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SCHWERPUNKT
Therapieoptionen bei postmenopausaler Osteoporose
Präventivmassnahmen und medikamentöse Strategien zur Frakturreduktion
Basierend auf epidemiologischen Studien wird geschätzt, dass jede zweite bis dritte postmenopausale Frau eine osteoporosebedingte Fraktur erleiden wird. Vordergründiges Ziel ist es daher, bei betroffenen Patientinnen die Frakturinzidenz zu reduzieren. In dieser Übersicht werden primär- und sekundärpräventive Massnahmen zusammengefasst und medikamentöse Behandlungsstrategien unter Berücksichtigung ihrer Effizienz bezüglich Reduktion der Inzidenz vertebraler und nicht vertebraler Frakturen diskutiert.
CHRISTIAN MEIER, MARIUS E. KRÄNZLIN
Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine geringe Knochenmasse und Verschlechterung der Knochenarchitektur charakterisiert ist und damit mit einer erhöhten Knochenbrüchigkeit einhergeht. Die klinische Bedeutung der Osteoporose wird durch das Auftreten von Frakturen nach inadäquatem Trauma bestimmt. Die Behandlung der Osteoporose umfasst ■ die Frakturprophylaxe über eine Beeinflussung
von Risikofaktoren bei Frauen ohne bisherige Erkrankung (Primärprävention) ■ die Erfassung und Behandlung von Betroffenen, bei denen eine Osteoporose besteht, jedoch noch keine osteoporotische Fraktur aufgetreten ist (Sekundärprävention) und ■ die Verhütung weiterer Frakturen bei PatientInnen, die bereits eine oder mehrere Frakturen erlitten haben (Tertiärprophylaxe). In den letzten 15 Jahren sind grosse plazebokontrollierte Doppelblindstudien mit dem klinischen Endpunkt neuer vertebraler und nicht vertebraler Frakturen vor allem bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose veröffentlicht worden. Dabei konnte für verschiedene medikamentöse Wirkprinzipien (Bisphosphonate, Raloxifen, Teriparatid) eine signifikante Reduktion der Inzidenz vertebraler Frakturen zwischen 30% und 70% (relative Risikoreduktion) dokumentiert werden. Im klinischen Alltag richtet sich die Wahl eines spezifischen Therapeutikums nach dem individuellen Frakturrisiko und sollte unter Abwägung skeletaler und nicht skeletaler Medikamentenwirkungen respektive -nebenwirkungen erfolgen (1).
Massnahmen zur Prävention
Primär- und sekundärpräventive Massnahmen zur Osteoporosevorbeugung beziehungsweise zur Verhinderung einer Krankheitsprogression umfassen
nicht medikamentöse und medikamentöse Massnahmen (Tabelle 1). Neben einer genügenden Kalziumund Vitamin-D-Zufuhr sind regelmässige körperliche Aktivität und die Vermeidung von Osteoporoserisikofaktoren (z.B. Nikotinkonsum, ausgeprägter Alkoholkonsum, Einnahme von Medikamenten, welche den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen) entscheidend. Ergänzend werden bei älteren Personen allgemeine Massnahmen zur Reduktion des Sturzrisikos eingesetzt (Überprüfung des häuslichen Milieus, Verschreibung von Gehhilfen, Geh- und Sturztraining, Visuskorrektur, Überprüfung des Gebrauchs und der Indikation von Psychopharmaka). Der Nachweis, dass mit diesen Massnahmen zur Vorbeugung von Stürzen (respektive deren Verringerung) auch Frakturen verhindert werden, ist aber noch ausstehend. Eine ausreichende Kalziumzufuhr beeinflusst wesentlich den Aufbau und Erhalt des Knochenmineralgehalts. Eine Supplementation von Kalzium und Vitamin D3 stellt daher eine Basisintervention in der Prävention und Behandlung der Osteoporose dar. Die empfohlenen Tagesdosen von Kalzium liegen