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CONGRESS WATCH
Neue Entwicklungen bei gynäkologischen Tumoren
und Brustkrebs
26. DEUTSCHER KREBSKONGRESS BERLIN 2004
Gynäkologische Tumoren und Brustkrebs nahmen auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin einen breiten Raum ein. Dabei wurden Fortschritte in der Therapie beim Mammakarzinom wie auch bei selteneren
Tumoren wie dem Ovarial- und Zervixkarzinom sowie den Uterussarkomen erläutert. Auch wurde über die neuen Möglichkeiten der supportiven Therapie referiert und diskutiert.
In Deutschland werden jährlich etwa 71 000 neue Fälle von gynäkologischen Tumoren diagnostiziert, ein Grund, warum diese Tumoren das diesjährige Schwerpunktthema darstellten. Für das Management der gynäkologischen Tumoren ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Abstimmung der Therapiekonzepte unverzichtbar. Im Folgenden einige «Highlights» in der aktuellen Diskussion.
Hormontherapie bei Mammakarzinom: von Prävention zu Second Line
In der adjuvanten Therapie bei postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom steht Tamoxifen kurz vor der Ablösung durch Aromatasehemmer. Als einzige Substanz dieser Klasse wurde Anastrozol (Arimidex®) im März 2003 in die St. Galler Konsensusempfehlungen aufgenommen, nachdem die ATAC-Studie einen signifikanten langfristigen Vorteil für diese Substanz im Vergleich zu Tamoxifen bezüglich der Rezidivrate zeigen konnte. Wie Professor Walter Jonat, Kiel, berichtete, wird derzeit in der IBIS-II-Studie untersucht, ob der Aromatasehemmer auch dem Entstehen von Mammakarzinomen vorbeugen kann. Etwa 60 000 Frauen mit hohem Mammakarzinomrisiko sollen eingeschlossen werden. Brustkrebs bei Frauen in der Prämenopause war bisher die Domäne der adjuvanten Chemotherapie. Man hat jedoch beobachtet, dass jüngere Frauen vor allem dann eine sehr schlechte Prognose aufweisen, wenn ihr Tumor hormonabhängig ist. Die ZEBRA-Studie verglich deshalb bei prämenopausalen Patientinnen mit nodalund Östrogenrezeptor-positivem Mamma-
karzinom die Wirkung eines LHRH-Agoni-
sten mit der einer Standard-Chemothera-
pie (CMF). Es stellte sich heraus, dass
Goserelin (Zoladex®) die rezidivfreie Über-
lebenszeit vergleichbar wie eine Chemo-
therapie (CMF) beeinflusste, aber besser
vertragen wird. In einer weiteren Studie
konnte für die endokrine Blockade mit
Tamoxifen/Goserelin sogar ein Vorteil ge-
genüber CMF, vor allem bezüglich der re-
zidivfreien Überlebenszeit gezeigt werden.
Ein grosses Problem der Chemotherapie
ist, dass sie bei 40 bis 90 Prozent der
Frauen die Ovarien zerstört und ein Östro-
genmangelsyndrom hinterlässt. Da die
Chemotherapie nur aktivierte Follikel zer-
stört, liegt es nahe, die Aktivierung mit
LHRH-Analoga zu unterbinden. Follikel,
die während der Chemotherapie durch
Goserelin ruhig gestellt werden, erholen
sich nach der Chemotherapie wieder und
die Ovarfunktion bleibt erhalten, wie eine
italienische Studie ergab.
Mit dem Östrogenrezeptor-Antagonisten
Fulvestrant (Faslodex®) steht eine neue
endokrine Behandlungsoption kurz vor der
EU-weiten Zulassung zur Monotherapie
nach Progression unter Tamoxifen bei
hormonsensiblem,
fortgeschrittenem
Mammakarzinom in der Postmenopause.
Es handelt sich um das erste Antiöstrogen
ohne agonistische Wirkung. Fulvestrant
blockiert Östrogenrezeptoren stärker und
vollständiger als Tamoxifen. Ausserdem ver-
hindert die Substanz die Dimerisierung von
Östrogenrezeptoren und beschleunigt da-
mit den Abbau der Rezeptoren. Der grosse
Pluspunkt von Fulvestrant ist, dass es keine
Kreuzresistenz mit anderen endokrinen
Therapien aufweist, erklärte Professor Kurt
Possinger, Berlin. Fulvestrant wird einmal
monatlich intramuskulär injiziert. In zwei
Phase-III-Studien an Patientinnen mit Mammakarzinom, die unter Tamoxifen progredient wurden, hat Fulvestrant vergleichbare Effektivität wie Anastrozol gezeigt. Östrogen-agonistische Nebeneffekte wie eine Stimulierung des Endometriums, traten unter Fulvestrant nicht auf. Die neue Substanz kann die Lücke Second-Line-therapie, die Anastrozol durch Abwandern in die First-Line-Therapie hinterlässt, gut füllen, meinte Possinger. Erste Daten zeigen auch, dass Fulvestrant nach mehreren vorausgegangenen Hormontherapien mit Tamoxifen und Aromatasehemmern noch Wirkung zeigt. In laufenden Studien wird derzeit definiert, welche Reihenfolge im Einsatz der verschiedenen Hormontherapeutika die besten Ergebnisse bringt. Es ist durchaus möglich, dass es sinnvoll wäre, Fulvestrant zu Beginn einzusetzen, um die Rezeptorkonzentration zu verringern. Sofern dies zuträfe, liesse sich danach der Tumor mit Tamoxifen besser kontrollieren, so Possinger.
