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Tomaten senken das Prostatakrebsrisiko – also doch?
Das Prostatakarzinom ist weltweit die zweithäufigste, in der Schweiz die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Wer viel Tomaten isst, könnte sein Erkrankungsrisiko um rund 20 Prozent reduzieren, wie eine neue, kürzlich im Journal «Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention» publizierte Studie berichtet (1).
Immer mehr Männer sehen sich im höheren Alter mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert. Tumoren der Prostata wachsen in der Regel langsam und verursachen oft jahrelang keinerlei Beschwerden. Die Ursache dieser Krebserkrankung ist bis heute ungeklärt. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Lebens- und Ernährungsweise – neben der erblichen Vorbelastung und dem Alter – auch eine gewisse Rolle spielen könnte. So scheint beispielsweise eine fleischarme, pflanzenreiche Kost einen gewissen präventiven Effekt zu zeigen,
Was ist Lycopin?
Der Pflanzenfarbstoff Lycopin, der zur Familie der Carotinoide gehört, kommt in roten Früchten wie Tomaten, Wassermelonen, Papayas und rosa Grapefruits vor. Der fettlösliche Farbstoff schützt Pflanzen und Mikroorganismen vor den schädlichen Auswirkungen freier Radikale, die durch die UV-Strahlung des Sonnenlichts sowie durch Sauerstoff und Umweltfaktoren entstehen. Unter den Carotinoiden ist Lycopin eines der stärksten Antioxidanzien. Es wird vom Organismus leicht resorbiert und lässt sich im Plasma und in Geweben nachweisen. In hohen Konzentrationen findet es sich auch in der Nebennierenrinde, Leber, den Hoden und der Prostata. In verschiedenen epidemiologischen Studien konnte eine lycopinreiche Ernährung nachweislich mit einem signifikant niedrigeren Risiko für bestimmte Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden. Dazu gehören Krebserkrankungen wie das Prostatakarzinom, aber auch degenerative Netzhauterkrankungen wie Katarakt oder Makuladegeneration sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
wie verschiedene Studien der letzten Jahre gezeigt haben.
Effekte der Ernährungsempfehlungen auf das Prostatakarzinomrisiko
In der von Vanessa Er und Mitarbeitern veröffentlichten Studie wurden erstmals die eher allgemein formulierten Ernährungsempfehlungen zur Krebsprävention – fünf Portionen Gemüse und Früchte pro Tag, weniger stärkereiche und mehr Vollkornprodukte – einer Ernährung gegenübergestellt, die gezielt auf solche Mikronährstoffe ausgerichtet ist, die in verschiedenen Studien mit einem reduzierten Prostatakarzinomrisiko in Zusammenhang gebracht wurden, nämlich lycopinreiches Gemüse (Tomaten), Selen und Kalzium. In der Untersuchung wurden Ernährung und Lebensstil von insgesamt 20 000 britischen Männern im Alter von 50 bis 69 Jahren daraufhin analysiert. Unter den Studienteilnehmern waren 1800 bereits an einem Prostatakarzinom erkrankt, die übrigen rund 12 000 Probanden waren zum Zeitpunkt der Untersuchung gesund.
Mehr Krebsschutz durch pflanzenreiche Kost
Die Studie ergab, dass Männer, die jede Woche mehr als 10 Portionen Tomaten in frischer oder verarbeiteter Form (Tomatensaft oder Gerichte mit Tomatensauce) zu sich nahmen, ein um 18 Prozent geringeres Prostatakrebsrisiko aufwiesen. Der Verzehr der empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag konnte das Erkrankungsrisiko – im Vergleich zu zwei-
einhalb oder weniger Portionen – um 24 Prozent reduzieren. Eine lycopinreiche Kost könnte also bei der Prävention von Prostatakrebs möglicherweise doch eine wichtige Rolle spielen. Frühere Studien haben bereits über ein mögliches Krebspräventionspotenzial von Lycopin berichtet (2), allerdings gab es auch immer wieder Studien, die den Einfluss von Lycopin auf das Krebsrisiko nicht belegen konnten. Die Autoren fordern daher zu Recht weitere klinische Studien, um ihre Daten zu bestätigen. Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Forscher auch den Einfluss des Körpergewichts (BMI) auf das Prostatakrebsrisiko. Dabei stellten sie fest, dass die hohe Zufuhr pflanzlicher Nahrung, also von Früchten und Gemüse (inklusive Tomaten), den weitaus grössten präventiven Effekt auf das Krebsrisiko hat. Der Einfluss von Selen und Kalzium liess sich in dieser Studie nicht bewerten, da die Zufuhrangaben der Studienteilnehmer offenbar unvollständig waren, wie die Autoren berichten. Dennoch empfehlen sie, pro Tag nicht mehr als 1500 mg Kalzium aufzunehmen, da das Prostatakar-zinomrisiko durch höhere Kalziumdosen möglicherweise ansteigt.
Claudia Reinke
Literatur: 1. Er V, J Athene Lane, RM Martin et al. Adherence to dietary and lifestyle recommendations and prostate cancer risk in the Prostate Testing for Cancer and Treatment (ProtectT) Trial; Cancer Epidemiol Biomarkers Prev, 2014, doi:10.1158/1055–9965.EPI-14-0322. 2. Giovannucci E, A review of epidemiologic studies of tomatoes, lycopene, and prostate cancer; Exp Biol Med (Maywood) 2002; 227: 852–859.
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