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IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM
Rotes Fleisch
Häufiger Verzehr schadet Herz und Gefässen
Foto: pixabay
Wie aus einer aktuellen prospektiven Kohortenstudie hervorgeht, erhöht der häufige Verzehr von rotem Fleisch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (1). Wer herzgesünder essen wolle, sollte seinen Proteinbedarf durch hochwertige pflanzliche Lebensmittel decken, berichten die Autoren um den Studienleiter und Ernährungswissenschafter Walter Willett von der Bostoner TH Chan School of Public Health im «British Medical Journal.»
Seit Langem wird immer wieder berichtet, dass der häufige Verzehr von rotem Fleisch und hoch prozessierten Wurstwaren mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden ist. Auf diesen Zusammenhang verwiesen auch einige epidemiologische Studien der letzten Jahre. Die Wissenschafter um Willett nahmen sich dieser Frage nun erneut an, wobei die Health-Professionals-Follow-Up-Studie mit 43 272 männlichen Studienteilnehmern und ihren umfangreichen Daten zu Anamnese und Lebensstil sowie einer Nachbeobachtungszeit von 30 Jahren als Grundlage dienten. Als primärer Endpunkt wurde das kardiovaskuläre Risiko (Herzinfarkt) definiert.
Steigendes KHK-Risiko mit zunehmendem Fleisch- und Wurstverzehr
[1,02–1,21]) und Wurstwaren (aHR: 1,15 [1,06–1,25]) mit einem höheren Herzinfarktrisiko verbunden war.
Bis 2016 wurden unter den Probanden 4456 Herz infarkte dokumentiert, wovon 1860 tödlich endeten. Nach multivariaten Anpassungen ernährungsbedingter und nicht ernährungsbedingter Risikofaktoren zeigte sich, dass der Verzehr von unverarbeitetem rotem Fleisch (adjustierte Hazard Ratio [aHR]: 1,11
Gesundheitliche Effekte des Fleischkonsums
Verschiedene Mechanismen könnten nach Ansicht der Autoren dazu beitragen, dass der Verzehr von unprozessiertem sowie von prozessiertem rotem Fleisch das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen erhöht. So kommt es durch regelmässigen Fleischkonsum nicht nur zu einem Anstieg des LDL-Cholesterins, sondern auch zu einer hohen Zufuhr gesättigter Fettsäuren, da sich Herz-Kreislauf-gesündere, mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Fleisch und Wurstwaren nur in geringeren Mengen finden. Dazu kommt, dass die Aufnahme eisenhaltiger Hämproteine aus rotem Fleisch mit erhöhtem oxidativem Stress verbunden ist, der sich ungünstig auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirkt. Das gilt ebenso für pro atherogene Komponenten wie Trimethylamin-N-oxid, die durch die intestinal ablaufende Metabolisierung des im Fleisch reichlich enthaltenen L-Carnitins entstehen. Last, but not least kann der hohe Salzgehalt in Wurstwaren auch zu einem Blutdruckanstieg führen, der sich bei kardiovaskulär vorbelasteten Personen fatal auswirken kann. Wenn dagegen pflanzliche Proteinlieferanten Fleisch und Wurstwaren mehrheitlich ersetzen, steigt die Zufuhr von Ballaststoffen, von ungesättigten Fettsäuren, Antioxidanzien, Polyphenolen und anderen gesundheitlich relevanten pflanzlichen Inhaltsstoffen, die zum Schutz von Herz und Gefässen beitragen.
Proteine aus pflanzlichen Quellen sind herzgesünder
Wurde rotes Fleisch durch pflanzliche Proteinquellen wie Nüsse, proteinreiche Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen) und Soja ersetzt, reduzierte sich das KHK-Risiko für jede täglich konsumierte Portion dagegen um 14 Prozent (aHR: 0,86 [0,80–0,93]). Wer statt Wurstwaren proteinreiche Pflanzenkost zu sich nahm, reduzierte sein KHK-Risiko um 17 Prozent (aHR: 0,83 [0,76 – 0,91]). Auch der Verzehr von Vollkorn- sowie Molkereiprodukten oder Eiern anstelle von prozessiertem oder unprozessiertem rotem Fleisch war mit einem Rückgang des kardiovaskulären Risikos verbunden. Wurden wöchentlich zwei Mahlzeiten Fleisch und/oder Wurst durch Sojaprodukte ersetzt, reduzierte sich das KHK-Risiko sogar um 33 Prozent (aHR: 0,67 [0,48–0,93]). Fischmahlzeiten zeigten dagegen erstaunlicherweise keine kardioprotektiven Wirkungen.
Claudia Reinke
Literatur: Al-Shaar L et al.: Red meat intake and risk of coronary heart disease among US men: prospective cohort study. BMJ 2020; 371 doi: https://doi. org/10.1136/bmj.m4141
22 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021