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SCHWERPUNKT
Östrogene zur Osteoporoseprävention
Was gilt 2008?
Die massive Verunsicherung nach Erstpublikation der WHI-Studie 2002 hat eine, wie inzwischen bekannt, unberechtigte Angst geschürt, eine indizierte Hormonersatztherapie in der Postmenopause anzuwenden. Im Folgenden werden Reanalysedaten und Vergleiche mit weiteren Studien sowie präzise Empfehlungen zur Indikation und zur Anwendung aufgezeigt.
MARTIN BIRKHÄUSER
Wir leben in einer Zeit, in der die Bevölkerung zunehmend älter wird. Die Bedeutung geriatrischer Erkrankungen nimmt somit medizinisch und volkswirtschaftlich zu. Dazu gehört im weiteren Sinne auch die postmenopausale Osteoporose. Heute sind in der westlichen Welt 30% aller Frauen 50 oder mehr Jahre alt. Zirka ein Drittel aller über 70- und die Hälfte aller 80-jährigen Frauen weisen eine Osteoporose auf. Die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Osteoporoseprävention ist somit einleuchtend. Eine effiziente und bis 2002 unumstrittene Möglichkeit zur Prävention der Osteoporose und osteoporosebedingter Frakturen ist die Verabreichung einer Hormonersatztherapie (HET). Allerdings hat seit 2002 die zum Teil wenig sachliche Diskussion zur postmenopausalen HET in der Laienpresse und in bestimmten Fachmedien nicht nur unsere Patientinnen, sondern auch zahlreiche Kollegen massiv verunsichert. Die Folge ist eine – wie wir heute wissen – unberechtigte Angst, nach der Menopause eine alleinige Östrogengabe (EET) oder eine kombinierte Östrogen/Gestagentherapie (HET) auch dann einzusetzen, wenn eine klare Indikation gegeben ist. Zu den eindeutigen Indikationen einer HET/EET gehört ■ an erster Stelle die Behandlung der subjektiven
klimakterischen Beschwerden ■ an zweiter Stelle die Prophylaxe der postme-
nopausalen Osteoporose, insbesondere in den ersten Jahren nach der Menopause. Gerade diese zweite Indikation spielt angesichts der heutigen hohen durchschnittlichen Lebenserwartung eine grosse Rolle.
Prävention der postmenopausalen Osteoporose
Heutige Datenlage Absolut notwendige, einfache, aber leider oft nicht ausreichende Massnahmen zur Prävention der postmenopausalen Osteoporose sind eine regelmässige
körperliche Aktivität, eine genügende Aufnahme von Kalzium (nach der Menopause 1200–1500 mg/Tag) und Vitamin D (nach heutiger Sicht mindestens 800 IE/Tag) und der Verzicht auf Rauchen. Bei Frauen, welche zur Behandlung ihres klimakterischen Syndroms Östrogene allein (EET) oder eine Östrogen/Gestagenkombination (HET) einnehmen, stellt die damit gleichzeitig erreichte Osteoporoseprävention einen zusätzlichen Nutzen zur primär beabsichtigten Linderung des klimakterischen Syndroms dar. Während das klimakterische Syndrom (sowie eine infolge Östrogenmangels verminderte Lebensqualität) für die HET/EET-Indikation nie umstritten war – bei Nichtansprechen auf mögliche Alternativen –, wurde die Rechtfertigung einer HET/EET zur Prävention der Osteoporose bei oligo- oder asymptomatischen Frauen als Folge der Erstpublikation der WHI infrage gestellt (1). Dass eine HET den postmenopausalen Knochenverlust verhindert, haben C. Christiansen et al. bereits 1981 (2) schlüssig nachgewiesen. Mit der PEPI-Studie (3) wurde der osteoprotektive Effekt erstmals mit einer doppelblinden randomisierten, plazebokontrollierten Versuchsanlage formell durch einen signifikanten Anstieg der Knochendichte sowohl an der Wirbelsäule als auch am Schenkelhals gesichert. Während diese ersten Studien sich noch als Ersatzparameter auf die Knochendichtemessung mittels DEXA stützten, zeigt die WHI (4) eine signifikante Verminderung des Frakturrisikos an allen erfassten Stellen des Skeletts (Wirbelsäule, Vorderarm, Schenkelhals; vgl. Tabelle 1). Sowohl die PEPI- als auch die WHI-Studie wurden mit konjugierten equinen Östrogenen (CEE, 0,625 mg pro Tag), fest kombiniert mit Medroxyprogesteronacetat (2,5 mg pro Tag), durchgeführt. Gleich gute Resultate werden aber auch mit peroralem 17-Östradiol (2 mg pro Tag) und transdermalem Östradiol (50-er Pflaster) erzielt. Diese Angaben entsprechen der klassischen Östrogendosierung.
