Transkript
ERNÄHRUNG IN DER SCHWANGERSCHAFT
Update Mikronährstoffe in der Schwangerschaft
Katharina Quack Lötscher
Im Bereich der Mikronährstoffeinnahme in der Schwangerschaft gibt es neue Empfehlungen für Frauen mit veganer Ernährung (1). Die empfohlene Menge für die Jod- und Vitamin-D-Supplementierung wird weiterhin diskutiert.
Katharina Quack Lötscher
Mikronährstoffe bei veganer Ernährung in der Schwangerschaft
Vegane Ernährung wird in den Laienmedien häufig aufgegriffen, leider stehen bis heute aber fast keine grossen Studien mit Schwangeren auf diesem Gebiet zur Verfügung. Gemäss dem neusten EEK-Bericht wird Schwangeren von einer veganen Ernährung abgeraten (1). Wenn dennoch eine vegane Ernährung von der Schwangeren gewünscht wird, sollte besonders auf folgende Mikronährstoffe geachtet werden: Eisen, Vitamin B12, Jod, Zink, Selen, Kalzium und Vitamin D. Für Kalzium, Zink sowie auch die ungesättigten Fettsäuren wird eine ausführliche Ernährungsanamnese durch eine in diesem Bereich geschulte Ernährungsberatung empfohlen; für Eisen, Vitamin B12, Vitamin D und Jod (TSH) stehen Blutmarker zur Verfügung. Ohne eine spezifische Supplementation kann die Schwangere die empfohlenen Werte nicht erreichen.
Vitamin D
In den letzten Jahren haben Studien zur Erforschung
von Vitamin D weiterhin zugenommen. Für eine kul-
turell heterogene Kohorte von Schwangeren in der
Schweiz haben Richard et al. gezeigt, dass
Update micronutriments pendant la grossesse
die Prävalenz von Vitamin D in der Frühschwangerschaft bei 63 Prozent lag (2). Krieger et al. haben an drei verschiedenen
Mots-clés: iode – fer – acide folique – vitamine D supplémentation – Commission fédérale de l'alimentation (COFA)
Standorten in der Schweiz Blut von Schwangeren bei Geburt untersucht und dabei eine Unterversorgung bei 53 Prozent der Frauen festgestellt (3).
Le dernier rapport de la Commission fédérale de l'alimentation ne recommande pas l’alimentation végane aux femmes enceintes. Lorsqu’un tel
In epidemiologischen Studien konnten verschiedene Zusammenhänge mit Gestationsdiabetes, Vaginalinfektionen, Präe-
régime alimentaire est néanmoins souhaité, il klampsie und Frühgeburt dargestellt wer-
doit être suivi par un médecin et comporter une den (4). Wenige Studie liegen bislang vor,
supplémentation appropriée.
die durch die Supplementation eine Re-
duktion dieser Schwangerschaftsprobleme
nachgewiesen haben (5). Die D-A-CH empfiehlt seit 2015 800 IE pro Tag für Schwangere und Stillende mit fehlender endogener Vitamin-D-Synthese, jedoch hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die generelle Supplementation von 600 IE für Schwangere und Stillende aus dem EEKBericht von 2012 beibehalten (6, 7). Sinnvoll erscheint es, insbesondere während der Schwangerschaft Risikofaktoren wie dunkle Hautfarbe, Kopfbedeckung und langärmlige Kleidung, seltener Aufenthalt im Freien und Mangelerkrankungen zu berücksichtigen. Liegen diese Risikofaktoren vor, ist die Bestimmung von 25-OH-Vitamin D im Serum indiziert und daraus abgeleitet eine entsprechende Therapie.
Jod
In der Schwangerschaft wird eine tägliche Einnahme von 250 µg Jod pro Tag empfohlen. In der Schweiz ist man bis anhin davon ausgegangen, dass die Anreicherung des Kochsalzes mit Jod genügt, um Schwangere ausreichend zu versorgen. Die Erhebung der Jodversorgung von 2015 hat nun aber gezeigt, dass in der Schweiz bei Schwangeren die Jodkonzentration im Urin (UIC) auf Populationsebene bei 140 µg/l lag (8). Der empfohlene Wert der UIC von 150 µg/l wurde nicht erreicht, obwohl 2014 der Jodgehalt im Kochsalz von 20 mg/kg Salz auf 25 mg erhöht wurde. Dies führte zur Diskussion, ob in der Schweiz eine separate Supplementation mit Jod für Schwangere nötig ist, wie das in Deutschland üblich ist. Derzeit gibt es in der Schweiz Jod nur in Multivitaminpräparaten und nicht als Einzelpräparat. Kurz nach Erscheinen der Erhebung der Jodversorgung in der Schweiz wurde von Gowachirapant et al. eine prospektive, randomisierte Doppelblindstudie mit Jodsupplementation in Thailand und Indien veröffentlicht (9). Zu Beginn der Schwangerschaft waren beide Gruppen mit Jod leicht unterversorgt. Die Interventionsgruppe erhielt täglich 200 µg Jod in Form einer Tablette während der Schwangerschaft, die Kontrollgruppe nicht. In der Er-
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hebung der neurokognitiven Entwicklung der Kinder dieser Mütter fünf Jahre nach Geburt konnte kein Unterschied gezeigt werden. Hiermit eröffnet sich nun die Diskussion, ob der UIC-Wert von 150 µg korrekt ist und die Befunde der Schweizer Erhebung besorgniserregend sind oder ob allenfalls auch ein etwas tieferer Wert der Jodkonzentration im Urin noch eine gesunde neurokognitive Entwicklung der Kinder erlaubt. Hier sind neue Bedarfsstudien nötig. Derzeit wird in der Schweiz den Schwangeren weiterhin empfohlen, jodiertes Kochsalz zu verwenden.
