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Was kommt nach Tamoxifen?
Neue Indikation für den Aromatasehemmer Letrozol im Gespräch
Der Aromatasehemmer Letrozol (Femara®) hat vor kurzem die Zulassung für die erweiterte adjuvante Behandlung bei postmenopausalen Brustkrebspatientinnen in einem beschleunigten Verfahren der Swissmedic erhalten. Die Schweiz ist das erste europäische Land, welches den Aromatasehemmer für die Indikation primäres Mammakarzinom mit hormonrezep-
torpositivem oder –unbekanntem Status nach der standardmässigen Tamoxifengabe über zirka fünf Jahre zulässt. Ausschlaggebend waren die hochsignifikanten Ergebnisse einer gross angelegten randomisierten Vergleichsstudie (1), die schon nach kurzer Zeit zur Entblindung und damit zur vorzeitigen Beendigung der Studie geführt haben.
Gynäkologie: Herr Professor Herrmann, was können die betreffenden Frauen von der erweiterten Adjuvanz mit Letrozol an positiven Wirkungen erhoffen? Professor Dr. med. Richard Herrmann: Die jetzt vorliegenden Ergebnisse der zweiten Analyse der MA-17-Studie bestätigen, dass mit der Letrozol-Behandlung, die nach fünfjähriger Tamoxifen-Behandlung bei postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs verabreicht wird, das krankheitsfreie Überleben verlängert werden kann. Ferner kann das Auftreten von Lokalrezidiven und von Fernmetastasen sowie das Risiko eines kontralateralen Mammakarzinoms vermindert werden.
Kann denn auch von einem verlängerten Überleben der Frauen, die nach der mehrjährigen Tamoxifentherapie Letrozol einnehmen, ausgegangen werden? Herrmann: In den aktuellen Studiendaten zeigt sich, dass für die Frauen, die ein nodal positives Mammakarzinom hatten, bereits jetzt ein signifikanter Überlebensvorteil nachgewiesen werden kann.
Die Patientinnen hatten während der etwa fünfjährigen adjuvanten Tamoxifentherapie mit teils erheblichen Nebenwirkungen und Risiken zu kämpfen; viele glauben sich nach Behandlungsende «erlöst». Nun wird eine weitere Therapie vorgeschlagen. Mit welchen häufigsten Nebenwirkungen des Aromatasehemmers sind die Vorteile «erkauft», und welche präventiven und therapeutischen «Gegenmassnahmen» empfehlen Sie?
Prof. Richard Herrmann, Chefarzt Onkologie, Universitätsspital Basel
Herrmann: Zunächst ist es nach meiner Erfahrung eher so, dass viele Frauen nach der fünfjährigen Tamoxifen-Einnahme verunsichert sind, wenn wir ihnen sagen, dass damit die Behandlung ihres Brustkrebses abgeschlossen ist, obwohl weiterhin ein Rückfallrisiko besteht. Bei genauer Betrachtung der Nebenwirkungsraten in der mit Letrozol behandelten Patientinnengruppe zeigt sich, dass die Unterschiede im Vergleich zu der Plazebo-Gruppe eigentlich relativ gering sind. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hitzewallungen (58 % vs. 54 % bei Letrozol versus Plazebo), arthritische Beschwerden (25 % vs. 21 %), Muskelschmerzen (15 % vs. 12 %). Auch das Risiko für eine Osteoporose ist bei den mit Letrozol behandelten Patientinnen grös-
ser (8 % vs. 6 %). Hier besteht insbesondere die Sorge, dass die Inzidenz in der mit dem Aromatasehemmer behandelten Gruppe bei längerer Beobachtung noch höher werden könnte. Zurzeit wird getestet, ob durch eine BisphosphonatProphylaxe diese Komplikation günstig beeinflusst werden kann.
Neben Letrozol, für das ja jetzt die Zulassung für die erweiterte Adjuvanz vorliegt, gibt es die beiden anderen Aromatasehemmer Exemestan und Anastrozol, die ebenfalls viel versprechende neuere Studienergebnisse zeigen: Was gibt Letrozol den aktuellen Daten zufolge den Vorzug? Herrmann: Letrozol erreicht insgesamt gesehen die höchste Risikoreduktion, allerdings im Vergleich zu Plazebo, nicht im Vergleich zu Tamoxifen. Da bis zum jetzigen Zeitpunkt von den meisten Spezialisten Tamoxifen in der primären adjuvanten Situation in der Postmenopause immer noch als Standard angesehen wird, kommt für die Weiterbehandlung dieser Patientinnen nach fünfjähriger Tamoxifen-Behandlung eigentlich nur Letrozol in Frage, da es die einzige Substanz ist, die in dieser Situation erfolgreich getestet wurde.
