Transkript
NAHRUNGSMITTELINTOLERANZEN UND -UNVERTRÄGLICHKEITEN
Ernährungsberatung bei Kindern mit Nahrungsmittelallergien
Ein Plädoyer für eine individuelle Ernährungstherapie
Daniel Gianelli1, Julia Eisenblätter2
Daniel Gianelli
Nahrungsmittelallergien bei Kindern sind häufig und können zu einer verminderten Lebensqualität und einem schlechten Ernährungsstatus führen. Anhand eines Fallbeispiels aus der Praxis wird die Rolle der Ernährungsberatung in der Diagnostik und Therapie der Nahrungsmittelallergie bei Kindern aufgezeigt. Handlungsbedarf besteht derzeit vor allem in der Weiterbildung der Ernährungsfachpersonen und in der Forschung zur Wirksamkeit der Ernährungsberatung.
Julia Eisenblätter
1 Hochgebirgsklinik Davos BSc in Ernährung und Diätetik 7265 Davos Wolfgang 2 Dozentin Berner Fachhochschule Murtenstrasse 10, 3008 Bern
Eine Allergie ist eine durch immunologische Mechanismen hervorgerufene Überempfindlichkeitsreaktion (1). Die World Allergy Organisation (WAO) schätzt die Inzidenz von Nahrungsmittelallergien bei Kleinkindern auf 5 bis 8 Prozent (2). Häufig sind in dieser Altersgruppe Grundnahrungsmittel wie Kuhmilch, Hühnerei und Weizen oder schwer zu meidende Lebensmittel wie Erdnuss oder Haselnuss Auslöser von allergischen Reaktionen (3). Die wichtigste Therapie der Nahrungsmittelallergie ist das konsequente Meiden der allergieauslösenden Substanzen (4). Eine unbegleitete Karenz über Monate oder gar Jahre kann jedoch zu Nährstoffdefiziten und zu einem schlechten Ernährungsstatus führen (5, 6). Das Weglassen und Ersetzen der Nahrungsmittel bedeutet für die Familien zudem einen grossen Mehraufwand und ist mit der Angst vor unbeabsichtigten Kontaminationen verbunden, insbesondere wenn es mehrere oder
schwer zu meidende Lebensmittel betrifft. Dies kann die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien signifikant einschränken (7). Daher ist bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie eine seriöse Allergiediagnostik gemäss den Leitlinien die Voraussetzung für eine Karenz (4, 8). Nach gesicherter Diagnose helfen den Familien und Bezugspersonen klare Empfehlungen und eine gute Beratung bei der praktischen Umsetzung der therapeutischen Kost. Sowohl bei der Diagnostik als auch in der Therapie bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen einer allergologisch erfahrenen Ernährungsfachperson und dem behandelnden Allergologen (Abbildung 1). Der folgende Fall soll beispielhaft einen Einblick in diese Zusammenarbeit und die Rolle der Ernährungsberatung bei Kindern mit Nahrungsmittelallergien geben.
Ausgangslage
Abbildung 1: Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien. Zusammenarbeit zwischen Arzt (rot) und allergologischer Ernährungsfachperson (grün) (9) 16 SZE 1|2016
Ein Junge (2 Jahre 4 Monate) mit atopischer Dermatitis kommt für einen stationären Aufenthalt für fünf Wochen in die Hochgebirgsklinik Davos. Nach einem Aufenthalt in einer anderen Klinik ein Jahr zuvor waren Weizen, Hühnerei und Kuhmilch aus der Ernährung des Kindes eliminiert worden, da spezifische IgE-Antikörper gegen diese Lebensmittel im Blut gefunden worden waren. Die Einschränkungen durch die Karenz wurden von der Mutter als grosse Belastung empfunden und führten zu einem Verlust der Lebensqualität der Familie. Der Junge hatte seit dem Beginn der Karenz einen schlechten Appetit und verlor an Gewicht. Beim Eintritt in die Klinik lagen Gewicht und Grösse unterhalb der dritten alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile. Ziel war es, die klinische Relevanz der im RAST-Test ermittelten Sensibilisierungen während des Klinikaufenthalts zu überprüfen, damit der Junge langfristig wieder ein dem Alter entsprechendes Gewicht erreichen kann und die Familie weniger belastet ist.