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SCHWERPUNKT
Dosierung Heute geht der Trend eindeutig zu niedrigen Dosierungen, um die Nebenwirkungsrate weiter zu senken. Daher werden vermehrt Behandlungsschemata nach dem sogenannten Low-Dose- und Ultra-Low-Dose-Therapieprinzip eingesetzt (Tabelle 2). Für beide Dosierungsprinzipien, Low-Dose und Ultra-LowDose, ist ein protektiver Effekt auf das Skelett gesichert (5–7). Allerdings ist die Wirkung auf das Skelett bis zu einem gewissen Grad dosisabhängig, sodass insbesondere bei jüngeren Frauen und wenn die Osteoporoseprävention im Vordergrund steht eher die klassische Dosierung zu wählen ist. Es muss auch erwartet werden, dass bei den heutigen sehr niedrigen Dosierungen sich mehr Frauen finden, welche hinsichtlich des Knochenschutzes nicht in erwünschtem Masse auf die Östrogengabe ansprechen (sog. «Versager»). Zudem liegen für die Low-Dose- und Ultra-Low-Dose-Behandlungsprinzipien zurzeit noch keine Frakturdaten vor, sodass wir uns allein auf die Knochendichte gemäss DEXA als Ersatzparameter stützen können.
Wahl des Gestagens Bei Frauen mit erhaltenem Uterus ist auch heute noch die Zugabe eines Gestagens zur Östrogenkomponente obligatorisch. Aus der Sicht der Osteoporoseprävention sind allerdings nicht alle Gestagene gleichwertig: Wie Abbildung 1 zeigt, hat Norethisteronacetat (NETA) auf den Knochen einen günstigeren Effekt als andere Gestagene (z.B. Medroxyprogesteronacetat [MPA] oder natürliches mikronisiertes Progesteron). Für Gestagene gibt es somit keinen Klasseneffekt.
Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie aus heutiger Sicht
Kardiovaskuläre Wirkung In der Erstpublikation der WHI sah es aus, als ob eine Hormonersatztherapie generell das kardiovaskuläre Risiko erhöhe (1). In dieser ersten Datenauswertung wurde aber nicht berücksichtigt, dass das Durchschnittsalter der Studienteilnehmerinnen über 63 Jahren lag und somit die Menopause mehr als zehn Jahre zurücklag. Die neuesten Analysen aus der gleichen Studie zeigen ein völlig
Tabelle 1:
Wirkung von konjugierten equinen Östrogenen (CEE) plus Medroxyprogesteronacetat (MPA) auf das Frakturrisiko (WHI-Studie)
Schenkelhals Wirbelsäule Vorderarm Total *signifikant
Hazard Ratio 0,67 0,65 0,71 0,76
Nominales 95%-Vertrauensintervall 0,47–0,96* 0,46–0,92* 0,59–0,85* 0,69–0,83*
(Jane A. Cauley et al. JAMA 2003; 290: 1729–38)
Tabelle 2:
Terminologie für verwendete Östrogene* in verschiedenen HET-Präparaten – nach abnehmender Dosierung
Hoch Standard
Konjugierte equine Östrogene (mg) (CEE) Mikronisiertes17-Östradiol (mg) Östradiol-Valerat (mg) Transdermales 17-Östradiol (mg)
1,25/0,9** 4,0
100
0,625 2,0 2,0 50
Niedrig
Ultra-
(Low-Dose) Low-Dose
0,3/0,45 0,15
1,0 0,5
1,0
25 14**
Zu beachten: Bioequivalenz nicht untersucht. *Definitionen und die in einzelnen Ländern verfügbaren Dosierungen können variieren. **Als perorales resp. transdermales Produkt nur in den USA erhältlich.
