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Zuckerreduktion – wichtiger Teil der Ernährungsstrategie
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Zucker und Süssstoffe
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78051
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ZUCKER UND SÜSSSTOFFE
Einsatz des Bundesamtes BLV für die gesunde Ernährung
Zuckerreduktion – wichtiger Teil der Ernährungsstrategie

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat eine umfassende Ernährungsstrategie für die Bevölkerung formuliert, mit breiter Unterstützung durch Fach­ leute unterschiedlicher Ausrichtung. Der Reduktion von Zucker kommt eine besondere Be­deutung zu. Um diesen in verschiedenen Nahrungsmitteln zu reduzieren, wurde auch die Zusammenarbeit mit der Nahrungsmittelindustrie und den Detailhändlern gesucht. Urs Stalder, Leiter Fachbereich Ernährung im BLV, hat die Massnahmen erläutert.

SZE: Ist das Bemühen um eine Reduktion von Zucker Teil einer umfassenden Ernährungsstrategie? Urs Stalder: Die Ernährungsstrategie hat drei Ziele. Die Ernährungskompetenz der Bevölkerung stärken, die Rahmenbedingungen für die Wahl gesunder ­Lebensmittel verbessern und schliesslich die Lebensmittelindustrie in den Prozess einbeziehen (ganzer Text, Tabelle 1). Zuckerreduktion ist ein Teil davon.
Welches sind die wichtigsten Punkte, um die Ernährungskompetenz zu stärken? Die Leute sollten die Ernährungsempfehlungen kennen, deshalb müssen diese verständlich formuliert sein und im Alltag umgesetzt werden können. ­Dabei gelten für verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Ernährungsempfehlungen. Je nach Lebensphase, bei Kleinkindern, schwangeren und stillenden Frauen oder älteren Personen unterscheiden sich die Bedürfnisse und damit die Empfehlungen.
Wie erreichen Sie die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen? Das BLV pflegt die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, die unter anderem als Multiplikatoren fungieren. Der breite Einbezug von Fachpersonen fördert die Akzeptanz der Empfehlungen und damit das Engagement bei der Umsetzung. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE ist ein wichtiger Partner für uns, um die Ernährungsempfehlungen praxisnah an die verschiedenen Bevölkerungsgruppen weiterzutragen.

führenden Produzenten und dem Handel eingetreten und konnte 2015 erfolgreich die erste Erklärung von Mailand unterzeichnen. Diese erfolgte publikumswirksam 2015 an der Expo in Mailand (Motto: Die Welt ernähren, Energie fürs Leben) im Beisein von Bundesrat Berset (Tabelle 2).
Wie schwierig war es, die Lebensmittelindustrie vom Vorhaben zu überzeugen? Wir haben zuerst den Kontakt mit den grossen respektive in der Schweiz ansässigen Vertretern der Lebensmittelindustrie gesucht und konnten tatsächlich ­einige der wichtigen Firmen für das Vorhaben gewinnen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Unternehmen und Lebensmittelgruppen hinzu (siehe Tabelle 3). Unsere Verhandlungen waren nicht immer erfolgreich. Wir konnten beispielsweise nicht alle Getränkehersteller für eine Zusammenarbeit gewinnen und eine Salzreduktion in anderen Lebensmittelgruppen wurde von der Lebensmittelindustrie auch nicht mitgetragen. Wichtig ist, mit verlässlichen Fakten und realistischen Zielen in die Verhandlungen zu starten, um auch seitens Bund glaubwürdig zu sein.
Wie gut ist die internationale Zusammenarbeit? Die EU geht einen ähnlichen Weg wie die Schweiz, wobei es keinen einheitlichen Ansatz der Mitgliedsstaaten gibt. Jedes Land definiert die Ziele selbst und auch deren Umsetzung. Das BLV steht im regelmässigen Austausch mit den anderen europäischen Ländern. Wegen der unterschiedlichen Vorgaben können

Urs Stalder

Die erste Erklärung von Mailand 2015 war ein ­Meilenstein. Wie konnte die Lebensmittelindustrie für das Anliegen der Zuckerreduktion einbezogen werden? Wir haben aufzeigen können, dass Produkte wie ­Joghurt und Frühstückscerealien, die in der Bevölkerung als gesund wahrgenommen werden, viel Zucker enthalten. Um die Zuckerreduktion in der ganzen Schweiz voranzutreiben, muss die ganze Branche mitziehen. Entsprechend sind wir in Verhandlungen mit

Tabelle 1:
Die Ernährungsstrategie des BLV
• Die Ernährungskompetenz stärken: Die Bevölkerung kennt die Ernährungsempfehlungen. Die Informationen dazu sind verfügbar, leicht verständlich und können im Alltag einfach umgesetzt werden. Die Rahmenbedingungen verbessern: Um die Wahl gesunder Lebensmittel zu erleichtern, muss ein entsprechendes Angebot geschaffen werden.
• Die Lebensmittelwirtschaft einbinden: Noch mehr Hersteller und Anbieter von Lebensmitteln und Mahlzeiten leisten einen freiwilligen Beitrag zu einer gesunden Ernährung.

Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 3|2024 11

ZUCKER UND SÜSSSTOFFE

Tabelle 2:
Erklärung von Mailand
Mit der Erklärung von Mailand verpflichten sich Schweizer Lebensmittel- und Getränkehersteller sowie Detailhändler, den Zucker in ihren Produkten freiwillig zu senken. Sie haben Zucker-Reduktionsziele für fünf Lebensmittelgruppen bis Ende 2024 vereinbart: • Joghurt: Minus 10 Prozent • Quark: Minus 10 Prozent • Frühstückscerealien: Minus 15 Prozent • Erfrischungsgetränke: Minus 10 Prozent • Milchmischgetränke: Minus 10 Prozent
Tabelle 3:
Diese Firmen haben die Erklärung von Mailand unterzeichnet:
Aldi Suisse AG, bio-familia AG, Bossy Céréales SA, , Coca-Cola Schweiz GmbH, Coop Genossenschaft, Cremo SA, Danone Schweiz AG, Emmi Schweiz AG, Goba AG, Kellogg (Schweiz) GmbH, Lidl Schweiz AG, Migros-Genossenschafts-Bund, Mineralquellen Adelboden AG, Mineralquelle Eptingen AG, Mineralquelle Rhäzüns, Molkerei Lanz AG, Nestlé Suisse S.A., Ramseier Suisse AG, Rivella Group, Schweizerische Schälmühle E. Zwicky AG, Trivarga AG, Vivi Kola AG, Volg Konsumwaren AG, Wander AG
gewisse «gleiche» Produkte, wie z.B. Frühstückscerealien in unterschiedlichen Ländern einen unterschiedlichen Zuckergehalt aufweisen. Die Rezepturen können sich von Land zu Land ändern. Aufmerksamkeit bekam die unterschiedliche Rezeptur von Nutella, die je nach Vorschriften in den einzelnen Staaten variiert.

Welche Grundsätze sind Ihnen wichtig, um die Bevölkerung für eine gesündere Ernährung zu gewinnen? Hier möchte ich gern auf die Schweizer Ernährungsstrategie verweisen, die klar aufzeigt, dass wir die Ernährungskompetenzen der Bevölkerung stärken müssen. Informationen zu einer gesunden Ernährung müssen leicht verfügbar, für jede Person verständlich und im Alltag umsetzbar sein. Ausserdem sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden, dass die gesunde Wahl vereinfacht wird. Nutri-Score leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Ausserdem binden wir die Lebensmittelindustrie ein, um das Angebot an beispielsweise zuckerärmeren Produkten zu erhöhen.
Welche Herausforderungen bleiben? Der freiwillige Ansatz ist grundsätzlich gut. Doch auf diese Weise involvieren wir nur die Firmen, die zu einer Zusammenarbeit bereit sind. Strengere und weitgreifendere Massnahmen müssen gesetzlich geregelt werden, was ein deutlich längerer Prozess ist. Gern würden wir auch eine Reduktion beim Salzgehalt erreichen. Bei Salatsaucen und Suppen konnten wir mit der Industrie keine Einigung erzielen. Nun haben wir den Prozess für eine freiwillige Salzreduktion in Fertiggerichten gestartet. Aktuell arbeiten wir an einer Bestandsaufnahme des Schweizer Markts.
Das Interview führte Barbara Elke.

Wie stellen Sie sicher, dass bei der Zuckerreduktion nicht einfach künstliche Süssstoffe eingesetzt werden? Das ist in den Bedingungen der Erklärung von Mailand formuliert. Es ist nicht erlaubt, den reduzierten Zucker mit Süssstoffen zu kompensieren. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen langsam an einen weniger süssen Geschmack herangeführt werden, was ein weiteres wichtiges Ziel der Zuckerreduktion ist.

Korrespondenzadresse: Urs Stalder Leiter Fachbereich Ernährung Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV Abteilung Lebensmittel und Ernährung Schwarzenburgstrasse 155 3003 Bern E-Mail: urs.stalder@blv.admin.ch

Wenn Sie Ihre Bemühungen um die Zuckerreduktion betrachten, wie viel von dieser Wegstrecke haben Sie schon zurückgelegt? Wir sind noch nicht am Ziel. Zu viele Produkte enthalten noch zu viel Zucker. Mit der Erklärung von Mailand wurde ein wichtiger Meilenstein für die Zuckerreduktion in Joghurt und Frühstückscerealien gelegt. Im Durchschnitt sank der Gehalt an zugesetztem Zucker in Joghurts seit 2018 um über 5%, in Frühstückscerealien um 13%. Erfahrungen zeigen, dass es einfacher ist, neue Produkte mit einem tieferen Zuckergehalt zu lancieren als den Zucker in bestehenden Produkten, die die Konsumentinnen und Konsumenten seit vielen Jahren kennen, zu reduzieren. Ausserdem können heute mehr gänzlich ungezuckerte Produkte, auch ohne Zusatz von Süssstoffen, in den Läden gefunden werden. Das ist für mich ein Zeichen, dass die Nachfrage nach zuckerarmen Produkten existiert; heute spielt der Zuckergehalt für mehr Leute eine Rolle bei der Kaufentscheidung.

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