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Titel
Teil II: Ernährung bei Kindern und Jugendlichen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Untertitel
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Hintergrund Die Zahl Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn) ist in den vergangenen Jahrzehnten in den industrialisierten Ländern stark angestiegen. Das Auftreten dieser Krankheiten ist in jedem Alter möglich, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Rund 20 Prozent der Krankheitsfälle werden bereits im Kindesalter diagnostiziert. Neben einer genetischen Veranlagung (Disposition) werden vorwiegend Umwelteinflüsse für die Zunahme verantwortlich gemacht. Diskutiert werden eine fehlerhafte einseitige Ernährung, Rückstände in den Nahrungsmitteln, gesteigerte Hygiene oder allgemein der westliche Lebensstil. Risiken
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Autoren
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Rubrik
Serie: Allgemeine Ernährungsempfehlungen für Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen
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Artikel-ID
36533
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SERIE: ALLGEMEINE ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR PATIENTEN MIT MAGEN-DARM-ERKRANKUNGEN

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Teil II: Ernährung bei Kindern und Jugendlichen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Hintergrund
Die Zahl Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn) ist in den vergangenen Jahrzehnten in den industrialisierten Ländern stark angestiegen. Das Auftreten dieser Krankheiten ist in jedem Alter möglich, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Rund 20 Prozent der Krankheitsfälle werden bereits im Kindesalter diagnostiziert. Neben einer genetischen Veranlagung (Disposition) werden vorwiegend Umwelteinflüsse für die Zunahme verantwortlich gemacht. Diskutiert werden eine fehlerhafte einseitige Ernährung, Rückstände in den Nahrungsmitteln, gesteigerte Hygiene oder allgemein der westliche Lebensstil.
Risiken
Kinder und Jugendliche mit der Diagnose Morbus Crohn haben in der Regel eine lange Leidensgeschichte, bis die Krankheit erkannt wird. Dies bedeutet, dass während mehrerer Monate die Nährstoffzufuhr ungenügend war und die betroffenen Patienten eine Mangelernährung haben. Die Patienten sind untergewichtig, es wird ein Wachstumsstillstand festgestellt, und die Pubertätsentwicklung ist verzögert.
Ernährung
Um diesen Zustand zu korrigieren und vor allem die entzündete Darmschleimhaut zu heilen, wird als Erstlinientherapie eine sogenannte Ernährungsbehandlung (EEN) über eine Dauer von 6 bis 12 Wochen empfohlen. Unter dieser Behandlung können über 70 Prozent der Patienten eine Remission (vorübergehende oder dauernde Abschwächung der Symptome) erreichen, welche sich durch eine Verbesserung des Allgemeinzustandes, eine Gewichtszunahme und eine Korrektur der Mangelernährung zeigt. Zudem kommt es zu einer Schleimhautheilung im Darm. Die Ernährungsbehandlung bedeutet allerdings, dass die Patienten während dieser Zeit ausschliesslich eine spezielle Trinknahrung einnehmen dürfen. Danach werden schrittweise wieder die täglichen Lebensmittel ohne Einschränkung eingeführt. Bei der Colitis ulcerosa ist diese Ernährungsbehandlung nicht geeignet. Makronährstoffe (Proteine, Kohlenhydrate, Fette): Allgemein bestehen keine Hinweise,

