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30. San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), 13. bis 16. Dezember 2007
30 Jahre San Antonio Breast Cancer Symposium
Zur Jubiläumsveranstaltung des grossen internationalen Brustkrebskongresses in San Antonio/Texas wurden vor Tausenden von Teilnehmern wiederum spannende Studienresultate präsentiert. Es handelte sich zwar nicht um «Durchbrüche» in der Brustkrebstherapie, aber um wichtige Schritte vorwärts.
HER2-positives Mammakarzinom: adjuvant bis palliativ
Trastuzumab (Herceptin®) in der Behandlung des HER2-positiven Brustkrebses ist heute Standard, auch in der adjuvanten Situation ausserhalb von Studien. Doch in der palliativen Situation sind noch viele Fragen der Kombinationstherapie ungeklärt. Während eine Untersuchung aus Frankreich, teils retrospektiv, teils prospektiv, einen Nutzen für den erneuten Einsatz von Trastuzumab sah (1), widerspricht dem eine aus Italien präsentierte Untersuchung (2): Hierbei wurden Patientinnen mit Progression nach einer trastuzumabhaltigen Kombination in zwei Gruppen randomisiert (Capecitabin plus Trastuzumab vs. Capecitabin). Die mittlere Überlebenszeit lag bei 20,8 Monaten ohne und bei 24,2 Monaten mit Trastuzumab. Derzeit wird evaluiert, ob allenfalls eine bestimmte Subgruppe von einer erneuten Trastuzumabgabe zu profitieren vermag. Unter Trastuzumab wird das Leben von HER2-positiven Patientinnen eindeutig verlängert. Dadurch werden allerdings vermehrt Hirnmetastasen manifest. Trastuzumab selbst vermag die Blut-HirnSchranke nicht zu durchdringen, Lapatinib (Tyverb®) hingegen schon.
Behandlung bei Hirnmetastasen Lin et al. präsentierten bereits am ASCOMeeting 2007 ihre Hirnmetastasenstudie E105084 bei HER2-positiven Karzinomen. Am SABCS folgte das Update: Von 242 Patientinnen mit Lapatinib erzielten 15 (6%) eine Volumenreduktion der Hirnmetastasen von ≥ 50%. Zudem erreichten 41 Frauen (17%) eine Volumenreduktion von 20% oder mehr (3). In der «Extension Study» erhielten nun 51 der Patientinnen mit ZNS-Progression die Kombination Lapatinib plus Capecitabin. Auch hier kam es zu einem deutlichen
Ansprechen: Die Volumenreduktion lag bei 19 Patienten zwischen 20 und über 50%. Damit erweist sich die Kombination von Lapatinib/Capecitabin als valable Option bei Vorliegen von progredienten Hirnmetastasen beim HER2-positiven Karzinom. Das multinationale «Lapatinib Expanded Access Program» (LEAP) hat 2471 Patientinnen in weltweit 355 Zentren aufgenommen (4). Bisher sind unter der Kombination Capecitabin/Lapatinib keine unbekannten Nebenwirkungen aufgetreten. Bereits bekannte gastrointestinale Nebenwirkungen sind Diarrhö sowie Nausea und Erbrechen. Weiterhin werden palmoplantare Erythrodysästhesie und selten schwere kardiale Toxizität (0,5%) oder Pneumonitis (0,2%) beobachtet. Der Einsatz von Lapatinib ist in der Schweiz noch auf die Indikation «in Kombination mit Capecitabin zur Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasierendem Brustkrebs,
bei Überexpression von ErbB2 (HER2) mit Rezidiv nach oder Nichtansprechen auf eine Trastuzumabtherapie» beschränkt. Mit ALTTO und Neo-ALTTO laufen bereits auch Studien in der adjuvanten und neoadjuvanten Situation. Folgende Studie am SABCS, wenn auch mit nur 30 Patientinnen, liess aufhorchen und lässt erahnen, wohin die Reise künftig gehen könnte: Die Patientinnen wurden präoperativ während sechs Wochen mit Lapatinib alleine vorbehandelt. Anschliessend erhielten sie wöchentlich Trastuzumab, kombiniert mit dreiwöchentlichem Docetaxel, für insgesamt zwölf Wochen. Nach einer sechswöchigen neoadjuvanten Therapie mit Lapatinib allein fand sich ein deutlicher Tumorrückgang (60,8%). Auch der bioptische Anteil der Brustkrebsstammzellen nahm von 10,6 auf 4,7% ab (5). Diese prospektive Invivo-Studie hat damit zum ersten Mal gezeigt, dass Lapatinib die tumorigenen Brustkrebsstammzellen zu vermindern vermag, und zwar im Gegensatz zur konventionellen Chemotherapie. Zudem legen die Daten nahe, dass spezifische Signalinhibitoren die Selbsterneuerung von Brustkrebsstammzellen hemmen und damit als therapeutische Strategie zu deren Elimination eingesetzt werden könnten, um damit auch einen Langzeiterfolg bei der Tumorbehandlung zu erzielen