NAHRUNGSMITTELINTOLERANZEN UND -UNVERTRÄGLICHKEITEN
Anamnese
Als erster Schritt der Diagnostik erfolgte eine Anamnese durch eine Allergologin und einen allergologisch erfahrenen Ernährungsberater. Dabei stellte sich heraus, dass der Junge weiterhin Roggen gegessen und diesen gut vertragen hatte, was eine Weizenallergie ausschloss. Ausserdem hatte er vor dem Start der Eliminationsdiät Kekse, Nudeln, Brot und Kuchen, welche Hühnerei und Milch enthielten, gegessen, ohne darauf zu reagieren. Lediglich nach dem Kon-
sum eines Rührkuchens hatte er einmal erbrochen. Trotzdem wurde vermutet, dass er Weizen und eventuell Kuhmilch sowie Hühnerei in gebackener Form verträgt.
In-vivo- und In-vitro-Tests
Von der Allergologin wurden aufgrund der Anamnese erneut die Messung spezifischer IgE-Antikörper und ein Prick-zu-Prick-Test angeordnet. Im Blut des Jungen wurden die Antikörper auf spezifische Allergene in der Kuhmilch, dem Weizen und dem Hühnerei bestimmt. Die so festgestellten Sensibilisierungen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Für den Prick-zu-Prick-Test wurde das native Lebensmittel mit einer Lanzette auf die Haut der Innenseite des Unterarmes geprickt. Nach 20 Minuten wurde die Reaktion im Vergleich zu einer Positivkontrolle mit Histamin und einer Negativkontrolle mit Kochsalz abgelesen. Im Prick-zu-Prick-Test reagierte der Junge auf die in Tabelle 2 aufgeführten Lebensmittel.
Provokation
Abbildung 2: Gewichtsverlauf des Kindes während des Klinikaufenthalts
Tabelle 1:
Auswertung der spezifischen IgE-Antikörper-Messung
Allergene Kuhmilch • Alpha-Laktalbumin • Beta-Laktoglobulin • Casein Weizen • Weizenmehl • Gluten • Tri a 19 Hühnerei • Gal d 1
kU/l
2,50 3,95 6,85
25,6 16,3 0
5,55
Bewertung
Schwach positiv Positiv Positiv
Stark Positiv Positiv Negativ
Positiv
Tabelle 2:
Reaktionen im Prick-zu-Prick-Test
Lebensmittel Kuhmilch Pasteurisierte Milch Gekochte, pasteurisierte Milch Weizen Weizenweissmehl Hühnerei Rohes Hühnereiklar Gekochtes Hühnereiklar Gekochtes Hühnereigelb
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Grösse Bewertung
8 mm 6 mm
Sehr stark positiv Stark positiv
6 mm
Stark positiv
13 mm 11 mm 11 mm
Sehr stark positiv Sehr stark positiv Sehr stark positiv
Da diese Tests lediglich die Sensibilisierung auf bestimmte Nahrungsmittelallergene, nicht aber deren klinische Relevanz nachweisen können und das Kind anamnestisch nicht klar reagiert hatte, wurden anschliessend offene orale Provokationen unter medizinischer Überwachung durchgeführt. Die Provokationen wurden vom Ernährungsberater geplant und vorbereitet. Als Erstes wurden die Allergene des Weizens getestet. Hierfür wurde Glutenpulver in einen allergenarmen Brei (Sinlacbrei®) gerührt und dem Jungen in grösser werdenden Portionen verabreicht. Die kumulierte Menge entsprach etwa der Menge Gluten in einem halben Brötchen. Der Patient zeigte keine Reaktion. Ein paar Tage später wurde Gluten in Form einer altersentsprechenden Portion Weizennudeln provoziert. Auch bei dieser repetitiven Provokation reagierte der Patient nicht. Um die klinische Relevanz der Hühnerei-Sensibilisierung auf gebackenes Hühnerei in einer oralen Provokation zu testen, wurden Muffins nach einem Rezept von Leonard et al. (2015) gebacken (10). Die Portionengrösse wurde von einem Achtel bis hin zu einem halben Muffin gesteigert. Insgesamt nahm der Junge während der Provokation etwa ein halbes gebackenes Hühnerei (25 g) zu sich, ohne darauf zu reagieren. Als Letztes wurde Kuhmilch provoziert. Hierfür wurde die pasteurisierte Milch zunächst auf die Lippe gestrichen und dem Jungen dann in sehr kleinen Portionen zum Trinken gegeben. Letztere wurden schrittweise erhöht, aber bereits bei einer kumulierten Menge von 4 ml kam es zu einer perioralen Rötung. Daher wurde die Provokation mit pasteurisierter Milch abgebrochen. Nach dem Abklingen der Rötung wurde ein weiterer Versuch mit gekochter, pasteurisierter Milch unternommen. Diesmal reagierte der Junge bei einer kumulierten Menge von 16 ml mit einem perioralen Juckreiz sowie einem rot-fleckigen Exanthem. Seine Vitalwerte blieben stabil.