39 Prozent der Schwangeren Folsäure vor der Schwangerschaft ein. Es waren signifikant weniger Nichtschweizerinnen als Schweizerinnen, die Folsäure zum richtigen Zeitpunkt eingenommen hatten (11).
Korrespondenzadresse: Dr. med. Katharina Quack Lötscher MPH Klinik für Geburtshilfe Universitätsspital Zürich Frauenklinikstrasse 10 8091 Zürich E-Mail: katharina.quackloetscher@usz.ch
Eisen
Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) hat 2017 den Expertenbrief für die Diagnostik und Therapie einer Eisenmangelanämie angepasst (10). Es wird in der Frühschwangerschaft eine Hämoglobin- und Ferritinkontrolle bei jeder Schwangeren empfohlen. Bei einer Eisenmangelanämie (Ferritin < 30 µg /l) sollte erst mit einer oralen Eisentherapie begonnen werden. Bei schwerer Eisenmangelanämie, Unverträglichkeit von oralem Eisen, fehlendem Ansprechen auf orales Eisen oder bei klinischer Notwendigkeit der raschen und effizienten Anämiekorrektur sollte eine intravenöse Eisentherapie durchgeführt werden. Eine Nachkontrolle nach 2 bis 4 Wochen wird empfohlen.
Folsäure
Die präkonzeptionelle Folsäureeinnahme hat weiterhin einen sehr hohen Stellenwert in der Geburtshilfe. Es ist jedoch weiterhin nicht gewährleistet, dass junge Frauen ausreichend über diese Wichtigkeit informiert sind (11). In der Studie von Schmidt NC et al. nahmen nur
Literatur: 1. Federal Commission for Nutrition, Vegan diets: review of nutritional benefits and risks, in Expert report of the FCN. 2018, Federal Food Safety and Veterinary Office: Bern. 2. Richard A, Rohrmann S, Quack Lotscher KC: Prevalence of Vitamin D Deficiency and Its Associations with Skin Color in Pregnant Women in the First Trimester in a Sample from Switzerland. Nutrients, 2017. 9(3). 3. Keller JP et al.: Prevalence and determinants of vitamin D deficiency in the third trimester of pregnancy: a multicentric study in Switzerland. Br J Nutr. 2018 Feb; 119 (3): 299–309. 4. Aghajafari F et al.: Association between maternal serum 25-hydroxyvitamin D level and pregnancy and neonatal outcomes: systematic review and meta-analysis of observational studies. BMJ 2013; 346: f1169. 5. De-Regil LM et al.: Vitamin D supplementation for women during pregnancy. Cochrane Database Syst Rev, 2016(1): p. CD008873. 6. BLV. Empfehlungen zu Vitamin D. 2017 Accessed on 20.8.2018: www.blv.admin.ch/blv/de/home/suche.html#Vitamin%20D 7. Eidgenössische Ernährungskommission, Vitamin D deficiency: Evidence, safety, and recommendations for the Swiss population, E.r.o.t. FCN, Editor. 2012, Bundesamt für Gesundheit: Zürich. 8. Andersson M, Herter-Aeberli I, Zimmermann MB: The National Swiss Iodine Study 2015. 2017. 9. Gowachirapant S et al.: Effect of iodine supplementation in pregnant women on child neurodevelopment: a randomised, double-blind, placebocontrolled trial. Lancet Diabetes Endocrinol, 2017; 5 (11): p. 853–863. 10. Breymann, Honegger C, Hösli I, Surbek D: Diagnostik und Therapie der Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft und postpartal (aktualisierte Version). 2017, SGGG. 11. Heiniger Eggimann S: Tripartiten Agglomerationskonferenz «Aufwachsen – gesund ins Leben starten», Paediatrica, Spezialheft Migranten 2016. www.swiss-paediatrics.org/sites/default/files/26-27_0.pdf
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