Transkript
IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM
Diabetes und Ernährung: Ist Alkohol tabu?
Foto: zVg
Kristian Rett
Prof. Dr. med. Kristian Rett
Eines sei gleich klargestellt: Auch Menschen mit Diabetes dürfen Alkohol trinken. Moderater Weingenuss im Rahmen einer mediterranen Ernährung hat sogar herzschützende Effekte, wie aktuelle Studien zeigen. Doch fehlende Informationen dazu in Leitlinien und Diabetes schulungen – dort wird hauptsächlich vor dem Hypoglykämierisiko gewarnt – sorgen bei Diabetespatienten und Diabetologen gleichermassen für Verunsicherung und Verwirrung.
Trotz belastbarer Evidenzbasis kommt das Kulturgut der europäischen «Diät» (altgriechisch: díaita [1]) mit einem auf die Erkrankung abgestimmten Verhalten in mehreren Lebensbereichen – Speisen, Getränke Sport, Schlaf und Sexualität – sowie seinem Kernbestandteil, dem moderaten Weingenuss, in diabetologischen Leitlinien und Diabetesschulungsprogrammen zu kurz. Für Betroffene und Betreuer ist das nicht hinnehmbar. Denn: Die zurückliegende Dekade hat für die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes zu einem Paradigmenwechsel weg von Surrogatparametern hin zu klinischen Endpunkten geführt sowie zur Bevorzugung von Substanzen mit belegbarem Vorteil für den Patienten (2). Auch in der nicht medikamentösen Therapie findet ein Paradigmenwechsel statt, bei dem die quantitative Betrachtung und Begrenzung von Einzelnahrungs-
Drei wesentliche Begriffe seien hier noch geklärt, um Missverständnisse zu vermeiden:
• Zwischen schädlichem Alkoholkonsum (einschliesslich der Suchterkrankung) einerseits und moderatem Weingenuss im Rahmen eines mediterranen Ernährungsstils andererseits ist zu differenzieren.
• Zwischen destillierten (Spirituosen) und vergorenen (Wein und Bier) Getränken ist zu differenzieren.
• Das Phänomen der dosisabhängigen Effektumkehr (Hormesis oder J-Kurve) ist allen alkoholischen Getränken gemein. So unterliegen Abstinente, vor allem aber jene mit schädlichem Alkoholkonsum und Suchtkranke im Vergleich zu Personen mit moderatem Weingenuss höheren Gesundheitsrisiken (24).
Abbildung: Ernährungspyramide für die mediterrane Kost (©Fundación Dieta Mediterranea) 6 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021
IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM
Merksätze
• Mediterrane Ernährung ist mit einer geringeren Diabetesinzidenz, einer geringeren kardiovaskulären Morbidität und einem Überlebensvorteil assoziiert.
• Die Hauptbestandteile der mediterranen Ernährung sind: – geringer Konsum von Fleisch und Fleischprodukten
sowie Milch und Milchprodukten – hoher Konsum von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten,
Nüssen, Fisch und Olivenöl – moderater Weingenuss: ♂ < 21 Einheiten (à 125 ml Wein) pro Woche, ♀ < 14 Einheiten (à 125 ml Wein) pro Woche keine Spirituosen!
bestandteilen und Makronährstoffen (Kalorien, Fette, Kohlenhydrate, Ethanol usw.) zugunsten einer quali-
So viele Kalorien / Kohlenhydrate stecken in alkoholischen Getränken
• 1 Glas Bier (300 ml): 126 kcal und 9 g Kohlenhydrate (d. h. weitere 36 kcal)
• 1 Glas Rotwein (125 ml): 106 kcal und je nach Restsüsse nur 1– 3 g Kohlenhydrate (d. h. weitere 4–12 kcal)
• Weinbrand pro 25 ml: 90 kcal ohne Kohlenhydrate
tativen Bewertung gesundheitsfördernder Nahrungsmittel und Ernährungsstile in den Hintergrund tritt (3–7). Leider ist der Teil der Leitlinien, der sich mit der Lebensweise als Komponente der Diabetesbehandlung beschäftigt, zuweilen widersprüchlich und nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft (2, 6, 7). So kann als gesichert gelten, dass steigende Adhärenz gegenüber dem mediterranen Ernährungsstil
Tabelle 1:
Werkzeug zur Messung der Adhärenz gegenüber dem mediterranen Ernährungsstil nach MEDAS (10, 11)
MEDAS-Frage
Vergabekriterium für 1 Adhärenzpunkt
Punkte:
1. Verwenden Sie Olivenöl als Hauptfettquelle zum Kochen?
Olivenöl zur Zubereitung von mindestens 2 der folgenden Lebensmittel: Salat, Gemüse, Fleisch/Fisch
2. Wie viel Olivenöl konsumieren Sie pro Tag (inkl. zum Braten, > 48 g Pflanzenöl/Tag für Salate, Mahlzeiten ausser Haus usw.)?
