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SCHWERPUNKT
Die HRT in der Osteoporoseprävention
Die aktuellen evidenzbasierten Empfehlungen
PD Dr. med. Peyman Hadji und Kollegen
80 bis 90 Prozent der Osteoporosefälle bei Frauen sind durch den physiologischen Abfall des Östradiolspiegels im Rahmen der Menopause bedingt. Aus diesem kausalen Zusammenhang begründet sich die Rationale zum Einsatz
einer HRT zur Osteoporoseprävention. Im Folgenden wird eine aktuelle Übersicht über die Möglichkeiten und Risiken einer HRT im Rahmen der Osteoporoseprävention gegeben.
Von der Volkskrankheit Osteoporose sind Frauen in mehrfacher Weise stärker als Männer betroffen: ◗ Frauen erkranken vier- bis fünfmal
häufiger. ◗ Die Frakturen treten in einem wesent-
lich früheren Lebensabschnitt auf. ◗ Aufgrund ihrer höheren Lebenserwar-
tung müssen Frauen länger mit den zum Teil drastischen Einschränkungen leben. Insgesamt wird jede dritte postmenopausale Frau eine osteoporosebedingte Fraktur erleiden.
Pathophysiologie
Das Knochengewebe unterliegt einem lebenslangen kontinuierlichen Auf- und Abbau. Bei diesem als «Bone Remodelling» beschriebenen Vorgang werden jährlich etwa 4 bis 10 Prozent der gesamten Knochenmasse erneuert. Die maximale Knochenmasse (Peak Bone Mass) ist abhängig von genetischer Disposition, Menarchealter, Ernährung, Lebensgewohnheiten, körperlicher Aktivität und dem Konsum von Genussmitteln; sie wird zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr erreicht. In Abhängigkeit von Risikofaktoren sowie endokrinologischen Erkrankungen bleibt die einmal erreichte Knochendichte bei ausgeglichenem Knochenstoffwechsel bis zum Eintritt in die Menopause erhalten. Durch den postmenopausalen Östradiolmangel wird der Remodellingzyklus auf einem erhöhten Frequenzniveau eingestellt, das heisst Knochenauf- und -ab-
bau erfolgen schneller als vor der Menopause. Durch die verstärkte Aktivität der Osteoklasten steigt die Zahl der Resorptionslakunen auf der Knochenoberfläche, deren Tiefe und Ausdehnung nimmt zu. Als Folge werden die Knochenbälkchen verdünnt, und bei weiterem Fortschreiten des Knochenabbaus verschwinden die Querverbindungen vollständig. Dies kann in den Wirbelkörpern zu Sinterungsfrakturen oder auch zu Einbrüchen der Endplatten führen. Neben der direkten Wirkung des Östrogens auf den Knochenmetabolismus wirkt sich der Verlust an Östrogenen auch nachteilig auf die Muskulatur aus, indem der anabole Effekt reduziert wird. Durch die Abnahme der Muskelkraft erfolgt ein biomechanisch basierter Knochenabbau. Durch den postmenopausalen Östrogenmangel kommt es zu einem individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten, diskontinuierlichen Knochendichteverlust, welcher in den ersten zehn bis 15 Jahren nach der Menopause besonders stark ausgeprägt ist. Postmenopausal wird ein Mineralsalzverlust um 1 bis 2 Prozent pro Jahr bei etwa zwei Dritteln aller Frauen als physiologisch angesehenen. Bei rund einem Drittel kommt es jedoch zu einem erheblich grösseren, diskontinuierlichen Verlust mit der Folge einer osteoporosebedingten Fraktur.
Diagnose
Die Diagnostik der Osteoporose besteht aus einer Kombination von Anamnese, körperlicher Untersuchung, Osteodensi-
tometrie/-sonometrie, gegebenfalls konventionellem Röntgen und Laborwertbestimmungen. Ziel dieser mehrere Schritte umfassenden Diagnostik ist die Erstellung eines individuellen Risikoprofils mit anschliessender Therapieentscheidung. Hierbei sind die Verfahren zur Knochendichtemessung (DXA und QUS) gleichwertig in der Lage, das individuelle Frakturrisiko vorauszusagen. Als Goldstandard gilt jedoch aufgrund der Datenlage zurzeit das DXA-Verfahren, auf dessen Basis die Diagnosestellung beruht.
