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SYMPOSIUMSBERICHT
16. Jahreskongress der SSAAMP
Die Lebensqualität auf attraktive Art verlängern
Annegret Czernotta
Bereits zum 16. Mal trafen sich Spezialisten der Schweizerischen Gesellschaft für Anti-AgingMedizin und Prävention (SSAAMP) und stellten aktuelle Entwicklungen in der Hormontherapie und der Umweltmedizin vor. Erstmals kam die Sektion Medizinische Ästhetik hinzu. Inhaltlich wurden Zusammenhänge von Muskulatur, Körper und gezieltem Training sowie die aktuellen Tendenzen im Bereich der Dermatologie in Bezug auf Falten und Lasermedizin diskutiert.
Dr. med. Simon Feldhaus, Präsident der SSAAMP, eröffnete den Jahreskongress und stellte kurz die Hot Topics 2019 vor. So stehe beim Hype um 5G eine Bewertung aus, die auch nicht möglich sei, so Feldhaus, da die Datenlage aktuell völlig unzureichend sei. Durch den Hype treten zudem wichtigere Probleme in den Hintergrund. So zeigen Studien, dass die Bleikonzentration im Grönlandeis seit 1940 stark zugenommen hat (1). Bei allen, insbesondere älteren Menschen im europäischen Raum, muss laut dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK Bayern von einer Schwermetallbelastung durch Ernährung und Inhalation von Schadstoffen ausgegangen werden Aluminium stört die intrazelluläre Kalziumhomöostase und hemmt die mitochondriale Atmungskette (2). Als Konsequenz könnten Hyperaktivität, Lernstörungen und eine verzögerte neuromotorische Entwicklung folgen. Eine Entgiftung ist möglich, sollte allerdings nur unter ärztlicher Aufsicht geschehen. Man solle sich bewusst sein, so Feldhaus, «dass unser Lebensstil und unsere Umwelt Gene an- oder aus-schalten kann». Zucker, kurzkettige Kohlenhydrate, verarbeitetes Fleisch und Getreide, Immobilisation, Umweltgifte, Schwermetalle, Konservierungsstoffe, Glyphosphat und einige Medikamente schädigen die Mitochondrien, vergiften den Darm und das Mikrobiom, behindern notwendige Reparaturprozesse und schädigen die Erbsubstanz. Für Reparatur und Heilung hingegen sorgen unter anderem Muskeltraining, Fastentage und sekundäre Pflanzenstoffe. Studien zeigen, dass beispielsweise Vitamin D3, zusammen mit Kurkuma, dem Immunsystem helfen, von Amyloid beta frei zu werden. Amyloid beta ist in der Alzheimer-Entwicklung entscheidend. Auch eine Kombination aus Vitamin B und Omega 3 verlangsamt die Hirnatrophie, die schliesslich zu einer Alzheimer-Erkrankung führen kann.
Titan- und Keramikimplantate
Keramikimplantate zählten in der Vergangenheit eher zur Domäne der ganzheitlichen Zahnmedizin. Heute erleben sie laut dem Zahnarzt Dr. Jens Tartsch, Kilchberg, auch in der schulmedizinisch-implantologisch tätigen Zahnarztpraxis eine Renaissance. Ermöglicht haben das eine rasante technologische Weiterentwicklung des Materials, der Materialoberflächengestaltung und die praktischen Versorgungskonzepte. Waren Keramikimplantate in der Vergangenheit noch mit relativ hohen Verlustraten durch Abbruch und Herausfallen behaftet, sind sie heute eine echte Ergänzung und Erweiterung des Behandlungsspektrums in der zahnärztlichen Praxis zur Versorgung fehlender Zähne, aufgrund der konkreten fachlichen Vorteile wie einer metallfreien Versorgung, verbesserter Ästhetik, gesünderer Weichgewebe, fehlender Korrosion, weniger Beläge und damit weniger Entzündung. «Derzeit befinden sie sich nahezu auf Augenhöhe mit Titanimplantaten als dem heutigen Goldstandard», hielt Tartsch abschliessend fest.