für postmenopausale Frauen zwischen 1000 und 1500 mg. Für Vitamin D3 wird eine tägliche Zufuhr von 800 bis 1200 IE empfohlen (1). Bezüglich einer Diskussion des klinischen Effekts einer Kalzium- und Vitamin-DSupplementation sei auf den Artikel Seite 22 ff. verwiesen. Eine Hormonsubstitution vermag den menopausenbedingten Knochensubstanzverlust aufzuhalten. Nach deren Absetzen setzt der Knochensubstanzverlust jedoch wieder ein. Bis zum Erscheinen der Woman’s-Health-Initiative-(WHI-)Studie basierte die Annahme, dass eine Hormonersatzbehandlung zu einer Reduktion der Frakturrate bei Osteoporose führt, auf Kohortenstudien und kleineren kontrollierten Stu-
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dien (2). Diese Studien zeichnen sich durch sehr heterogene Patientenpopulationen aus; zudem wurden Frakturdaten meist aus Subgruppenanalysen von Studien erhoben, die auf andere klinische Endpunkte konzipiert waren. Zwei grosse prospektive Studien haben den Effekt einer Hormonsubstitutionsbehandlung auf das Risiko koronarer Ereignisse in der Sekundärprävention (Heart and Estrogen/progestin Replacement Study, HERS) (3) und auf Nutzen und Risiken einer Hormontherapie in der Primärprävention (Women’s Health Initiative, WHI) (4, 5) untersucht. Bei keiner dieser Studien war das Vorliegen einer Osteoporose respektive von Osteoporoserisikofaktoren ein Einschlusskriterium zur Studienteilnahme. In der HERS-Studie wurde kein Unterschied in Bezug auf die Frakturinzidenz zwischen hormonbehandelten Frauen und Kontrollen beobachtet. In der WHI-Studie dagegen, in der 16 608 postmenopausale Frauen über 5,2 Jahre beobachtet wurden, zeigte sich, dass konjugierte equine Östrogene und Medroxyprogesteronacetat (MPA) zur Frakturreduktion geeignet sind: Im Vergleich zur Plazebogruppe war in der HRTGruppe das Frakturrisiko um zirka 33% niedriger. Im Östrogenarm der WHI-Studie wurden vergleichbare Reduktionen des relativen Frakturrisikos sowohl für vertebrale als auch für nicht vertebrale Frakturen beobachtet (6). Beim Einsatz einer Langzeit-HRT gilt es, das Nutzen-Risiko-Verhältnis individuell zu evaluieren (v.a. bezüglich Brustkrebs-, kardiovaskuläres, Thrombose-Risiko). Prinzipiell kommt eine zeitlich limitierte, präventive Hormontherapie heute in der frühen Menopause dann zum Einsatz, wenn gleichzeitig klimakterische Beschwerden vorliegen und diese einer hormonellen Behandlung bedürfen. Daten aus der WHI und der Nurses’ Health Study bestätigen das Vorliegen eines «window of opportunity»: Wird eine Hormonsubstitution früh nach der Menopause begonnen, so steigt das kardiovaskuläre Risiko nicht an, die Gesamtmortalität sinkt (7–9). Bei späterem Beginn (mehr als 10 Jahre nach der Menopause oder nach dem 60. Altersjahr) steigt hingegen das kardiovaskuläre Risiko an. Bereits eine Hormonersatzbehandlung in tiefer Dosierung scheint zur Verhinde-
Tabelle 1:
Nicht medikamentöse und medikamentöse Massnahmen zur Osteoporoseprophylaxe
■ genügende enterale Kalziumzufuhr, evtl. Kalziumsupplementation (1000 bis 1500 mg/Tag) ■ genügend Sonnenlichtexposition (Sicherung Vitamin-D-Bedarf) ■ evtl. Vitamin-D3-Supplementation (800 IE/Tag) bei Mangelernährung und verminderter Sonnen-
exposition ■ ausgeglichene Ernährung mit genügender Eiweisszufuhr, Vermeidung von Untergewicht ■ regelmässige körperliche Aktivität, Meiden von Immobilisation ■ Vermeidung von Risikofaktoren (Rauchen; übermässiger Alkoholkonsum; Einnahme von Medika-