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Therapeutische Kost
Aufgrund der Ergebnisse der oralen Provokation nahm der Ernährungsberater in Absprache mit der Allergologin Weizen wieder in den Speiseplan des Jungen auf. Der Junge ass während des restlichen Klinikaufenthalts regelmässig Lebensmittel, die Weizen enthielten, ohne darauf zu reagieren. Dadurch verbesserte sich sein Appetit, und er nahm bis zu seinem Austritt um 0,3 kg zu (Abbildung 2). Nach der Kuhmilch- und Hühnereiprovokation gegen Ende des Klinikaufenthaltes empfahl der Ernährungsberater, sowohl gebackenes Hühnerei als auch gebackene Kuhmilch zu Hause in kleinen Mengen in den Speiseplan aufzunehmen. Die Kuhmilch wurde eingeführt, da der Junge in der Provokation kleinere Mengen gekochter, pasteurisierter Milch vertragen hatte. Ausserdem waren bei dem Jungen keine systemischen Reaktionen bekannt. Er reagierte nur mit der Haut. Die regelmässige Gabe von gebackenen Hühnerei- und Kuhmilchprodukten kann die Toleranz sogar erhalten und weiter fördern (11, 12). Reines Hühnerei und pure Milch- und Milchprodukte waren weiterhin zu meiden. Lebensmittel mit dem Hinweis «kann Spuren von Milch bzw. Hühnerei enthalten» konnten die Eltern wieder verwenden. Auf Produkte, die Milch oder Hühnerei an erster oder zweiter Stelle der Zutatenliste aufführten, sollte verzichtet werden. Selbst gebackene oder gekochte Produkte mit kleinen Mengen Milch oder Hühnerei mussten lang genug auf mindestens 180 Grad Celsius erhitzt werden und vollständig durchgegart sein. Die individuelle Lebensmittelauswahl für den Jungen ist in Tabelle 3 aufgeführt. Um den Kalziumbedarf zu decken, wurden kalziumangereicherte Hafer- oder Reisdrinks empfohlen. Es wurde vereinbart, aufkommende Fragen in einer Beratung per Telefon oder E-Mail zu klären. Zwei Monate nach dem Klinikaufenthalt teilte die Mutter dem Ernährungsberater per E-Mail mit, dass es dem Jungen gut gehe und er weitere 1,5 kg zugenommen habe. Er freue sich über alles, was er essen dürfe, und probiere alles, was er noch nicht kenne. Für die Mutter habe sich im Alltag vieles verändert, da sie viel mehr Zutaten zum Kochen habe und mehr Abwechslung hineinbringen könne. Die klinische Relevanz der Hühnerei- und Milchallergie soll ein Jahr später mittels einer erneuten Provokation reevaluiert werden, da Kinder mit der Zeit häufig eine Toleranz hinsichtlich dieser Lebensmittel entwickeln (4).
