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KONGRESSBERICHT
Pränatale Hungersnot
Auswirkungen im Erwachsenenalter
Die äthiopische Hungersnot in den 1980er-Jahren war eine der schwersten dokumentierten Hungersnöte in Afrika in der jüngeren Geschichte. Eine Mangelernährung früh im Leben kann adaptive Veränderungen im Körper hervorrufen, die während des ganzen Lebens bestehen bleiben können.
In Entwicklungsländern steigt die Häufigkeit des metabolischen Syndroms alarmierend. Auch hier können die klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel beobachtet werden. Doch Untersuchungen zeigen, dass Hunger und Unterernährung in frühen Lebensphasen ebenfalls signifikante Risikofaktoren sind. Das Konzept «Fetal origin of adult diseases» (FOAD) beschreibt den Einfluss der frühkindlichen Mangelernährung auf die Gesundheit im Erwachsenenalter. Studien zu früheren Hungersnöten brachten allerdings widersprüchliche Ergebnisse. In dieser Studie wurden nun zwei Gruppen mit je 228 Personen untersucht, die Gruppe zwischen 34 und 36 Jahren war der Hungersnot ausgesetzt, nicht jedoch die Gruppe zwischen 30 und 32 Jahren, wie Dr. Getachew Arage, Debre Tabor University, Äthiopien, berichtete. Korrigiert wurden die beiden Gruppen für Variablen wie Alter, Ausbildung, Einkommen, Essgewohnheiten und Rauchen. Bei Personen, die der Hungersnot ausgesetzt waren, war die Wahrschein-
lichkeit, im Erwachsenenalter ein metabolisches Syndrom zu entwickeln, 2,94-mal höher als bei nicht exponierten Personen. Die Studie zeigte auch, dass der pränatale Hungerzustand mit einem höheren Taillenumfang (+2,27 cm), einem erhöhten diastolischen Blutdruck (+2,47 mmHg), erhöhten Triglyzeriden (+14,52 mg/dl) und einem erhöhten Nüchternblutzucker (+4,28 mg/dl) korrelierte, das im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die Studie zeigt, dass eine optimale Ernährung der Schwangeren bei den Kindern die Wahrscheinlichkeit eines metabolischen Syndroms im Erwachsenenalter verringern kann.
Quelle: «British Journal of Nutrition Paper of the Year Award Lecture», Vortrag im Rahmen der Summer Conference: Nutrition in a Changing World. The Nutrition Society UK. 6.7.2021. Referenz: Arage G et al.: Impact of early life famine exposure on adulthood anthropometry among survivors of the 1983–1985 Ethiopian Great famine: a historical cohort study. BMC Public Health. 2021;21(1):94.
Bitteres Gemüse in der Schwangerschaft
Dann schmeckt es auch dem Kind
Oft mögen Kinder keine bittere Nahrung wie grünes Gemüse. Allerdings kann diese Abneigung verringert werden, wenn die Mutter am Ende der Schwangerschaft bitteres Gemüse isst, da das Kind in dieser Zeit Fruchtwasser schluckt und sich an den Geschmack gewöhnt. Das zeigte eine Untersuchung von J. E. Miller, University of Aberdeen (UK).
55 Frauen wurden in der späten Schwangerschaft in zwei Gruppen eingeteilt. Die einen assen Suppen mit bitterem Gemüse wie beispielsweise Spinat zusätzlich zu ihrer normalen Ernährung, die Kontrollgruppe nicht. Die Kinder wurden bei den ersten Zufütterungen (im Schnitt mit 24 Wochen) zu Hause von den Müttern gefilmt. Zuerst bekamen sie Kartoffelpüree, bis sie beim Essen mit dem Löffel etwas geübt waren. Dann folgten Geschmacktests mit Apfel, Brokkoli und Spinat. Der Gesichtsausdruck und das Verhalten während der ersten 10 Löffel eines Essens wurden von unabhängigen Beobachtern ausgewertet, dabei kam eine validierte Methode (FIBFECS) zum Einsatz.
Die regelmässige Einnahme von bitterem Gemüse durch die Mutter in der späten Schwangerschaft setzt das Kind intrauterin diesem Geschmack aus und erhöht damit die Akzeptanz für diese Speisen beim Zufüttern. Diese frühen Einflüsse könnten die Ess gewohnheiten auch im späteren Leben beeinflussen.
Quelle: Summer Conference: Nutrition in a Changing World. The Nutrition Society UK. 8.7.2021. Nutrition Society Theme Highlights. Referenz: MillerJE et al. : An intervention to increase consumption of bitter vegetables in late pregnancy reduces infants’ disliking of bitter vegetables at weaning. Abstract.
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 3|2021 25