menten, welche den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen [z.B. Glukokortikoide, Antiepileptika, suppressive Schilddrüsenhormontherapie]) ■ evtl. Reduktion des Sturzrisikos durch – Überprüfung des häuslichen Milieus (Stolperfalle in Wohnung?) – Verschreibung von Gehhilfen – Geh- und Sturztraining, Koordinationstraining – Visuskorrektur – Überprüfung von Anwendung und Indikation sedierender und orthostatisch wirkender
Medikamente ■ Einsatz von Hüftprotektoren ■ evtl. Hormonersatztherapie unter spezieller Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses
(niedrig dosiert, zeitlich begrenzt) ■ Verbesserung der Lebensqualität mit erhöhter körperlicher und sozialer Aktivität
rung des postmenopausalen Knochensubstanzverlustes wirksam zu sein. Entsprechend sind niedrig dosierte Östrogenpräparate vorzuziehen (z.B. transdermales Östradiol, 0,025 bis 0,05 mg/Tag).
Medikamentöse Therapieoptionen
Durch die Entwicklung neuer Wirksubstanzen zur Behandlung der Osteoporose steht dem behandelnden Arzt heute eine breite Palette von Medikamenten zur Verfügung. Die Behandlung der Osteoporose sollte unter Berücksichtung des Frakturrisikos, des Nebenwirkungsprofils und der dokumentierten Wirksamkeit der verschiedenen Heilmittel individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sein. In der Entscheidung, bei welchem Patienten eine Therapie eingeleitet werden sollte, ist die Kenntnis der individuellen absoluten Frakturwahrscheinlichkeit wegweisend. Dabei ist eine integrale Beurteilung verschiedener Risikofaktoren wie fortgeschrittenes Alter, erniedrigte Knochendichte und Vorliegen nicht traumatischer Frakturen neben weiteren klinischen und biochemischen Risikofaktoren notwendig (19). Vor Einleitung einer spezifischen Therapie sollte klinisch und laborche-
misch das Vorliegen einer sekundären Osteoporose ausgeschlossen werden. Im Falle einer zugrunde liegenden Krankheit ist zusätzlich eine ursächliche Behandlung des Grundleidens angezeigt. Pathophysiologisch überwiegt bei postmenopausalen Frauen ein verstärkter Knochenabbau mit einer nur ungenügenden Kompensation durch eine Zunahme der Knochenanbaurate. Daraus resultiert ein Verlust an Knochenmasse sowie eine Beeinträchtigung der trabekulären Mikroarchitektur. Diese erhöhte Knochenumbauaktivität ist ein Risikofaktor für Frakturen, unabhängig von der Knochendichte. In Anbetracht dieser pathophysiologischen Mechanismen werden in der Therapie der Osteoporose vorwiegend Substanzen eingesetzt, die den Knochenabbau bremsen und damit den weiteren Knochensubstanzverlust verhindern. Zu dieser Gruppe der Medikamente gehören die Hormonersatzbehandlung, die selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERM), Calcitonin und vor allem die Bisphosphonate. Unter der Behandlung mit antiresorptiven Substanzen kommt es zu einem Wiederauffüllen des «remodelling space» und zur Zunahme der sekundären Mineralisation,
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SCHWERPUNKT
Tabelle 2:
In der Schweiz zugelassene Medikamente zur Behandlung der Osteoporose (OP)
(Stand Dezember 2007)
Wirksubstanz
Alendronat (Fosamax®) Risedronat (Actonel®) Ibandronat (Bonviva®) Ibandronat (Bonviva IV®) Zoledronat (Aclasta®) Raloxifen (Evista®) Teriparatid (Forsteo®)
Empfohlene Dosierung
10 mg täglich, 70 mg wöchentlich 5 mg täglich, 35 mg wöchentlich 150 mg monatlich 3 mg 3-monatlich (Bolusinjektion) 5 mg einmal jährlich (Infusion, mind. 15 Min.) 60 mg täglich 20 µg täglich sc.
