Transkript
BIOLOGISCHE ERNÄHRUNG = GESUND?
Milch: Bio oder konventionell?
Dipl. oec. troph. Ulrike Gonder
Ist Biomilch die «gesündere» Milch? Da die Zusammensetzung der Milch vielen Einflüssen unterliegt – von der Rasse über die Fütterung bis zur Jahreszeit und zum Betriebssystem –, lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten.
Biomilch: Optimiertes Fettsäurespektrum
Die gesundheitlichen Vorteile eines regelmässigen Milchkonsums wurden mit konventioneller Milch gezeigt. Mehr Grünfutter bzw. Heu und mehr Bewegung der Kühe im Freien kann die Zusammensetzung der Milch noch weiter verbessern, vor allem die Fettqualität (siehe Tabelle). So weist bereits konventionelle Milch ein sehr günstiges Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren auf, bei Bio- bzw. Weidemilch fällt es noch günstiger aus. Daher ist Milch hervorragend geeignet, das Verhältnis der mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Ernährung zu optimieren. In einer amerikanischen Untersuchung enthielt Biomilch übers Jahr gemittelt 25 Prozent weniger Omega-6-Fettsäuren, jedoch 62 Prozent mehr Omega-3-Fettsäuren als konventionelle Milch, sodass ihr Omega-6-/Omega-3-Quotient zweieinhalbmal niedriger ausfiel. Zwar kann die Milch den Fisch als Omega-3-Lieferant nicht ersetzen, schon weil sie nur Spuren von DHA* enthält. Sie kann
jedoch deutlich zur Versorgung mit EPA* beitragen: Mit einem Glas Vollmilch täglich lässt sich etwa ein Drittel der EPA-Menge aufnehmen, die in einer Portion Forelle oder Pazifiklachs steckt. Zudem enthält Milch nennenswerte Mengen an DPA*, die vom Körper leichter als EPA in DHA umgewandelt werden kann. Gesundheitlich erwünscht ist auch der höhere Gehalt der Bio- bzw. Weidemilch an CLA*, insbesondere jener, deren cis-Doppelbindung an Position 9 und deren trans-Doppelbindung an Position 11 sitzt (c9,t11-CLA). Milch enthält auch die Vorstufe dieser CLA (trans-11- Vaccensäure), die auch im menschlichen Stoffwechsel in CLA umgewandelt werden kann. CLA werden als Schutzfaktoren gegenüber Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes diskutiert.
Konventionelle Milch: Mehr Jod
Wie eine Untersuchung an 110 Schweizer Proben ergab, enthalten sowohl Bio- als auch konventionelle Milch heute mehr Jod als vor
Einfluss der Fütterung auf das Fettsäuremuster von Milchfett (Weideperiode)
(in % aller Fettsäuren)
Fettsäuren
Biomilch
Konventionelle Milch
gesättigte
69,4 69,4
einfach ungesättigte
26,4 27,0
mehrfach ungesättigte (Omega-6)
2,1
2,2
mehrfach ungesättigte (Omega-3)
1,4
1,0
– davon Alpha-Linolensäure
0,89
0,58
– davon EPA und DPA*
0,20 0,14
Verhältnis Omega-6 / Omega-3
1,5
2,2
Vaccensäure (trans11 C18:1)
2,0
1,5
konjugierte Linolsäuren (CLA)
1,4
1,1
– davon cis9,trans11-CLA
1,04
0,87
Modifiziert nach: Max-Rubner-Institut: Ernährungsphysiologische Bewertung von Milch und Milchprodukten und ihren Inhaltsstoffen, 2014
25 Jahren. Allerdings schneidet die konventionelle Milch in Sachen Jod noch immer besser ab: Ihr Jodgehalt lag im Mittel bei 111 ηg/l, während Biomilch auf 71 ηg/l kam. Zudem gibt es saisonale Unterschiede: Während der Weidezeit nehmen die Tiere weniger Jod auf und scheiden daher auch weniger mit der Milch aus. Da die konventionelle Haltung höhere Jodzulagen im Mineralfutter erlaubt (5 mg vs. 0,6 mg Jod/kg Futtertrockenmasse), das bei Stallhaltung zudem gezielter verabreicht werden kann, wurden die höchsten Jodgehalte in konventioneller Wintermilch gemessen (145 ηg/l). Biomilch brachte es im Winter auf 99 ηg/l. Im Durchschnitt nehmen die Schweizer täglich 24 μg Jod aus Milch und Milchprodukten zu sich. Das entspricht bei Erwachsenen 16 Prozent der empfohlenen Zufuhr, bei Kindern und Jugendlichen 18 bis 21 Prozent. Damit stellen Milch und Milchprodukte nach jodiertem Speisesalz eine der wichtigsten Jodquellen dar.
Fazit: Vollfette Weidemilch
Der Spurenelementgehalt der Milch lässt sich über das Mineralfutter steuern, hier haben es die konventionellen Betriebe leichter. Ein wesentlicher Faktor für eine optimale Fettsäurezusammensetzung ist dagegen Weidegang bzw. überwiegende Grasfütterung. Weidegang ist für Biokühe Pflicht, in der Schweiz kommen jedoch auch viele konventionell gehaltene Tiere in den Genuss frischen Grases.
Korrespondenzadresse: Dipl. oec. troph. Ulrike Gonder Taunusblick 21, D-65510 Hünstetten E-Mail: mail@ugonder.de Literatur bei der Verfasserin.
* DHA = Docosahexaensäure, EPA = Eicosapentaensäure, DPA = Docosapentaensäure, CLA = konjugierte Linolsäuren
16 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2019