Prävention
Die Präventionsstrategien der postmenopausalen Osteoporose umfassen ◗ die Frakturprophylaxe über eine
Beeinflussung von Risikofaktoren bei Frauen ohne bisherige Erkrankung (Primärprävention) ◗ die möglichst frühzeitige Erfassung und Behandlung von Frauen, bei denen eine Osteoporose, aber noch keine Fraktur vorliegt (Sekundärprävention), und ◗ die Verhütung weiterer Frakturen und die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit bei Frauen, die bereits osteoporotische Frakturen erlitten haben (Tertiärprävention). Ziel einer optimierten Prävention der postmenopausalen Osteoporose ist in jedem Fall die Reduktion der Frakturinzidenz und der Erhalt von Lebensqualität bei den betroffenen Frauen. Dieses Ziel sollte möglichst effektiv und – im Hinblick auf begrenzte Ressourcen – auch möglichst effizient erreicht werden.
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Die HRT in der Osteoporoseprävention
Tabelle: Knochenstoffwechselprotektive Östrogen-Mindestdosen in Verbindung mit einer ausreichenden Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung
Knochenstoffwechselprotektive Östrogen-Mindestdosen
Art der HRT
Dosis
Östradiol
oral 1 mg
Östradiolvalerat
oral 1 mg
konjugierte Östrogene
oral 0,3 mg
transdermal
25–50 µg
perkutan
1,5–2 mg
subkutan
25–50 mg
Anwendungsfrequenz täglich täglich täglich täglich täglich 6 Monate
Basistherapie Entsprechend der multifaktoriellen Genese der Osteoporose liegen die Ansatzpunkte für die Osteoporoseprävention in der Beeinflussung der Risikofaktoren. Hierbei steht im Rahmen der Allgemeinprävention die Motivation zur individuellen, eigenverantwortlichen Vorsorge durch eine Knochenstoffwechselgesunde Ernährungsweise beziehungsweise einen ebensolchen Lebensstil, bei dem regelmässige körperliche Aktivität sowie die Reduktion von Alkohol- und Nikotinkonsum im Vordergrund steht.
Grundsätzlich sollte im Rahmen der Osteoporoseprävention bei prämenopausalen Frauen eine Kalziumzufuhr von 800 bis 1200 mg/Tag sowie eine Vitamin-D-Zufuhr von 600 IE/Tag sichergestellt werden. Postmenopausale Frauen haben einen erhöhten Kalziumbedarf, sodass die Kalziumzufuhr auf 1500 mg/Tag und die Vitamin-D-Zufuhr auf 800 IE/Tag erhöht werden sollte. Bei institutionalisierten und/oder in ihrer Mobilität eingeschränkten Frauen über 65 Jahre ist eine Supplementierung mit 1200 mg Kalzium plus 800 IE genuinem Vitamin D3 p.o. täglich zu empfehlen.
Physiologische Wirkung der HRT auf den Knochenstoffwechsel
Bei der postmenopausalen Osteoporose ist durch den physiologischen Abfall des Östradiolspiegels das dynamische Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau gestört. Eine im Rahmen der Osteoporoseprävention durchgeführte Östrogen-Gestagen-Substitution führt über spezifische rezeptorvermittelte Wirkungen an Osteoblasten und Osteoklasten sowie über autokrine und parakrine Wirkungen zu einer Osteoklastenhemmung. Neben der Normalisierung des zuvor erhöhten Knochenumsatzes steigt durch die Aktivierung der Osteoblasten die Knochendichte dosisabhängig relevant an. Zusätzlich kommt es zu einer Modulation der Kalzitoninfreisetzung und der Parathormonwirkung, zu einem Anstieg der Alpha1-Hydroxylase-Aktivität und somit zu einer verstärkten Produktion des aktiven Vitamins D3 – mit der Folge einer erhöhten intestinalen Kalziumabsorption. Weitere extraskeletale, frakturrelevante Wirkun-
Dosis-Wirkung-Beziehung verschiedener HTR-Regime (Knochendichte der LWS)
Veränderung der Knochendichte
%
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2 mg 17β-E2 + 1 mg NETA kont.-kombiniert (Mc Clung et al.)
