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ERNÄHRUNG UND DEMENZ
Advanced Practice Nurses (APN) in der Versorgung demenziell erkrankter Menschen
Advanced Practice Nurses (APN) sind examinierte Pflegefachpersonen, welche Expertenwissen erworben haben und über erweiterte Fähigkeiten in der Entscheidungsfindung komplexer Sachverhalte verfü̈gen. Die Versorgungsqualität von älteren Menschen mit demenziellen Erkrankungen kann durch diese Professionalisierung und Akademisierung des Pflegeberufes gesteigert werden. Im Interview gibt Dr. phil. Oliver Mauthner, Direktor Pflege am Felix-Platter-Spital in Basel, Auskunft über die Aufgaben einer APN und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen.
Oliver Mauthner
«APN zeichnen sich
in erster Linie durch Exzellenz in der klinischen Praxis aus, denn sie sind fähig, in unterschiedlichsten Settings erweiterte Rollen zu übernehmen und dies in eigener Verantwortung im interprofes-
»sionellen Team auszu-
füllen.
SZE: Wo werden APN in der Schweiz ausgebildet und eingesetzt? Oliver Mauthner: APN werden an der Universität Basel, der Universität Lausanne sowie an einigen Fachhochschulen in der Schweiz ausgebildet. An der Universität Basel besteht auch die Möglichkeit, einen Studiengang ANP-plus zu belegen, der nach einem abgeschlossenen Masterstudium absolviert werden kann. APN können in der Primär- und Sekundärversorgung sowie im Bereich der ambulanten und häuslichen Pflege Einzelpersonen und Patienten beraten und pflegen. Durch erweiterte klinische Kompetenzen unterstützen sie beispielsweise das Selbstmanagement von älter werdenden Personen und solchen mit Multimorbidität und chronischen Krankheiten.
Des Advanced Practice Nurses (APN) dans la prise en charge des personnes atteintes de démence
Mots-clés: APN – directives alimentaires – évaluation et dépistage
Les Advanced Practice Nurses (APN) sont des personnels infirmiers diplômés ayant acquis des connaissances et une expertise leur conférent des capacités élargies dans la pratique des soins. Lors d’une interview, Oliver Mauthner, dr. phil., Chief Nursing Officer à l’Hôpital Felix Platter à Bâle, a fourni des précisions sur les tâches d’un APN et sur la collaboration interdisciplinaire avec d’autres spécialités dans le domaine de la gériatrie, et spécialement dans le domaine de l’alimentation.
Wie viele APN hat es in der Schweiz insgesamt? Mauthner: Ende 2018 werden 16 Studierende den Studiengang Diploma of Advanced Studies in ANP-plus an der Universität Basel abgeschlossen haben, mit einigen mehr durch den direkten Abschluss eines Master of Science mit APN Profil. Die Zahl der Absolventen, die tatsächlich in diesen Rollen arbeiten, ist aber nicht bekannt.
Wo ist der Bedarf an APN am grössten? Mauthner: APN kommen zunehmend mit älteren Menschen sowie der Betreuung von chronisch Erkrankten in Kontakt. Insbesondere die Kompetenzen und der Mehrwert für die Patientenbetreuung durch APN wird erkannt und hoch geschätzt. Dies wurde in besonderem Masse bei klinischen Praktika deutlich, die in Hausarztpraxen stattfanden.
Welche komplexen Entscheidungen können die APN bei der Versorgung von Menschen mit Demenz treffen? Mauthner: Komplexe Entscheide werden beispielsweise bei der Umsetzung der Ernährungsrichtlinien gefällt: Das beinhaltet zu Beginn das Screening und das anschliessende Assessment, die individuelle Unterstützung der Betroffenen und der Angehörigen hinsichtlich der Ernährung nach Angaben der Evidenz, die Unterstützung und die Schulung des Pflegepersonals, den Einbezug der Ernährungsberatung sowie das interdisziplinäre Management der oralen Supplementierung und das Management des individuellen Einsatzes der künstlichen Ernährung, Flüssigkeitsgabe und der Sondenernährung. APN zeichnen sich in erster Linie durch Exzellenz in der klinischen Praxis aus, denn sie sind fähig, in unterschiedlichsten Settings erweiterte Rollen zu übernehmen und dies in eigener Verantwortung im interprofessionellen Team auszufüllen. Aufgabe einer APN ist es auch, sich bewusst zu sein, was nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt. Nicht dazu gehören unter anderem die Aufgabe, Diagnosen zu erstellen, die Verordnung von diagnostischen Untersuchungen sowie die Verordnung von Medikamenten.
APN verfügen über herausragende Coaching- und Führungsqualitäten. Woran zeigt sich das? Mauthner: APN arbeiten im Felix-Platter-Spital (FPS) im Shared Leadership. Sie sind dadurch ein Teil der Abteilungsführung in Zusammenarbeit mit den Abteilungsleitungen. Im FPS entsteht dadurch eine kollektive Teamführung, charakterisiert durch kollaboratives Entscheiden und geteilte Verantwortung für die Ergebnisse. Zudem übernehmen APN klinische und pflegespezifische Leaderships, haben Forschungskompetenzen und setzen Forschungsresultate in die Praxis um. Dadurch profitieren unsere Patienten von einer raschen Umsetzung neuer Entwicklungen.