3. Wie viele Portionen Gemüse verzehren Sie pro Tag?
≥ 2 Portionen Gemüse/Tag (inkl. Salat, Oliven, Pilze)
4. Wie viele Portionen Obst (inkl. frisch gep ressten Saft) verzehren Sie pro Tag?
≥ 3 Portionen Obst/Tag (inkl. gemischtes Obst, Kompott und Fruchtsäften)
5. Wie viele Portionen rotes Fleisch, Hackfleisch oder Wurst < 100 g Fleisch/Tag (Rind, Kalb, Schwein, Lamm) und Wurst verzehren Sie pro Tag? 6. Wie viele Portionen (12 g) Butter, Margarine oder Sahne verzehren Sie pro Tag? < 1 Portion Butter, Margarine, Sahne/Tag 7. Wie viele kohlensäurehaltige und/oder Süssgetränke konsumieren Sie pro Tag? < 1 Portion Süssgetränke/Tag (inkl. Limonaden und Cola) 8. Trinken Sie Wein? Wie viel trinken Sie pro Woche? ≥ 7 Gläser (à 1/8 I, rot oder weiss) 9. Wie viele Portionen Hülsenfrüchte verzehren Sie pro Woche? ≥ 3 Portionen Hülsenfrüchte/Woche 10. Wie viele Portionen Fisch/Meeresfrüchte verzehren Sie pro ≥ 3 Portionen Fisch, Fischprodukte und Meeresfrüchte/Woche Woche? 11. Wie oft pro Woche verzehren Sie Fertigbackwaren (nicht hausgemacht) wie Gebäck oder Kuchen? < 3 Portionen Kuchen, Schokolade, Gebäck, Süssigkeiten mit/ ohne Schokolade/Woche 12. Wie oft essen Sie Nüsse pro Woche? 13. Bevorzugen Sie Hühner-, Truthahn- oder Kaninchenfleisch anstelle von Rind-, Schweinefleisch, Hackfleisch oder Würsten? ≥ 3 Portionen Nüsse und Ölsaaten/Woche mehr weisses (Geflügel, Kaninchen) als rotes Fleisch (Rind, Kalb, Schwein, Lamm, Wurstwaren) 14. Wie oft pro Woche verzehren Sie Kochgem üse, Nudeln, Reis > 1 – 2 Portionen Tomatensauce/Woche oder andere Speisen mit einer Tomatensauce mit in Olivenöl angebratenem Knoblauch, Zwiebeln oder Lauch?
Total:
12 Fragen beziehen sich auf Verzehrhäufigkeit und 2 Fragen (1, 13) auf Besonderheiten der mediterran en Ernährung. Falls das jeweilige Kriterium nicht erfüllt wird, erfolgt keine Punktvergabe. Die Adhärenz-Punktewertung reicht von 0 bis 14 Punkten. Ab 9 Punkten wird von hoher Adhärenz ausgegangen.