Aromatasehemmer: Rennen weiterhin offen
Im «Kopf-an-Kopf-Rennen der Aromatasehemmer» bei postmenopausalen Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom wurden neue Daten bekannt: In der ATAC-Studie (> 6000 Patientinnen mit Anastrozol vs. Tamoxifen für 5 Jahre) zeigte die Auswertung nach einer mittleren Beobach-
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tungszeit von 100 Monaten: Anastrozol (Arimidex®) reduziert das Rezidivrisiko mit 9,7 versus 12,5% signifikant (absolut 2,8%) und verlängert das krankheitsfreie Überleben (6). Belegt wird auch ein «carry-over»-Effekt: Nach jetzt neunjähriger Beobachtungszeit sind in der Anastrozolgruppe bei 17% der Frauen Rezidive aufgetreten (Tamoxifengruppe 21,8%). Anastrozol erwies sich zudem bezüglich der Fernmetastasen und dem Auftreten von kontralateralem Brustkrebs (Anastrozol 2,5%, Tamoxifen 4,2%) erstmals nach 100 Monaten als signifikant überlegen. Bezüglich der Behandlung bei Fernmetastasen wurden die Resultate einer Studie mit Tamoxifen (> 4200 Patientinnen) präsentiert. Die Arbeit zeigt, dass Fernmetastasen relativ frühzeitig, das heisst mit einer Spitze von 4,2% innerhalb von
zwei Jahren auftreten (7). Diese Beobachtung ist im Einklang mit früheren Studien (8, 9) und mit einer Arbeit bei Patientinnen, die Letrozol oder Tamoxifen erhielten. Sie weist auf die Bedeutung des frühen Einsatzes eines Aromatasehemmers hin (10): Unter Letrozol (Femara®) traten in den ersten zwei Jahren 87 Ereignisse auf, unter Tamoxifen 125 (30% weniger Fernmetastasen vs. Tamoxifen). Es wird argumentiert, dass ein Aromatasehemmer früher als bisher eingesetzt werden sollte, um die frühe Spitze beim Auftreten von Fernmetastasen besser abzufangen. Weiterhin wird vorgeschlagen, dass dies nur für Patientinnen mit hohem Risiko gilt und dass bis auf Weiteres die vollständigen Ergebnisse der BIG-1-98-Studie (Breast-ARNOGroup1-98) abgewartet werden sollten.
BIG-1-98 evaluierte während fünf Jahren 8010 postmenopausale Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom in folgenden Behandlungsschemata: Letrozol oder Tamoxifen oder Letrozol gefolgt von Tamoxifen oder umgekehrt. Bei 4003 Patientinnen unter Monotherapie führte Letrozol im Vergleich zu Tamoxifen bei der erkrankungsfreien Zeit zu einer signifikanten Risikoreduktion von 19% (mediane Beobachtungszeit 26,8 Mt; HR 0,81; 95%-Kl 0,70–0,93; p = 0,003). Auch senkte Letrozol das Fernmetastaserisiko signifikant um 27% vs. Tamoxifen, und das bereits nach zwei Jahren Behandlung (HR 0,73; 95%-Kl 0,60–0,88; p = 0,001). Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht signifikant (11). Vergleiche zwischen den Aromatasehemmern fallen mitunter schwierig aus, daher gilt es, folgende Aspekte für die Beurteilung zu beachten: Patientinnen, die erst randomisiert werden, nachdem sie unter Tamoxifen während zwei bis drei Jahren rezidivfrei geblieben sind, haben eine prognostisch viel günstigere Ausgangslage als solche Frauen, die bereits zu Beginn der adjuvanten Hormontherapie in die jeweilige Gruppe eingeteilt werden. Die BIG-1-98-Studie ist neben der ABCSG-8-Studie (Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group) sowie dem modifizierten TEAMTrial (Tamoxifen and Exemestane Adjuvant Multicenter Study) die einzige Studie, die diese Voraussetzung erfüllt. Mit Spannung werden die weiteren Ergebnisse der verschiedenen Studienarme von BIG-1-98 erwartet.