anderes Bild: Werden die Resultate dem Alter entsprechend aufgeschlüsselt, so zeigt es sich, dass bei jüngeren Frauen (weniger als 10 Jahre Abstand seit der Menopause oder jünger als 60 Jahre) kein Anstieg des kardiovaskulären Risikos erfolgt. Im Gegenteil: Der Trend zeigt einen protektiven Effekt (8, 9). Hingegen bestätigt sich bei älteren Frauen der in einer Erstpublikation befürchtete Risikoanstieg. Diese Daten stimmen gänzlich mit den Resultaten der Nurses Health Study überein, einer soliden, gross angelegten Beobachtungsstudie, welche bereits 1976 begonnen worden war (Abbildung 2) (10). Das Gleiche gilt für das Schlaganfallrisiko: Wird die Altersgruppe der 50- bis 59-jährigen Frauen in der WHI-Studie betrachtet, so findet sich weder unter Östrogen allein noch unter Östrogen/ Gestagenkombination ein signifikanter Risikoanstieg (11, 12). Seit Jahren ist bekannt, dass das thromboembolische Risiko unter einer peroralen Hormonersatztherapie leicht ansteigt. In der WHI-Studie beträgt der Risikoanstieg 2 zusätzliche Fälle pro Jahr pro 10 000 Frauen, dies wiederum in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen.
Plazebo MPA Progesteron NETA E2 E2+MPA E2+NETA
Abbildung 1: Knochenmineraldichte (BMD) an der Hüfte nach zweijähriger Behandlung
Nach Canonico et al. (13) kann dieser Risikoanstieg durch eine transdermale Östrogengabe vermieden werden. Diese Daten bedürfen allerdings noch einer Bestätigung. Auch die Dosisfrage spielt beim thromboembolischen Risiko eine Rolle: je niedriger die Dosierung, desto geringer der Risikoanstieg.
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SCHWERPUNKT
KHK-Risiko unter HET in zwei Altersgruppen
(Ausschluss: Frauen mit vorbestehender KHK)
50–59 Jahre
60 + Jahre
Abbildung 2: Postmenopausale HET und KHK (Nurses Health Study 1976 bis 2000)
Plazebo Invasive Brustkarzinome bei HET/EET-Anwenderinnen
Kolorektalkarzinome bei HET/EET-Anwenderinnen
Endometriumkarzinome bei HET/EET-Anwenderinnen
Alle Tumore bei HET/EET-Anwenderinnen
= 95% nichtkorrigiertes Vertrauensintervall = 95% korrigiertes Vertrauensintervall
Abbildung 3: WHI-Resultate: Krebsinzidenz unter Hormonersatztherapie
Tabelle 3:
Risikofaktoren für Brustkrebs
Faktor Schwangerschaft > 30. Lebensjahr BMI > 35 vor der Menopause BMI > 30 nach der Menopause Alkohol > als 3 Einheiten/Tag Hohe Zufuhr saturierter Fette Späte Menopause (5 Jahre) Essen 1/4 Grapefruit/Tag Aktuelle HET/EET-Einnahme
Relatives Risiko 1,48 0,70 1,48 1,38 2,00 1,14 1,20 1,09 (086–1,39)
Data partly from Collaboratoy group on hormonal factoring breast cancer. Lancet 1997; 350: 1047 and WHI-Trial. JAMA 2003; 289: 343–345.
Risiko für Karzinome Eine Übersicht über das in der WHI-Studie gefundene Karzinomrisiko zeigt Abbildung 3. Innerhalb der Beobachtungszeit fand sich für kein Karzinom ein signifikanter Anstieg, wenn das korrigierte 95%-Vertrauensintervall (95% aCI) berücksichtigt wird.
