Transkript
IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM
Risikostratifizierung über Metagenomik
Kann die Ernährung über die Darmflora Krankheitsrisiken beeinflussen?
Mithilfe metagenomischer Sequenzierung konnte ein internationales Forscherteam wissenschaftlich belegen, dass die Ernährung über die Darmflora auch die Gesundheit und die Krankheitsrisiken seines Wirts beeinflussen kann, wie eine aktuell in «Nature Medicine» publizierte Studie darlegt.
Foto: Valeria Boltneva, pexels
Das intestinale Mikrobiom, das wesentlich durch die Ernährung seines Wirts geprägt wird, beeinflusst seinerseits wieder den Stoffwechsel und damit die Gesundheit des Wirtsorganismus. Für den Nachweis dieser Zusammenhänge untersuchte die Forschergruppe im Rahmen der Studie PREDICT (Personalized REsponses to DIetary Composition Trial) den Einfluss der Ernährungsgewohnheiten auf die Artenvielfalt der Darmflora sowie mögliche Korrelationen mit medizinischen Befunden einer Studienpopulation mit rund 1100 Probanden. Mithilfe metagenomischer Sequenzierung gelang es in den 1203 verschiedenen Mikrobiotaproben die darin vorhandenen Bakterienarten zu charakterisieren und ihre Zusammensetzung mit den jeweiligen Ernährungsgewohnheiten (die aus Fragebögen entnommen wurden) und den ermittelten medizinischen Daten der Probanden zu vergleichen.
Ernährung entscheidend für Zusammensetzung des Mikrobioms
Die ersten Befunde bestätigten signifikante Verflechtungen zwischen der Darmflora, ihrer Artenvielfalt und den aufgenommenen Nahrungsmitteln, was wenig erstaunlich ist und von Ernährungsexperten auch seit Langem vermutet wurde. So resultierte eine gesunde pflanzenbasierte Ernährung, die neben viel Gemüse auch Nüsse und Meeresfrüchte enthielt, in einer anderen charakteristischen Zusammensetzung des Mikrobioms als die typische Ernährung westlicher Industriegesellschaften mit zuckerhaltigen Süssgetränken, Fast Food, Fertiggerichten und prozessierten Fleisch- und Wurstwaren. Bei überwiegend pflanzlicher Kost fand sich im Mikrobiom zum Beispiel ein höherer Prozentsatz an Prevotella copri und Blastocystis-Arten, die bei einer vorwiegend westlich orientierten Ernährungsweise nicht nachzuweisen waren.
Gesundheitliche Effekte
In einem zweiten Schritt wurden die ernährungsspezifischen Befunde mit den Ergebnissen der medizini-
Bei der Ernährung mit Fast Food schlagen nicht nur die Kalorien zu Buche, auch die Zusammensetzung des Mikrobioms wird beeinflusst.
schen Untersuchungen (u. a. Blutdruck, Karotissonografie, Schlafqualität) und den Laboranalysen der Probanden verglichen. In den Blutproben hatte man die üblichen Parameter zum Glukose- und Fettstoffwechsel sowie die Entzündungsmarker bestimmt. Die Vergleiche ergaben, dass intestinale Bakterienspezies, die vorwiegend mit pflanzenbasierter Ernährung assoziiert waren, oft mit solchen Bakterienarten Gemeinschaften bildeten, die als Marker für einen günstigen postprandialen Glukosestoffwechsel und/oder ein niedriges kardiometabolisches Risiko angesehen werden. So konnten die Forscher beispielsweise mehrere Bakterienstämme identifizieren, deren Anwesenheit mit einem geringen Risiko für Diabetes- und Herzerkrankungen korrelierte, und solche, die mit einem hohen Risiko für diese Erkrankungen verbunden waren. Im Rahmen der personalisierten Medizin könnte sich eine metagenomische Sequenzierung des Mikrobioms möglicherweise für eine vorsorgliche Risikostratifizierung eignen, um Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen, bevor sie klinisch relevant werden.
Claudia Reinke
Literatur: Asnicar F et al.: Microbiome connections with host metabolism and habitual diet from 1098 deeply phenotyped individuals. Nat Med. 2021;27(2):321-332.
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021 19