Hormontherapie: Knochenverlust verhindern
Die Hormonbehandlung erweist sich bei hormonsensitiven Tumoren im Frühstadium als sehr wirksam zur Verhinderung künftiger Rückfälle. Allerdings gibt es Patientinnen, die die Behandlung aus Angst vor Knochenabbau und Frakturen vermeiden. Dies trifft speziell bei Patientinnen unter Aromatasehemmer zu. Gleich zwei Arbeiten, die in San Antonio präsentiert wurden, haben das Dritt-Generation-Bisphosphonat Zoledronsäure (ZS, Zometa®) evaluiert: Gnant et al. von der ABCSG (Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group, Vienna, Austria) berichteten über 1801 prämenopau-
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sale Frauen, die vorerst mit Goserelin und Chirurgie behandelt wurden. Anschliessend wurden sie in vier Studienarme randomisiert: Tamoxifen, Tamoxifen plus ZS, Anastrozol, Anastrozol plus ZS. ZS 4 mg wurde alle sechs Monate i.v. verabreicht. Nach drei Jahren hatten Patientinnen ohne ZS einen mittleren Verlust der Knochendichte von 11,3%. Auch nach 60 Monaten beziehungsweise zwei Jahre nach Therapieende lag die Knochendichte bei ihnen immer noch um 6,8% tiefer als bei Therapiebeginn. Mit ZS behandelte Patientinnen lagen hingegen um 3,9% über den Anfangswerten. In Bezug auf schwere Nebenwirkungen gab es keine Unterschiede in den verschiedenen Behandlungsarmen (12). Besonders hoch kann das Frakturrisiko bei postmenopausalen Frauen aufgrund des bereits vor Behandlungsbeginn erlittenen Knochenverlustes sein. Brufsky et al. präsentierten Resultate einer 36-monatigen Beobachtungszeit bei 602 Frauen, die mit Letrozol und ZS behandelt worden waren. Die Patientinnen wurden in zwei Gruppen randomisiert: Frauen mit zeitgleichem Beginn einer ZS-Prophylaxe und Frauen mit verzögertem Beginn. Letztere erhielten ZS nur, wenn sie in der Knochendichtemessung einen markanten Rückgang oder gar eine asymptomatische oder symptomatische Fraktur erlitten hatten (13). In beiden Behandlungsgruppen nahm die Knochendichte zu, allerdings in der verzögerten Gruppe etwas geringer. Doch gab es in Bezug auf das Auftreten von Frakturen keine Unterschiede. Damit stellt sich die Frage, ob bei Behandlungsbeginn mit Letrozol in jedem Fall auch immer gleich eine Therapie mit einem Bisphosphonat begonnen werden muss, oder ob ein aufmerksames Abwarten gerechtfertigt sein könnte. Wohl gibt es aufgrund von Knochendichtemessungen Schwellenwerte, ab denen eine Bisphosphonattherapie empfohlen wird. Diese Werte erweisen sich für Patientinnen mit Mammakarzinom als nicht passend, speziell wenn die Betroffenen Aromatasehemmer erhalten. Im Rahmen einer Literaturdurchsicht suchten Hadji et al. nach weiteren Indikatoren für das erhöhte Frakturrisiko (14). Sie identifizierten gemäss den Kriterien der evidenzbasierten Medizin folgende Faktoren:
■ Therapie mit Aromatasehemmer
■ T-Score ≤ 1,5
■ Alter > 65
■ positive Familienanamnese für Hüft-
frakturen
■ Frakturen in der persönlichen Ana-
mnese ab Alter 50
■ Einnahme oraler Kortikosteroide über
sechs Monate.