■ Brustkrebs Tabelle 3 zeigt das heute bekannte Risiko einer fest kombinierten Östrogen/Gestagenbehandlung im Vergleich zu anderen Risikofaktoren. Aus der Tabelle geht hervor, dass das Risiko für Mammakarzinome unter einer HET in einem ähnlichen Bereich liegt wie bei anderen
Risikofaktoren (z.B. bei früher Menarche vor 11. Lebensjahr, erster Schwangerschaft nach 35. Lebensjahr, Nulliparität oder mittlerer regelmässiger Alkoholeinnahme von 20 g pro Tag oder mehr). Wie Abbildung 3 zeigt, besteht in der WHI-Studie bei Frauen, welche zuvor nie Hormone eingenommen hatten, kein erhöhtes Risiko bis zu einer Beobachtungsdauer von bis zu sieben Jahren, und zwar weder unter der fixen Kombination von konjugierten Östrogenen plus MPA noch unter Östrogen allein (14, 15). Gemäss der Reanalyse der Oxford Collaborative Group (16) steigt nach fünf Jahren das Risiko leicht an (2 zusätzliche Erkrankungsfälle auf 1000 Frauen innert 5 Jahren). Diese Angaben beruhen auf älteren Studien mit teilweise hoch dosierter Östrogengabe. 2007 gab es Hinweise, dass nach 2002 in den Vereinigten Staaten das Brustkrebsrisiko parallel zu den Verkaufszahlen von Hormonpräparaten abgesunken sei (17). Die Erklärung für dieses Phänomen muss offen bleiben, denn in anderen Ländern, beispielsweise England (R. Farmer, persönliche Mitteilung, 2007) fand dieser Rückgang neu diagnostizierter Brustkrebsfälle nicht statt, obwohl die Verkaufszahlen von Hormonpräparaten in gleichem Masse wie in den Vereinigten Staaten gesunken waren. Denkbar wäre, dass in den USA im Gegensatz zu England mit dem Rückgang der Hormoneinnahme auch die Disziplin für das Mammakarzinomscreening abnahm und dadurch weniger Mammakarzinome erfasst wurden.
■ Endometriumkarzinom Alle Frauen mit einer intakten Gebärmutter, welche Östrogene anwenden, sollten zum Schutz des Endometriums zusätzlich ein Gestagen erhalten. Frauen nach Hysterektomie benötigen kein Gestagen, ausser in Fällen mit einer schweren Endometriose in ihrer Anamnese. Durch eine fixkombinierte Beigabe des Gestagens zum Östrogen ist der Endometriumschutz gewährleistet (Abbildung 3). Bei einer sequenziellen Gabe sollte die Verabreichungsdauer des Gestagens mindestens 12 bis 14 Tage pro Monat betragen. Die heute vorliegenden Resultate zum sogenannten Langzyklus sind widersprüchlich. Als Alternative zur per-
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Jährliche Inzidenz pro 1000 Frauen
Odds Ratio für Gesamtmortalität Statistische Signifikanz
< 60 Jahre
> 60 Jahre
Abbildung 4: KHK-Ereignisse assoziiert mit HET bei jüngeren und älteren postmenopausalen Frauen (Metaanalyse von 23 Studien, 39 049 Teilnehmerinnen, 191 340 Patientinnenjahre)
Bisposphonate
SERM Hüfte
HET Handgelenk
Schlussfolgerungen für den HET-Einsatz zur Osteoporoseprävention
Abbildung 5 zeigt schematisch, welche praktischen therapeutischen Empfehlungen heute für die einzelnen Altersgruppen gegeben werden können.
■ Vorzeitige Menopause Bei jeder vorzeitigen Menopause gilt die Grundregel, dass einerseits zur Verbesserung der Lebensqualität und anderseits zur Senkung des Osteoporoserisikos eine Hormonersatztherapie mindestens bis zum normalen Menopausenalter durchgeführt werden muss. Wir dürfen davon ausgehen, dass damit gleichzeitig das kardiovaskuläre Risiko auf das Risiko einer gesunden Population mit zeitgerechter Menopause gesenkt wird. Für Frauen in der Altersgruppe der vorzeitigen (unter 40 Jahren) oder frühen (unter 45 Jahren) Menopause sind keinerlei Daten zu möglichen Alternativen zur HET (wie Bisphosphonate, SERM oder Strontium-Ranelat) bekannt. Eine Hormonersatztherapie bleibt somit in dieser Altersgruppe immer noch die Methode der Wahl zur Osteoporoseprävention.
Alter (Jahre)
Abbildung 5: Präventive und therapeutische Optionen zur Frakturprävention in der Postmenopause
oralen oder transdermalen Gestagenverabreichung steht uns in Europa eine Intrauterinspirale zur Verfügung, welche 20 µg Levonorgestrel enthält. Dieses System gewährt einen ausreichenden Schutz und stellt eine gute Alternative für die orale oder transdermale Gestagenverabreichung dar.
