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SPORT UND ERNÄHRUNG
Ketonkörper als Supplement
Der Nutzen ist nicht bewiesen
Es sind viele, sehr unterschiedliche Supplemente auf dem Markt. Die Arbeitsgruppe Science and Knowledge der SSNS (Swiss Sports Nutrition Society) hat die Aufgabe, die bestehenden wissenschaftlichen Studien zu den Supplementen zu prüfen und in Faktenblättern zusammenzustellen. Diese werden im Supplement-Guide Athleten, Trainern und Interessierten der Sporternährung als Orientierungshilfe zur Verfügung gestellt.
Die Informationen im Supplement-Guide müssen immer auf dem neuesten Stand gehalten werden. Auch werden immer wieder neue Supplemente aufgenommen und kategorisiert. Dr. Joëlle Flück, Präsidentin der Swiss Sports Nutrition Society und Fachexpertin für Sporternährung am Schweizer Paraplegiker-Zentrum, zeigte exemplarisch am Beispiel der häufig verwendeten Ketonkörper als Supplement das Vorgehen. Die Fachinformationen zeigen Risiken auf, aber auch mögliche Benefits, welche bei der korrekten Anwendung des Supplements auftreten können. Dabei soll der Einsatz aber immer auf die individuelle Situation abgestimmt sein und in Absprache mit einer Fachperson erfolgen. Die Supplemente sollten als Ergänzung und nicht als Ersatz der Basisernährung dienen.
Ketonkörper im Sport beliebt
Ketonkörper werden von Sportlern häufig als Supplement eingesetzt mit dem Ziel, diese bei sportlicher Belastung als alternative Energiequelle nutzen zu können. Je nach Ernährungs- und Belastungsart verwendet unser Körper Kohlenhydrate sowie Fettsäuren als primäre Energiequellen. Im Gehirn ist es die Glukose, welche als wichtigster Energieträger agiert. In einer extremen Hungerphase, wenn nicht ausreichend Glukose vorhanden ist, kann unser Körper bzw. das Gehirn auch Ketonkörper als alternative Substratquelle heranziehen. Ketonkörper als alternative Energiequelle? Das wollte man für den Sport nutzen.
Vier Kategorien der Supplemente
• A-Supplemente: Einsatz in spezifischen Situationen im Sport, gestützt durch gute Evidenz.
• B-Supplemente: noch nicht ausreichend erforscht. Der Einsatz bedarf spezifischer individualisierter Protokolle.
• C-Supplemente: kein oder kaum Nutzen im Sport. Nicht empfohlen. Die entsprechenden Substanzen, die dieser Gruppe zugeordnet werden, sind im Guide nicht namentlich aufgeführt.
• D-Supplemente: verboten oder hohes Risiko für Kontamination mit verbotenen Substanzen.
Generell muss zwischen einer ketogenen Ernährung und der Supplementation mit Ketonkörpern unterschieden werden. Bei einer ketogenen Ernährung nimmt man täglich weniger als 50 g Kohlenhydrate ein, dadurch erhöht sich die Produktion von Ketonkörpern innert weniger Tage. Bei sportlichen Aktivitäten während einer ketogenen Diät entleeren sich die Glykogenspeicher in der Leber und in der Muskulatur. Die Kohlenhydratoxidation unter sportlicher Belastung wird dabei vermindert, die Fettoxidation wird erhöht. Unter extrem hohen Belastungen kommt es zu einer Leistungsverminderung. Aufgrund der Tatsache, dass Ketonkörper als alternative Energiequelle dienen können, wurden diese in den letzten Jahren insbesondere in Ausdauersportarten wie Radfahren vermehrt eingesetzt, in der Hoffnung, dadurch leistungssteigernde Effekte zu erzielen. In einem Review (1) wurden die Resultate von insgesamt 10 verschiedenen Studien mit 112 Patienten herangezogen, die den Effekt der Supplementation von Ketonester oder Ketonsalzen beurteilten. Die Aussage war allerdings begrenzt, weil die Studien sehr unterschiedliche Probandengruppen untersuchten, von wenig trainierten Erwachsenen bis zu Eliteradfahrern.
Postulierte Effekte unklar
Folgende postulierten Effekte blieben unklar: • der Glykogenspareffekt während der Belastung • die verminderte Kohlenhydratoxidation während
der Belastung • die Förderung des Verbrauchs von intramuskulä-
ren Triglyzeriden • die verbesserte Wiederauffüllung der Glykogen-
speicher in der Regeneration. Jedoch konnten einige ungünstige Effekte beobachtet werden: • eine verminderte Leistung im hoch intensiven Be-
lastungsbereich • eine Erhöhung der Entzündungsmarker. In einer kürzlich durchgeführten Studie (2) wurde der Effekt einer Ketonester-Supplementation auf die Glykogenspeicher und die Leistung in einer Ausdauerbelastung untersucht. Eine Gruppe von 12 Radfah-
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rern erhielt in einem Versuch Kohlenhydrate und Ketonester sowie nur Kohlenhydrate im Plazeboversuch. An beiden Tagen mussten die Studienteilnehmer erst eine 3-stündige intermittierende Ausdauerbelastung absolvieren, anschliessend ein Zeitfahren und einen Sprint. Die Muskelglykogenspeicher wurden vor und nach diesen 3 Stunden und nach dem Zeitfahren untersucht. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Interventionen festgestellt werden. Auch in dieser Studie konnte der Glykogenspareffekt also nicht bestätigt werden. Die Leistung im Zeitfahren und im Sprint unterschied sich in beiden Gruppen nicht signifikant. Zu den verschiedenen Studien gibt es weitere kritische Einwände. Es wurden sehr unterschiedliche Dosierungen verwendet. Der Geschmack der Ketonkörper ist nicht angenehm, nicht jeder kann oder mag diese Supplemente einnehmen. Die Verträglichkeit wurde unterschiedlich bewertet, beschrieben wurden Übelkeit und Blähungen. Auch sind potenzielle Überdosierungen oder Langzeitfolgen noch unklar. Die Präparate sind zudem teuer, somit ist auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis infrage zu stellen. Auch wenn theoretisch Vorteile bezüglich der Leistung und der Erholung denkbar sind, konnten diese nicht direkt nachgewiesen werden. Jedoch wurden bis jetzt nur wenige Studien mit Athleten durchgeführt, weshalb eine abschliessende Beurteilung noch nicht möglich ist. Aufgrund der aktuellen Beurteilung werden Ketonkörper als Supplement bei Athleten nicht empfohlen
und unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse in die Kategorie C eingeteilt. Barbara Elke
Quelle: 5. Jahrestagung der Swiss Sports Nutrition Society, 10. Juni 2021, virtuell 1. Margolis LM, O’Fallon KS: Utility of Ketone Supplementation to En-
hance Physical Performance: A Systematic Review. 2020;11(2): 412-419. 2. Poffé C et al.: Exogenous ketosis impacts neither performance nor muscle glycogen breakdown in prolonged endurance exercise. J Appl Physiol. 2020;128(6):1643-1653
Linktipps: www.rosenfluh.ch/qr/supplementguide
www.rosenfluh.ch/qr/ketonkoerper
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