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Chemoprävention bei erhöhtem Brustkrebsrisiko
Die prophylaktische Behandlung im Rahmen von Studien
Die primäre Prävention von Brustkrebs erscheint in Anbetracht der Häufigkeit und Folgenschwere dieses Leidens fast wie ein Wunschtraum. In Praxis und Forschung werden heute grosse Anstrengungen unternommen, präventive Konzepte wie Gewichtskontrolle voranzutreiben. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass ein erhöhtes Brustkrebsrisiko durch die medikamentöse Chemoprävention gesenkt werden kann.
AGNES GLAUS, BARBARA BOLLIGER, HANS-JÖRG SENN
Inspiriert durch die positiven Resultate der endokrinen, adjuvanten Behandlung von Brustkrebspatientinnen, wurde in den USA vor bald zwei Jahrzehnten die Idee geboren, Antihormone auch in der Brustkrebsprävention anzuwenden. Diese Strategie wurde inzwischen laufend weiterentwickelt. Frauen mit erhöhtem Risiko wurden dabei aufgrund ihrer Familiengeschichte, des Alters oder einer präinvasiven Brustläsion präventiv mit Tamoxifen im Rahmen von Studien behandelt. Mittlerweile ist die Chemoprävention – zumindest in den USA, in Australien und in einigen europäischen Ländern (vor allem England) – zu einer Vorsorgeoption für Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko geworden. Dennoch ist es zu früh, diese Frauen ausserhalb von Studien mit Antiöstrogenen zu behandeln, denn die Evaluation der Wirkungen und Nebenwirkungen in der Prävention erfordert noch mehr Langzeitdaten. Auch ist derzeit noch unsicher, bei welchem Brustkrebsrisiko-Grad eine solch einschneidende, jahrelange prophylaktische Behandlung bei (noch) gesunden Frauen vertretbar ist. Dazu kommt, dass das Risikoassessment noch nicht als ein allgemein zugängliches Instrument für Routineuntersuchungen angeboten wird. In einer amerikanischen Studie wurde gezeigt, dass nur ein Viertel der Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko ein realistisches Risikoassessment erfährt (1). Eine europäische Studie ergab, dass nur ein Fünftel der Frauen mit erhöhtem Risiko über die Möglichkeit der vielversprechenden Primärprävention von Brustkrebs mittels Antihormonen informiert wird (2). Diese Fakten unterstreichen die Notwendigkeit der Entwicklung einer fachgerechten Krebspräventionsberatung als neue Subdisziplin im interdisziplinären onkologischen Angebot für die Praxis.
Studien mit Tamoxifen und Raloxifen
Eine chemopräventive Massnahme wird heute in Erwägung gezogen, wenn das Risiko durch familiär gehäuftes Vorkommen von Brustkrebs deutlich erhöht und/oder wenn eine BRCA-1- oder -2-Genmu-
tation nachgewiesen ist. In der amerikanischen randomisierten Brustkrebspräventionsstudie NSABP-P1 nahmen Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko – erfasst durch das Gail-Assessment-Modell – während fünf Jahren das Antiöstrogen Tamoxifen ein. Dabei wurde festgestellt, dass das Vorkommen von Brustkrebs während der folgenden acht bis neun Jahre um 43% gesenkt werden konnte (3). Die Wahl von Tamoxifen als präventiv wirksames Medikament basierte auf der jahrzehntelangen Beobachtung, dass an Brustkrebs erkrankte Frauen durch die postoperative (adjuvante) Tamoxifentherapie deutlich weniger Zweittumore in der gegenseitigen Brust entwickelten als die Frauen ohne diese adjuvante Behandlung. Tamoxifen ist ein «selektiver Östrogen-Rezeptor-Modulator» (SERM), der sich an die Östrogenrezeptoren auf der Tumorzelloberfläche bindet und je nach Organ agonistisch (d.h. mit östrogenähnlicher Wirkung, dies in Knochen, Leber, Uterus) oder antagonistisch (d.h. mit antiöstrogener Wirkung, dies in der Brust) agiert (4). Unter jahrelanger Tamoxifentherapie sind ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome und Thrombosen sowie subjektive Nebenwirkungen (Hormonentzugserscheinungen) beobachtet worden. Mehrere Forschergruppen arbeiten inzwischen aufgrund dieser «chemopräventiven Erfolgsgeschichte» weiter an der Strategie der antihormonellen Prävention des Mammakarzinoms, auch bei Frauen mit BRCA-1-/2-Genmutationen. Auch wenn noch nicht sicher bekannt ist, wie gross der Vorteil von Antiöstrogenen in der Primärprävention bei dieser Klientel ist – es konnte festgestellt werden: Die adjuvante Tamoxifentherapie senkt das Risiko eines kontralateralen Brustkrebses auch bei Frauen mit Mammakarzinom und BRCA-1-/2-Genmutationen (5). Eine weitere grosse, inzwischen abgeschlossene Brustkrebspräventionsstudie in den USA ist die STAR-Studie, in welcher Tamoxifen bezüglich der Senkung der Brustkrebsinzidenz mit Raloxifen ver-
