt.
Warum kann Toxoplasmose bei Schwangeren gefährlich sein?
Zwei Drittel der jungen Erwachsenen in der Schweiz sind aber nicht immun (im Bluttest seronegativ). Infizieren sich Frauen während der Schwangerschaft mit dem Erreger, ist dies für sie selbst nicht gravierend. Für das ungeborene Kind
Achtung, schwangere Frauen: Bei der Fleischzubereitung, beim Zubereiten und dem Verzehr von rohem Gemüse und Obst ist besondere Hygiene geboten! Der beste Schutz vor Toxoplasmose wird durch Händewaschen vor und nach der Zubereitung sowie Verzicht auf rohe Speisen erreicht. Nur gut Durchgebratenes verzehren!
kann die mütterliche Infektion jedoch, wenn auch sehr selten, gefährlich sein, das heisst zu Fehlgeburten oder im Verlauf der Kindheit zu Schäden, meist an Augen und Gehirn, führen. Aus diesem Grund wurde bisher routinemässig ein Bluttest auf ToxoplasmoseAntikörper in der Frühschwangerschaft angeboten und bei seronegativen Frauen teilweise wiederholt. Wurde bei einem Test eine akute Toxoplasmose festgestellt und durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt, wurde die Mutter mit Antibiotika behandelt, um eine Übertragung des Erregers auf das Kind zu verhindern.
Neue Erkenntnisse aus grossen Studien
An diesem Vorgehen sind international und schweizweit grosse Zweifel aufgekommen, weil ungewiss war, wie gross die Infektionsgefahr in der Schwangerschaft heute eigentlich ist, ob die Tests aussagekräftig genug sind und ob die Therapie der Schwangeren die Übertragung auf das ungeborene Kind verhindert. Eine grosse europäische Studie evaluierte alle vorliegenden (mehrere Tausend) Untersuchungen zur Toxoplasmose. Drei Schweizer Studien analysierten die Situation speziell bei uns ab den Achtzigerjah-
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ren bis heute. Als Grundlagen für die Schweizer Verhältnisse dienten kantonale Geburtenregister sowie Analysen von Nabelschnurblut von 65 000 Neugeborenen, welche mit der Häufigkeit durchgemachter Toxoplasmose in der Bevölkerung (Seroprävalenz) und dem Anteil der betroffenen Kinder in Beziehung gebracht wurden. Hier zeigte sich, dass Toxoplasmose in der Bevölkerung seit Jahrzehnten abnimmt, auch in der Schweiz ist die Erkrankung seit rund 25 Jahren rückläufig. Dabei sinkt auch die Gefahr der Frauen, sich während der Schwangerschaftsmonate erstmals anzustecken. Die Auswertung bestätigte weiter, dass die Infektionsgefahr des Kindes im Mutterleib sehr gering ist. Noch geringer ist die Zahl der Kinder, die Schäden davontragen.
Zweifelhaft: Tests und Therapien in der Schwangerschaft Ferner ergeben die Analysen, dass die Zweifel am bisherigen Vorgehen begründet sind: Die verfügbaren Bluttests für die Mutter sind nicht eindeutig aussagekräftig (teilweise unsichere Resultate). Die Fruchtwasseruntersuchung zur Bestätigung der Infektion ist mit einem (glücklicherweise sehr geringen!) Risiko verbunden, dass eine Fehlgeburt eingeleitet wird. Zu beachten sind aber Stress und Ängste der Eltern durch diese Massnahmen und die folgenschwere Entscheidung, eine Schwangerschaft bei Nachweis der Infektion abzubrechen! Unbeweisbar ist, dass bei wahrscheinlicher Infektion der schwangeren Frau die
Empfehlungen zur Vermeidung einer Toxoplasmose in der Schwangerschaft
■ Kein rohes oder ungenügend gegartes Fleisch verzehren (kein Tartarbrötchen, kein «englisch gebratenes» Steak)!
■ Hände und Küchengeräte nach der Fleischzubereitung gründlich waschen!
■ Gemüse und Früchte vor dem Verzehr gründlich waschen!
■ Hauskatze: Reinigung der Katzentoilette möglichst anderen Personen überlassen; sonst Hände gründlich waschen!
Behandlung die Infektion des Kindes verhindert. Kontrollierte Studien mit den medikamentösen Therapien zum Beweis sind aus ethischen Gründen bei Schwangeren nicht durchführbar. Kinder, bei denen ein starker Verdacht besteht, mit dem Toxoplasmose-Erreger infiziert zu sein, werden künftig weiterhin nach der Geburt untersucht und bei nachgewiesener Infektion im Rahmen von internationalen Studien behandelt, damit die beste Therapie gefunden wird. Gleichzeitig werden die Schweizer Surveillancesysteme für mütterlich übertragene Toxoplasmose beibehalten.
Bester Schutz: Vorsichtsregeln zur Infektionsverhütung Die Schweizer Expertengruppe folgert, dass die primäre Prävention (= Prophylaxe), bei der es darum geht, eine Infektion mit dem Toxoplasmose-Erreger in der Schwangerschaft zu verhindern, mit Sicherheit sinnvoll ist. Aus der Untersuchung der Infektionswege wurden Empfehlungen abgeleitet, die im Kasten aufgeführt sind.
Keine Ängste, wo wenig Gefahr
besteht!
Die neuen Empfehlungen zur Toxoplas-
mose-Prävention in der Schweiz werden
sich in den nächsten zwei Jahren landes-
weit durchsetzen. Schwangere, bei de-
nen neulich noch ein Toxoplasmose-Blut-
test vorgenommen wurde, sollen sich
aber dadurch nicht beunruhigt fühlen. Sie
sollten sich vertrauensvoll an ihre Frau-
enärztin oder ihren Frauenarzt wenden
und das Thema oder ihre eventuellen Be-
fürchtungen besprechen.
Sogenannte Screeningtests wie der bis-
herige Toxoplasmose-Bluttest sind sinn-
voll, wenn eine Früherkennung dazu
führt, dass eine sichere effektive Therapie
eingeleitet wird, durch die Schäden ver-
mieden werden. Dies ist im Fall der Toxo-
plasmose bei schwangeren Frauen nicht
gegeben.
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Bärbel Hirrle (im Auftrag der gynécologie suisse, SGGG)
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