Postmenopausale OP + + + + + + +
Zulassung nach Indikationen
OP beim Mann
Kortikosteroid-
induzierte OP
++
–+
––
––
––
––
+–
was zu einer verbesserten Widerstandsfähigkeit des Knochens führt. Ist die Osteoporose stark fortgestritten und hat bereits eine beträchtliche «Verdünnung» des Trabekelnetzwerks stattgefunden, können unter Umständen mit antiresorptiv wirkenden Substanzen weitere Frakturen nicht verhindert werden. Die Behandlung mit Teriparatid stellt hier eine Möglichkeit dar, durch die knochenanbaustimulierende Wirkung einen Zuwachs an Knochensubstanz zu erreichen. Die in der Schweiz zugelassenen Medikamente zur Behandlung der Osteoporose sind in Tabelle 2 zusammengefasst (11).
Antiresorptive Therapie
Bisphosphonate Bisphosphonate sind synthetische Pyrophosphatanaloga, deren Hauptwirkung auf einer Hemmung der osteoklastenvermittelten Knochenresorption beruht. Die hohe Knochenaffinität wird bei den Aminobisphosphonaten durch eine Hydroxylgruppe an einer Seitenkette gekennzeichnet. Die zweite Seitenkette charakterisiert die antiresorptive Wirkpotenz, wobei die in den letzten Jahren eingeführten Bisphosphonate alle eine Aminogruppe beinhalten (Aminobisphosphonate). Die antiresorptive Wirkung setzt rasch nach Beginn einer Bisphosphonattherapie ein und wird durch eine Senkung biochemischer Marker der Knochenresorption innerhalb von ein bis drei Monaten dokumentiert. Durch die Interaktion zwischen Knochenresorption und Knochenformation sinken, zeitlich verzögert, ebenfalls die Marker der Knochenforma-
tion mit einem Nadir nach sechs bis zwölf Monaten ab. Diese initiale Hemmung der Knochenresorption vor einer Bremsung der Knochenformation erlaubt ein rasches Auffüllen des «remodeling space», was sich in einer signifikanten Zunahme des Knochenmineralgehalts in den ersten beiden Behandlungsjahren widerspiegelt. Die anschliessende Zunahme der Knochenmasse beträgt nur noch zirka 0,8% pro Jahr und wird vorwiegend durch eine intensivierte sekundäre Knochenmineralisation verursacht. Die Potenz der Bisphosphonate wird durch ihre Fähigkeit in der Hemmung der Knochenresorption charakterisiert. Obwohl In-vitro-Studien gezeigt haben, dass Risedronat eine stärkere Wirkpotenz als Alendronat aufweist, zeigt sich in klinischen Vergleichsstudien, dass die antiresorptive Potenz von Risedronat, gemessen am Abfall von Knochenresorptionsmarkern, etwas geringer ist als diejenige von Alendronat (12). Dieser Unterschied ist teilweise auf die höhere Knochenaffinität und damit auf die geringere Reversibilität von Alendronat aus dem Knochen heraus zurückzuführen (13). Indirekt wird dieser unterschiedliche Effekt auf die Knochenresorption auch im Verlauf nach Absetzen der Wirksubstanzen dokumentiert. Während nach Absetzen einer fünfjährigen Behandlung mit Alendronat im Laufe der folgenden zwei Jahre die Suppression des Resorptionsmarkers NTX im Urin von -73% auf nur -58% zunimmt (14), normalisiert sich die Ausscheidung von NTX im Urin nach Absetzen von Risedronat wesentlich rascher (15). Dabei persistierte die Inzidenz neuer vertebraler Frakturen auch nach
