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EDITORIAL
U nser Auftrag als Frauenärztinnen und Frauenärzte erstreckt sich zu einem ganz wesentlichen Anteil auf die Grundversorgung von Frauen im fertilen Alter. Oft betrifft dies gesunde junge Frauen und Paare, welche eine Schwangerschaft planen und bei denen eine präkonzeptive Beratung geboten ist.
Präkonzeptive Massnahmen: gesundheitsfödernd, kostensparend Das wohl wichtigste Beispiel ist die Prophylaxe von Neuralrohrdefekten und anderen fetalen Fehlbildungen (v.a. Herzfehler) mittels kombinierter Folsäure-/Multivitaminpräparatgabe vor Eintreten einer Schwangerschaft. Heute noch nehmen weniger als die Hälfte der schwangeren Frauen zum Zeitpunkt der Konzeption solche Präparate ein. Die jährlichen
Kinderwunschsprechstunde in der Praxis
Vorsorgeuntersuchungen bei jungen Frauen bieten hier eine ideale Gelegenheit, sie entsprechend aufzuklären und damit eine primäre Prävention durchzuführen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Überprüfung des Impfstatus und das allfällige Nachholen von Impfungen, beispielsweise die Röteln- und Varizellenimpfung. Gerade im Zeitalter der Migration gewinnt diese Vorsorge enorm an Bedeutung. Im Falle einer chronischen Erkrankung (Diabetes mellitus u.a.) der Frau mit Kinderwunsch, sind schliesslich spezifische präkonzeptionelle Massnahmen geboten. Viele Studien haben gezeigt, dass das «Outcome» entsprechend vorbereiteter Schwangerschaften signifikant verbessert werden kann. Nachgewiesen ist, dass die präkonzeptive Beratung und Behandlung nicht nur gesundheitsfördernd, sondern auch kostensparend ist.
Sterilitätsabklärung: fast immer gezielte Therapie möglich Dem unerfüllten Kinderwunsch sind zwei weitere Beiträge in dieser Ausgabe gewidmet. Dabei geht es zum einen um die zugrunde liegenden Ursachen und deren Diagnostik: Neben der Zyklusabklärung mittels Hormonstatus und Ultraschalluntersuchungen (sowie der Abklärung eines potenziellen männlichen Faktors) stehen die invasive Diagnostik mittels Hysteroskopie, Laparoskopie und Tubendurchgängigkeitsprüfung im Vordergrund. Mit moderner Diagnostik kann heute bei 90% der Paare eine Sterilitätsursache identifiziert und eine gezielte Therapie angeboten werden. Zum anderen sind die Standards der Sterilitätstherapie, insbesondere die modernen Techniken der In-vi-
tro-Fertilisation (IVF/ICSI) und der hormonellen Stimulationsbehandlung, als Übersicht dargestellt. Zu berücksichtigen ist immer, dass eine erfolgreiche Behandlung nicht nur heisst, eine Schwangerschaft zu erzielen, sondern auch, dass gesunde Kinder entstehen. Massnahmen zur Vermeidung von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften stehen an vorderster Stelle – die Verantwortung muss von Frauenärztinnen und Frauenärzten, die in der Reproduktionsmedizin tätig sind, mit hoher Priorität übernommen werden.
Pränatale Diagnostik: grosse Fortschritte Die rasante Entwicklung der technischen Möglichkeiten in der Pränataldiagnostik hat nicht nur die Chance erhöht, Erkrankungen des Feten zu erkennen, sondern auch, diese im Mutterleib behandeln zu können. Dabei nimmt der Fortschritt der Ultraschalltechnologie (hochauflösende Bildqualität, 3D- und Realtime-3D-Technik, Vaskularisations- und Perfusionsanalysen mittels moderner Dopplermodalitäten), zusammen mit dem hohen Fachwissen, welches durch grosse multizentrische Studien gewonnen wurde, inzwischen einen hohen wissenschaftlichen Wert ein. Dies bedeutet in der Praxis, dass die Beratungen der Paare komplexer und zeitaufwendiger geworden sind. Grosse Fortschritte der Sonografie sind zudem in der Frühdiagnose und Prädiktion schwerer Schwangerschaftskomplikationen erreicht worden. Heute ist es möglich, mittels gezielter Massnahmen im Lauf der Schwangerschaft Komplikationen vorauszusehen, frühzeitig zu behandeln und damit ein gutes «Outcome» für Mutter und Kind erreichen zu können. Die pränatale Beratung schwangerer Frauen gewinnt einen immer höheren Stellenwert in der Geburtshilfe.
Professor Dr. med. Daniel Surbek Geschäftsführender Co-Direktor Universitäts-Frauenklinik Inselspital Bern
GYNÄKOLOGIE 3/2008
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