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021 7
IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM
Nachanalyse der ACCORD-Daten – Studie mit Mängeln
Die Behandlungsstrategie des Typ-2-Diabetes hat einen umfassenden Paradigmenwechsel erfahren. Anstelle von Surrogatparametern wie HbA1c und Blutdruck steht heute die Vermeidung von klinischen und patientenrelevanten Endpunkten sowie die Optimierung der Lebensqualität im Vordergrund (2). Die moderne Diabetestherapie hat hierzu eine Reihe von Managementwerkzeugen übernommen und verfolgt einen multimodalen medikamentösen und nicht medikamentösen, risiko- und komorbiditätsadaptierten interdisziplinären Ansatz. Dieser Paradigmenwechsel wurde unter anderem durch die negativen Ergebnisse der ACCORD-Studie verursacht, die gegen Ende der Nullerjahre weder für eine forcierte Absenkung des HbA1c (< 6,0%) noch des Blutdrucks (< 120 mmHg) die erhoffte Endpunktreduktion belegen konnte (29, 30). Nun ist 20 Jahre nach der Patientenrekrutierung und 13 Jahre nach der Originalpublikation eine Nachanalyse auf der Basis der ACCORD-Daten erschienen, die behauptet, dass bei Typ-2-Diabetikern bereits moderater Alkoholkonsum mit Hypertonie und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sei (31). Der nachfolgende Faktencheck versucht, Klarheit in die Debatte zu bringen. Die ACCORD-Studie (Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes) hatte an 10 251 Teilnehmern (61% Männer, 19% Farbige, 7% Latinos) mittels eines faktoriellen Zwei-mal-zwei-Designs untersucht, ob eine forcierte Senkung des HbA1c einerseits und des Blutdrucks andererseits das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle, nicht tödliche Herzinfarkte und nicht tödliche Schlaganfälle («primärer Endpunkt») verringern könnte. Die 4733 Teilnehmer der Blutdruck-Substudie wurden randomisiert unterschiedlichen systolischen Zielwerten zugeordnet («Intensiv»: < 120 mmHg vs. «Standard»: < 140 mmHg) (3). Die Patienten waren im Mittel 62 Jahre alt, fettleibig (BMI 32 kg/m2), hatten eine mediane Diabetesdauer von 10 Jahren mit nicht zielgerechter Diabeteseinstellung (Ausgangs-HbA1c: 8,3%) hinter sich und in 34 Prozent der Fälle bereits ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten. Der mittlere Ausgangsblutdruck von 139/76 mmHg wurde im intensiviert behandelten Arm über knapp 5 Jahre auf einen Blutdruck von 119/64 mmHg abgesenkt. Der primäre Endpunkt unterschied sich gegenüber dem Standardarm (erzielter Blutdruck 134/71 mmHg) nicht signifikant. Lediglich der sekundäre Endpunkt «Schlaganfall» trat mit einer relativen Risikoreduktion von 41 Prozent gegenüber dem Standardarm signifikant seltener auf (30). ACCORD ist formal eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie mit ho- her Evidenzklasse (EK 1b) und Empfehlungsgrad (EG B). Die Querschnittsauswertung von Mayll et al. (31) untersucht dagegen lediglich eine mögliche Korrelation zwischen den Blutdruckwerten und dem Trinkverhalten vor der Intervention. Es handelt sich somit um eine nicht experimentelle, deskriptive Korrelationsstudie mit geringem Evidenz- und fehlendem Empfehlungsgrad (EK 3 / EG 0). Die Arbeit weist zahlreiche Schwächen auf, von denen die Autoren einige diskutieren, wie etwa das Fehlen der geschlechtsspezifischen Differenzierung bei der Definition des moderaten Alkoholkonsums. Die Autoren verwenden für beide Geschlechter den Frauengrenzwert, was zu einer Fehlallokation von immerhin 61 Prozent der Teilnehmer führt. Moderater Alkoholkonsum wird üblicherweise definiert als < 21 (Männer) bzw. < 14 (Frauen) Standardgetränke (à 125 ml Wein; 300 ml Bier; 25 ml Spirituosen) pro Woche (24). Weitere Schwächen bleiben unerwähnt, wie etwa die wiederholt belegte unterschiedliche Schaden-Nutzen-Bilanz verschiedener alkoholischer Getränkearten und Trinkmuster (12, 13, 32). Ausserdem wird der an Typ-2-Diabetikern belegte Gesundheitsnutzen eines moderaten Weinkonsums im Rahmen eines mediterranen Ernährungsstils (9, 10, 26, 27) nicht thematisiert, obwohl hierzu aktuelle US-Studien vorliegen (33). Dass die ACCORD-Studie weder ambulante Blutdruck- noch genetische Analysedaten erhoben hat, wird von