Transkript
ERNÄHRUNG UND STOFFWECHSELERKRANKUNGEN BEI KINDERN
Übersicht über die speziellen Diätprodukte (FSMP) in der Schweiz
Die Ernährungstherapie angeborener Stoffwechselstörungen ist auf zahlreiche krankheitsspezifische Diätprodukte angewiesen. Erstmals wurde im Jahr 1953 von Bickel in England eine spezielle Diät für die Behandlung der Phenylketonurie zusammengestellt und erfolgreich eingesetzt. Seither haben sich diese Produkte in Zusammensetzung, Geschmack und Anwendbarkeit wesentlich verbessert. So werden heute von zahlreichen Firmen Lebensmittel (Food) für spezielle medizinische Zwecke (Purposes), abgekürzt FSMP (Foods for Special Medical Purposes), angeboten. Diese müssen in der Schweiz durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugelassen, das heisst notifiziert werden.
Da bei den meisten Kindern die Invalidenversicherung (IV) bis zum Alter von 20 Jahren für die Behandlung der angeborenen Stoffwechselstörungen Kostenträger ist und nachher die Krankenkasse die bisherige Behandlung im Rahmen der Grundversicherung nach Art. 35 KVV übernehmen muss, hat die Schweizer Gruppe für Inborn Errors of Metabolism (SGIEM) zusammen mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) eine Liste der speziellen Diätmittel und Medikamente bei Stoffwechselerkrankungen gemäss GbV zusammengestellt und im Anhang 2 der Kreisschreiben für medizinische Eingliederungsmassnahmen (KSME 16–23) publiziert: www.bsv.admin.ch./vollzug/documents/ view/3948/lang:deu/category34 Als Beispiel sind die Produkte für die Störungen im Kohlehydrat- und Fettsäurestoffwechsel sowie diejenigen im Stoffwechsel der Aminosäuren und organischen Säuren dargestellt. Für Patienten im höheren Schulalter und in der Berufsausbildung, die sich am Mittag auswärts verpflegen, sind sogenannte portionierte Diätmittel limitiert zugelassen, die zu den auswärtigen Mahlzeiten zubereitet und
eingenommen werden können (siehe KSME 20–21). Diese Produkte, besonders wenn sie als Eiweissersatz dienen, wie auch einzelne Medikamente, können recht teuer sein und werden von der IV oder der KK übernommen. Eine besonders strenge Diät ist bei manchen Krankheiten insbesondere während einer Schwangerschaft durchzuführen, um das Kind nicht durch einzelne toxische Stoffwechselprodukte zu gefährden. Weitere anerkannte spezielle Lebensmittel oder Produkte, die für eine Diät notwendig sind, sind in der Liste der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) des BAG zusammengestellt: www.blv.admin.ch/themen/04678/04817/ 04818/04827/-index. html?lang=de Sie werden teilweise übernommen (von der IV grosszügiger, von der KK meist restriktiv). Auf der Liste nicht aufgeführte Produkte müssen von den Eltern übernommen werden, so wie die Kosten für die Ernährung eines gesunden Kindes. Die sogenannte GGML (Geburts-Gebrechen-Medikamenten-Liste) wurde geschaffen um eine gemeinsame Liste zu haben, die die zulässigen und vergütbaren Produkte für die Abrechnung sowohl über die IV wie auch die KK enthält. Diese Liste ist zurzeit noch sehr unvollständig, soll aber verbessert werden. Nach Art. 27 KVG und Art. 35 KVV muss die KK bei Patienten mit angeborenen Leiden die therapeutischen Massnahmen, die von der IV bezahlt werden, nach dem 20. Lebensjahr in der Grundversicherung übernehmen, sodass die GGML eigentlich nur mehr wenig Bedeutung hat.
Orphan Diseases Seltene Stoffwechselstörungen werden auch als Orphan Diseases bezeichnet. Für solche Krankheiten gibt es auch eine spezielle Liste der Medikamente und Substanzen, die bei solchen Krankheiten eine therapeutische Bedeutung haben:
www.swissmedic.ch/arzneimittel/00156/ 00221/ 00222/00223/00232/index.html?lang= de oder http://de.wikipedia.org/wiki/Orphan-Arzneimittel. Sowohl die europäische als auch die schweizerische Liste wird übernommen oder sollte von der IV wie auch der KK übernommen werden, auch wenn die einzelnen Produkte in der Schweiz nicht oder noch nicht modifiziert oder bei Swissmedic registriert sind. Für die Anwendung der genannten Diätmittel und Medikamente gilt und muss gelten, dass sie nur von Stoffwechselexperten verordnet werden dürfen. Als Kompetenzzentren für Kinder mit solchen Störungen gelten in der Schweiz die Universität-Kinderkliniken Zürich, Lausanne und Bern, die meist mit den anderen Kinderkliniken in der Betreuung dieser Patienten vernetzt sind. Für die Erwachsenen bestehen ebenfalls spezielle Expertengruppen an den Universitätskliniken und grösseren Kantonsspitälern, die meist in Zusammenarbeit mit den Pädiatern diese Patienten übernehmen und weiterbetreuen. Mit diesem Beitrag möchten wir auf die Vielfalt der krankheitsspezifischen Diätmittel zur Behandlung angeborener Stoffwechselstörungen hinweisen, die in Zusammenarbeit der SGIEM mit dem BSV in den vorliegenden Tabellen ausgearbeitet wurden und auch in Zukunft regelmässig angepasst werden sollen. Sie stellen für die Behandlung dieser Patienten eine wichtige und wertvolle Hilfe für die Ernährungsberatung und den Arzt dar.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Kurt Baerlocher RAD Ostschweiz SVA St. Gallen E-Mail: kurt.baerlocher@sunrise.ch
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