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glichen wurde. Raloxifen, ebenfalls ein SERM, zeigte eine ähnliche Wirkung (ausser bei DCIS) wie Tamoxifen, dabei kam es aber weniger oft zu sekundären Endometriumkarzinomen und Thrombosekomplikationen. Raloxifen wurde primär bei Osteoporosepatienten zur Prophylaxe von Knochenfrakturen eingesetzt und wurde bis dahin weder in der Therapie noch in der Prävention von Brustkrebs getestet (6). Es ist deshalb weder zur Behandlung noch zur Prävention von Brustkrebs zugelassen, auch nicht in den USA (im Gegensatz zu Tamoxifen). Tamoxifen wurde noch in weiteren Präventionsstudien angewandt und ist derzeit die in der Brustkrebsprävention am intensivsten geprüfte Substanz. Die bedeutende europäische Brustkrebspräventionsstudie IBIS-1 (International Breast Cancer Intervention Study 1) untersuchte Tamoxifen versus Plazebo bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko. Die Brustkrebsinzidenz konnte bei diesen Frauen, im mittleren Alter von 51 Jahren, ähnlich wie in der amerikanischen NSABP-P1-Studie, um zirka 40% gesenkt werden (7). Dieser Erfolg war aber leider «getrübt» durch subjektive Nebenwirkungen sowie vereinzelte lebensbedrohliche Komplikationen wie Lungenembolien. Mittlerweile ist – auch in den USA – bekannt, dass in einer Präventionsberatung fast die Hälfte der Frauen Tamoxifen als prophylaktisches Medikament gegen Brustkrebs ablehnen, weil sie Bedenken wegen der Nebenwirkungen haben (8). Es ist deshalb nahe liegend, dass nach vergleichbar gut wirksamen, jedoch verträglicheren Substanzen gesucht werden muss. Dies war auch die Grundlage für die Entwicklung der derzeit in Europa und in Australien laufenden IBIS-2-Studie.
Die laufende IBIS-2-Studie
Die IBIS-2-Zentrale in London läuft seit drei Jahren und ist auch offen für postmenopausale Risikofrauen aus der Schweiz. Sie verfügt über zwei Behandlungsarme: einen für postmenopausale Frauen mit einem erhöhten familiären oder bildgebenden Brustkrebsrisiko (erhöhte Brustdichte) und einen für Frauen mit neu diagnostiziertem und operativ saniertem duktalen Carcinoma in situ (DCIS).
Im Studienstratum für postmenopausale Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko werden Frauen in primärpräventiver Absicht mit dem Aromatasehemmer Anastrozol (1 mg pro Tag über 5 Jahre) beziehungsweise Plazebo behandelt. Ziel ist festzustellen, ob die Brustkrebsinzidenz durch Anastrozol gesenkt werden kann. Weiterhin wird nach Nebenwirkungen gefragt. Für die Rekrutierung der Probandinnen wird das Risiko mittels detailliert vorgegebener Kriterien bei verschiedenen Alterskategorien erhoben. Neben der Anzahl erkrankter Angehöriger mit Brust- und Ovarialkarzinom spielen auch deren Erkrankungsalter sowie weitere Risikofaktoren wie Kinderlosigkeit, späte Erstgeburt und eine hohe Brustdichte eine Rolle. Die IBIS-2-Studie läuft bis 2010, und es ist geplant, 6000 Risikofrauen einzuschliessen. Das Studienstratum für (operativ sanierte und evtl. nachbestrahlte) DCIS-Frauen richtet sich ebenfalls an postmenopausale Frauen. In diesem Stratum ist der Einschluss von 4000 Frauen mit neu diagnostiziertem DCIS in zwei Studienarmen vorgesehen. Hier werden die Wirkungen von Tamoxifen versus jene von Anastrozol während jeweils fünf Jahren untersucht. Hierdurch sollen neue Erkenntnisse für die – bis heute ungeklärte – Nachbehandlung der Patientinnen mit DCIS gewonnen werden.