Bei den hochsignifikanten Vorteilen, die jetzt für Letrozol gegenüber Tamoxifen vorliegen, wäre ein früherer postoperativer Aromatasehemmer-Einsatz, etwa schon nach zwei Jahren, denkbar. Erste sehr positive Ergebnisse liegen nach ei-
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ner neuen Studie mit Exemestan vor (2). Was ist aus der Forschung zu erwarten? Herrmann: In der BIG-1-Studie wurden über 9000 Patientinnen weltweit in vier Therapiearmen randomisiert. Sie erhielten entweder 5 Jahre lang Tamoxifen, 5 Jahre lang Letrozol, 2 Jahre Tamoxifen gefolgt von 3 Jahren Letrozol oder 2 Jahre Letrozol gefolgt von 3 Jahren Tamoxifen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie, nämlich der Vergleich der beiden Einzelsubstanzen, werden voraussichtlich innerhalb der nächsten zwölf Monate vorgestellt. Im Zusammenhang mit den Daten zum Exemestan könnten die Ergebnisse dieser Studie den Therapiestandard beeinflussen. Interessant wären Vergleichsstudien in der Post-Tamoxifen-Adjuvanz mit den drei Aromatasehemmern. Sind solche Untersuchungen geplant? Herrmann: Ich erwarte nicht, dass solche Untersuchungen durchgeführt wer-
den, da eher davon ausgegangen werden muss, dass die Aromatasehemmer in Zukunft bereits in einem früheren Zeitpunkt eingesetzt werden (vergleiche die Exemestan-Studie und die beschriebene BIG-1-Studie).
Werden sich die Empfehlungen der
nächsten St. Galler Konsensuskonferenz
im Februar 2005 für die adjuvante Thera-
pie bei primärem Brustkrebs Ihrer Mei-
nung nach ändern? Wenn ja, inwiefern?
Herrmann: Ich möchte hier den Beschlüs-
sen der Expertenkommission nicht vorgrei-
fen. Die Beschlüsse werden mit Sicherheit
auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt vor-
liegenden Erkenntnisse fallen. Es ist jedoch
zu vermuten, dass die Aromatasehemmer
in der adjuvanten Therapie des Mamma-
karzinoms in der Postmenopause eine
grössere Rolle spielen werden.
Ganz herzlichen Dank für dieses Ge-
spräch!
◗
Das Interview führte Bärbel Hirrle.
Quellen: 1. Goss, P.E. et al.: A randomized trial of letrozol in postmenopausal women after 5 years of Tamoxifen therapy for early stage cancer. NEJM 2003; 349: 1793–1802. 2. Coombes, R. Ch.: A randomized trial of Exemestan after 2 to 3 years of Tamoxifen therapy in postmenopausal women. NEJM 2004; 350: 1081–1092. 3. Baum, M. et al.: Anastrozole alone or in combination with tamoxifen alone for adjuvant therapy of postmenopausal women with early breast cancer (ATAC). Lancet 2002; 359: 2131–2139.