1 mg 17β-E2 + 0,5 mg NETA kont.-kombiniert (Delmas et al.)
5 1 mg 17β-E2 + 20 mg Dydrogesteron
zyklisch (Stevenson et al.)
2 mg 17β-E2 + 1 mg Cyproteronacetat
4 kont.-kombiniert (Marslew et al.)
0,6 mg konj. Östrogene (Pepi-Trail)
3 0,6 mg konj. Östrogene + 2,5 mg MPA
kont.-kombiniert (Pepi-Trail)
0,6 mg konj. Östrogene + 10 mg/12 t. MPA
2 zyklisch (Pepi-Trail)
1 mg 17β-E2 (Mc Clung et al.)
1
0,3 mg konj. Östrogene + 1000 mg Kalzium (Gallagher et al.)
0,5 mg 17β-E2 (Ettinger et al.)
0 12 24
Monate
Abbildung 1: Dosis-Wirkung-Beziehung verschiedener Östrogen-Gestagen-Substitutionen
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gen der Östrogensubstitution liegen in der verstärkten Durchblutung der Muskulatur und in einer Steigerung des Hirnstoffwechsels mit einer Verbesserung der neuromuskulären Erregbarkeit.
Wirkung der HRT auf die Knochendichte Die Möglichkeit der Osteoporoseprävention durch eine Östrogen-Gestagen-Substitution ist seit den Achtzigerjahren bekannt. In der Zwischenzeit wurde die positive Wirkung auf den «Surrogatparameter» Knochendichte durch eine Vielzahl von prospektiven, plazebokontrollierten Doppelblindstudien bestätigt (vgl.
Abbildung 1). Dies konnte in Metaanalysen randomisierter klinischer Studien untermauert werden, wobei sich übereinstimmend ein positiver Effekt der Hormonsubstitution sowohl im Rahmen der Primär- als auch der Sekundärprävention zeigte (vgl. Abbildung 2). Hierbei lassen die Studienergebnisse auf eine Dosis-Wirkung-Beziehung schliessen. Während sich die orale, subkutane, transkutane und transdermale Anwendung von Östradiol, Östradiolvalerat und konjugierten Östrogenen in Verbindung mit einem entsprechenden Gestagen bei vorhandenem Uterus und unabhängig von der Applikationsform (sequenziell vs.
Prävention nichtvertebraler Frakturen durch HRT
RR für nichtvertebrale
RR für Hüft- und
Frakturen
distale Radiusfrakturen
%
Gesamt Frauen > 60 J. Frauen > 60 J. gesamt Frauen < 60 J.
0
-10
-12%
-20
-30 -27%1 -40 -50
-33%2
-40%1
-60 -55%3
-70 1 p ≤ 0,02 2 p ≤ 0,03 3 p ≤ 0,003
Torgerson et al., J am Med Ass 2001; 22: 2891–2897
Abbildung 2: Ergebnisse einer Metaanalyse zum Einfluss einer HRT auf die Frakturinzidenz
Frakturprävention in der WHI-Studie
% Gesamt- Oberschenkel- klinische Frakturen
frakturrate
halsfrakturen der Lendenwirbelsäule
0
-10
-20 -30 -23%
-40
-34%
-34%
Robbins et al., JAMA 2002; 288, JBMR 2003; in Press
Abbildung 3: Signifikante Reduktion der Frakturrate unter einer HRT im Rahmen der Women’s Health Initiative (WHI)
kontinuierlich) unter Berücksichtigung der Mindestdosis als gleichwertig erwiesen haben, zeigen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Östriol auch in höheren Dosen widersprüchliche Ergebnisse auf (Mindestdosen siehe Tabelle). In Bezug auf die verwendeten Gestagene hat sich in einer grossen Anzahl von Untersuchungen lediglich für NETA eine östrogenunabhängige Wirksamkeit auf die Knochendichte nachweisen lassen.