Weitere Risikofaktoren wurden identifi-
ziert (Chemotherapie, Radiotherapie, tie-
fer Körpermassenindex, Untergewicht,
positive Familienanamnese für Frakturen,
Rauchen), konnten jedoch aufgrund
unvollständiger Datenlage nicht für wei-
tere Empfehlungen verwendet werden.
Schliesslich fanden die Autoren, dass die
Knochendichte alleine nicht massgeblich
ist. Eine Kombination von anderen Risiko-
faktoren beeinflusst unabhängig davon
das Frakturrisiko. Randomisierte Studien
belegen für halbjährlich 4 mg Zoledron-
säure eine präventive Wirkung für einen
aromatasehemmerinduzierten Knochen-
verlust bei Patientinnen mit gegebenem
Frakturrisiko.
Somit empfehlen Aapro et al. bei Patien-
tinnen unter Aromatasehemmertherapie
neben der Gabe von Kalzium und
Vitamin D (immer indiziert) die Verabrei-
chung von Zoledronsäure, sofern der
T-Score ≤ 2,0 liegt. Besteht eine Kombi-
nation von zwei der sechs genannten
Risikofaktoren, ist ebenfalls Zoledron-
säure indiziert.
■
Thomas Ferber
Quellen:
1. Antoine EC, et al.: Multiple lines of trastuzumab provide a survival benefit for women with metastatic breast cancer: results from the Hermine cohort study. ECCO 14, Proffered papers: 25 September 2007.
2. Montemurro F, et al.: Retrospective evaluation of clinical outcomes in HER2-positive advanced breast cancer patients progressing on trastuzumab-based therapy in the pre-lapatinib era. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106, Suppl. 1, Abstract 4057.
3. Lin NU, et al.: Lapatinib and capecitabine for the treatment of brain metastases in patients with HER2+ breast cancer. An updated analysis from EGF105084. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1) Abstract 6076.
4. De Placido S, et al.: Lapatinib Expanded Access Program (LEAP): design, operation and initial
safety data. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1) Abstract 6077.
5. Li X, et al.: Decrease in tumorigenic breast cancer stem cells in primary breast cancers with neoadjuvant lapatinib. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1) Abstract 82.
6. Forbes JF, et al.: ATAC: 100 month median follow-up (FU) shows continued superior efficacy and no excess fracture risk for anastrozole (A) compared with tamoxifen (T) after treatment completion. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1) Abstract 41.
7. Doughty JC, et al.: Distant metastasis: the most common type of early recurrence with adjuvant tamoxifen therapy. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1) Abstract 3057.
8. Saphner T, et al.: Annual hazard rates of recurrence for breast cancer after primary therapy. J Clin Oncol. 1996; 14: 2738–46.
9. Houghton J, on behalf of the ATAC Trialists Group: Using anastrozole as initial adjuvant treatment prevents early recurrences and reduces adverse events: Updated data from the ATAC trial. J Clin Oncol. 2005; 23(16S): 24S. Abstract 582.
10. Mauriac L, et al.: Predictors of early relapse in postmenopausal women with hormone receptorpositive breast cancer in the BIG 1-98 trial. Ann Oncol. 2007; 18: 859–67.
11. Coates AS, Keshaviah A, Thürlimann B, et al.: Five Years of Letrozole Compared With Tamoxifen As Initial Adjuvant Therapy for Postmenopausal Women With Endocrine-Responsive Early Breast Cancer: Update of Study BIG 1-98. Journal of Clinical Oncology 2007; 25/5: 486–492.
12. Gnant M, et al.: Bone mineral density (BMD) at 5 years after diagnosis in premenopausal patients with endocrine-responsive breast cancer, after 3 years of adjuvant endocrine treatment with goserelin and tamoxifen or anastrozole or both treatments in combination with zoledronic acid new results from ABCSG-12. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1). Abstract 26.
13. Brufsky A, et al.: The effect of zoledronic acid on aromatase inhibitor-associated bone loss in postmenopausal women with early breast cancer receiving adjuvant letrozole: Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1). Abstract 27.
14. Hadji P, et al.: Practical guidance for the prevention of aromatase inhibitor-associated bone loss in women with breast cancer. Breast Cancer Research and Treatment 2007; 106 (1). Abstract 504.
Der Autor wurde von GSK und Novartis unterstützt.
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