Ovarialkarzinom: chirurgisch oder chemotherapeutisch?
Trotz optimaler tumorfreier Resektion und adjuvanter Chemotherapie kommt es bei einem grossen Teil der Patientinnen mit Ovarialkarzinom zum Rezidiv. Die weitere Therapiestrategie hängt vom Zeitpunkt des Auftretens ab: Nur bei einem krankheitsfreien Intervall von mehr als zwölf Monaten kann ein zweiter operativer Eingriff als sinnvoll betrachtet werden. Ziel ist wie bei der Erstoperation die tumorfreie Resektion. Sie gelingt nach Erfahrungen von Professor Werner Meier, Düsseldorf, bei jeder zweiten Patientin mit Spätrezidiv,
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bei Frührezidiven aber nur in 5 Prozent, und selbst dann bringt die Operation keinen Gewinn im Vergleich zu einer reinen Chemotherapie. In der Rezidiv-Chemotherapie bei Patientinnen mit platinrefraktärem Ovarialkarzinom beschränkt man sich heute auf eine Monotherapie, da diese ebenso erfolgversprechend ist wie Kombinationstherapien. Besonders gute Ergebnisse können von Topotecan (Hycamtin®) und liposomalem Doxorubicin (Caelyx®) erwartet werden. Für Topotecan spricht insbesondere die nichtkumulative Toxizität, die auch eine längere Therapie bei guter Lebensqualität ermöglicht. Tritt das Rezidiv später als sechs Monate nach Ende der Primärtherapie auf, bedeutet dies, dass der Tumor platinsensibel ist. Platinanaloga und Taxane zeigen in dieser Situation die grösste Wirksamkeit, vor allem in Kombination. In der ICON4/AGO2.2-Studie war eine Platin-Paclitaxel-Kombination hinsichtlich progressionsfreier Gesamtüberlebenszeit signifikant wirksamer als Platin alleine. Dies galt auch dann, wenn diese Kombination schon in der Primärtherapie angewendet wurde.
Zervixkarzinom: Impfstrategien im Kommen
Das Zervixkarzinom entwickelt sich auf dem Boden einer persistierenden Infektion mit humanen Papillomaviren bestimmter Typen. Etwa 80 Prozent aller Erkrankungsfälle betreffen heute Entwicklungsländer. In Industrieländern konnte das Screening auf Krebsvorstufen die Inzidenz des Zervixkarzinoms erheblich senken. Das Immunsystem spielt in der Entstehung und im Verlauf des Zervixkarzinoms eine wichtige Rolle und stellt somit ein interessantes Ziel für neue Therapieansätze dar. Am weitesten fortgeschritten in der klinischen Entwicklung (Phase II) ist die Prävention durch Impfstoffe gegen die wichtigsten Verursacher, die Papillomaviren HPV 16 und 18. Sie induzieren wirksam die Bildung neutralisierender Antikörper gegen diese HPV-Typen und haben in ersten Untersuchungen eine nahezu 100-prozentige Schutzwirkung gezeigt. Weniger viel versprechend sind derzeit
Impressionen vom Krebskongress in Berlin
Immuntherapien mit T-Zellen gegen E6 und E7, zwei tumorspezifische Antigene, die von vielen Zervixkarzinomen chronisch exprimiert werden. Bisher konnte noch kein immunologisches Korrelat für ein Ansprechen identifiziert werden. Im Max-Planck-Institut in Martinsried bei München wird derzeit an einer Kombinationsvakzine zur Prophylaxe und Therapie gearbeitet.