Hormonsubstitution und Frakturrisiko
Im Gegensatz zu anderen im Rahmen der Osteoporosetherapie eingesetzten Medikamenten, wie beispielsweise den Selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) und den Bisphosphonaten, lagen bislang zur Hormonersatztherapie nur wenige Studien zur primären und sekundären Prävention vor. Dies ist vor allem darin begründet, dass historisch gesehen die Einführung der Östrogen-GestagenSubstitution primär zur Beseitigung von klimakterischen Beschwerden erfolgte. Erst mehrere Jahre später folgten erste HRT-Studien im Hinblick auf die Osteoporoseprävention. Grosse Fall-Kontrollsowie Kohortenstudien wiesen die Reduktion osteoporosebedingter Frakturen unter der HRT nach. Hierbei zeigte sich übereinstimmend eine Reduktion des relativen Risikos von Schenkelhalsfrakturen um 25 bis 50 Prozent. In einer Metaanalyse von Torgerson et al., in die 22 prospektive, randomisierte Studien aus den Jahren 1997 bis 2000 eingingen, konnte bei Frauen unter 60 Jahren eine 33-prozentige Reduktion des Risikos für nichtvertebrale Frakturen festgestellt werden (RR = 0,67; 95% CI, 0,46–0,98; p = 0,03). Für Frauen über 60 Jahre zeigte sich jedoch lediglich ein reduzierter Effekt (RR = 0,88; 95% CI 0,71–1,08; p = 0,22). Bezogen auf Schenkelhals- und Radiusfrakturen ergab sich insgesamt eine Reduktion um 40 Prozent (RR= 0,60; 95% CI 0,4–0,91; p = 0,02), bei Frauen unter 60 Jahren sogar eine stark ausgeprägte Risikoreduktion von 55 Prozent (RR = 0,45; 95 % CI 0,26–0,79; p = 0,005) (vgl. Abbildung 2).
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Im Rahmen der Women’s Health Initiative (WHI) konnte erstmalig in einer plazebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudie die Fähigkeit der HRT zur signifikanten Reduktion von osteoporosebedingten Frakturen der Lendenwirbelsäule sowie des Oberschenkelhalses zweifelsfrei nachgewiesen werden (Abbildung 3). Hierbei zeigte sich eine signifikante Reduktion von klinisch manifesten vertebralen Frakturen um 34 Prozent (RR = 0,66; 95% CI 0,45–0,98), von Oberschenkelhalsfrakturen um ebenfalls 34 Prozent (RR = 0,66; 95% CI 0,44–0,98) sowie eine Reduktion der Gesamtfrakturrate um 23 Prozent (RR = 0,77; 95% CI 0,45–0,98). Bei Frauen mit einem erhöhten Frakturrisiko (BMI < 25) zeigte sich sogar eine Risikoreduktion von 49 beziehungsweise 51 Prozent für Schenkelhals- und Wirbelkörperfrakturen. Hervorzuheben ist hierbei, dass es sich bei den Teilnehmerinnen der WHIStudie um Frauen mit einem geringen Frakturrisiko (hoher BMI, niedriges Alter, keine Basiserhebung der Knochendichte) handelte, welche nachweislich nicht von
einer Raloxifen- oder BisphosphonatTherapie profitieren würden. Entsprechend den Empfehlungen der S3Leitlinien des Dachverbandes Osteologie zur postmenopausalen Osteoporose (PMO) sollte die Entscheidung über den Beginn einer HRT bei Frauen mit erhöhtem Osteoporoserisiko unter Abwägung von möglichen Risiken und Nutzen gemeinsam mit der Patientin getroffen werden.