Medizinische Ästhetik
Bei der medizinischen Ästhetik geht es um die Grundlagen der Ästhetik und um die Zusammenhänge von Muskulatur, Körper und gezieltem Training. In der Fortbildung zur ästhetischen Endokrinologie sprach der Gynäkologe Prof. Bernd Kleine-Gunk, Metropol Medical Center in Nürnberg/Fürth und Präsident der German Society of Anti-Aging-Medicine. Die ästhetische Endokrinologie umfasst den Versuch, durch Hormone das Erscheinungsbild der Frau vor, während und nach den Wechseljahren positiv zu beeinflussen. Neben den Veränderungen der Haut geht es auch um das Körperbild, Befindlichkeitsstörungen und das Wohlbefinden. Die Haut bietet sich als Zielorgan an, da sie eine selbstständige endokrine Drüse
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SYMPOSIUMSBERICHT
ist, die insgesamt mehr als 30 verschiedene Hormone in der Haut und im Unterhautfettgewebe bildet. Kleine-Gunk ging zu Beginn auf die Frage ein, was denn Schönheit eigentlich ist. Denn die Natur interessiert sich nicht für Ästhetik, sondern allein für den Erhalt und die Fortpflanzung der eigenen Art. «Schönheit ist deshalb ein biologisches Zeichensystem, das die Summe all der Merkmale ist, die eine gute Gesundheit und vor allem eine optimale Fortpflanzungsfähigkeit signalisieren», so Kleine-Gunk. Dazu zählen: volles Haar, glatte Haut, Zeichen von Jugendlichkeit. Neotene (weibliche) Merkmale von Schönheit sind dem kindlichen Schema ähnlich: das heisst eine grosse, gewölbte Stirn, eine kleine, kurze Nase, grosse, runde Augen und ein zierliches Kinn. Anti-neotene (männliche) Merkmale sind wiederum eine kurze Stirn, eine grosse Nase, schmale Augen und ein ausgeprägtes Kinn. Die Haut ist ein Spiegel des Alters. Im Alter wird das Unterhautfettgewebe dünner, der Wasser- und der Fettgehalt der Haut nehmen ab. Exogene Faktoren, die die Hautalterung beeinflussen, sind UV-Licht, Umweltnoxen und Rauchen. Zu den endogenen Faktoren zählen der Hormonmangel und die genetische Disposition. Östrogene, Gestagene und Androgene beeinflussen das Hautbild. Androgene straffen beispielsweise das Bindegewebe. Hormonkosmetik hat deshalb eine Rezeptur all dieser Hormone inklusive verschiedener Vitamine wie D und E.
Attraktivität durch Sport steigern
Bernhard Huber vom Fit3-Vertrieb ging auf die Unterschiede von Training und Arbeit ein und welche Form des Trainings zu den besten Ergebnissen in Bezug auf eine Steigerung der körperlichen Attraktivität führt. So sind bei Frauen zu 80 Prozent die Oberschenkel, das Gesäss, die Hüfte und der Unterbauch Problemzonen. Beim Mann sind es zu 95 Prozent der Bauch und die obere Körperhälfte. Hingegen haben diese nur wenige Fettdepots an den Oberschenkeln und am Gesäss. Im Bereich des Erscheinungsbildes spielt die Epigenetik eine wichtige Rolle. «Zwei Drittel des Erscheinungsbildes kann epigenetisch durch den Lifestyle beeinflusst werden», sagte Huber. Das führt selbst bei eineiigen Zwillingen zu erheblichen Abweichungen bei einem unterschiedlichen Lifestyle. Bei Bewegung wird unterschieden in Sport mit einer optimalen Leistung, die ökonomisch ist, einem Trai-
ning, in dem sich so intensiv wie möglich bewegt wird, und Bewegung als «Arbeit», bei der es um eine lange Bewegungsdauer ohne körperliche Veränderungen geht. Beim Menschen nimmt die Muskulatur im Alter ohne Training ab. Das sei im Tierreich anders, erklärte Huber. Der Silberrückengorilla als Ältester der Sippe wird im Alter beispielsweise stärker und muskulöser. Der Grund dafür: «Er bewegt sich am Tag nur wenig, aber dafür mit Vollgas», hielt Huber fest. Diese Bewegung mit Vollgas ist mit einem HIIT, einem hochintensiven Intervalltraining, vergleichbar. Laut Studien ist das die effektivste Methode für einen hohen Energieu msatz und Muskelaufbau. So können bereits wenige Minuten HIIT den gleichen Effekt haben wie ein stundenlanges Ausdauertraining, da die Reizintensität pro Zeiteinheit höher ist. Genetisch, so Huber, seien Menschen noch immer Höhlenbewohner: Jagen, flüchten, kämpfen, sich verteidigen sind ein natürliches HIIT-Training. Auch exzentrische Belastungen wie beispielsweise Sprünge sind HIIT. Im Sport- und Fitnessbereich seien viele Trainings aber noch immer auf Arbeit und Kalorienreduktion ausgerichtet statt auf «epigenetische Relevanz», so Huber. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zeitintensive Einheiten sind beliebter, da sie schmerzlos sind, oftmals ist die Muskulatur zu schwach ausgeprägt, und viele Personen haben Schwierigkeiten, den «inneren Schweinehund» zu überwinden. Und HIIT ist intensiv und damit anstrengend. Dabei ist HIIT-Training mit den richtigen Technologien in jedem Lebensalter möglich. Bei 85 Prozent der Bevölkerung müssen für sicht- und messbare Resultate sogenannte High-Tech-Verstärker mit externer Energie respektive Maschinen eingesetzt werden, um die Belastungen gezielt und dosiert zu intensivieren, sodass sich die aktiven und passiven Strukturen im Körper weiter aufbauen können. Diese durch maschinenunterstützte HIIT-Trainings werden auch im Reha-Training eingesetzt.
Quelle: 19. Jahreskongress der SSAAMP, 9. März, Metropol Zürich. Referenzen: 1. Murozumi M, Chow TJ, Patterson CC: Chemical concentrations of pollutant lead aerosols, terrestrial dusts and sea salts in Greenland and Antarctic snow strata. Geochim Cosmochim Acta 33: 1247, 1969. 2. Drago D, Cavaliere A, Mascetra N et al.: Aluminium modulates effects of beta amyloid (1-42) on neuronal calcium homeostasis and mitochondria functioning and is altered in a triple transgenic mouse model of Alzheimer’s disease. Rejuvenation Res (United States), 2008, 11(5), p861– 871.
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