Eine kombinierte perorale HET reduziert wahrscheinlich das Risiko von kolorektalen Karzinomen (Abbildung 3). Interessanterweise wurden diese Daten aus dem kombinierten Östrogen/Gestagenarm der WHI-Studie durch die Beobachtungen unter alleiniger Östrogengabe nicht bestätigt.
■ Ovarialkarzinom Alle prospektiven randomisierten Studien haben keine Zunahme des Risikos für Ovarialkarzinome unter einer HET gefunden (Abbildung 3). Dies steht im Gegensatz zu einigen wenigen Beobachtungsstudien, welche bei Langzeiteinnahme einen minimen Anstieg suggerieren.
■ Andere Karzinome Eine Hormonersatztherapie bewirkt keinen Anstieg des Zervixkarzinomrisikos.
Gesamtmortalität Trotz aller Befürchtungen von 2002 ist es heute gesichert, dass die Gesamtmortalität unter einer Hormonersatztherapie nicht ansteigt. Wie Abbildung 4 zeigt, besteht bei Frauen unter 60 Jahren eine Reduktion der Gesamtmortalität, bei Frauen über 60 Jahren bleibt die Gesamtmortalität unverändert, verglichen mit Gleichaltrigen, die keine Hormone anwandten (18).
■ Frühe Postmenopause (bis zu 10 Jahren nach der Menopause resp. Lebensalter unter 60)
Auch in dieser Altersgruppe kann die Hormonersatztherapie zur Osteoporoseprävention als erste Wahl empfohlen werden, wenn ein erhöhtes Frakturrisiko besteht. Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der bereits erwähnten Alternativen (Bisphosphonate, SERM, Strontium-Ranelat) fehlen auch hier bis heute noch.
■ Spätere Postmenopause (mehr als 10 Jahre nach der Menopause, über 60 Jahre alt)
Der Beginn einer Hormonersatztherapie nach dieser Altersgrenze mit dem einzigen Ziel der Prävention einer Osteoporose respektive von osteoporosebedingten Frakturen ist als erste Wahl nicht zu empfehlen, da für diese Altersgruppe gut belegte, wirksame und sichere Alternativen zur Verfügung stehen (Bisphosphonate, SERM, Strontium-Ranelat). Das Fortführen einer HET, welche in der frühen Postmenopause begonnen wor-
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den ist, muss individuell erwogen werden. Dabei muss insbesondere die primäre Indikation einer Behandlung fortbestehender klimakterischer Beschwerden sowie einer verminderten Lebensqualität als Folgen des Östrogenmangels berücksichtigt werden. Liegt keine klare Indikation für die HET-Weiterführung vor, sollte auf eine der erwähnten Alternativen gewechselt werden. Detaillierte Statements und weiterführende Literatur finden sich auf der Internetseite der Internationalen Menopausen-Gesellschaft (19).
Zusammenfassung
Eine HET/EET kann als Erstwahlbehandlung bei früh-postmenopausalen Frauen mit zeitgerechter Menopause zur Senkung des Risikos von osteoporosebedingten Frakturen empfohlen werden. Für jüngere Frauen (vorzeitige Menopause und frühe zeitgerechte Postmenopause) besteht für eine HET/EET eine absolute Indikation. Für beide Altersgruppen liegen keine Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der heute bekannten Alternativen vor. Bei Frauen in den ersten Jahren nach zeitgemässer Menopause und insbesondere bei solchen mit früher respektive vorzeitiger Menopause kann eine HET ohne Angst vor einem möglichen Anstieg des kardiovaskulären Risikos begonnen werden. Wird eine fest kombinierte HET in der frühen Postmenopause begonnen, so steigt das Brustkrebsrisiko nach den heute vorliegenden Daten innert der ersten sieben Jahre der Anwendung nicht an. Auch Frauen nach Hysterektomie, welche mit Östrogen allein substituiert werden, weisen kein erhöhtes Risiko für Mammakarzinome auf. Schliesslich muss festgehalten werden, dass die Gesamtmortalität bei Frauen, welche ihre Hormonersatztherapie vor
dem 60. Altersjahr beginnen, nicht an-
steigt, sondern nach neueren Daten so-
gar vermindert ist.
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Prof. Dr. med. Martin Birkhäuser Inselspital Frauenklinik Gynäkologische Endokrinologie Effingerstrasse 102 3010 Bern E-Mail: martin.birkhaeuser@insel.ch
Quellen:
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