Therapiebeginn und -dauer
Auch wenn eine Osteporoseprävention beziehungsweise -therapie immer in ein individuell adaptiertes Konzept eingebunden werden sollte, stellt die Therapiedauer ein zurzeit noch ungelöstes Problem dar. Hier werden zwei Konzepte diskutiert.
Konzept des frühen Einstiegs Nach dem einen Konzept sollte eine HRT bei Frauen mit hohem Frakturrisiko frühestmöglich (also unmittelbar nach der Menopause) begonnen werden, da
Kasten: Stellungnahme der International Menopause Society (IMS)
als Antwort auf die Entscheidung der EMEA, Hormonersatztherapie zur Prävention der Osteoporose nicht zu empfehlen.
Die International Menopause Society (IMS) ist fest davon überzeugt, dass die European Medicine Evaluation Agency (EMEA) bei ihrer Entscheidung, die Hormonersatztherapie (HRT) aufgrund des angeblich ungünstigen Risiko-Benefit-Verhältnisses für ungeeignet zur First-Line-Behandlung unter der Indikation «Prävention der Osteoporose bei peri- und postmenopausalen Frauen» zu erklären, wichtige Informationen übersehen hat.
Die IMS stellt daher fest: q Eine HRT ist eine sehr effektive Behandlung zur Prävention der postmenopausalen Osteoporose
sowie der osteoporosebedingten Frakturen in der Postmenopause, wie auch die WHI eindeutig gezeigt hat (Reduktion der Zahl der Wirbel- wie Hüftfrakturen). q Bei Frauen in der frühen Postmenopause ist keine alternative Therapie vorteilhafter als die Hormonersatztherapie. Individuelle Risiko-Benefit-Überlegungen sollten daher den Frauen und deren Ärzten überlassen bleiben. Da es sich bei den Probandinnen in der WHI um im Durchschnitt sehr viel ältere Frauen handelt, können Sicherheitsaspekte aus der WHI nicht auf Frauen in der frühen Postmenopause übertragen werden. Und in der Million Women Study (MWS) werden hinsichtlich der postmenopausalen Osteoporose überhaupt keine Feststellungen zum Risiko-Benefit-Verhältnis unter einer HRT getroffen. q Die Empfehlungen der EMEA zur Osteoporoseprävention bei peri- und postmenopausalen Frauen sind ungerechtfertigt und im Hinblick auf die Gesundheit postmenopausaler Frauen potenziell abträglich.
so der grösste Knochendichteverlust verhindert werden kann. Bei einem solchen Vorgehen wird gegenwärtig auch von einem protektiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System (aufgrund der zu diesem Zeitpunkt meist gering ausgeprägten Arteriosklerose) ausgegangen. Hierbei sollte die niedrigste knochenstoffwechselwirksame HRT-Dosis zur Anwendung kommen. Bei Frauen ohne Uterus sollten in Hinblick auf den noch laufenden Arm der WHI-Studie («Estrogen only»), bei dem sich bislang kein erhöhtes Risiko nachweisen liess (bislang > 7 Jahre Therapiedauer, geplant 8,5 Jahre), nur Östrogene eingesetzt werden. Das Dilemma ergibt sich durch die Veränderung der Knochendichte nach Absetzen einer HRT. Zwei Ansätze werden aufgrund der Studienergebnisse diskutiert, denn: Einerseits zeigte eine Reihe von Untersuchungen, dass sich nach Absetzen der Behandlung im Allgemeinen wieder ein Knochendichteverlust einstellt. Um Frakturen im höheren Lebensalter zu verhindern, sollte eine Langzeitsubstitution (5 bis 10 Jahre) durchgeführt werden. Hierbei wird eine Fraktur um die Jahre der HRT-Anwendung verschoben. Ob dieses Konzept im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Einnahmedauer überhaupt umsetzbar ist, ist zumindest zweifelhaft. Andererseits zeigten mehrere Studien das Fortbestehen eines protektiven Effektes auch zehn bis 15 Jahre nach einer drei- bis vierjährigen HRT. Welcher der beiden Ansätze zutrifft, kann aufgrund der gegenwärtigen Datenlage nicht eindeutig bestimmt werden.