Absetzen von Risedronat gegenüber Plazebo (16). Die verschiedenen Bisphosphonate wurden bisher nicht direkt hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf die Frakturreduktion verglichen. Die vorliegenden Studiendaten weisen jedoch auf eine vergleichbare klinische Wirksamkeit der verfügbaren Bisphosphonate hin. Die orale Bioverfügbarkeit von Bisphosphonaten beträgt < 1% der eingenommenen Dosis und wird durch eine gleichzeitige Nahrungseinnahme zusätzlich beeinträchtigt. Entsprechend ist eine korrekte Einnahme vor dem Frühstück (30 Minuten bei Alendronat und Risedronat, 60 Minuten bei Ibandronat) für einen optimalen Therapieeffekt von entscheidender Bedeutung. Als häufigste Nebenwirkungen traten in den plazebokontrollierten Studien bei zirka 20 bis 40% der Patienten gastrointestinale Beschwerden auf, wobei die Häufigkeit mit plazebobehandelten Patienten vergleichbar war. Durch eine korrekte Tabletteneinnahme (aufrechte Position für mindestens 30 Minuten nach Einnahme) können Symptome meist vermieden werden. Alternativ zu den oralen Bisphosphonaten stehen uns heute in der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zwei parenteral zu applizierende Bisphosphonate zur Verfügung. Diese bewähren sich insbesondere bei Patienten mit gastrointestinalen Erkrankungen (Malabsorption), bei Unverträglichkeit auf orale Bisphosphonate oder bei Patienten mit fraglicher Medikamentencompliance (dreimonatliche Applikation [Ibandronat] oder einmal jährliche [Zole-
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Tabelle 3:
Medikamentöse Therapie der postmenopausalen Osteoporose
Studienresultate zur Reduktion vertebraler und nicht vertebraler Frakturen (RRR, relative Risikoreduktion)
Substanzen/Therapien und Studien
Alendronat FIT 1 FIT 2 Risedronat VERT-NA VERT-MN HIP
Ibandronat BONE (kontinuierlich) BONE (intermittierend) Zoledronat HORIZON
Raloxifen MORE MORE CORE CORE Teriparatid FPT Strontium ranelat SOTI TROPOS
Anzahl Patienten (n)
Einschlusskriterien
BMD Prävalente
(T-Score)
Fraktur
2027
≤ 2,0 SD
+
4432
≤ 2,0 SD
–
2458
≤ 2,0 SD
+
1226
≤ 2,0 SD
+
9331 FN ≤ 4,0 SD –
5455 oder –
1128 FN ≤ 3,0 SD –
3886 plus Sturzrisiko –
2946
≤ 2,0 SD
+
+
3889 FN ≤ 2,5 SD + oder FN ≤ 1,5 SD plus VFx
7705
≤ 2,5 SD
+/–
2304
≤ 2,5 SD
–
4011
≤ 2,5 SD
+/–
1425
≤2,5 SD
+
1637
≤1,0 SD
+
1649
≤ 2,5 SD
+
5091
≤2,5 SD
+/–
Dauer (Jahre)