16 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 3|2018
ERNÄHRUNG UND DEMENZ
Wo arbeiten APN am Felix-Platter-Spital? Mauthner: Zurzeit arbeiten APN bei uns im Akutbereich. Derzeit umgesetzt wird der Einsatz im Rehabilitationsbereich und in der Tagesklinik. Die Wirksamkeit von Dienstleistungen durch APN ist in der Schweiz allerdings noch wenig erforscht. Internationale Studien belegen jedoch die Wirksamkeit. APN tragen nachweislich zur Senkung der Wiedereinweisungsrate, zur Verbesserung der Lebensqualität, zur Reduktion der Gesundheitskosten, zur Verbesserung der Versorgungs- und der Pflegequalität, zur Stärkung und Verbesserung des Selbstpflegeverhaltens und zu einer Erhöhung der Patientenzufriedenheit bei (1–6). Der wahre Wert von APN-geleiteten Versorgungsmodellen liegt nach Ansicht von Experten in der Patientenzentriertheit und im ganzheitlichen Ansatz in der Patientenversorgung (Autar 1996; zitiert nach [7]).
Sehr geehrter Herr Dr. Mauthner, wir bedanken uns für das Interview.
Korrespondenzadresse: Dr. phil. Oliver Mauthner Direktor Pflege Felix-Platter-Spital Burgfelderstrasse 101, Postfach 4002 Basel E-Mail: Oliver.Mauthner@fps.ch
Das schriftliche Interview führte Annegret Czernotta.
Referenzen: 1. Naylor MD, Brooten DA, Campbell RL, Maislin G, McCauley K, Schwartz JS: Transitional care of older adults hospitalized with heart failure: a randomized, controlled trial. Journal of American Geriatrics Society, 2004; 52 (5), 675–681. 2. Strömberg A, Mårtensson J, Fridlund B, Levin LÅ, Karlsson JE, Dahlström U: Nurse-led heart failure clinics improve survival and self-care behaviour in patients with heart failure. European Heart Journal, 2003; Vol. 24, 1014–1023. 3. Dierick-van Daele ATM, Steuten L, Metsemakers JFM, Derckx EWC, Spreeuwenberg C, Vrijhoef HJM: Economic evaluation of nurse practitioners versus GPs in treating common conditions. British Journal of General Practice, 2010; e28–e35.
Ausbildung und Fähigkeiten einer APN
Als Kernkompetenzen einer APN gelten die Fähigkeiten zur Durchführung von Konsultationen und Beratungen, Forschungsfertigkeiten, Teamfähigkeiten, klinische sowie berufspolitische Führungsqualitäten, die Fähigkeit zur Findung von ethischen Entscheidungen sowie herausragende Coaching- und Führungsqualitäten (1, 2). Innerhalb der Schweiz zeigt sich ein zunehmender Bedarf an Pflegefachkräften, welche in der Lage sind, die veränderte Verantwortung in neuen Versorgungsmodellen in interprofessionellen Teams, die Förderung des Selbstmanagements von Patienten (2), die Durchführung komplexer Aufgabenstellungen sowie sektorenübergreifend die komplexen Herausforderungen in der Betreuung und Versorgung polymorbider Patienten mit einer demenziellen Entwicklung mit deren multiplen komplexen Bedürfnissen übernehmen zu können (3, 4). Voraussetzung für eine APN ist ein Masterstudium in Pflegewissenschaft. Mit dem Schwerpunkt APN vertiefen Pflegefachpersonen durch die Kombination von Vorlesungen und Seminaren mit klinischen Praktika unter der Supervision von Ärzten und erfahrenen APN ihre klinischen Kompetenzen. Der Fokus liegt in den Bereichen Kommunikation, Erhebung von Anamnese und klinischem Status des Patienten, Erstellen eines Pflegeplans sowie korrekter Fallvorstellung. In den Praktika werden die Einschätzung des Gesundheitszustands der Patienten, das kritische und analytische Denken, das klinische Urteilsvermögen und die Entscheidungsfindung trainiert. An der Universität Basel besteht auch die Möglichkeit, den Studiengang ANP-plus zu belegen, der nach einem abgeschlossenen Masterstudium absolviert werden kann. Die Ausbildung besteht aus einem theoretischen Teil mit Präsenzunterricht und selbstständigem Lernen. Zudem kommen klinische Praktika in drei unterschiedlichen Fach-/Versorgungsbereichen über 1 bis 2 Jahre verteilt dazu (600 Stunden). Der Zeitaufwand für die Studierenden mit Vor-und Nachbereitung beträgt etwa 900 Stunden.
4. Newhouse RP, Stanik-Hutt J, White KM, Johantgen M, Bass EB, Zanagaro G, Wilson RF, Fountain L, Steinwachs DM, Heindel L, Weiner JP: Advanced practice nurse outcomes 1990–2008: a systematic review. Nurses Economics, 2011; 29 (5), 230–250. 5. Naylor MD, Kurtzman ET: The role of nurse practitioners in reinventing primary care. Health Affairs, 2010; 29 (5), 893–899. 6. Anderson IH: The impact of using nursing presence in a community heart failure program. Journal of Cardiovascular Nursing, 2007; 22(2), 89–94. 7. Ryder M: Is heart failure nursing practice at the level of a clinical nurse specialist or advanced nurse practitioner? The Irish experience. European Journal of Cardiovascular Nursing, 2005; Vol. 4, 101–105.
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