Konzept des späten Einstiegs Da sich eine niedrig dosierte HRT auch im höheren Lebensalter (> 80 Jahre) noch positiv auf die Knochendichte auswirkt, wäre ein deutlich späterer Therapiebeginn ebenfalls denkbar. Dabei würde man in Kauf nehmen, dass zu diesem relativ späten Zeitpunkt ein grosser Teil des Knochendichteverlustes bereits erfolgt ist und dann nur noch eine deutlich geringere Wirkung erzielt werden kann. Des Weiteren muss bei
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Frauen in fortgeschrittenerem Alter von einer hohen Inzidenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie von höheren Stadien einer Arteriosklerose ausgegangen werden, bei der aufgrund der aktuellen Datenlage (HERS-Studie) keine HRT empfohlen werden kann. Abschliessend sollte die Frage nach einer HRT bei Frauen mit prämaturer Menopause und hohem Osteoporoserisiko angesprochen werden. Für diese Gruppe gilt, dass die Ergebnisse der WHI-Studie nicht übertragen werden können, was bedeutet, dass es zur HRT bislang keine echte Alternative gibt.
Fazit
Zusammenfassend ist herauszustellen,
dass die HRT die einzige nachweislich
wirksame Behandlungsoption im Rah-
men der Prävention der postmenopausa-
len Osteoporose ist. Entsprechend den
Empfehlungen der S3-Leitlinien des
Dachverbandes Osteologie zur postme-
nopausalen Osteoporose (PMO) sollte
die Entscheidung über den Beginn einer
HRT bei Frauen mit erhöhtem Osteo-
poroserisiko unter eingehender Beratung
und individueller Abwägung von mögli-
chen Risiken und erwartetem Nutzen ge-
meinsam mit der Patientin getroffen
werden.
◗
PD Dr. med. Peyman Hadji (Korrespondenzadresse) Dr. med. Karin Bock
Prof. Dr. med. Christian Jackisch Prof. Dr. med. U. Wagner
Philipps-Universität Marburg Klinik für Gynäkologie, gynäkologische Endo-
krinologie und Onkologie Pilgrimstein 3, D-35037 Marburg E-Mail: hadji@med.uni-marburg.de
Literatur beim Verfasser
Erstpublikation in: «Frauenarzt» 2004; 3 (43): 235–240. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren, des Publi-Med-Verlages sowie des Berufsverbandes der Frauenärzte Deutschlands.
Knochensubstanzverlust, Osteoporose, Knochenschmerz (Internetsites in der Schweiz)
www.donna.ch Internetsite der Patientinnenorganisation «donna mobile» – Arbeitsgemeinschaft Osteoporose Schweiz mit grundlegenden Infos, Broschüren und weiteren Kontaktadressen für betroffene Frauen und Interessierte.
www.svgo.ch Internetsite der Schweizerischen Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) mit Fachinformationen, Fortbildungsterminen und Links auf internationale Gesellschaften für Ärzte. Die Organisation hat das Ziel, Experten und an der Problematik der Osteoporose interessierte Ärzte verschiedener Fachrichtungen – Allgemeinpraktiker, Internisten, Endokrinologen, Rheumatologen, Gynäkologen, Sozial- und Präventivmediziner – zusammenzubringen.
www.rheumaliga.ch Internetsite der Rheumaliga mit vielen Infos und Kontaktadressen für betroffene Patienten.
www.knochenfitness.ch Neue Internetsite als Lernprogramm für drei Wochen für eine «knochenfreundliche Lebensweise», welche sich an Frauen, Männer und Jugendliche wendet. Erstellt wurde diese Seite von Gynäkologe Dr. med. Reto Stoffel, Richterswil, der auch eine weiter gehende Behandlung anbietet.
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