3 4
3 3 3 3 3 3
3 3
3
3 3 8 8
1,7
3 3
FN, femoral neck
1 Post-hoc-Analyse, FNBMD T-Score ≤ 2,5 SD 2 Reduktion aller nicht vertebraler Frakturen
3 Intention-to-treat-Analyse
4 Alter 70–79 Jahre, FNBMD T-Score ≤ 2,5 SD 5 Post-hoc-Analyse, Alter 70-79 Jahre mit vertebralen Frakturen
6 Alter > 80 Jahre mit klinischen Risikofaktoren für Schenkelhalsfraktur
7 Radiologisch erfasste, z.T. klinisch inapparente vertebrale Frakturen
8 Post-hoc-Analyse, FNBMD T-Score ≤ 3,0 SD 9 Post-hoc-Analyse bei Frauen mit schweren vertebralen Frakturen
10 Teriparatid 20 µg täglich sc.
11 Post-hoc-Analyse für Hochrisikopatienten: Alter > 74 Jahre, FNBMD T-Score ≤ 3,0 SD 12 Radiologisch diagn. Wirbelkörperfraktur
13 Klinisch diagn. Wirbelkörperfraktur
Frakturreduktion (RRR)
Vertebrale Schenkelhals-
Fraktur
fraktur
47% 44%
41% 49% – – – –
49%; 62%7 48%; 50%7
70%12 77%13
51% 56%1
39%2 33% (p=0,06)2 30%3 40%4 60%5 20%6
69%2,8 37% (p = ns)2,8
25%2
30% 50% – –
65%10
41% 39%
47%2,9 p = ns p = ns 22%9
53%2
– 16%, 36%11
dronat] Applikation). Bei diesen intravenös applizierten Bisphosphonaten treten insbesondere während den ersten Behandlungszyklen Nausea bei zirka 10% und grippeartige Symptome (Fieber, Myalgien, Arthralgien) bei zirka 10 bis 15% der PatientInnen auf. Tabelle 3 fasst die Wirksamkeit der in der Schweiz zur Verfügung stehenden Bisphosphonate (Alendronat, Ibandronat,
Risedronat, Zoledronat) bezüglich Reduktion vertebraler und nichtvertebraler Frakturen zusammen.
Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) Raloxifen ist ein selektiver Östrogenrezeptormodulator (SERM) der zweiten Generation mit gewebespezifischen östrogenagonistischen (Knochen, Leber)
und östrogenantagonistischen (Brust) Wirkungen. Gemäss der MORE-Studie wird das Risiko vertebraler Frakturen bei postmenopausalen osteoporotischen Frauen mit respektive ohne prävalente Wirbelkörperfrakturen (mittleres Alter, 67 Jahre) um 50% beziehungsweise 30% gesenkt (17). Ein günstiger Effekt auf nicht vertebrale Frakturen konnte nur in einer Post-hoc-Analyse von Hochrisiko-
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patienten gezeigt werden (18). Dies wird in der MORE-Studienverlängerung über acht Jahre (CORE, plazebokontrolliert mit 4011 Frauen) bestätigt (Tabelle 3) (19). Als günstige extraskeletale Wirkungen von Raloxifen ist eine Reduktion des Auftretens von östrogenrezeptorpositiven Mammakarzinomen und eine mögliche Senkung der kardiovaskulären Morbidität bekannt (20, 21). Als Nebenwirkungen wurden eine zirka drei- bis vierfach erhöhte Thromboseneigung, Hitzewallungen und Wadenkrämpfe beobachtet. Der Einsatz von Raloxifen ist aufgrund der möglichen Induktion klimakterischer Beschwerden vor allem auf ältere postmenopausale Frauen beschränkt.
