Transkript
Journal Club
Kontrazeption/Begleitmedikation mit Johanniskraut
Keine Interaktion bei niedrigem Hyperforingehalt mit Kontrazeptiva
Johanniskrautextrakt ist in der antidepressiven Therapie weitverbreitet. Studiendaten zeigen aber, dass das Phytopharmakon mit zahlreichen Medikamenten Interaktionen aufweist, möglicherweise auch mit oralen Kontrazeptiva. Eine pharmakokinetische Studie hat kürzlich für einen Extrakt mit niedrigem Hyperforingehalt Entwarnung gebracht. Die Frauen nahmen ein niedrig dosiertes orales Kontrazeptivum.
Extrakte von Johanniskraut (Hypericum perforatum) werden sehr häufig zur Therapie der leichten bis mittelschweren Depression eingesetzt. Sie sind auch bei den Patienten beliebt, weil es sich um pflanzliche Arzneimittel handelt, weil sie gut verträglich sind und weil man sie rezeptfrei erwerben kann.
Kontrazeptive Sicherheit gefährdet?
Berichte über verschiedene Interaktionen (z.B. mit Digoxin, Phenprocoumon, Theophyllin) haben in der jüngeren Vergangenheit Zweifel darüber aufkommen lassen, ob Johanniskrautextrakte eine sichere Alternative zu synthetischen Antidepressiva sind. Die Unsicherheit wird vergrössert dadurch, dass sich die auf dem Markt verfügbaren Präparate erheblich in ihrer Zusammensetzung und Dosierung unterscheiden. Bezüglich hormoneller Kontrazeptiva gab es Berichte über Durchbruchsblutungen und Spotting unter der Komedikation mit Johanniskrautextrakt, was mit einem verminderten Spiegel des Gestagens einherging und möglicherweise auch die kontrazeptive Sicherheit gefährdet. Diese Untersuchungen bezogen sich jedoch auf einen hoch dosierten methanolischen Extrakt (900 mg) mit hohem Hyperforingehalt (20–35 mg). Die grossen Unterschiede zwischen verschiedenen Extrakten bedeuten auch, dass jede pharmakokinetische Untersuchung nur für das Präparat gilt, das in dieser Untersuchung eingesetzt wurde. Die vorliegende Pilotstudie galt dem Johanniskrautextrakt Ze 117, der auf 0,2% Hypericin standardisiert ist und einen geringen Hyperforingehalt (< 1 mg) aufweist.
Untersuchung der Pharmakokinetik Eine Berliner Arbeitsgruppe untersuchte den Einfluss dieses Extrakts auf die Pharmakokinetik von Ethinylestradiol und 3-Ketodesogestrel an 16 freiwilligen gesunden weiblichen Probanden. Diese waren im Mittel 31,8 (± 8,2) Jahre alt und wiesen einen Body-Mass-Index von 23,8 (± 4,2) kg/m2 auf. Sie hatten für mindestens drei Monate ein niedrig dosiertes Kontrazeptivum mit 0,02 mg Ethinylestradiol und 0,15 mg Desogestrel angewendet. Die pharmakokinetischen Daten AUC (area under the curve), Cmax (maximale Plasmakonzentration) und tmax (Zeit bis zur maximalen Plasmakonzentration) wurden am ReferenzTag 7 (unmittelbar vor Beginn der zweiwöchigen Testphase) und am Tag 21, dem letzten Tag der Testphase, gemessen, in der die Frauen 250 mg des Johanniskrautextrakts erhielten. Die Compliance wurde zusätzlich durch Messung des Hypericin- und Pseudohypericinspiegels untersucht. Es stellte sich heraus, dass alle Teilnehmerinnen die Tabletten regelmässig eingenommen hatten. Ausserdem wurde eine Phänotypisierung der CYP-Enzym-Ausstattung vorgenommen. Alle Teilnehmerinnen waren extensive Metabolisierer für Cyp2D6 und Cyp2C19. Die Einnahme von Ze 117 veränderte weder die Aktivität dieser Enzyme noch die von Cyp3A4.
Kein relevanter Einfluss auf Pharmakokinetik
Das geometrische Mittel (geometrischer Variabilitätskoeffizient) der AUC für Ethinylestradiol lag vor Beginn der Anwendung des Extrakts bei 152,53 pg x h/ml (87,39%), am Tag 21 bei 196,57 pg x
h/ml (78,14%). Für Ketodesogestrel be-
trugen die entsprechenden Werte 36,37
pg x h/ml (34,18%) und 41,12 pg x h/ml
(34,36%). Die mittleren Ratios zwischen
den log-transformierten AUC am Refe-
renz- und Testtag betrugen 0,951 (90%-
Konfidenzintervall: 0,915–0,986) für Ethi-
nylestradiol und 0,968 (0,944–0,992) für
Ketodesogestrel. Dies entspricht zwar
einem geringfügigen Verlust an Biover-
fügbarkeit, dieser ist aber nicht gross ge-
nug, um an der Bioäquivalenz der Hor-
monspiegel ohne und mit Komedikation
mit dem Johanniskrautextrakt etwas zu
ändern. Denn für Bioäquivalenz sind
Schwankungen um 20% noch erlaubt.
Die an Tag 7 und 21 gemessenen Serum-
konzentrationen beider Hormone kön-
nen damit als bioäquivalent gelten.
Um die kontrazeptive Wirksamkeit zu do-
kumentieren, wurden auch die Serumkon-
zentrationen von FSH, LH und SHBG be-
stimmt. Die gefundenen Veränderungen
(reduzierte FSH- und LH-Konzentration,
erhöhte SHBG-Konzentration) spiegeln
wider, dass die kontrazeptive Sicherheit zu
jedem Zeitpunkt gegeben war. Auch Blu-
tungsprobleme traten unter der Komedi-
kation mit Ze 117 nicht auf.
■
Angelika Bischoff
merksätze
■ Ob ein Kontrazeptivum mit einem Johanniskrautextrakt interagiert, hängt offenbar primär vom Hyperforingehalt des Extrakts ab.
■ Ein auf Hypericin standardisierter Extrakt mit niedrigem Hyperforingehalt verändert die Pharmakokinetik der Hormone nicht.
Quelle: Will-Shahab, L. et al.: St. John’s wort extract (Ze 117) does not alter the pharmacokinetics of a low-dose oral contraceptive. Eur J Clin pharmacol; 2008 Nov 18; Epub ahead of print. (DOI 10.1007/s00228-008-0587-2).
Interessenlage: Die Studie wurde von Max Zeller Söhne AG finanziell unterstützt. Das Unternehmen stellt die Studienmedikation.
28 GYNÄKOLOGIE 1/2009