Grundlagen
Aromataseinhibitoren (AI) unterdrücken erfolgreich die Bildung von Östradiol bei postmenopausalen Frauen. Die Wirkung der Östrogendeprivation an der Brust ist nicht geklärt, aber es wird angenommen, dass die AI auf die hyperplastischen, vergrösserten Einheiten (HELUS) sowie fortgeschrittenere präneoplastische Läsionen einwirken (9). Vorgängige adjuvante Therapiestudien bei Frauen mit operiertem Brustkrebs haben gezeigt, dass es unter der Behandlung mit Anastrozol zu 50% weniger Zweittumoren in der zweiten Brust kam. In der ATAC-Studie (Anastrozol vs. Tamoxifen) wurde eine Reduktion von 58% der Brusttumore auf der Gegenseite beobachtet. Der therapeutische Index für Anastrazol lässt theoretisch eine über 70-prozentige Reduktion der Brustkrebsinzidenz bei dieser postmenopausalen Frauengruppe erwarten
IBIS-2-Studie: Voraussetzungen und Anlage
■ postmenopausale Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko: Alter 40 bis 70 Jahre
■ plazebokontrollierte, randomisierte Studie mit 2 Strata (DCIS-Patientinnen; Risikofrauen) und jeweils 2 Studienarmen
■ präventive Behandlung über 5 Jahre ■ eine Tablette pro Tag (Anastrozol, Tamoxifen
oder Plazebo) ■ 6000 Frauen im Präventions- und 4000
Frauen im DCIS-Stratum
Information und Anmeldung
Tumorzentrum ZeTuP St. Gallen und Chur Rorschacherstrasse 150, 9006 St. Gallen Tel. 071-243 00 43; E-Mail: aglaus@sg.zetup.ch Internet: www.zetup.ch, www.ibis-trials.org
(10). Erste Zwischenergebnisse von IBIS2 zeigen, dass die Senkung der Brustkrebsinzidenz durch Anastrozol noch besser sein könnte als durch Tamoxifen. Zudem wurden weniger thromboembolische Komplikationen und weniger Veränderungen im Endometrium beobachtet. Hingegen scheint sich Anastrozol negativer auf die Knochendichte auszuwirken. Ein beachtlicher Teil der mit Anastrozol behandelten Frauen klagt zu Therapiebeginn über Gelenkbeschwerden. Es ist wichtig, dass möglichst rasch mehr entsprechende Risiko- (und DCIS-)Frauen in die IBIS-2-Studie aufgenommen werden, damit diese Nebenwirkungsaspekte geklärt werden können.
Referenzzentrum St. Gallen
Das Tumorzentrum ZeTuP ist die in der
Schweiz vorrangig an der IBIS-2-Studie
beteiligte Institution. Interessierte Frauen
können sich am ZeTuP informieren lassen.
Überweisungen durch Hausärzte, Gynä-
kologen und Onkologen für ein Brust-
krebsrisiko-Assessment und einen Studi-
eneintritt werden gerne entgegenge-
nommen. Das Zentrum übernimmt
kostenlos die wissenschaftliche Doku-
mentationsarbeit, Randomisierung und
Behandlungsplanung.
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Dr. Agnes Glaus (PhD, RN) (Korrespondenzadresse) Tumorzentrum ZeTuP St. Gallen Rorschacherstrasse 150 9006 St. Gallen E-Mail: aglaus@sg.zetup.ch
Dr. med. Barbara Bolliger Prof. Dr. med. Hans-Jörg Senn
Literatur bei der Verfasserin oder der Redaktion
Leicht gekürzte Version aus SZO 2007; 4: 18–20.
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