Knochenanbaustimulierende Therapie
Parathormon Teriparatid ist ein biotechnologisch hergestelltes aktives Fragment des endogenen Parathormons (rhPTH [1–34]). Als Peptidfragment muss das Präparat parenteral verabreicht werden. Teriparatid ist die erste medikamentöse Therapie, welche hauptsächlich über eine Stimulation der osteoblastären Knochenneubildung wirkt und – im Gegensatz zu einer antiresorptiven Behandlung – durch die knochenanbaustimulierende Wirkung zu einem Zuwachs neuer Knochensubstanz führt. Der Einsatz von Teriparatid (20 µg als subkutane tägliche Dosis) ist limitiert für die Behandlung postmenopausaler Frauen und Männer mit manifester Osteoporose und hohem Frakturrisiko (prävalente Frakturen), insbesondere bei Patienten mit ungenügendem beziehungsweise fehlendem Ansprechen auf herkömmliche antiresorptive Therapien (neue Frakturen unter Bisphosphonaten, SERM, Calcitonin). Neben Teriparatid (rhPTH [1–34]) steht ein intaktes PTH-Molekül (rhPTH [1–84]) in der EU zur Verfügung. Bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose wurde nach einer 19-monatigen Behandlung mit Teriparatid eine signifikante Reduktion der Inzidenz von vertebralen (65%) und nicht vertebralen Frakturen (53%) gezeigt (Tabelle 3) (22). Im praktischen Alltag werden die meisten Patienten, welche für eine Behandlung mit Teriparatid qualifizieren, bereits
unter einer antiresorptiven Therapie stehen. Im Gegensatz zur Vorbehandlung mit Östrogenen oder Raloxifen scheint eine vorgängige Alendronattherapie den Anstieg der Knochendichte an der LWS insbesondere in den ersten sechs Behandlungsmonaten zu hemmen. Dieser inhibitorische Effekt ist auf die im Gegensatz zu Raloxifen oder Östrogenen ausgeprägtere antiresorptive Wirkung der Bisphosphonate zurückzuführen. Ob diese verminderte Parathormonwirksamkeit auch einen Einfluss auf das Frakturrisiko hat, ist jedoch unklar. Die Schlussfolgerung für den klinischen Alltag ist, dass eine Therapie mit einem SERM oder mit Östrogenen zusammen mit der Teriparatidtherapie weitergeführt werden kann, die Bisphosphonattherapie aber bei Beginn der Teriparatidbehandlung abgesetzt werden sollte. Der knochenanabole Effekt von Teriparatid (Zuwachs der Knochenmasse) scheint auf die Behandlungsdauer beschränkt zu sein und nimmt nach dessen Absetzen kontinuierlich ab, während die Risikoreduktion für vertebrale und nicht vertebrale Frakturen fortbesteht. Dieser Knochenmasseverlust kann sowohl mit einer anschliessenden Östrogentherapie als auch mit einer Alendronatbehandlung aufgehalten werden (23). Aufgrund der bestehenden Datenlage scheint eine sequenzielle Therapie mit einer Bisphosphonatbehandlung im Anschluss an eine 12- bis 18-monatige Therapie mit Teriparatid sinnvoll.
Strontium ranelat Strontium ranelat setzt sich zusammen aus zwei Atomen Strontium und einem Molekül Ranelat und zeichnet sich durch eine hohe Knochenaffinität aus. In der EU und in Australien ist Strontium ranelat in einer Dosis von 2 g täglich zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. Eine Einnahme abends mindestens zwei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme wird empfohlen. Der molekulare Wirkungsmechanismus von Strontium ranelat ist noch ungeklärt. In-vitro- und In-vivo-Studien haben gezeigt, dass Strontium ranelat sowohl die Kollagensynthese osteoblastärer Zellen stimuliert als auch die Resorptionsfähigkeit von Osteoklasten hemmt. Entsprechend stellt Strontium ranelat die erste
Substanz dar, welche über einen direkten
dualen Effekt auf den Knochenanbau und
-abbau die Knochenmasse günstig be-
einflusst. Die fraktursenkende Wirkung
wurde in zwei randomisierten kontrollier-
ten Studien untersucht. Dabei konnte bei
älteren postmenopausalen Frauen mit
manifester Osteoporose nach einer
Beobachtungszeit von drei Jahren vergli-
chen mit Plazebo eine signifikante
Reduktion vertebraler (24) und nicht ver-
tebraler Frakturen (25) dokumentiert wer-
den (Tabelle 3).
■
Dr. med. Christian Meier (Korrespondenzadresse) Klinik für Endokrinologie, Diabetes und klinische Ernährung Universitätsspital Basel E-Mail: christian.meier@unibas.ch
und
Endokrinologische Praxis und Labor Missionsstrasse 24 4055 Basel Internet: www.endonet.ch
PD Dr. med. Marius Kränzlin
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