Transkript
ERNÄHRUNG
Intervallfasten in der Altersgruppe 45 plus
Abnahme von Körpergewicht und Bauchumfang im Alltagssetting
Christel Kampet1, Simone Günzel1, Gabriele Hanstein1, Karoline Dimroth1, Fleur Daase1, Gabriele Schaepers-Feese2, Werner Hopfenmüller 3, Franz-Werner Dippel1
Regelmässigen täglichen Esspausen von mindestens 16 Stunden werden positive Effekte auf Stoffwechsel, Körpergewicht und Allgemeinbefinden nachgesagt (1, 2). Unter jungen Erwachsenen ist das Intervallfasten sehr populär. Inwieweit sich das Ernährungskonzept auch für ältere Menschen eignet, war Gegenstand einer Pilotstudie an der Technischen Universität Berlin.
In dieser Pilotstudie wurde die Wirksamkeit der 16:8-Methode über vier Wochen unter Alltagsbedingungen bei 45- bis 78-Jährigen im Rahmen eines Vorher-Nachher-Vergleichs untersucht. Eingeschlossen wurden Probanden mit einem BMI ≥ 18,5 kg/m2. Primäre Endpunkte waren die Gewichtsreduktion sowie die Verringerung des Bauchumfangs.
Ergebnisse
Insgesamt 74 Probanden nahmen an der Studie teil. Das Durchschnittsalter lag bei 64,3 Jahren (Minimum 46, Maximum 78). Der Frauenanteil betrug 73 Prozent. Das mittlere Gewicht der Frauen lag zu Beginn der Studie bei 69,6 kg (Minimum 53,5, Maximum 97,7), das der Männer bei 90,7 kg (Minimum 72,6, Maximum 126). Der durchschnittliche Bauchumfang der Frauen betrug 94 cm (Minimum 80, Maximum 112), der der Männer 101,5 cm (Minimum 89, Maximum 133). 43 Teilnehmer (58%) hatten mindestens eine Begleiterkrankung. Die häufigsten Diagnosen waren Hypertonie (27 ×), Schilddrüsenerkrankungen (18 ×), Fettstoffwechselstörungen (6 ×) und andere Krankheiten (24 ×). Bei den Probanden handelte es sich somit um eine für diese Altersgruppe typische kardiometabolische Risikopopulation. Gewicht Nach vier Wochen hatten 66 von 74 Teilnehmern Gewicht verloren (89,2%). Die mediane Gewichtsabnahme betrug 1,4 kg bei den Frauen und 1,9 kg bei den Männern. Drei Frauen zeigten keine Gewichtsveränderung, drei weitere zeigten eine Gewichtszunahme. Insgesamt 37 Teilnehmer nahmen zwischen 1,5 und 6 kg ab (Abb.1). Bauchumfang Nach vier Wochen hatte sich der Bauchumfang bei 58 von 74 Teilnehmern verringert (78,4%): Die mediane Reduktion des Bauchumfangs der Frauen betrug 2 cm, die der Männer 2,3 cm. Bei 45 Probanden
Anzahl Probanden
25 20 15 10 5 0
<0 ≥0<1 ≥1<2 ≥2<3 ≥3 <4 ≥4<5 ≥5<6 ≥6
kg
Frauen
Männer
Abb. 1: Reduktion des Körpergewichts nach vier Wochen
(61%) verringerte sich der Bauchumfang um mehr als 2 cm. (Abb. 2) Verträglichkeit Die Vitalparameter (Ruhepuls, Blutdruck, allgemeines Wohlbefinden) zeigten keine relevanten Veränderungen. Die Hälfte aller Teilnehmer (51,4%) berichtete über temporäre Befindlichkeitsstörungen (z. B. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Frieren und Mundgeruch). Zwei Probanden (2,7%) brachen die Pilotstudie aufgrund medizinischer Gründe (Blutdruckabfall, Gastritis) ab. Adhärenz und Persistenz Die Fasten- bzw. Essintervalle (von 16:8 Stunden) wurden an 86 Prozent aller Studientage eingehalten.
Schlussfolgerung
Tägliche Fastenintervalle von mindestens 16 Stunden über vier Wochen führten bei 45- bis 78-Jährigen unter Alltagsbedingungen zu einer relevanten Gewichtsabnahme und zu einer beträchtlichen Reduktion des Bauchumfangs, ohne den allgemeinen Gesundheitszustand zu beeinträchtigen. Dabei liess sich
1 Studierende des BANA-Gasthörerstudiums, Schwerpunkt Ernährung & Gesundheit, Technische Universität Berlin
2 Zentraleinrichtung Wissenschaft liche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK), Technische Universität Berlin
3 Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie, Charité, Berlin
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2020 23
ERNÄHRUNG NEWS
Anzahl Probanden
12 10
8
6
4
2
0 < 0 ≥ 0 < 1 ≥ 1 < 2 ≥ 2 < 3 ≥ 3 < 4 ≥ 4 < 5 ≥ 5 < 6 ≥ 6 < 7 ≥ 7 < 8 ≥ 8 < 9 > 9
cm
Frauen
Männer
Abb. 2: Reduktion des Bauchumfangs nach vier Wochen
die 16:8-Methode gut in den Alltag integrieren. Eine Gewichtsreduktion von 1,5 bis 2 kg pro Monat gilt gemäss der Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft als relevanter Abnehmerfolg (3) und erfüllt damit die allgemeinen Anforderungen an eine erfolgreiche Ernährungsintervention.
Korrespondierender Autor: Dr. rer. med. Franz-Werner Dippel M.Sc. E-Mail: Franz-werner.dippel@t-online.de
Interessenkonflikte: Keine, die Pilotstudie wurde im Rahmen eines universitären Forschungsprojekts budgetfrei realisiert. Literatur: 1. Mattson MP, Longo VD, Harvie M: Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res Rev 2017; 39: 46–58. 2. De Cabo R, Mattson MP: Effects of intermittent fasting on health, aging, and disease. N Engl J Med 2019; 381: 2541–251. 3. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur «Prävention und Therapie der Adipositas». Version 2.0 (April 2014).
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