den Autoren zwar als Schwäche diskutiert. Aber relevante Arbeiten, die beide Parameter erfasst (26, 27) und damit gezeigt haben, dass moderater Weingenuss im Rahmen einer mediterranen Ernährung je nach ADH-Genotyp entweder den Glukosestoffwechsel oder das ambulante Blutdruckprofil jeweils günstig beeinflusst, werden nicht zitiert. Vor allem aber unterliegt die Studie einem konzeptionellen Doppelfehler: • Falsche Prämisse: In einem Patientenkol- lektiv, das zu über 90 Prozent eine medikamentöse Blutdruckvorbehandlung hatte, den Ausgangsblutdruck vor Studienbeginn zu verwenden, ist die falsche Prämisse. • Logikfehler: Wenn schon der primäre Endpunkt einer prospektiven Studie mit einer 5 Jahre langen zielgerechten Blutdrucksenkung (119 vs. 134 mmHg) verfehlt wird, welcher andere Erkenntnisgewinn ergibt sich dann aus der Korrelation von zwei vor der Intervention erfassten Surrogatparametern (Ausgangsblutdruck / Alkoholkonsum)? Somit sind weder die Schlussfolgerungen durch die Daten belegt, noch werden relevante Arbeiten zitiert. Kristian Rett 8 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021 (vgl. Abbildung) mit einer Abnahme der Diabetes inzidenz und vor allem der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität einhergeht (8 –10). Die Adhärenz ist mit einem einfachen 14-Punkte-Fragebogen im Rahmen einer detaillierten Ernährungsanamnese messbar und lässt sich in der Diabetikerschulung und der Ernährungsberatung einsetzen (Tabelle 1) (11). Moderater Weingenuss wird dabei als 1 von 9 gesundheitsfördernden Bestandteilen der mediterranen Ernährung erfasst. In den Leitlinien wird dagegen einseitig fast ausschliesslich vor dem Schadens- und Suchtpotenzial des übermässigen Alkoholkonsums und vor der Hypoglykämiegefahr gewarnt (5, 7). Der belegte Gesundheitsnutzen des moderaten Konsums wird ebenso wie die Schaden-/Nutzenbilanz unterschiedlicher alkoholischer Getränkearten (12) und Trinkmuster (13) nicht thematisiert. Auch fehlt der Hinweis auf das Phänomen der dosisabhängigen Effektumkehr (Hormesis oder J-Kurve), die als Schlüssel zur Frage des «rechten Masses» für beide Diabetestypen gesichert ist (12, 14). Gleichzeitig überbieten sich hochrangige Journale mit globalen Grossstudien minderer Evidenz, aber mit hohem ideologischem Anspruch, die jeglichen risikofreien Alkoholkonsum negieren und vollständige Abstinenz für alle fordern (15, 16). Wein und Stoffwechsel Schon Carl von Noorden hat mit seinen Hafertagen und der täglichen Gabe von Alkohol (Wein zu den Hauptmahlzeiten) bei seinen Diabetespatienten die Glukoseausscheidung fast halbiert (17). Heute wissen wir, dass dem ein komplexes Zusammenspiel aus Ethanoleffekten sowie Effekten sekundärer Pflanzenstoffe (Polyphenole, Flavonoide und Stilbene sind mit einer reduzierten Diabetesprävalenz assoziiert [18]) zugrunde liegt (19–21). Ethanol wirkt sich bereits in geringen Mengen umfassend auf den Stoffwechsel aus. Es kommt zu einem obligat bevorzugten Ethanolabbau bei gleichzeitig gebremster Lipidoxidation, einer insulinunabhängigen Antilipolyse sowie einem Redox- und Substrat-Shift. Für die ADVANCE-Studie, eine der drei grossen Diabetesstudien (22, 23), liegen von 30 Prozent der 11 140 Teilnehmer Daten aus Fragebögen zu Trinkverhalten und -menge vor, die in einer Post-hoc-Subgruppenanalyse korreliert wurden (24). Bei moderatem Alkoholkonsum waren im 5-Jahres-Vergleich mit der abstinenten Kohorte kardiovaskuläre Ereignisse, mikrovaskuläre Komplikationen und Gesamtmortalität jeweils um 17, 15 und 13 Prozent signifikant vermindert. Dieser Befund ist bei moderatem Weinkonsum mit 22, 15 und 23 Prozent relativer Risikoreduktion noch deutlicher (Tabelle 2). Bei grösseren Trinkmengen verschwindet der kardiovaskuläre Vorteil: Starke Trinker hatten im Vergleich zu den Abstinenten ein dosisabhängig höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Tod. Allerdings sind die Daten vorsichtig zu interpretieren, unter anderem wegen der mutmasslich hohen Teilnehmer- IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM Tabelle 2: Vergleichender Einfluss der in der ADVANCE-Studie untersuchten Merkmale auf die 5-Jahres-Endpunkte Relative