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EDITORIAL
Mit Essen die psychische Gesundheit unterstützen
Derzeit setzen sich Wissenschafter intensiv mit der Rolle der Ernährung im psychiatrischen Kontext, beispielsweise bei Essstörungen, Depression und Übergewicht, auseinander. Verschiedene retrospektive, epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass ein ungesunder westlicher Ernährungsstil mit erhöhten Depressionsraten assoziiert ist (z.B. Roesler R, CNS Neurol Disord Drug Targets 2006; 5: 197–204., Nanri A et al.: Psychiatry Res 2014; 220: 263–268). Laura Mählmann von den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel beschreibt im Beitrag auf Seite 6 ff. antidepressive Interventionen, basierend auf einer Beeinflussung der Darm-Hirn-Achse und Wiederherstellung einer gesunden Darmflora. Depressionen betreffen derzeit zirka 350 Millionen Menschen weltweit, und neue Therapieansätze, die das Mikrobiom sanieren, sowie diätbasierte Interventionen könnten einen innovativen und gut verträglichen Therapieansatz darstellen. Im Fokus steht derzeit die Gabe von Ernährungsergänzungsmitteln wie Kalzium, Chromium, Folsäure, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, den Vitaminen D, B12, B1, Zink, Magnesium, D-Serinen, S-Adenosylmethioninen, eine adaptierte mediterrane Diät und der Austausch der Darmbakterien. Neben der Darmflora beeinflussen aber auch psychische Störungen oder Emotionen selbst unser Ess-
verhalten. Lisa Maier vom Max-Planck-Institut in München beschreibt achtsamkeitsbasierte Interventionen beim Essverhalten, die das Hunger- und Sättigungsgefühl wiederherstellen helfen, das Risiko für übermässige Kalorienzufuhr verringern und das Essen aus Langeweile, Frust oder Einsamkeit verringern, also einem Essen, das nicht auf Hunger basiert, sondern durch unbefriedigte Bedürfnisse oder Emotionen zustande kommt (Seite 13ff.). Wenig bekannt ist auch das von Silvia Wilhelmi beschriebene Insulin-Purging, welches ein gestörtes Essverhalten bei Typ-I-Diabetikern bezeichnet, die sich weniger Insulin verabreichen, um Gewicht abzubauen (Seite 20 ff.). Für Ernährungsberater sind dies herausfordernde Beratungssituationen. Shima Wyss vom Kompetenzzentrum für Essstörungen am Spital Zofingen AG wendet speziell die systemisch lösungsorientierte Ernährungsberatung an (Seite 15 ff.). Gewichtszunahmen sind in der Psychiatrie allerdings sehr häufig, auch durch Psychopharmaka und ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Interaktionen bedingt. Prof. Helena Jenzer von der Berner Fachhochschule Gesundheit und der Psychiatrischen Universitätsklinik beschreibt diese schwierige Thematik in ihrem fundierten Beitrag auf Seite 22 ff.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Prof. Dr. med. Undine Lang
Prof. Dr. med. Undine Lang Klinikdirektorin der ErwachsenenPsychiatrischen Klinik EPK Ordinariat Psychiatrie der Universität Basel E-Mail: undine.lang@upkbs.ch
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2017 1