sowie: Novartis «Onco-Talk», Zürich, 16. September 2004
Kasten: Wegweisende Studien mit den neuen Aromatasehemmern
Indikation: Adjuvanz bei primärem hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom
1. Die aktuelle Zulassung von Letrozol (Femara®) in der Post-Tamoxifen-Adjuvanz stützt sich auf die hochsignifikanten Ergebnisse der MA-17-Studie (1). Die von firmenunabhängiger Seite initiierte Studie (National Cancer Institute of Canada) wurde Mitte 2003 nach den Resultaten der ersten Interimsanalyse vorzeitig entblindet, um allen Frauen die Möglichkeit zu geben, von der adjuvanten Letrozol-Gabe zu profitieren. Design und Interimsergebnisse: Knapp 5200 betroffene postmenopausale Frauen nach 4,6- bis 6-jähriger Tamoxifentherapie wurden für eine fünfjährige Therapiedauer mit entweder 2,5 mg Letrozol oder Plazebo per os täglich ausgewählt. Nach durchschnittlich 2,4-jähriger Behandlung kam es bei insgesamt 207 Frauen zu lokalen oder metastasierenden Rezidiven beziehungsweise Karzinomen in der kontralateralen Brust, 75 in der Letrozol-, 132 in der Plazebogruppe. Dies entspricht einer 43%-igen Rezidivreduktion und 46%-igen Reduktion einer Tumorentwicklung in der kontralateralen Brust unter dem Verum. Die Endresultate von MA-17 nach medianer 2,5-monatiger Behandlung wurden auf der ASCO-Jahresversammlung im Juni 2004 präsentiert. Die wichtigsten Daten verglichen mit Plazebo: q Das Rezidivrisiko wurde um 42% reduziert. q Bei lymphknotenpositiven Patientinnen (die Hälfte aller Studienteilnehmerinnen) wurden Todesfälle um signifikante 39% reduziert. q Neu diagnostizierte Osteoporose war häufiger unter Letrozol (6,9 vs. 5,5%) (aber keine Unterschiede hinsichtlich der Knochenbrüche). q Keine Unterschiede hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse und Lipidprofil.
2. Eine dieses Jahr publizierte Studie mit Exemestan (Aromasin®) (2) ergab in der Interimsanalyse, dass schon nach zirka 2,5-jähriger Tamoxifen-Adjuvanz die Weiterbehandlung mit Exemestan das krankheitsfreie Überleben gegenüber Tamoxifen signifikant verlängert. Design und Interimsergebnisse: Im randomisierten Doppelblinddesign erhielten die eingeschlossenen 4742 Patientinnen aus 37 Staaten im Anschluss an ihre 2- bis 3-jährige Tamoxifenbehandlung entweder oral 25 mg Exemestan oder 20 mg Tamoxifen täglich für weitere 2 bis 3 Jahre. Die Interimsanalyse nach durchschnittlich 30,6 Monaten zeigte insgesamt 449 erste Ereignisse (lokale Rezidive, Metastasen, kontralateraler Brustkrebs oder Tod), davon 183 in der Exemestan- und 266 in der Tamoxifengruppe. Errechnet wurde daraus eine Risikoreduktion um 32% unter dem Aromatasehemmer. Häufiger als unter Tamoxifen kam es unter dem Studienpräparat zu Osteoporose (171 vs. 134 Frauen), zu Arthralgie (124 vs. 85) und Diarrhö (110 vs. 54 Frauen), wohingegen unter Tamoxifen vor allem gynäkologische Symptome, Muskelkrämpfe und thromboembolische Erkrankungen öfter vorkamen. Sekundäre primäre Karzinome, vor allem Endometrium- und Lungenkarzinome, traten unter Exemestan deutlich seltener auf.
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3. Die publizierte ATAC-Studie (3) mit Anastrozol (Arimidex®) hat schon 2002 gezeigt, dass der Aromatasehemmer Anastrozol in der adjuvanten Therapie zu besseren Ergebnissen führt als die Standardtherapie mit Tamoxifen. Es handelt sich um die grösste klinische Studie, die jemals in der Brustkrebstherapie durchgeführt wurde. Design und Ergebnisse: 9366 postmenopausale Patientinnen erhielten randomisiert Anastrozol (1 mg), Tamoxifen (20 mg) oder die Kombination beider Substanzen. Die 2001 präsentierte Hauptanalyse liess nach einem medianen Follow-up von 33,3 Monaten schon sehr klar erkennen, dass Anastrozol gegenüber Tamoxifen einen signifikanten Vorteil hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens hat. Für die Kombination wurde kein Vorteil gefunden. Das Update im Dezember 2002 mit einem medianen Follow-up von nunmehr 47 Monaten zeigte, dass der Vorteil von Anastrozol sogar weiter zunahm: q Die Erstereignisrate betrug 13,2% (vs. 15,1% unter Tamoxifen) q Für das krankheitsfreie Überleben bedeutet dies eine signifikante relative Risikoreduktion von 14%, bei den Frauen mit hormonrezeptorpositivem Tumor
um 18%. q Das Verträglichkeitsprofil war unter Anastrozol besser als unter Tamoxifen, vor allem traten deutlich weniger gynäkologische Ereignisse auf.
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