Uterussarkom: kaum gesicherte Standards
Uterussarkome stellen unter den gynäkologischen Malignomen nur einen Anteil von 1 bis 3 Prozent dar. Entsprechend gross ist die Unsicherheit in der Diagnostik und Therapie. Wie Professor Dietmar Schmidt, Mannheim, ausführte, ist für Diagnose und Bestimmung der Dignität eine konventionelle Histologie mit HEFärbung entscheidend. Da die verschiedenen Tumortypen jedoch in der Prognose voneinander abweichen, muss eine histologische Subtypisierung erfolgen. Dazu erfasst man die Mitosezahl, Kernatypien und den Nekrosetyp. Im Wesentlichen unterscheidet man drei Typen: Das Leiomyosarkom, das Karzinosarkom und das endometrane Stromasarkom. Häufig wird ein Leiomyosarkom als Zufallsbefund anlässlich einer Hysterektomie entdeckt. Etwa 5 Prozent der operierten
Myome erweisen sich letztlich als Leiomyosarkome. Sie neigen sehr stark zur Fernmetastasierung und wenig zur lymphogenen Aussaat. Selbst im Stadium III oder IV sind maximal bei der Hälfte der Patienten auch Lymphknotenmetastasen vorhanden. Auch Adnexmetastasen kommen nur selten vor. Prognostisch am ungünstigsten ist das Karzinosarkom mit einer FünfjahresÜberlebensrate von 40 Prozent. Bereits im Stadium I und II weisen 30 Prozent der Patientinnen extrauterine Metastasen und 20 Prozent Lymphknotenmetastasen auf. Im fortgeschrittenen Stadium finden sich häufig Oberbauch- und Lungenmetastasen. Etwas besser sieht die Prognose von Patientinnen mit endometranem Stromasarkom aus: Über 60 Prozent überleben fünf Jahre. Die Therapie von Uterussarkomen besteht in jedem Fall in einer Hysterektomie. Bei postmenopausalen Frauen wird auch immer eine Adenexektomie durchgeführt. Das Karzinosarkom erfordert die Adnexektomie auch in der Prämenopause sowie immer eine Lymphadenektomie sowie ein komplettes chirurgisches Staging mit Omentektomie. Beim Leiomyosarkom wird eine Lymphadenektomie nur bei klinisch vergrösserten Lymphknoten empfohlen. Trotz dieser Therapiemassnahmen weisen alle Uterussarkome eine hohe
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Rezidiv häufigkeit von 50 bis 70 Prozent auf. Adjuvante Therapiemassnahmen haben sich nicht als besonders wirksam erwiesen. Die lokale Tumorkontrolle lässt sich durch eine Strahlentherapie verbessern. Ein Einfluss auf das Überleben wurde jedoch nicht nachgewiesen, sagte Professor W. Hoffmann, Braunschweig. Gemäss einer Metaanalyse von 15 Studien erhöht eine adjuvante Chemotherapie die Therapieerfolge nicht signifikant. Bei jungen Patientinnen in gutem Allgemeinzustand und ungünstigem Grading kann jedoch ein Versuch mit Anthrazyklinen, alkylierenden Substanzen oder Ifosfamid unternommen werden. Die Indikation zur Bestrahlung muss wegen des hohen Fernmetastasierungsrisikos grosszügig gestellt werden.
Supportive Therapie: Antiemese immer erfolgreicher
5-HT3-Antagonisten haben vor rund zehn Jahren das Chemotherapie-induzierte Erbrechen sehr viel besser kontrollierbar gemacht. Neue Substanzen mit langer Halbwertszeit wie Palonosetron und der erste NK1-Antagonist Aprepi-
tant versprechen einen weiteren Fortschritt, wie Professor Axel A. Fauser, IdarOberstein, mitteilte. Es konnte gezeigt werden, dass Aprepitant, dessen europäische Zulassung in diesem Jahr erwartet wird, in Kombination mit einem 5-HT3-Antagonisten und Dexamethason die Prophylaxe des akuten und vor allem auch des verzögerten Erbrechens im Rahmen hochemetogener Chemotherapie (vor allem Cisplatin) signifikant verbessert. Auch von dem neuen in den USA bereits zugelassenen 5-HT3-Antagonisten Palonosetron erwartet man sich eine bessere Kontrolle des verzögerten Erbrechens. Bisherige Studien zeigen, dass Palonosetron bei akutem Erbrechen ebenso wirksam ist wie Ondansetron (Zofran®) und Dolasetron (Anzemet®), verzögertes Erbrechen aber deutlich effektiver verhindert. Dies kann wahrscheinlich mit der langen Halbwertszeit von 40 Stunden erklärt werden.
Bisphosphonate: oft lebensverlängernd
Bisphosphonate gehören heute unverzichtbar zur Supportivtherapie bei Brustkrebspatientinnen mit osteolytischen
Knochenmetastasen. Sie verhindern Kno-
chenkomplikationen, verringern Knochen-
schmerzen und verbessern damit die Le-
bensqualität. Wie PD Dr. Andreas Kurth,
Frankfurt, ausführte, sind Bisphosphonate
heute aber bereits mehr als Supportiva,
denn sie verbessern auch das Gesamt-
überleben, wie unter anderen eine Studie
mit Ibandronat (Bondronat®) gezeigt hat.
In einer prospektiven Studie mit Clodronat
(Ostac®, Bonefos®) konnte eine signifi-
kante Prävention von Knochenmetastasen
und ebenfalls eine signifikante Abnahme
der Mortalität gezeigt werden.
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Dr. med. A. Bischoff
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