Risikoreduktion (RRR, %) [Signifikanzniveau, p] Kardiovaskuläre Endpunkte Forcierte HbA1c-Senkung (22) 6,4% vs. 7,4% 1,0% mmHg 6 0,32 Intensivierte BIutdrucksenkung (23) 135/73 vs. 140/75 mmHg 5/2 mmHg 8 0,16 Weinkonsum (24) moderat* vs. abstinent < 20 ♀ / < 30 ♂ g EtOH 22 0,001 Mikrovaskuläre 14 9 15 Endpunkte 0,01 0,16 0,12 Gesamtmortalität 7 0,28 14 0,025 23 0,02 *Moderater Alkoholkonsum definiert als < 21 (Männer) bzw. < 14 (Frauen) Standardgetränke (125 ml Wein) pro Woche. zahl mit genetischer Alkoholunverträglichkeit (Asian Flush Syndrome) (25). Die CASCADE-Studie untermauert den günstigen Effekt moderaten Weinkonsums bei 224 zielgerecht behandelten Typ-2-Diabetikern (26). Die Probanden konsumierten 2 Jahre im Rahmen einer ernährungsmedizinisch begleiteten isokalorischen, mediterranen Ernährung entweder 150 ml Rot- oder Weisswein oder Mineralwasser zum Abendessen. Die Effekte auf das Lipidprofil reproduzieren hauptsächlich die von moderatem Weingenuss bekannten Veränderungen – mit leichten Vorteilen zugunsten des Rotweins. Signifikante Unterschiede gab es beim Blutdruck und bei den glykämischen Parametern (HbA1c, Nüchternplasmaglukose, Insulin), die nahelegen, dass es sich um ethanolvermittelte Effekte handelt. Dagegen beobachtete man weder eine Gewichtszunahme noch eine veränderte Fettverteilung (27, 28). In der PREDIMED-Studie (10) wurden 7447 Personen mit Typ-2-Diabetes (ca. 50%) oder hohem kardiovaskulärem Risiko in drei Gruppen randomisiert: fettreduziert (Kontrollgruppe) und zwei Gruppen mit mediterraner Ernährung, die zusätzlich Olivenöl oder Nüsse erhielten (Beobachtungszeitraum: 4 Jahre) (10). Die ernährungsmedizinische Begleitung beinhaltete vor allem die 14 Kriterien aus Tabelle 1. Die Nr. 8 – «pro Woche mindestens sieben Gläser Wein jeweils zur Mahlzeit» – erfüllte ein Viertel der Teilnehmer in der Kontroll-, ein Drittel in der Gruppe mit mediterraner Ernährung. Der primäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, tödlicher/nicht tödlicher Herzinfarkt/Schlaganfall) wurde in beiden Gruppen mit mediterraner Ernährung innerhalb von 4,8 Jahren um etwa 30 Prozent reduziert. Die MOLI-SANI-Kohortenstudie (9) zeigte bei 1995 Diabetikern, dass die Mortalität mit steigender Adhärenz gegenüber der mediterranen Ernährung abnimmt und moderater Weingenuss hier das Einzelmerkmal mit dem höchsten erzielbaren Vorteil von allen mediterranen Nahrungsmitteln ist (9). Prof. Dr. med. Kristian Rett FA Innere Medizin / Endokrinologie und Diabetologie Endokrinologikum München D-80333 München E-Mail: kristian.rett@amedes-group.com Interessenkonflikte: Der Autor ist ehrenamtliches Mitglied und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Weinakademie. Referenzen: 1. Hippokrates. Ausgewählte Schriften Verlag Walter de Gruyter, 2014 ISBN-13: 9783110361322 2. Davies MJ et al.: Management of hyperglycaemia in type 2 diabetes, 2018. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia. 2018;61(12):2461-2498. 3. Shai I et al.: Weight loss with a low-carbohydrate, Mediterranean, or low-fat diet. N Engl J Med. 2008;359(3):229-241. 4. Toeller M.: Ernährungsempfehlungen bei Diabetes und deren Implementierung. Update anhand ausgewählter Publikationen. Diabetologe 2009;5:442-52. 5. Mozaffarian D et al.: Components of a cardioprotective diet: new insights. Circulation. 2011;123(24):2870-2891. 6. Evert AB et al.: Nutrition Therapy for Adults With Diabetes or Prediabetes: A Consensus Report. Diabetes Care. 2019;42(5):731-754. 7. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. http://www.dge.de/10regeln 8. Trichopoulou A et al.: Adherence to a Mediterranean diet and survival in a Greek population. N Engl J Med. 2003;348(26):2599-2608. 9. Bonaccio M et al.: Adherence to the traditional Mediterranean diet and mortality in subjects with diabetes. Prospective results from the MOLI-SANI study. Eur J Prev Cardiol. 2016;23(4):400-407. 10. Estruch R et al.: Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet Supplemented with Extra-Virgin Olive Oil or Nuts. N Engl J Med. 2018;378(25):e34. 11. Hebestreit K et al.: Validation of the German version of the Mediterranean Diet Adherence Screener (MEDAS) questionnaire. BMC Cancer. 