Diskussion
Der präsentierte Fall zeigt auf, wie durch die enge Zusammenarbeit zwischen Allergologen und Ernährungsfachperson die Lebensmittelauswahl des Kindes erweitert werden konnte und sich dadurch sein Ernährungsstatus verbesserte. Während die Ernährungsberatung in der Therapie einen festen Stellenwert hat, ist ihre Rolle in der Diagnostik unklar. In der Hochgebirgsklinik Davos wird, wie der vorliegende Fall demonstriert, zusätzlich zur ärztlichen Anamnese
immer auch eine Ernährungsanamnese durch einen Ernährungsberater erhoben. Deren Mehrwert ergibt sich durch den anderen Blickwinkel der allergologisch erfahrenen Ernährungsfachperson auf Lebensmittel, deren Nährwert und Allergenität. Dadurch können zusätzliche Hinweise auf verträgliche beziehungsweise unverträgliche Lebensmittel gefunden und die Auswirkung ihrer Karenz auf den Ernährungsstatus beurteilt werden. Dies ist insofern wichtig, als die Anamnese bei der Diagnose der Nahrungsmittelallergie einen hohen Stellenwert hat, da sich daraus die weiteren Tests und deren Interpretation ableiten (Abbildung 1). Auch wenn die Rolle der Ernährungsberatung in der Therapie von Kindern mit Nahrungsmittelallergien nicht infrage gestellt wird, gibt es bis heute nur wenige Studien zu deren Effizienz. Diese untersuchen zudem meist nur die Verbesserung des Ernährungsstatus durch die Ernährungsberatung, nicht aber deren Einfluss auf die Häufigkeit von unbeabsichtigten Reak-
Tabelle 3:
Individuelle Lebensmittelauswahl des Kindes bezüglich Hühnerei und Milch nach der oralen Provokation
Individuelle Lebensmittelauswahl bezüglich Hühnerei und Milch Achten Sie darauf, dass das Lebensmittel gut durchgegart beziehungsweise gebacken wurde. (Kerntemperatur über 97 °C beziehungsweise Backtemperatur nicht unter 180 °C.)
Gebackene Milch Geeignet Abgepackte Backwaren wie Brötchen, Muffins, Minikuchen, Kekse, Cracker und Brot mit Milch oder Milchprotein an dritter oder niedrigerer Stelle der Zutatenliste. Selbst hergestellte Backwaren (wie Brötchen, Muffins, Minikuchen oder Kekse) mit maximal 20 ml Milch pro Portion. Um sicherzustellen, dass selbst hergestellte Backwaren vollständig durchgebacken sind (nicht weich, klitschig in der Mitte), in Portionsgrösse backen (Muffin, Minikuchen, Brötchen).
Nicht geeignet Abgepackte Backwaren wie Brötchen, Muffins, Minikuchen, Kekse, Cracker und Brot mit Milch oder Milchprotein an erster oder zweiter Stelle der Zutatenliste. Selbst hergestellte Backwaren (wie Brötchen, Muffins, Minikuchen oder Kekse) mit mehr als 15 ml Milch pro Portion. Selbst hergestellte Backwaren wie Brot, Kuchen, Brownies, die nicht ganz durchgebacken sind.
Gebackenes Ei Geeignet Abgepackte Backwaren wie Brötchen, Muffins, Minikuchen, Kekse, Cracker und Brot mit Ei an dritter oder niedrigerer Stelle der Zutatenliste. Selbst hergestellte Backwaren (wie Brötchen, Muffins, Minikuchen oder Kekse) mit maximal 2 Eiern im Gesamtrezept für mindestens 6 Portionen (1 Portion ≈ ¹/3 Ei). Um sicherzustellen, dass selbst hergestellte Backwaren vollständig durchgebacken sind (nicht weich, klitschig in der Mitte), in Portionsgrösse backen (Muffin, Minikuchen, Brötchen).
Nicht geeignet Abgepackte Backwaren wie Brötchen, Muffins, Minikuchen, Kekse, Cracker und Brot mit Ei an der erster Stelle der Zutatenliste. Selbst hergestellte Backwaren (wie Brötchen, Muffins, Minikuchen oder Kekse) mit mehr als ¹/3 Ei pro Portion. Selbst hergestellte Backwaren wie Brot, Kuchen, Brownies, die nicht ganz durchgebacken sind. Vermeiden von Ei in roher und gekochter Form: • Salatdressings mit Ei • Vanillesauce mit Ei • Weiche, pochierte und hart gekochte Eier • Rühreier (auch French Toast) • Eiscreme mit Ei.