dass Kinder mit CED einen erhöhten Nährstoffbedarf haben. Bei zu tiefer Einnahme wird jedoch eine Erhöhung der Nahrungszufuhr in Form von Ergänzungsnahrungen oder hochkalorischen Nahrungszusätzen empfohlen. Bei den Fetten kann eine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fetten bei Induktion und Langzeitbehandlung Vorteile bringen. Eine Einschränkung gewisser Kohlenhydrate wie Stärke und Erhöhung der Zufuhr von Einfachzuckern in der Ernährung zeigt keine Vorteile. Eine spezifische Kohlenhydratdiät (SCD) kann daher nicht empfohlen werden. Mikronährstoffe: Eine regelmässige Überprüfung des Vitamin-D-Spiegels und eine grosszügige Vitamin-D-Gabe ist empfohlen. Im Zusammenhang mit speziellen Diäten (z.B. vegane Ernährung), ist eine regelmässige Überprüfung von Vitamin B12 und Folsäure notwendig. Unter einer Therapie mit Metothrexat sind regelmässige Gaben von Folsäure unerlässlich. Eine altersangepasste tägliche Kalziumzufuhr wird über die Ernährung empfohlen und, wenn nötig, durch Kalziumsupplemente ergänzt. Eine regelmässige Messung der Eisen- und Blutwerte wird empfohlen, um die Notwendigkeit einer Eisentherapie (als Tablette/Sirup) oder direkt intravenös zu erkennen. Ernährung bei hoher Krankheitsaktivität/akutem Schub: Eine leicht verdauliche, faserarme Ernährung kann zur Besserung von Bauchschmerzen und Durchfall führen. Eine hohe Laktosezufuhr, insbesondere bei Laktoseintoleranz, soll vermieden werden. Bei Transportstörungen und Strikturen des Darmes (M. Crohn) meiden von blähenden und faserreichen Nahrungsmittel. Eine enterale Ernährungsbehandlung (ausschliesslich Trinknahrung) hat bei Morbus Crohn eine über 70-prozentige Erfolgschance, eine rasche Besserung und Remission zu erreichen.
Diätformen bei CED
Spezifische Kohlenhydratdiät (SCD): Darunter wird eine Diät mit Einschränkung von spezifischen Kohlenhydraten verstanden. In zwei kleinen Studien konnte eine Verbesserung der Krankheitsaktivität beobachtet werden, allerdings ist die Datenlage zu ungenügend, um diese Ernährungsform für die Therapie im Kindesalter zu empfehlen. Laktosefreie Ernährung (LFD): Kinder und Jugendliche mit CED sollen zu einem regelmässigen Konsum von Milchprodukten ermuntert werden. Im Zusammenhang mit einer aktiven

Erkrankung besteht bei vielen Betroffenen eine Laktoseintoleranz mit typischen Beschwerden wie Unwohlsein, vermehrt Blähungen und erhöhtem Stuhldrang nach Genuss von Milchprodukten. FODMAP: Da eine FODMAP-reduzierte Ernährung (bestimmte Kohlenhydrate werden weggelassen) potenziell negative Auswirkungen auf die Darmflora haben kann und Risiken einer Fehlernährung birgt, wird diese Ernährungsform im Kindesalter nicht empfohlen. Crohn Exklusionsdiät: Verschiedene Nahrungskomponenten werden weggelassen50 Prozent der Nahrungszufuhr wird mit einer Trinknahrung abgedeckt. Diese Diät wird derzeit in einer internationalen Studie untersucht. Mangels genügender Daten kann diese Anwendung beim pädiatrischen Patienten nicht empfohlen werden.
«Risikonahrungsmittel» für CED
● Eine westliche Ernährungsform mit einem hohen Konsum an Fett, Eiweiss, Zucker und wenig Früchten und Gemüse gilt als möglicher Risikofaktor.
● Eine hohe Fettzufuhr (inkl. gesättigte Fette) scheint ungünstig.
● Nahrungsmittel und Getränke mit einem hohen Gehalt an Emulgatoren (Saucen, Fast Food, Margarine etc.), scheinen einen Einfluss auf die Barrierefunktion der Darmschleimhaut zu haben.
● Nahrung, die reich an Emulgatoren ist, scheint das Risiko für eine CED zu erhöhen.
Fazit
Kinder und Jugendliche mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen müssen besonders auf eine ausgewogene Ernährung achten. Bestehen Zeichen einer Mangelernährung helfen Ergänzungsnahrungen, eine rasche Verbesserung des Ernährungszustandes zu erreichen. Spezielle Diäten werden beim Kind nicht empfohlen, da ein erhebliches Risiko einer Fehlernährung besteht. Im akuten Krankheitsschub können Unverträglichkeiten für gewisse Nahrungsmittel wie zum Beispiel Laktose auftreten und durch vorübergehendes Weglassen gelindert werden.
Dr. med. Johannes Spalinger Co-Chefarzt, Leiter Tagesklinik Pädiatrische Gastroenterologie Luzerner Kantonsspital Spitalstrasse, 6000 Luzern 16 E-Mail: johannes.spalinger@luks.ch

Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2018 31