2017;17(1):341. 12. Neuenschwander M et al.: Role of diet in type 2 diabetes incidence: umbrella review of meta-analyses of prospective observational studies. BMJ. 2019;366:l2368. 13. Schutte R et al.: Drink types unmask the health risks associated with alcohol intake – Prospective evidence from the general population. Clin Nutr. 2020;39(10):3168-3174. 14. Beulens JW et al.: Alcohol consumption and risk of microvascular complications in type 1 diabetes patients: the EURODIAB Prospective Complications Study. Diabetologia. 2008;51(9):1631-1638. 15. Wood AM et al.: Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies. Lancet. 2018;391(10129):1513-1523. 16. GBD 2016 Alcohol Collaborators. Alcohol use and burden for 195 countries and territories, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016 Lancet. 2018;392(10152):10151035. 17. v. Noorden C: (1901) Die Zuckerkrankheit und ihre Behandlung. 3. Auflage, 4. Kapitel S. 83; August Hirschwald, Berlin. 18. PREDIMED study investigators. Intake of Total Polyphenols and Some Classes of Polyphenols Is Inversely Associated with Diabetes in Elderly People at High Cardiovascular Disease Risk. J Nutr. 2015;146(4):767-777. 19. Turner BC et al.: The effect of evening alcohol consumption on next-morning glucose control in type 1 diabetes. Diabetes Care. 2001 Nov;24(11):1888-93. 20. Siler SQ et al.: De novo lipogenesis, lipid kinetics, and whole-body lipid balances in humans after acute alcohol consumption. Am J Clin Nutr. 1999;70(5):928-936. 21. Yu B et al.: Ethanol stimulates glucose uptake and translocation of GLUT-4 in H9c2 myotubes via a Ca(2+)-dependent mechanism. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2000;279(6):E1358-E1365. 22. Patel A et al.: Effects of a fixed combination of perindopril and indapamide on macrovascular and microvascular outcomes in patients with type 2 diabetes mellitus (the ADVANCE trial): a randomised controlled trial. Lancet. 2007;370(9590):829-840. 23. ADVANCE Collaborative Group, Patel A et al.: Intensive blood glucose control and vascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med. 2008;358(24):2560-2572. 24. Blomster JI et al.: The relationship between alcohol consumption and vascular complications and mortality in individuals with type 2 diabetes. Diabetes Care. 2014;37(5):1353-1359. 10 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021 IM FOKUS: KARDIOVASKULÄRES RISIKO, ADIPOSITAS UND MIKROBIOM 25. Li H et al.: Refined geographic distribution of the oriental ALDH2*504Lys (nee 487Lys) variant. Ann Hum Genet. 2009;73(Pt 3):335345. 26. Gepner Y et al.: Effects of Initiating Moderate Alcohol Intake on Cardiometabolic Risk in Adults With Type 2 Diabetes: A 2-Year Randomized, Controlled Trial. Ann Intern Med. 2015;163(8):569-579. 27. Gepner Y et al.: Differential Effect of Initiating Moderate Red Wine Consumption on 24-h Blood Pressure by Alcohol Dehydrogenase Genotypes: Randomized Trial in Type 2 Diabetes. Am J Hypertens. 2016;29(4):476-483. 28. Golan et al.: Effects of initiating moderate wine intake on abdominal adipose tissue in adults with type 2 diabetes: a 2-year randomized controlled trial. Public Health Nutr. 2017;20(3):549-555. 29. Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group, Gerstein HC et al.: Effects of intensive glucose lowering in type 2 diabetes. N Engl J Med. 2008;358(24):2545-2559. 30. ACCORD Study Group. Effects of intensive blood-pressure control in type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med.2010; 360:1-11 31. Mayl JJ et al.: Association of alcohol intake with hypertension in type 2 diabetes mellitus: the ACCORD trial. J Am Heart Assoc. 2020;9:e017334. 32. Jani BD et al.: Association between patterns of alcohol consumption (beverage type, frequency, and consumption with food) and risk of adverse health outcomes: a prospective cohort study. BMC Med. 2021;19(1):8. 33. O’Connor LE et al.: Adherence to a Mediterranean-style eating pattern and risk of diabetes in a U.S. prospective cohort study. Nutrition and Diabetes 2020;10(1): 8. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2021 11