(modifiziert nach [9])
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Conseil nutritionnel chez les enfants souffrant d’allergies alimentaires
tionen und auf die Lebensqualität der Betroffenen. Eine Prä-/Post-Studie aus Italien untersuchte den Effekt von Ernährungsberatung auf den Ernährungsstatus
Mots clés: thérapie nutritionnelle individuelle – un cas chez un enfant – anamnèse – discussion
bei 91 Kindern mit Nahrungsmittelallergien im Alter zwischen 6 und 36 Monaten. Ein halbes Jahr nach der Beratung kam es zu einer signifikanten Verbesserung der
Les allergies alimentaires de l’enfant peuvent aboutir à un mauvais statut nutritionnel. Le rôle du conseil nutritionnel dans le diagnostic et le traitement de l’allergie alimentaire de l’enfant est illustré à l’aide d’un cas pratique provenant de la clinique d’altitude de Davos. Chez cet enfant, les résultats de la provocation orale ont amené à réintroduire le blé dans l’alimentation de l’enfant, en concertation avec l’allergologue. Le statut nutritionnel s’est nettement amélioré. Ce cas montre que le rôle du conseil nutritionnel est évident en ce qui concerne le traitement mais par contre peu clair en ce qui concerne le diagnostic. Actuellement, il convient surtout d’intervenir dans la formation des spécialistes de la nutrition et en matière de recherche sur l’efficacité du conseil nutritionnel.
anthropometrischen Parameter für den Ernährungsstatus (14). Zusätzlich führen neue Erkenntnisse zur Toleranzentwicklung und die molekularen Diagnosemöglichkeiten zu komplexeren Ernährungsempfehlungen, die nicht ohne weitere Beratung umgesetzt werden können. Wie im vorliegenden Fall beschrieben, reicht es nicht immer aus, ein Lebensmittel vollständig zu eliminieren, da es Hinweise gibt, dass zum Beispiel gebackene Milch oder Hühnerei die Toleranzentwicklung fördern kann (11, 12). Zudem zeigte eine Studie aus Deutschland an 80 Kindern mit Milch- und Hühnereiallergie und deren Eltern, dass sich ihre Lebensqualität durch die Spezifizierung der Diagnose mittels Provokation mit gebackenen Nahrungsmitteln verbesserte. Die Eltern berichteten, dass sie weniger nah-
rungsmittelbezogene Ängste und Pro-
bleme in ihrem sozialen Umfeld hätten, wenn die Kin-
der gebackene Produkte essen könnten (14).
Da die Ernährungsberatung von Kindern mit Nah-
rungsmittelallergien sehr umfassende Kenntnisse
über Immunologie, Allergenität von Lebensmitteln,
Interpretation diagnostischer Tests erfordert, bedarf
es einer weiteren intensiven Weiterbildung und Spe-
zialisierung in diesem Bereich. Maslin et al. (2014)
haben 797 Ernährungsfachpersonen in Grossbritan-
nien, Australien und den USA zu ihren Kompetenzen
hinsichtlich verschiedener Aspekte der Nahrungsmit-
telallergien befragt und kamen zum Schluss, dass
Weiterbildungsbedarf besteht (16). Auch in der
Schweiz gibt es bis anhin nur kurze Weiterbildungen
zum Thema Nahrungsmittelallergien für Ernährungs-
fachpersonen. Um diese Lücke zu schliessen, prüft die
Weiterbildungsabteilung der Berner Fachhochschule
(BFH) derzeit in Zusammenarbeit mit aha! Allergie-
zentrum Schweiz, ob eine Weiterbildung für ein
Certificate of Advanced Studies (CAS) in Nahrungs-
mittelallergien und -intoleranzen sinnvoll und mach-
bar ist.
Schlussfolgerungen
Die Ernährungsberatung von Kindern mit einer Nahrungsmittelallergie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen einer allergologisch spezialisierten Ernährungsfachperson und dem Allergologen. Sowohl
durch die Diagnostik als auch durch die Therapie der Nahrungsmittelallergien kann sie zur Verbesserung des Ernährungsstatus und der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien beitragen. In der Beratung sollten Karenzempfehlungen immer auf einer gesicherten Diagnose beruhen und nicht pauschal abgegeben werden. Um kompetent beraten zu können, bedarf es vertiefter Kenntnisse über Nahrungsmittelallergien. Weitere Forschung und fachspezifische Weiterbildung sind dringend nötig, um die Wirksamkeit der Ernährungsberatung im Bereich der Diagnostik und Therapie nachzuweisen und zu fördern.
Korrespondenzadresse: Daniel Gianelli Leiter Gastronomie und Ernährungstherapie Herman-Burchard-Strasse 1 7265 Davos Wolfgang E-Mail: daniel.gianelli@hgk.ch
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